Der Therapeut als Vaterfigur

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Shukria
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 06:16

Mhm... Mann kann auch Phantasien zu Ende durchspinnen im Kopf.

Ich wollte bei meiner ersten Therapeutin auch das sie mamaersatz wird und sie sagte immer, ich bin nicht ihre Mutter. Das hat bei den Emotionen gar nichts geholfen.

Irgendwann hab ich mir einen Tag genommen und das wirklich imaginiert... Sie nimmt mich als Tochter an, ich ziehe bei ihr ein wir haben Alltag zusammen... alles war toll und dann kippte es. Wir haben Alltag zusammen, sie ist nicht mehr die wohlwollende, alles Verstehens Therapeutin sondern sie ist genervt das ich den Spüli nicht ausgeräumt habe, sie geht mir auf die Nerven weil ich sagen soll wo ich hingehe und wann ich wieder komme....

Und plötzlich war dieser jahrelange Wunsch sie möge mich doch bitte adoptieren weg. Von einem auf den anderen Moment.
Nee keinen Bock auf so nen Eltetn/Kind Stress... Der da mit dazugehört, zum Glück bin ich erwachsen und hab meine eigenen 4Wände. Schlagartig was sich in 3/4Jahreb Gesprächen mit ihr nicht gelöst hat, hat das radikale und emotionale Reinversetzen geschafft - ganz ohne sie. Der Wunsch kam danach auch nie wieder.

Wirklicher Vaterersatz würde nicht nur das positive an Versorgung der kindlichen Gefühle mitbringen, sondern auch ein Stück Entmündigung der Erwachsenen.

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Joa
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 06:37

Kurz noch zum Thema Schönheit - ich hatte mal eine Bekannte, die wirklich unfassbar schön war. Ich würde mich selbst durchaus als hübsch bezeichnen, aber sie war wie von einem anderen Stern. Zuerst dachte ich, dass das erstrebenswert wäre.

Erst, als wir mal zusammen unterwegs waren - nicht abends in Bars, sondern einfach tagsüber auf der Straße, habe ich mitbekommen, was für eine Bürde das sein kann. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sie alle 10 Minuten von Kerlen angequatscht wurde. Angestarrt wurde sie in einer Tour, von Männern bewundernd, von Frauen eher mit Missgunst und Neid.

Und sie fand das äußerst unangenehm. Ich hab schnell verstanden, wieso. Es klingt nach Klischee, aber sie wurde tatsächlich dermaßen auf ihr Äußeres reduziert, dass sie als Mensch unterging.

Das ist natürlich ein Extrembeispiel, aber ich kann sehr wohl nachvollziehen, dass das unangenehm sein kann. In meinen sportlichsten Zeiten wurde ich auch sehr viel angeklotzt und es hat mich schnell genervt.

Zum Thema Vater - das ist auch mein Thema und meine Therapeutin meinte dazu mal, auch explizit auf Attraktivität und ältere Männer bezogen "Sie SIND nunmal kein Kind mehr, Sie sind eine Erwachsene Frau, Punkt! Das lässt sich in der Form nicht mehr richtig nachholen."

Und dass ich eben auf Männer auch so rüberkomme, als Erwachsene Frau.

So ist es - ich bin kein Kind mehr, du auch nicht, Naturisk. Und wir werden von erwachsenen Männern schlichtweg auch nicht als solches betrachtet. Auch wenn ich den Wunsch mehr als gut nachvollziehen kann. Ich weiß, wie weh das tut.

Was das Zittern angeht - falls du darüber nachdenkst, das anzusprechen... Für mich persönlich empfinde ich es als Ausdruck des Respekts und des Wahrens der Grenzen meines Gegenübers, solche Dinge nicht unbedingt anzusprechen. Naja, falls es hinderlich für die Therapie wäre, natürlich schon. Sonst eher nicht.


