analytische Therapie im Alter 50+

Hier können Sie Ihre Fragen rund um die Rahmenbedingungen von Psychotherapie (Methoden, Ablauf usw.) anbringen.

pandas
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 13:41

titus2 hat geschrieben:Den direkten Zusammenhang gibt es ja auch nicht. Dinge vermischen sich - ich bin das beste Beispiel, vermutlich. Deshalb wird in der Anamnese ja auch gründlich gefragt. Trotzdem wird der Begriff 'Schicht' gerne verwendet, nicht um zu werten, sondern um zu beschreiben, wie gesagt.
Nun, meine These/Befürchtung ist ja gerade, dass durch solche Zuschreibungen an Schichten wie in diesen (glücklicherweise alten) Texten in der Anamnese eben nicht gründlich gefragt wird; was auch heute noch vorkommt. Zum Beispiel, dass versucht wird, im Vorfeld bereits solche Daten (zu knapp) abzufragen, um rastern zu können.

Ich kann mir auch vorstellen, dass einige Analytiker auch heute noch mit Vorliebe nach solchen Zugehörigkeiten abgerastetere Leute nehmen.

Dein Psychoanalytiker würde ich da ohnehin nicht einordnen.
Ich tippe, er gehört eher zu denen, die aus ihren eigenen Wertvorstellungen heraus, nicht zu schnell nach solchen Daten bewerten wollen, sondern lieber erstmal gaaanz gründlich fragen.

Übrigens, Meiner hat in der Tat durch die Anamnes hie und da zu schnelle Rückschlüsse gezogen.
Ab und an hatten wir in Laufe der späteren PA schon dann "Oh, ich dachte, ..."
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 13:43

titus2 hat geschrieben:Edit: Doch, ich hab erwähnt, dass mir mal ein Psychiater sagte, dass ER meinte, dass für besonders begabte Menschen eine Analyse hilfreicher sei als eine VT - aber dazu kann ich mir keine Meinung erlauben, und ich hab auch keine Statistiken dazu
Eben. Das wollte ich gerade einwenden, dass du solche Vergleiche zumindest ins Spiel gebracht hast.

Die Zusammenhänge kann man (vgl. Hilgers) auch etwas anders darstellen.
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 13:44

Stimme dir zu, biber. Ich kann mir auch wirklich vorstellen, dass mich viele ablehnen würden, weil ich auch vom äußeren Eindruck nicht dem Klischee des halbwegs intelligenten Menschen entspreche... - und ich hab gemerkt, dass mein Therapeut einige Stunden damit beschäftigt war, sich ein möglichst genaues Bild zu machen. Er war dabei sehr vorsichtig. Dass er die Therapie machen wollte mit mir, war ihm sofort klar. Aber dass es eine Analyse werden würde, stellte sich erst nach ein paar Wochen heraus. Aber so finde ich persönlich es auch sehr gut!

edit: stern mit biber verwechselt...
Zuletzt geändert von leberblümchen am Fr., 09.08.2013, 14:29, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 13:50

Ich denke nämlich auch, dass es sich ähnlich verhält wie Hilgers schreibt: Dass die Unterschicht (ich greife den Begriff nur auf, finde ich blöd) eh durch viele Raster fallen. Ich habe ja schon ab und an mal sozial ungerecht eingeworfen.
Dennoch wird man viele Patienten aus der Unterschicht kaum psychotherapeutisch oder pädagogisch erreichen können und das Feld bleibt Streetworkern, Sozialarbeitern und Bewährungshelfern überlassen.Quelle: siehe oben
Insofern logisch, wenn sich Therapieangebote eher auf die mittleren Schichten konzentrieren sollen.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 09.08.2013, 14:00, insgesamt 1-mal geändert.
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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 13:53

titus2 hat geschrieben:Stimme dir zu, stern. Ich kann mir auch wirklich vorstellen, dass mich viele ablehnen würden, weil ich auch vom äußeren Eindruck nicht dem Klischee des halbwegs intelligenten Menschen entspreche... - und ich hab gemerkt, dass mein Therapeut einige Stunden damit beschäftigt war, sich ein möglichst genaues Bild zu machen. Er war dabei sehr vorsichtig. Dass er die Therapie machen wollte mit mir, war ihm sofort klar. Aber dass es eine Analyse werden würde, stellte sich erst nach ein paar Wochen heraus. Aber so finde ich persönlich es auch sehr gut!
Nach Aussage meiner Thera war fraglich, ob sie mich nehmen kann. Merkte ich von Anfang an, sie erwähnte das aber erst später, also einiges nach den Probesitzungen, in denen sie sich ein Bild machte.

