Transgenerationale Traumatisierung

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stern
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 11:37

Philosophia hat geschrieben: Fr., 18.10.2019, 11:29 indem sie sagt, sie müsse nicht verstehen. Muss auch niemand -
Eben.
aber möglicherweise geraten auch wir, die wir hier schreiben, mal in die Situation, dass wir etwas tun, was anderen schadet - sehr wahrscheinlich sogar. Und wie dann damit umgehen.
Nun wie gesagt, das sind unterschiedliche Baustellen... das Erkennen fremder Übergriffe oder Übergriffigkeiten, sagt nichts über das eigene Reflexionsvermögen aus. Ich muss auch keinen Vergewaltiger verstehe, um selbst nicht zu vergewaltigen...

Wie oft heißt es im Forum, eine psychische Erkrankung ist keine Entschuldigung... und kaum handelt jemand konsequent, dass er sich nicht damit befasst, wird das bekämpft... und derjenige "soll" eine Person, die mehr oder weniger "schädlich war" verstehen, obwohl er merkt, dass ihm das in der Vergangenheit definitiv nicht gut tat.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 18.10.2019, 11:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 11:40

Ich kann aber den Ärger über dieses "Verstehen" des Täters verstehen - ich konnte damit auch lange Zeit nix anfangen bzw. war dagegen aus den von Solage genannten Gründen. Doch dieses Verstehen jetzt ist ein anderes. Es geht hier nicht um Mitleid haben oder sich affizieren lassen. Just um das Verstehen, dass es eben nicht so simpel ist. Wenn Menschen blöde Dinge so einfach unterlassen könnten, würden sie es wohl tun. Es ist nämlich bescheuert, schädliche Dinge zu tun. Aber aus bestimmten Gründen denken eben so einige, sie müssten Dinge tun, die ihnen sinnvoll scheinen, die aber großen Schaden anrichten - und vieles davon sogar nicht mal bewusst!
Es gibt übrigens auch immer Grenzen im konsequenten Handeln - vielleicht auch deswegen, weil das Leben selbst nicht immer gleich funktioniert...
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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stern
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 11:42

Der Punkt ist, hier geht es nicht um solage... sie HAT das doch sogar exzessiv betrieben. Andere brechen Kontakte im Äußeren ab... und wenn man das legitim findet, ist es auch legitim von einem inneren Befassen mit schädlichen Subjekten Abstand zu nehmen.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 14:39

Verbietet doch auch keiner, ich verstehe diese Verteidigungshaltung hier gerade nicht. Es geht für mich hier nur um Sichtweisen. Ich für meinen Teil will zum Beispiel weder meine Mutter sehen und hören noch ihre Taten entschuldigen. Dennoch beschäftige ich mich damit, wie es dazu kommt, dass Menschen werden wie sie werden. Ich bin trotzdem über vieles sauärgerlich. Und ich werde nen Teufel tun und sagen, dass sie gar nicht hätte anders handeln können... aber egal, sie hat aber für mich vieles verbockt. Lustigerweise sagte sie einst zu mir, sie würde nichts bereuen, also heißt das auch, dass es für sie gut war. Wie kommt es also, dass Menschen für mich schlimme Dinge als gut betrachten? Und ich denke auch, dass bestimmte Dinge gut sind, die andere bestimmt als schlecht empfinden.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 14:58

Solage wird dafür aber als egoistsch tituliert, weil sie einen anderen Weg wählt.

Und eben, das kommt hinzu: Es gibt Grenzen des Verstehens. ;) Verstehen geschieht im höchstens Austausch.. geht gar nicht ohne den anderen. Alles andere ist eh hauptsächlich Projektion (also wenn man sich etwas zurecht legt und in jemanden hineinlegt, wieso jemand sich so und so verhält....)

Und auch ist die Frage, macht man das um im Kontakt mit dem anderen etwas zu ändern oder einen Kontaktabbruch aufzuheben. Hier kann es sinnvoll sein. Aber wenn man es nur für sich selbst macht (zwecks eigenem Umgang damit z.B.) UND man merkt, dass das nicht gut tut, wird es sinnvoll sein, das zu unterlassen. Und wie gesagt: Projektionen lassen eh grüßen, wenn man sich nicht wirklich (live und in Farbe) mit der betreffenden Person auseinandersetzt. Ich habe schon gehört, dass ich hier empathisch bin (Nachvollziehbarkeit des anderen, im Austausch), aber ich habe auch Grenzen, die schon auch davon abhängen, wie jemand mit mir umgeht und wie nahe mir jemand steht. Daher wundern mich manche Sichtweisen.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 15:52

sagt doch nicht jeder, dass sie egoistisch ist, bzw. nicht jeder tituliert sie so. Ich finde es zum Beispiel nicht egoistisch - nur für mich selbst fänd ich es nicht besonders hilfreich, weil es m.E. das OpferTäterDenken festigt.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 16:12