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Natusik
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 07:16

Shukria und Joa,
eure Beiträge bringen mich zum Nachdenken, insbesondere das mit der Vorstellung, er wäre doch mein echter Vater.
Nehmen wir mal an, er würde sagen, dass er in mir eine Tochter sieht. Dann würde ich sagen: "Nein, danke. Ziel erreicht". Dieses Thema hatten wir auch mal, er meinte, ich brauche immer das, was ich nicht haben kann, weil bei mir nur dann Gefühle entstehen können, wenn ich um jemanden kämpfen muss. Und das hat damit zu tun, dass ich in der Kindheit immer um die Liebe meines Vaters auch kämpfen musste
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Joa
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 07:26

Danke, Natusik. Das wiederum ist für mich gerade ein wirklich hilfreicher Gedanke, da klingelt was.

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Natusik
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 07:34

Und das mit der Schönheit, ich denke ich sehe gut aus, aber ich bin keine überirdische Schönheit, es gibt schönere Frauen, also diese, wie ihr schreibt, besonders attraktive Frauen.
Bin schlank, seit den Geburten hab ich aber breitere Hüften und das nervt, denn sie waren auch davor breit genug, lange und volle dunkle Haare, schöne Augen, aber meinen Mund finde ich zu klein . Also, wie ihr seht, da gibt es so einiges zu meckern, hab nur nicht alles aufgezählt 😁
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peppermint patty
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 08:53

Was es auch noch zu beachten gilt, ist das Gegenüber:
Dem anderen, hier dem Therapeuten wird mittels Kampf etwas aufgedrückt, etwas was er gar nicht möchte. Das kann nie echt sein, wenn es gegen seinen Willen geschieht.
Ein echter Vater liebt sein Kind, wenn es gut läuft, freiwillig, von sich aus - aus vollem Herzen.
Ein Herz öffnet sich niemals durch Druck.
Ich denke es gilt auch nicht zu beweisen, dass man eine gute Tochter wäre - denn genau genommen hat der Vater versagt. Eigentlich müsste er beweisen, dass…

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Philosophia
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 18:08

Schönheit kann aber auch echt ein Fluch sein, sagte die Analytikerin mal zu mir, weil sie die Aufmerksamkeit der anderen da hinlenken kann, wo ich sie gar nicht haben will. Ich weiß nicht, ich will von Therapeuten nicht als attraktive Frau wahrgenommen werden - und auch meist sonst von anderen nicht. Wäre ich in der Situation gewesen, wäre ich wohl sauer geworden, Natusik. Einfach, weil ich finde, dass kindliche Bedürfnisse da sein dürfen und besprechbar sein müssen in der Therapie. Du hast ja nicht zu ihm gesagt "ich sterbe, wenn Sie mich nicht adoptieren." Insofern versteh ich nicht, was das soll - du weißt, dass du grundsätzlich ne erwachsene Frau bist. Das hinterlässt bei mir den Eindruck, dass er einfach keinen Bock auf die Übertragung und das Thema hat. Dann muss er sich aber halt nen anderen Job suchen...
Wie sollt ihr euch so angucken, warum das bei dir so intensiv ist, wenn er das auf die Weise abwürgt?
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer


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Natusik
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 18:45

Philosophia hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 18:08 Das hinterlässt bei mir den Eindruck, dass er einfach keinen Bock auf die Übertragung und das Thema hat. Dann muss er sich aber halt nen anderen Job suchen...
Also ich hatte das Gefühl auch, dass er überhaupt gar keine Lust hatte darüber zu diskutieren, dass ich ihn als Papa gerne hätte, daher auch das aus dem Fenster schauen/Schreibzeug weglegen...
Das ist bisher das einzige Thema, wo er sich komisch verhält und genau deshalb hab ich mich gestern wieder hier gemeldet, wieso ist er so stur?
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Griselda
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 19:11

Philosophia hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 18:08 Das hinterlässt bei mir den Eindruck, dass er einfach keinen Bock auf die Übertragung und das Thema hat. Dann muss er sich aber halt nen anderen Job suchen...
Sie sind doch am Ende der Therapie angelangt und haben nur noch einzelne Stunden. Da muss er doch die Übertragung auflösen, idealerweise. Und ich finde das gelingt ihm ganz gut.


