Beitrag
So., 01.11.2020, 10:48
Das Thema ist ja für alle neu: für die "Funktionäre", die über Vorgaben entscheiden; für Therapeuten, die Geld verdienen müssen, die Patienten helfen müssen und wollen, die sich aber auch schützen wollen und müssen und auch ihre anderen Patienten schützen müssen; für die Patienten, die nicht weniger krank sind, nur weil Corona ist.
"Betrug" wäre da nicht das Erste, was mir einfiele, wenn jemand versucht, den Patienten zu helfen und dafür Geld nimmt. Auch wenn es eben nicht möglich ist, nach bewährtem (oder auch nicht...) Muster vorzugehen und zu sagen: "50 Minuten plus Vor- und Nachbereitung kosten 100,-".
Ich halte es für normal, davon auszugehen, dass Video und Telefon nicht annähernd dieselbe Qualität aufweisen wie eine persönliche Begegnung. Trotzdem sind diese Maßnahmen besser als nichts. Dafür muss im Honorar ein angemessener Gegenwert gefunden werden, selbst wenn es keinen psychotherapeutischen Lockdown gibt und die Therapeuten weiterarbeiten können. Es gibt Patienten oder Therapeuten, die sich dem Risiko nicht aussetzen wollen, und das sollte akzeptiert werden.
Ebenso wie sich das "neue" Angebot irgendwie im Honorar wiederfinden sollte, sollte auch das Kontingent der Begegnungen den Umständen angepasst werden, das heißt, es ist ebenso normal, davon auszugehen, dass 20 Telefonate, so lange sie auch dauern, nicht denselben Effekt haben wie 20 Sitzungen; dass der Patient also vermutlich mehr Stunden benötigt, als durch die Telefon- oder Videobehandlung vorgesehen ist.
Es läuft also wohl darauf hinaus, dass Therapeuten, die so etwas anbieten, auf einen Teil ihres Honorars verzichten werden müssen (es sei denn, sie bekommen irgendwelche staatliche Unterstützung, wie ein Restaurantbesitzer).
Der andere Aspekt ist, dass jeder Therapeut für sich eine Bedingungsanalyse durchführen muss; tatsächliche Begegnungen der Patienten untereinander lassen sich meist vermeiden; man kann die Abstände zwischen den Stunden vergrößern und so lange durchlüften; man kann bei geöffnetem Fenster behandeln; man kann den Abstand von Patient und Therapeut in der Stunde vergrößern - und dann muss man sich fragen, wie groß das verbleibende Risiko dann noch für beide ist. Ich halte das für vernachlässigbar, wenn man die Umstände anpasst.
Ausnahmen werden alte Menschen mit Vorerkrankungen sein, aber auch für diese Menschen könnte man dann Randstunden oder Samstagsstunden abhalten, bei denen der Kontakt zu anderen Patienten noch mehr "ausgedünnt" würde. Und wenn auch das nicht geht, dann könnte das Telefon als Notfallmedium einspringen; der Honorarausfall hielte sich in Grenzen, wenn die meisten anderen Patienten regulär in die Stunde kommen.
Analysen z. B. lassen sich nicht per Telefon oder Skype abhalten, und Therapeuten, die viele Analysanden haben, hätten ein Problem, wenn sie nicht vor Ort arbeiten könnten.