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Mo., 30.01.2017, 21:42
Ich glaube, die "Beziehung zum Therapeuten" ist "Thema Nr.1" für Patienten in der Psychotherapie, wenn man sich hier so umguckt, und die Entdeckung der Übertragung durch Freud spricht ja für sich. Es sind ganz allgemein jene inzestuösen Beziehungstypen, in denen diese Übertragungen offenbar notorisch sind, und deretwegen "der Gesetzgeber" schon seit langem ein strenges Abstienzgebot verordnet hat in dem Strafparagraphen des "Mißbrauchs von Abhängigen" (BRD - aber in Kakanien und um den Röschtigraben rum sind die Vorschriften fast deckungsgleich, soweit ich weiß).
Umgekehrt scheint es mir aber so zu sein, daß die Zuwendung, die der Patient in der Therapie erfährt, zumal zu deren Beginn, wenn sich der Therapeut mitunter sehr aktiv darum bemüht, "in eine Beziehung zum Patienten" zu treten, für den Patienten oftmals eine Erfahrung ist, die bei ihm gewisse "Verdauungsprobleme" auslöst.
Das Bedürfnis nach Zuwendung ist abstrakt gesehen ein ganz normales menschliches Grundbedürfnis - aber eines, daß in einer demokratischen Gesellschaft wohl regelmässig frustriert wird. Es besteht wohl bei den allermeisten Menschen ein "narzistisches Defizit", dessen Kompensation zum Geschäftsmodell regelrechter Industrien geworden ist. Vielleicht ist es sogar überhaupt eine der Grundlage unserer Volkswirtschaft ?
Für mich als Freudianer erhält der Mensch Zuwendung primär durch Sexualität und die Psychoanalyse Freuds fasst diesen Begriff sehr weit. Der sozialübliche "shakehands" wird ebenso dazugerechnet, wie das Nuckeln des Säuglings an der Mutterbrust bzw. deren Substituten.
Das entspricht durchaus nicht der allgemeinen Auffassung, nach welcher die Eltern-Kind-Beziehung "etwas anderes" ist, was mit Sexualität überhaupt nichts zu tun habe und ebenso wie der Handschlag oder "normale" Zärtlichkeit oder "rein menschliche" Zuneigungen. Für die allgemeine Auffassung ist Sexualität eine sehr restringierte Angelegenheit, reduziert auf das "Liebe machen" innerhalb emotional geprägter Paarbeziehungen, die sich am Leitbild der christlich-abendländischen Ehe orientierten. Die Menge an Zuwendung, die der "Kulturmensch" (Freud) aus der Sexualität gewinnen kann, ist daher von vorneherein eine relativ Geringe - rein quantitativ gesehen. Zumal in den meisten dieser Paarbeziehungen nur eine aus meiner Sicht recht sparsame Sexualität gelebt wird. "2x pro Woche" scheint schon recht viel zu sein, und wenn die Zeiten des "honeymoons" vorüber sind, sinkt diese Quote wohl oft noch weiter ab.
Die "normale" Art der Zuwendung, die der "Kulturmensch" bekommt, ist die der Sublimation von Sexualität - und die der Übertragung auf makrosoziale Instanzen. Aber sowohl Sublimation wie Übertragung funktionieren eben "nicht wirklich", hinterlassen in wohl sehr vielen Fällen eben jenes "narzistische Defizit" - für die Einzelheiten wird Bezug genommen auf Freuds "Unbehagen in der Kultur".
Ich lebe seit rund 25 Jahren "bisexuell promiskuitiv" - bin regelmässiger "Szenegänger". Rein subjektiv war und ist das eine enorme Entlastung für mich: Sexualität auf- und zudrehen zu können, wie den Wasserhahn in der Küche. Die Teilnahme an dieser "Szene" ist jedoch noch mehr - was mir erst durch meine Befassung mit der Psychoanalyse aufgegangen ist: es ist auch stets eine "narzistische Zufuhr", von anderen als sexuell attraktiv wahrgenommen zu werden, zu erleben, das andere sexuellen Kontakt zu mir suchen. Ich bin sehr exhibitionistisch - "nackt im Pornokino" - und das ist in der "Szene" ein "Erfolgsmodell". Es kommt eigentlich immer irgendjemand, wenn keiner kommt, macht es auch nix (Exhibitionismus "funzt" auch autoerotisch), und nicht selten kommen auch sehr attraktive Szeneteilnehmer aufgrund meines exhibitionistischen Verhaltens auf mich zu - obschon ich den aktuellen Körpermoden durchaus nicht entspreche. Ich fahre sozusagen auf der Standspur am Stau vorbei.
(Fortsetzung folgt)