Diagnosen
@ lamedia: Danke für Deine - für mich - hochinteressanten (mich freilich nicht überraschenden) Einblicke in die "medizinische Denke". Schade, dass Du Deinen früheren Beitrag hier gelöscht hast. Ich fand den sehr erhellend (auch, weil er so Manches relativierte, jedenfalls bei mir, was mein Michwichtignehmen anbelangt).
Zuletzt geändert von Widow am Mo., 05.10.2015, 22:59, insgesamt 1-mal geändert.
- Werbung
-
Thread-EröffnerIn - [nicht mehr wegzudenken]
- , 44
- Beiträge: 6034
Aber vielleicht siehst du im Anderen nicht nur den Störungs-Grad, sondern auch den Menschen, den du - als Menschen - magst oder verachtest? Und was ist daran so schlimm (abgesehen davon, dass es natürlich eigentlich schöner wäre, wenn alle Menschen einander mögen)? Du liest (oder hörst oder siehst) etwas von anderen Menschen, deren Störung ja sicher nicht alles ausmacht, was du von ihnen mitbekommst? Vielleicht magst du an dem, den du verachtest - nur mal als Beispiel - genau das nicht, was dich an dich selbst erinnert? Oder an jemand anders? Oder er hat sich dir gegenüber mal unsensibel verhalten und du kannst das nicht vergessen? Es gibt ja viele Gründe dafür, einen Menschen zu mögen - oder ihn nicht zu mögen. Und das ist an sich - finde ich jedenfalls - nicht schlimm, solange es nicht "ausgelebt" wird. Dann wäre die Frage, ob Verachtung auch ohne "Ausleben" funktionieren könnte? Eine stille Verachtung, die vielleicht - unausgesprochen - auf Gegenseitigkeit beruht und die so hingenommen werden kann, ohne dass man sich selbst noch zusätzlich für das Verachten verachten muss?Ich erlebe mich gerade selbst wieder als jemanden, der Menschen mit fast schlimmstem - nein, nicht rituell - sexuellem Missbrauchserleben und entsprechender psychischer Zerrüttung sowie schwierigen [weil so vieles verhindert worden ist] Lebensumständen voller Mitleid begegnet, während ich mir bissi dysthymisch angeschlagenem, chronisch trauerndem Frühminimalgestörtem ohne irgendein Gefühl gegenüberstehe. Nee, stimmt nicht: Mit Verachtung
Eben!stern hat geschrieben:Nun, ich glaube Störungen sind nicht alle so einzigartig, wie man das vielleicht glaubt,
candle
Now I know how the bunny runs!
-
Thread-EröffnerIn - [nicht mehr wegzudenken]
- , 44
- Beiträge: 6034
stern, die Störungen sind vielleicht nicht einzigartig - aber die Menschen schon? Ansonsten könnte ich mir gar nicht vorstellen, wie man 300 - 600 Analysestunden vollkriegen könnte... Aber vielleicht bin ich jetzt auch völlig abgehoben, weiß ich gerade nicht.
Ich frag mich z.B., ob ein aufmerksamer Therapeut nicht auch bei den Beispiel mit den Zwangsgedanken von selbst darauf kommen könnte, was der Patient empfindet. Oder, überspitzt gesagt, ob es nicht sogar ein bisschen so sein muss, dass in einer Therapie das Rad immer wieder neu erfunden wird? Beurteilen kann ich das nicht (fände ich aber interessant, dem mal nachzugehen), aber eine Psychotherapie ist ja nun mal kein Ford-Fließband.
Ich frag mich z.B., ob ein aufmerksamer Therapeut nicht auch bei den Beispiel mit den Zwangsgedanken von selbst darauf kommen könnte, was der Patient empfindet. Oder, überspitzt gesagt, ob es nicht sogar ein bisschen so sein muss, dass in einer Therapie das Rad immer wieder neu erfunden wird? Beurteilen kann ich das nicht (fände ich aber interessant, dem mal nachzugehen), aber eine Psychotherapie ist ja nun mal kein Ford-Fließband.