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Natusik
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 19:26

Griselda hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 19:11
Sie sind doch am Ende der Therapie angelangt und haben nur noch einzelne Stunden. Da muss er doch die Übertragung auflösen, idealerweise. Und ich finde das gelingt ihm ganz gut.
Die Therapie ist seit Januar zu Ende. Ich kann weiterhin mehrere Stunden im Quartal nehmen, bei Bedarf. Nichts gelingt ihm, sonst hätte ich hier im Forum kein Thread eröffnet)
LG
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peppermint patty
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 19:33

Natusik hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 19:26
Griselda hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 19:11
Sie sind doch am Ende der Therapie angelangt und haben nur noch einzelne Stunden. Da muss er doch die Übertragung auflösen, idealerweise. Und ich finde das gelingt ihm ganz gut.
Die Therapie ist seit Januar zu Ende. Ich kann weiterhin mehrere Stunden im Quartal nehmen, bei Bedarf. Nichts gelingt ihm, sonst hätte ich hier im Forum kein Thread eröffnet)
LG
Uih, dass finde ich ziemlich harsch. Die Frage ist, ob dies wirklich seine, oder vielleicht nicht viel eher deine Aufgabe ist? Ich finde ein bisschen Eigenverantwortung durchaus angebracht, insbesondere nach Therapieende.
Was ich mich auch frage, habt ihr überhaupt mit Übertragungen gearbeitet, nicht alle Therapeuten tun dies. In den Antworten wird dies idR verallgemeinert, ohne zu hinterfragen, um welche Therapierichtung es sich handelt.

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 19:35

Shukria hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 06:16
Irgendwann hab ich mir einen Tag genommen und das wirklich imaginiert... Sie nimmt mich als Tochter an, ich ziehe bei ihr ein wir haben Alltag zusammen... alles war toll und dann kippte es. Wir haben Alltag zusammen, sie ist nicht mehr die wohlwollende, alles Verstehens Therapeutin sondern sie ist genervt das ich den Spüli nicht ausgeräumt habe, sie geht mir auf die Nerven weil ich sagen soll wo ich hingehe und wann ich wieder komme....


Naja, aber sie könnte auch die Mutter sein die dich nicht dumm anpampt und abwertet nur weil du keine Lust hast den Müll runterzubringen sondern dich freundlich daran erinnert. und die dich nicht kontrollierend nervt mit ihrem wissen wollen wo du hingehst sondern die aus aufrichtigem Interesse an dir fragt.


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Natusik
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 19:39

peppermint patty hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 19:33

Uih, dass finde ich ziemlich harsch. Die Frage ist, ob dies wirklich seine, oder vielleicht nicht viel eher deine Aufgabe ist?
Im Idealfall ist es UNSERE Aufgabe
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chrysokoll
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 19:41

Natusik hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 19:26
Die Therapie ist seit Januar zu Ende. Ich kann weiterhin mehrere Stunden im Quartal nehmen, bei Bedarf. Nichts gelingt ihm, sonst hätte ich hier im Forum kein Thread eröffnet)
LG
warum gehst du weiterhin zu einem Therapeuten, dem nach deinem Eindruck "nichts" gelingt?

Wenn du weiter Bedarf an Therapie hast, würde ich versuchen einen anderen Therapeuten mit einer neuen Verfahrensrichtung zu finden (oder natürlich eine Therapeutin) und dort bearbeiten was für dich ansteht.
Mit diesem Therapeuten scheinst du eher ungut festzustecken.

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peppermint patty
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Beitrag Sa., 17.09.2022, 19:42

Natusik hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 19:39
peppermint patty hat geschrieben: Sa., 17.09.2022, 19:33

Uih, dass finde ich ziemlich harsch. Die Frage ist, ob dies wirklich seine, oder vielleicht nicht viel eher deine Aufgabe ist?
Im Idealfall ist es UNSERE Aufgabe
Ja, im Idealfall. Aber wenn der Therapeut bereits seins zum Thema beigetragen hat, und der Patient im Kampfmodus weiterhin an diesem Wunsch festhält, ist es ab einem gewissen Punkt auch eine Frage der Akzeptanz und des Respekts vor Grenzen. Ab dem Punkt ist es deins.

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