Nun, und andere finden es nicht unbedingt hilfreich, sich (zu sehr) in übergriffige Hirne einzudenken... und haben auch driftige Gründe. Hier wird jeder seinen eigenen Umgang einen müssen. Schade, dass ein Großteil des Threads der Wartung zum Opfer fiel...

Wenn man einen Übergriff als solchen erkennt und benennt, bedeutet das ja auch wirklich nicht, dass man in einer Täter-Opfer-Denke mit Abspaltungen und was weiß ich gefangen ist. Ich finde es jedenfalls sehr normal, dass es Grenzen gibt, sich in andere einzudenken. Und was es ja auch gibt: Wer Verständnis/Verstehen fordert ist nicht automatisch der, der es auch für andere auch gleichermaßen aufbringen würde.

Ich denke, wenn man wissen will, warum sich jemand so und so verhalten hat, bleibt nicht viel als sich mit dem übegriffigen Menschen in echt auseinanderzusetzen. Und ob es dann Antworten gibt, ist eine andere Sache...
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 16:23

Menno, ich habe mehrfach gesagt, dass ich es ablehne, mich in irgendwen reinzudenken, mich affizieren zu lassen oder sonst was... darum gehts mir überhaupt nicht. Mir geht es um ein Daraufschauen mit großem Abstand... das ist jetzt das letzte Mal, dass ich das schreibe. Wenn du daraus wieder ein 'sich hinein versetzen' machst, bin ich aus diesem Thread echt raus.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 16:32

??! Ich habe nicht deine Sichtweise umgeschrieben, sondern von anderen Menschen geschrieben.

Wie soll Verstehen eines anderen Menschen funktionieren ohne sich (zumindest ein Stück weit) einzudenken oder bzw. zu -fühlen? Das erfordert aus meiner Sicht Empathie, die natürlich in verschiedenen Abstufungen gibt UND einen direkten Austausch mit der Person. Alles andere wäre (aus meiner Sicht) eh höchstens das, was man in jemanden legt.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 17:01

Empathie geht aber auch mit Abstand, ohne dass man gleich von dem anderen affiziert sein muss. Und natürlich wäre der direkte Austausch für besseres Verstehen angezeigt, aber es braucht nicht unbedingt das Verstehen der Einzelperson, um zu verstehen, dass der Mensch durch individuelle Umstände und Geschichte zu dem wird, was er ist.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 17:19

Bei z.B.Täteridentifikation (die auch bei transgeneratinaler Traumatisierung häufiger ein Thema ist) gibt es evtl. Anteile, die Täterverhalten zumindest unbewusst verstehen. Aber selbst hier sind m.W. empathische Prozesse beteiligt (wenn auch mehr oder weniger erzwungenermaßen).

Das war jedenfalls der einzige Grund für meine Wortwahl, weil mir ein Verstehen ohne Empathie fremd ist... und ebenso Empathie ohne zumindest ein Stück weit Perspektivenübernahme. Ich könnte das jedenfalls tatsächlich nicht ohne die Schotten zumindest etwas aufzumachen (und etwas in mich hineinzulassen).

Es gibt jedenfalls auch Patientengruppen, die (vielleicht gerade weil es mal nötig war) von Haus auf zu sehr beim anderen sind... und das zu erkennen und dann versuchen Abstand zu nehmen und mehr bei sich zu bleiben, kann auch ein Fortschritt sein (im Sinne einer Loslösung von unguten Bindungen)
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 17:31

Es ist generell auch im Normalfall für den anderen nicht von Vorteil, wenn einer zu nah dran bzw. gar drin ist. Im Gegenteil kann dieses zwanghafte Nahdransein als sehr beklemmend, klebrig und invasiv erlebt werden. Wenn ein gesunder Abstand da ist, ist auch ein empathisches Betrachten möglich, ohne darunter zu leiden.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 18:25

Ja, zu nah ist sicherlich nichts... kann für beide unangenehm sein.