- Werbung
lb: Ich schrieb, dass ich mir mit Verachtung begegne, nicht jenen Traumatisierten.
Und nein: Ich muss gar nichts über einen Menschen wissen. Wenn ich von einer solchen "Schwersttraumatisierung" erfahre (das passiert ja manchmal), dann ist da Mitleid. Und wenn ich den Menschen dann persönlich als unangenehm empfinde, dann "erkläre" ich das, also dass er unangenehm ist bzw. so auf mich wirkt, mit dem "Trauma".
Und fühle mich "solchen" Menschen gegenüber "minderwertig" mit meinem "Leid".
(Dass das alles einfach nur dumm ist, weiß und fühle ich. Aber oft hilft das nix. Und ich glaub', das geht auch hier vielen Menschen so.)
Und nein: Ich muss gar nichts über einen Menschen wissen. Wenn ich von einer solchen "Schwersttraumatisierung" erfahre (das passiert ja manchmal), dann ist da Mitleid. Und wenn ich den Menschen dann persönlich als unangenehm empfinde, dann "erkläre" ich das, also dass er unangenehm ist bzw. so auf mich wirkt, mit dem "Trauma".
Und fühle mich "solchen" Menschen gegenüber "minderwertig" mit meinem "Leid".
(Dass das alles einfach nur dumm ist, weiß und fühle ich. Aber oft hilft das nix. Und ich glaub', das geht auch hier vielen Menschen so.)
Ja, vielleicht ist es ein Unterschied, wer auf den Leidenden schaut:
Der Arzt /Psychiater auf eine große Patientenkohorte und grobe Schemen.
Ein Psychotherapeut auf eine kleinere Patientenkohorte, entweder lösungsorientiert (VT) oder verstehend arbeitend.
Die Angehörigen, denen eine psychische Störung vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben begegnet, denen mit einer Diagnose vielleicht manchmal auch sehr geholfen wird. (Dann können sie sich informieren, Selbsthilfegruppen zum Thema besuchen)
Und man selbst, der oder die man tagein, tagaus mit sich leben muss.
Spreche ich eine Diagnose aus und sie trifft mit der psychiatrischen überein, habe ich auf der psychiatrischen Ebene "gute Kommunikation", hey, dann bin ich compliant!
Spreche ich mit einer Psychotherapeutin über Diagnosen, will sie mich vielleicht eher zurück auf meine Subjektivität bringen.
Spreche ich mit Angehörigen über meine Diagnose, erkläre ich ihnen mein Verhalten mittels der Krankheit, ohne mich nackig machen zu müssen. (Denn was geht Tante Erna meine Subjektivität an.)
Und rede ich selbst mit mir über meine Diagnosen? Was will ich dann von mir? Mit wem rede ich dann eigentlich?
Der Arzt /Psychiater auf eine große Patientenkohorte und grobe Schemen.
Ein Psychotherapeut auf eine kleinere Patientenkohorte, entweder lösungsorientiert (VT) oder verstehend arbeitend.
Die Angehörigen, denen eine psychische Störung vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben begegnet, denen mit einer Diagnose vielleicht manchmal auch sehr geholfen wird. (Dann können sie sich informieren, Selbsthilfegruppen zum Thema besuchen)
Und man selbst, der oder die man tagein, tagaus mit sich leben muss.
Spreche ich eine Diagnose aus und sie trifft mit der psychiatrischen überein, habe ich auf der psychiatrischen Ebene "gute Kommunikation", hey, dann bin ich compliant!
Spreche ich mit einer Psychotherapeutin über Diagnosen, will sie mich vielleicht eher zurück auf meine Subjektivität bringen.
Spreche ich mit Angehörigen über meine Diagnose, erkläre ich ihnen mein Verhalten mittels der Krankheit, ohne mich nackig machen zu müssen. (Denn was geht Tante Erna meine Subjektivität an.)
Und rede ich selbst mit mir über meine Diagnosen? Was will ich dann von mir? Mit wem rede ich dann eigentlich?