Nur hatte das eher nichts mit Intelligenz oder Nicht-Intelligenz zu tun (sondern bei mir weiß ich, was die Knackpunkte sind)... auch aus anderen Probesitzungen (in denen mich weiß Gott auch nicht jeder genommen hätte). Und die waren eher störungsbedingt zu verorten.
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 14:36

Also, wenn überhaupt geht es doch nicht um die rein kognitive Intelligenz, die sich ohnehin nur im IQ-Test eindeutig bestimmen lässt. Es geht doch eher um so eine Art 'analytische Intelligenz'. Der Patient soll ja nicht in Physik promovieren, sondern er soll verstehen, wieso er sich so verhält, wie er das tut. Dem Therapeuten ist es sicher egal, wie genau die einzelnen Werte im Intelligenz-Untertest 'wahrnehmungsgebundenes logisches Denken' bei Patient xy ausfallen.

Aber es gibt tatsächlich Leute, die einfach nicht reflektieren KÖNNEN. Ich glaube, man kann das auch nur bedingt lernen, und das muss auch nicht immer etwas mit Widerstand oder Blockaden zu tun haben. Manch einer versteht einfach nicht, wie die Menschen so miteinander interagieren. Dem kann man das sicher zeigen, aber er wird dabei vermutlich mehr auf die direktive Unterstützung des Therapeuten angewiesen sein als jemand, der von selbst sehr viel nachdenkt über die Beziehung zu seinen Mitmenschen und der dabei auch die Perspektive wechseln kann.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 14:46

ich glaube schon, dass man es lernen kann zu reflektieren. ich glaube eher, dass so eine durch formale bildungstitel gestützte überschätzung der eigenen fähigkeiten sich zu einer wahren lernblockade auswachsen kann. zudem: wie man u.a. bei bourdieu nachlesen und am niveauverfall der deutschen universität nacherleben kann, sind ja bildungstitel in den letzten 40 jahren geradezu inflationär entwertet worden.
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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 15:02

Nur kurz, weil es mir auffällt: Reflektionsvermögen hat ja nicht nur mit dem Verstehen von zwischenmenschlichen Kontakten zu tun, sondern es ist auch stark daran gebunden, welches Verhältnis man zu sich selbst hat und wie man sich selbst sieht, bzw. wie sehr man auf beides Einfluss nehmen kann.
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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 15:31

Ich würde auch sagen, das kann man bessern. Natürlich (sofern man von Entwicklungsmöglichkeiten eines Menschen ausgeht). Vielleicht wird der Fisch nicht gerade zum Vogel, aber Defizite in der Selbstreflexion (und das umfasst m.W. verschiedene Facetten) sind doch im Grunde ein Standardproblem des typischen Psychotherapie-Patienten.

Wenn jemand am unteren Level angesiedelt ist, macht evtl. aufdeckende Arbeiten weniger Sinn als meinetwegen Arbeit daran, diese Fähigkeit zu fördern: In anderen Worten: Beinflusst evtl. wie gearbeitet werden kann, dass ein Patient nicht überfordert ist.

Wer sowenig Selbstreflexionsvermögen hat, dass die Fruchtbarkeit eine Psychotherapie oder Analyse gänzlich in Frage zu stellen ist, der hat vermutlich noch ganz andere Probleme an der Backe, so dass die mangelnde Analyse-Indikation sehr vermutlich nicht das Hauptproblem dieses Patienten ist.

Insofern würde ich auch dazu tendieren: unterdurchschnittliches Reflexionsvermögen langt (was häufiger bei schwereren PS der Fall sein dürfte, die ja auch behandelt werden, u.a. in Analysen) langt aus... hier gilt es halt eher, die Fähigkeit zu verbessern.

Bei weit unterdurchschnittlichen Fähigkeiten ist vielleicht fraglich, ob man jemanden mit PT erreichen kann.