Aber ein bisschen wird man die Schotten aufmachen müssen, wenn man etwas oder jemanden verstehen will, würde ich sagen... selbst wenn das auf eine intellektuelle Ebene beschränkt bleibt.

Klar, historische Hintergründe man berücksichtigen (zB Schläge waren zu der Zeit auch in der Schule üblich). Aber hier bleibt wieder ein Stückweit fraglich, ob das überhaupt im Einzelfall prägend war. Und vielleicht machten ja manche die Erfahrung, dass äußere Umstände in der Herkunftsfamilie sehr wohl als Entschuldigung für Täterverhalten herangezogen würde ("so war es halt damals"... wie als ob Übergriffe dann zwingend sind). Und dementsprechend unaufgeschlossen stehen sie dem heute gegenüber. Oder was es sicherlich auch gibt: Das Verstehen mit fortgesetzter Täterloyalität verwechselt wird (und gar nicht so produktiv ist).

Selbst bei den eigenen Psychomacken ist es nicht so, dass ein Therapeut diese nicht ohne weiteres verstehen und auf dem Silbertablett servieren kann. Wenn jemand im Vollsuff die Hauswand besprüht, ist das meist noch eher verstehbar als wenn ein nach außen unauffällig erscheinender Familienvater sein Kind missbraucht. Hierfür gibt es dann auch auch spezielle Psychiater und Profiler, die sich damit befassen. Ich finde es jedenfalls sehr angemessen, wenn man hier für sich Grenzen definiert... was sind nichts mit Egoismus zu tun hat.
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 18:37

Nö, das ist nicht egoistisch, finde ich auch.
Ich meine aber, dass es auch wichtig ist zu verstehen, dass nicht alles verstehbar ist, aber nicht daraufhin ein allgemeingültiges Urteil gefällt werden kann. Ich schließe es daraus, dass ich auch für andere seltsame Dinge tue, die vielleicht nur für mich verständlich sind, aufgrund meiner Geschichte - die sind jetzt zum Glück nicht so, dass sie meinen Mitmenschen grundsätzlich schaden, aber es könnte doch sein - ich sehe es auch als Glückssache an, dass ich nicht gewisse Dinge tue, wie sie mir in die Wiege gelegt wurden. Und mit manchen Dingen werde ich meine Mitmenschen mindestens nerven. Damit will ich sagen - ich glaube, es ist ein schmaler Grat mit der Entwicklung von ungünstigem Verhalten
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Beitrag Fr., 18.10.2019, 18:43

Du verstehst also keine Mathematik Stern? Oder fühlst Du mit den Zahlen mit?

Bei dem Thema transgenerationale Traumatisierung geht es ja weniger darum die einzelnen Menschen zu verstehen als mehr darum die Zusammenhänge zu verstehen.

Also zB. um die Frage warum wird jemand der im Jahre 1980 geboren ist noch immer von Kriegserlebnissen die er selbst NIE erlebt hat beeinflusst und belastet? Warum überdauern die Folgen mehrere Generationen? Was macht Gewalt und Krieg und Hunger mit Menschen und welche Auswirkungen hat das auf ihre Kinder und Kindeskinder?

Die Geschichte der eigenen Familie kennt man eben meist am Besten, weshalb man natürlich auch da am ehesten drauf schaut in Bezug auf das Thema, ich kann mir aber letztlich auch jede andere Familie ansehen und dazu Betrachtungen anstellen.

Und im Grunde ist es ja auch logisch: Wenn jemand nur "Angst und Schrecken" kennt (und das meint jetzt nicht nur Krieg sondern jedwelche Form von Gewalt und Ohnmacht), da eh kaum eine Chance hat dagegen anzukommen, es keine Hilfe gibt, WAS soll so jemand machen um damit klarzukommen? Irgendwo muss das erlebte ja "hin". Und entweder richtet der Mensch es dann nach innen (was aber auch Auswirkungen auf sein nahes Umfeld hat) oder aber er schafft das nicht und gibt es an sein Umfeld "weiter" indem er es wiederholt. Problemumverteilung weil eine Problemlösung kaum denkbar oder auch faktisch unmöglich ist weil es keine Hilfe gibt für das Problem.

Um das zu begreifen muss ich mich wirklich nicht mit irgendwem "hinsetzen" und fühlen, was der fühlt. Das gelingt mir auch auf abstrakterem Wege. Da muss ich letztlich nur 1+1 zusammenzählen, mehr nicht.

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