Wenn du genau liest, habe ich nichts gegenteiliges gesagt, sagen wollen.stern, die Störungen sind vielleicht nicht einzigartig - aber die Menschen schon?
Nun, man braucht sich nur in eine Klinik-Gruppe zu setzen und erlebt, dass die Diagnose erdenklich wenig darüber aussagt, was jemand erlebt hat... und das hinter jeder Diagnose ein Mensch mit eigenem Schicksal steht, das für jeden "schlimm" ist. So wie es unbeschwerte Momente gab, sah man auch oft Leute, die "zusammengebrochen" sind (diagnoseunabhängig)... oder vereinzelt sah man auch Menschen, denen man die Überforderung mehr als deutlich ansah (so dass man dachte: Der ist hier falsch)... sei es, am Gewicht, dass jemand Hilfsmittel benötigte, um sich noch auf den Beinen zu halten... sei es, dass jemand ständig entlang irgendwelche Wände gelaufen ist, usw. Unmut zogen Leute auf sich, die sagten, sie wollen in Rente gehen... und durch exzessives Freizeitverhalten aufgefallen sind (etc... da kam noch mehr zusammen, was ich nicht aufführen kann). Neid gab es auch... aber nicht auf Störungen, sondern eher: Wer erhält welche Therapien... und warum der und ich nicht.
Liebe Grüße
stern
stern
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf«
(alte Weisheit)
umso mehr Fliegen sitzen drauf«
(alte Weisheit)
Ah, lustig, denn das Löschen war auch (nicht nur, ich wollte mich dann doch nicht zu sehr outen) eine Reaktion auf deine Bedenken, dass es oft um Vergleichen und Was-ist-wohl-Schlimmer gehen könnte, was ich nicht wollte. Vielleicht mache ich ja mal einen Thread zu Psychiatrie-Erfahrungen auf.Widow hat geschrieben:@ lamedia: Danke für Deine - für mich - hochinteressanten (mich freilich nicht überraschenden) Einblicke in die "medizinische Denke". Schade, dass Du Deinen früheren Beitrag hier gelöscht hast. Ich fand den sehr erhellend (auch, weil er so Manches relativierte, jedenfalls bei mir, was mein Michwichtignehmen anbelangt).
-
Thread-EröffnerIn - [nicht mehr wegzudenken]
- , 44
- Beiträge: 6034
widow, tut mir leid; ich hab mich verlesen
Dann ist mein Ratschlag, das Verachten beizubehalten, auch nicht wirklich hilfreich...
Was mich betrifft, bin ich irgendwann ausgestiegen aus der quälenden Frage: "Ja, was denn nun?" Jetzt beschäftigt mich das zwar immer noch, aber nicht primär auf mich bezogen, denn es quält nichts mehr. Ich hab einfach aufghört mit dem sinnlosen Schubladen-Hopping. Mehr oder weniger zufällig ist auch meine Mutter (und damit die Kategorie des Übeltäters) fast kein Thema mehr. Ich erlebe das als befreiend. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich mich so "anders" fühle, dass sowieso nichts zu passen scheint. Ich hab mich damit abgefunden, in vielerlei Hinsicht "komisch" zu sein. Ich bin kein Gruppenmensch, und das bezieht sich wohl auch auf die Gruppe der Psychisch-Erkrankten. Ich wüsste nicht, in welche Selbsthilfegruppe ich gehen könnte: Den Angsterkrankten würde ich noch mehr Angst einjagen; den Schizoiden würde ich ständig erklären wollen, was sie besser machen könnten; die Depressiven würde ich auch nicht verstehen. Dabei weiß ich, dass ich von allem etwas in mir habe. Aber nichts passt halt richtig. Wie das überhaupt mit der Identität bei mir ist. Aber nein, Borderline passt auch nicht. Ich bin keine "richtige" Frau und kein Mann. Irgendwie überträgt sich das Wissen um das Nichtwissen auch auf die Frage nach einer eventuell passenden Diagnose, und es macht wirklich ruhig. Ich sehe mich irgendwie außen.