Sind ja wahrlich nicht nur Optimal-Patienten in Therapie. Aber gut vorstellen kann ich mir, dass diese leichter einen Platz erhalten als die Schwer(st)gestörten.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 09.08.2013, 15:44, insgesamt 1-mal geändert.
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ziegenkind
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 15:42

ist das so, stern? ich weiß es nicht. ich merk schon oft, auch hier, an schilderungen zu anderen therapieverläufen, dass meine störung im therapeutischen kontakt ganz schön früh ansetzt, also bei sachen, die andere als leicht erleben. ich denke also schon, dass ich ziemlich gestört bin. ich halte mich gleichzeitig für jemanden, der "eigentlich" die dinge von vielen seiten betrachten kann. im normalen leben sogar mich selber. in der therapie merke ich aber manchmal, wie sich das von null auf hundert in luft auflöst. ich falle nahezu blindlings wieder in handlungsmuster, die ich schon durchschaut, in ihrer funktionalität beschrieben und in ihrer genese erkannt hab. hilft mir aber alles nicht, wenn die säge sägen, die störung stören will. da ist auf meine reflexionsfähigkeit grad mal gründlich geschissen, die geht unter, baden, mit mann und maus. alles weg.

aber: ich glaub, nee, ich weiß, es gibt einen typus von therapeuten, der arbeitet lieber mit so schwergestörten wie mir. hat mir in der klappse mal einer gesagt, mit dem ich später ein bischen befreundet war. weiß ich von anderen therapeuten-freunden, und: spüre ich bei meiner ziege. ich bin ihre herausforderung. ist vielleicht ein bisschen kokett. ein klitzekleines bisschen. aber ich glaub auch, es stimmt. und wär ja irgendwie auch normal. ich mag auch lieber knifflige, schwierige sache, manchmal, oft.
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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 16:29

aber: ich glaub, nee, ich weiß, es gibt einen typus von therapeuten, der arbeitet lieber mit so schwergestörten wie mir.
Die Therapeuten gibt es natürlich. Ja, definitiv. Aber auch den Typus, der diese Herausforderung nicht sucht. Selbstreflexion ist zudem nur eine Facetten von vielen.

Tendenziell glaube ich aber schon, dass die Schwere der Störung oder eine schlechte Prognose (beides ist nicht deckungsgleich, würde ich sagen) die Suche nach einem Platz nicht erleichtert. Ich meine, ich wurde wegen mancher Störungspunkte ja auch mitunter abgelehnt.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 09.08.2013, 16:31, insgesamt 1-mal geändert.
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 16:30

Ich sehe das so ähnlich wie ziegenkind, kann aber auch nur von mir persönlich ausgehen: Einerseits ist da eine schwere Störung - andererseits ein hoher Grad an Reflexionsfähigkeit und die Fähigkeit, die für eine Therapie relevanten Sachverhalte wirklich gut zu analysieren - theoretisch... Und ich behaupte auch mal (völlig wertfrei), dass es einige Therapeuten gibt, denen die Arbeit mit 'solchen' Patienten Spaß macht.

Viel sagt mein Therapeut ja nicht in dieser Beziehung, aber es wird schon klar, dass er es gut findet, dass da was ist, worauf man aufbauen kann. Ein einziges Mal, als mein Selbstwertgefühl mal wieder im Keller war und ich mich für komplett minderbemittelt hielt, hat er etwas Entsprechendes gesagt.

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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 16:38

Ist der hohe Grad an Selbstreflexionsfähigkeit selbstdiagnostiziert oder fremddiagnostiziert?
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kaja
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 16:40

Das auch Therapeuten gerne mal eine" Herausforderung" haben dürfte normal sein. Wer möchte schon dauerhaft beruflich unterfordert sein. Persönlich war ich allerdings weniger begeistert dazugezählt zu werden. Ein Dasein als 08/15 Klient wäre mir lieber.
Ist ja nicht so als könne man sich sowas stolz an die Brust heften.
After all this time ? Always.


leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 16:42

stern - was meinst du denn?

Meine Selbsteinschätzung sieht so aus: dumm, hässlich, unattraktiv, fett, ungebildet, langweilig, nervig, kleinkindmäßig.

Er sagt, ich sei sehr klug und besonnen und könne sehr gut differenzieren und reflektieren - im Gegensatz zu vielen anderen Patienten. Zu den Äußerlichkeiten hat er nichts Positives gesagt...

Normalerweise bin ich ein skeptischer Mensch, aber wenn mein Therapeut, der mich seit zwei Jahren über 170 Stunden gesehen und gesprochen hat, so was diagnostiziert, dann fange ich an, das zu glauben. Zumal er nicht gerade ein Schleimer ist, der mit Nettigkeiten um sich wirft.

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