Hallo Saffia,
ich finde es gut, dass Du die Wut jetzt spüren und auch zulassen kannst. Und auch, dass sie Dich handeln lässt.
Mir geht es da wie Münchnerkindl, je früher ich wahrnehmen kann: "Halt! Da läuft was nicht gut für mich." und mein Verhalten entsprechend anpasse (Grenzen setze, mein eigenes/mich gut vertrete), desto geringer fällt mein Wutgefühl aus und desto zufriedener bin ich hinterher mit mir. Das musste ich allerdings in bestimmten Momenten auch sehr stark üben, vor allem es auch wirklich "wahrzunehmen" und mir diese Wahrnehmung/die Wut auch zu erlauben. Wut kann auch wahnsinnig anstrengend sein, so man sie ständig "unterdrücken" muss, zumal dies meist "unbewusst" geschiet und man selbst es noch nicht mal mitkriegt. Kenne ich zumindest von mir so. Ist aber ja auch logisch, da ich damit ja auch ein sehr "energiegeladenes" Gefühl unterdrücke, meine eigene "Lebendigkeit" unterdrücke.
Meine Thera hat mir irgendwann mal was über "Aggressionen" erzählt und zwar, dass Aggressionen nicht zwingend etwas "schlechtes" sind. Sie hat das damals anhand der "Wortbedeutung" gemacht:
"Aggression (lateinisch aggressiō vom Deponens aggredī heranschreiten; sich nähern; angreifen) ist ein in Tieren (einschließlich Menschen) verankertes, biologisch fundiertes Verhaltensmuster zur Verteidigung und Gewinnung von Ressourcen sowie zur Bewältigung potenziell gefährlicher Situationen."
(Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Aggression)
Ich fand das ziemlich hilfreich, da ich Aggressionen eher als etwas negatives bewertet habe und mir ihr "Sinn" und ihre "Notwendigkeit" nicht so ganz klar war. Heute verstehe ich das besser, auch die Unterscheidung zwischen "negativer" Aggressivität und "positiver" Aggressivität.
saffiatou hat geschrieben:
Der Herr X hat gesehen, daß ich angerufen habe und hat mich dann zurückgerufen, aber meine Freundin war ja da und darum hat er meinen Ab besprochen und meinte, daß er nicht ans Telefon gehen konnte und ich ja auch eine Nachricht auf seinem Ab hätte hinterlassen können, das wollte ich aber nicht, ich wollte ihn direkt sprechen.
Das wäre jetzt zB. sowas, was mich sehr hellhörig werden lässt an Herrn X Verhalten, da für mich da so ein "Vorwurf" mitschwingt "Sie hätten ja auch eine Nachricht hinterlassen können...", der an der Stelle absolut nicht Not tut. Er hätte Dich auch einfach um einen erneuten Anruf bitten können und darum, dann im Zweifel doch bitte eine Nachricht bezüglich Deines Anliegens zu hinterlassen, falls er nicht erreichbar ist.
Ich finde es gut, dass Du Dich auf dieses "Machtspielchen" innerlich nicht mehr einlässt und Deine eigenen Entscheidungen triffst.
Bezüglich des Weinens, für mich liest es sich, als ob dem vor allem das Gefühl einer Überforderung zugrunde liegt bei Dir. Kann das sein? Es passiert Dir ja auch, wenn Du allein bist, weshalb ich denke, dass es eher ein Zeichen dafür ist, dass Dir was zuviel ist und da wäre es dann interessant, zu kucken, was genau Dir zuviel ist bzw. woher dieses "zuviel" Gefühl kommt. Das könnte auch was mit unzureichend gesetzten Grenzen zu tun haben bzw. dem Gefühl kein Recht auf persönliche Grenzen zu haben. Oft ist einem das selbst gar nicht so klar und meine Thera hat mich zB. am Anfang immer ganz klar darauf hingewiesen, dass ich jederzeit sagen kann, wenn mir was zuviel wird oder auch einfach den Raum verlassen.
Wir haben damals sogar ein Signal vereinbart, dass als "Stopp" fungierte und für mich war das sehr hilfreich. Ich könnte mir vorstellen, dass Dein Weinen ein solches (unbewusstes) Signal für Dich ist, dass auch dem anderen signalisieren soll: Es reicht! Unter Umständen könnte es also hilfreich sein, da mal zu schauen, ob es da ein "alternatives" Verhalten für Dich gäbe, dass Dir einen weniger "passiven" sondern eher "aktiven" Umgang mit solchen Momenten ermöglichen könnte.
Lieben Gruss,
mio