Ich vermute, dass mein Therapeut in mir einen Täter sieht, den er inspirierend findet und mit dem er Mitgefühl hat. Das reicht mir als Arbeitsgrundlage - erst mal.
Dann ist mein Ratschlag, das Verachten beizubehalten, auch nicht wirklich hilfreich...
Was mich betrifft, bin ich irgendwann ausgestiegen aus der quälenden Frage: "Ja, was denn nun?" Jetzt beschäftigt mich das zwar immer noch, aber nicht primär auf mich bezogen, denn es quält nichts mehr. Ich hab einfach aufghört mit dem sinnlosen Schubladen-Hopping. Mehr oder weniger zufällig ist auch meine Mutter (und damit die Kategorie des Übeltäters) fast kein Thema mehr. Ich erlebe das als befreiend. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich mich so "anders" fühle, dass sowieso nichts zu passen scheint. Ich hab mich damit abgefunden, in vielerlei Hinsicht "komisch" zu sein. Ich bin kein Gruppenmensch, und das bezieht sich wohl auch auf die Gruppe der Psychisch-Erkrankten. Ich wüsste nicht, in welche Selbsthilfegruppe ich gehen könnte: Den Angsterkrankten würde ich noch mehr Angst einjagen; den Schizoiden würde ich ständig erklären wollen, was sie besser machen könnten; die Depressiven würde ich auch nicht verstehen. Dabei weiß ich, dass ich von allem etwas in mir habe. Aber nichts passt halt richtig. Wie das überhaupt mit der Identität bei mir ist. Aber nein, Borderline passt auch nicht. Ich bin keine "richtige" Frau und kein Mann. Irgendwie überträgt sich das Wissen um das Nichtwissen auch auf die Frage nach einer eventuell passenden Diagnose, und es macht wirklich ruhig. Ich sehe mich irgendwie außen.
Ich vermute, dass mein Therapeut in mir einen Täter sieht, den er inspirierend findet und mit dem er Mitgefühl hat. Das reicht mir als Arbeitsgrundlage - erst mal.
Sicherlich muss das Rad immer auch etwas neu erfunden werden... sonst hätte man Therapien nach Schema F. Ich halte Therapie für eine Mischung aus fachlichem Wissen und Individualität.leberblümchen hat geschrieben:Ich frag mich z.B., ob ein aufmerksamer Therapeut nicht auch bei den Beispiel mit den Zwangsgedanken von selbst darauf kommen könnte, was der Patient empfindet. Oder, überspitzt gesagt, ob es nicht sogar ein bisschen so sein muss, dass in einer Therapie das Rad immer wieder neu erfunden wird?
Und ich sehe es nicht so, dass Empathie alles ist à la ich glaube nachvollziehen zu können, was der Patient empfindet. Ich glaube noch nicht einmal, dass es nötig ist, alles (genau) nachvollziehen zu können (z.B. wie sich die Paranoia von Patient x denn anfühlt). Sondern wichtig ist auch ein Fachwissen, z.B. o.k. Patient hat homosexuelle Zwangsgedanken... am besten stachele ich den Patienten jetzt nicht an, dass er tatsächlich homosexuell sein könnte. Die Ängste etwas nachvollziehen zu können, mag hilfreich sein, aber ob das allein ausreicht, wage ich zu bezweifeln...
Liebe Grüße
stern
stern
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf«
(alte Weisheit)
umso mehr Fliegen sitzen drauf«
(alte Weisheit)
Deine Selbstbeschreibung, leberblümchen, hört sich jedenfalls höchst lebendig an Ein krummes Holz, ein schiefes Gewächs, aber mit vielen bunten Blüten...
lb: Ja. Und genauso geht es doch, wenn man mal genauer liest, vielen hier: "Anders", keiner "Gruppe" zugehörig. - Das ist doch völlig normal. (Sorry, aber so lautet meine Lebenserfahrung aus Leben No. 1 und 2.)
Nur mag es für jemanden, der anders zu denken gelernt hat, schwierig sein, das hinzunehmen: dass man nicht "passt", in irgendeine "Kategorie".
Willkommen im (dr)außen: Da ist viel Platz!
Nur mag es für jemanden, der anders zu denken gelernt hat, schwierig sein, das hinzunehmen: dass man nicht "passt", in irgendeine "Kategorie".
Willkommen im (dr)außen: Da ist viel Platz!
-
- [nicht mehr wegzudenken]
- , 40
- Beiträge: 2978
@ Candle: Deine Beiträge zeugen jedes mal von ungeahntem Wissen, ich frage mich immer, ob du Gott in Person bist. Ich glaube, auch im Namen anderer User einen großen Dank aussprechen zu dürfen, dafür, dass wir so sehr profitieren.
Schön, dass man dir nichts einreden kann. Ich kann fliegen - und das ist eindeutig mehr wert.
@ Pandas: Schön, dass du Diagnosen nicht ernst nimmst. Die Krankenkassa tut das aber. Ebenso dein Arbeitgeber, wenn er davon erfährt. Und viele andere wahrscheinlich auch.
@ Leberblümchen: Auch gegenüber physischen Erkrankungen bestehen Vorurteile. Sie werden zwar nicht benannt, aber im Verhalten der Mitmenschen kommen sie stark zum Ausdruck.
Zudem muss man, das wird vielen nicht schmecken, zugeben, dass in der körperlichen Medizin die Behandlungsmethoden wesentlich fortgeschrittener sind. Die Prognosen sind zuverlässiger.
In der Psychotherapie kann es mit leichter Depression anfangen, wird mal ewig behandelt und naja. Wenn nichts hilft, kommt am Ende sicher irgendeine Persönlichkeitsstörung.
Ein weiteres Problem: Die Diagnose stimmt auf jeden fall. Kritik oder Widerstand gilt als Uneinsichtigkeit, Bestätigung beweist auch nur die Richtigkeit. Erinnert leicht an die Beweismethoden der Inquisition. Und schon wird eine Störung induziert. In der Praxis erreicht man dies übrigens am besten mit Wohlwollen und Freundlichkeit. Manchmal sind ruppige Therapeuten ein Glücksfall und bewahren einen davor, in die Psychoszene eingesogen zu werden.
@ Widow: Nur, weil die Wissenschaft nicht rein weiß ist, lassen wir am besten jeden Schwachsinn zu. Und ja, ich weiß, dass Wissenschaftler Bomben bauen und Krankheitserreger züchten.
Schön, dass man dir nichts einreden kann. Ich kann fliegen - und das ist eindeutig mehr wert.
@ Pandas: Schön, dass du Diagnosen nicht ernst nimmst. Die Krankenkassa tut das aber. Ebenso dein Arbeitgeber, wenn er davon erfährt. Und viele andere wahrscheinlich auch.
@ Leberblümchen: Auch gegenüber physischen Erkrankungen bestehen Vorurteile. Sie werden zwar nicht benannt, aber im Verhalten der Mitmenschen kommen sie stark zum Ausdruck.
Zudem muss man, das wird vielen nicht schmecken, zugeben, dass in der körperlichen Medizin die Behandlungsmethoden wesentlich fortgeschrittener sind. Die Prognosen sind zuverlässiger.
In der Psychotherapie kann es mit leichter Depression anfangen, wird mal ewig behandelt und naja. Wenn nichts hilft, kommt am Ende sicher irgendeine Persönlichkeitsstörung.
Ein weiteres Problem: Die Diagnose stimmt auf jeden fall. Kritik oder Widerstand gilt als Uneinsichtigkeit, Bestätigung beweist auch nur die Richtigkeit. Erinnert leicht an die Beweismethoden der Inquisition. Und schon wird eine Störung induziert. In der Praxis erreicht man dies übrigens am besten mit Wohlwollen und Freundlichkeit. Manchmal sind ruppige Therapeuten ein Glücksfall und bewahren einen davor, in die Psychoszene eingesogen zu werden.
@ Widow: Nur, weil die Wissenschaft nicht rein weiß ist, lassen wir am besten jeden Schwachsinn zu. Und ja, ich weiß, dass Wissenschaftler Bomben bauen und Krankheitserreger züchten.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]
Du bist köstlich Broken Wing!
Manchmal mag ich deinen dunklen Humor!
candle
Manchmal mag ich deinen dunklen Humor!
candle
Now I know how the bunny runs!
-
Thread-EröffnerIn - [nicht mehr wegzudenken]
- , 44
- Beiträge: 6034
Ich bin gar nicht sicher, ob du das auch so siehst, aber ich behaupte, dass "(dr)außen" wirklich mit Freiheit einhergeht. Mit der Freiheit, sich nicht durch Andere(s) definieren zu lassen. Insofern ist das Konzept von "viel Platz" für mich tatsächlich stimmig. Das ist sogar die Essenz dessen, was ich mit diesem Thread sagen wollte: dass es sich lohnen kann, die Grenzen der Diagnose-Zuschreibungen zu verlassen.widow hat geschrieben:Willkommen im (dr)außen: Da ist viel Platz!
Schade finde ich noch immer, dass der Unterschied zwischen "Störung" und "Diagnose" offenbar nicht von jedem so nachvollzogen wird. Was letztlich aber auch nur belegt, dass viele Menschen sich durch ebenjene Zuschreibungen definieren, insofern ist das auch nicht überraschend. Erstaunlicher finde ich dann aber, dass zunächst gesagt wird: "Wer sollte sich denn durch eine bestimmte Diagnose beruhigt fühlen?" und dann in der Folge bestätigt wird: "Ich hätte mir damals auch eine beruhigendere Diagnose gewünscht". Und noch erstaunlicher, dass das offensichtlich nicht erkannt wird.
Mein Fazit für diesen Thread lautet also: Es gibt beruhigende und beunruhigende psychische Diagnosen. Diese Bewertung betrifft nicht das Leid selbst (das ist sowieso da), sondern dessen Kategorisierung. Durch Diagnosen können bestimmte Verhaltensweisen verstärkt werden oder gar erst auftreten. Diese Erkenntnis (der zitiete Nocebo-Effekt, aber auch der sog. sekundäre Krankheitsgewinn) ist verunsichernd, weswegen man sich mit ihr nicht gerne auseinandersetzt, weil die dann durch die Diagnose erhaltene Entlastung gefährdet sein könnte. Menschen, die eine nicht-entlastende Diagnose erhalten haben, werden weiter unter diesem Stigma leiden oder sich dagegen wehren (was ihnen dann wieder als "typisch für Diagnose xy" bescheinigt wird). Womit alles beim alten bleibt.
Tilda und Speechless, es tut mir leid, dass ihr euch durch diese Gedanken angegriffen fühlt. Das war echt nicht meine Abischt. Der ursprüngliche Anlass war eher ein anderer und soll keine Gefühle relativieren. Ich will auch nicht sagen: "Ihr seid ja doof, dass ihr das nicht kapiert" - genauso will ich nicht hören: "Die ist aber doof, dass sie uns nicht ernst nimmt". Es ist halt meine Art zu denken und wahrzunehmen (sicher auch nicht ganz unpathologisch...). Mir geht es um das Reden ÜBER das DARÜBER, sozusagen. "Stellt euch nicht so an, ihr Waschlappen" hab ich damit überhaupt nicht gemeint, nicht gedacht und nicht gefühlt.
- Werbung
-
- Vergleichbare Themen
- Antworten
- Zugriffe
- Letzter Beitrag
-
- 22 Antworten
- 15716 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von Admin
-
- 26 Antworten
- 5825 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von unklar
-
- 33 Antworten
- 3195 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von pandas
-
- 21 Antworten
- 2877 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von Kaltblüter
-
- 20 Antworten
- 4309 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von (e)