carö hat geschrieben:
hm, aber ist das nicht etwas zweifelhaft, es so anzugehen ? das ist mE fast schon mutwilliges pathologisieren.
Ich meinte das in einem anderen Kontext. Ich persönlich glaube nicht, dass eine Therapie nur dann sinnvoll ist, wenn "klinische Symptome" vorliegen. Ich finde es gibt viele Formen von "maskierten Symptomatiken", mein Lieblingsbeispiel sind immer die "männlichen Depressionen". Unter den Männern gibt es eine Vielzahl von Betroffenen die unter Depressionen leiden, diese aber solche nicht diagnostiziert werden, da ihre Symptome weder im ICD-10 noch im DSM als solche definiert sind. Es gibt also eine sehr hohe Dunkelziffer, und die Betroffenen gelten als "Symptomfrei" sind aber dennoch betroffen. Es gibt noch zig andere gelagerte Beispiele auf die ich mich beziehen könnte, folglich ist der tatsächliche Therapiebedarf nicht zwangsläufig an die Diagnosestellung gebunden.
carö hat geschrieben:
ich habe auch sehr lange therapie gemacht und mein therapieende wurde - zunächst - auch von mir unfreiwillig - durch meinen therapeuten eingeleitet. aus fürsorge und aus der hoffnung heraus für MICH, dass ich es kann und soweit bin!
ich fand es sehr schwer bzw. konnte und wollte mir lange nicht vorstellen, wie es ohne diese therapeutische beziehung sein würde. es ist eine sehr tiefe bindung entstanden, die ich in meinem alltag nicht missen wollte. es hat mich auch immer bereichert und weitergebracht. aber... ich habe dennoch, wenn auch leise und wollte es nicht wirklich wahrhaben, weil die konsequenzen mir zu schwer erschienen zum damaligen zeitpunkt - auch gespürt, dass ich nicht mehr wirklich "krank" war bzw. genügend ausgerüstet war, um es alleine zu versuchen. die vorstellung und erfahrung diese beziehung aufzugeben war sicher eine sehr sehr schmerzliche erfahrung für mich. es war ein echter verlust, den ich bewältigen musste.. aber nicht, wie wenn jmd. der einem viel bedeutet, tot ist. DAS ist wirklich etwas anders. das musste ich mir auch sehr bewusst machen. für mich war es eher eine grenzerfahrung: sich trennen zu können, weil die gemeinsame aufgabe erledigt ist... weil jeder sein eigenes leben weiterleben kann im bewusstsein, eine sehr wertvolle erfahrung mit dem anderen geteilt zu haben. sich auch mal wiederbegegnen können - aber in dem bewusstsein, dass die zeit dieser sehr intensiven gemeinsamen erfahrung einfach vorbei ist.
du fragst, warum sollte man das freiwillig tun ?
hm, also ich kann nur aus meiner sicht heraus sagen... weil es etwas gibt, an das man nicht herankommt, solange die therapie noch läuft. also ein zugewinn an selbstbewusstsein und sicherheit, nun auch ohne sicherheitsnetz eigene wege gehen zu können, eigene entscheidungen verantworten zu können und fest auf die positive erfahrung im inneren vertrauen zu können..
das heisst für mich nicht, dass man nicht wieder therapie machen soll/darf, wenn es wieder nötig ist... im gegenteil...
ich weiss nur, dass es eben nicht so leicht ist sowas zu beenden und ich hätte mich gern davor gedrückt. in nachhinein muss ich aber sagen, zum glück habe ich das nicht, denn es hat mir nochmal neue perspektiven eröffnet, wie ich mit trennungssituationen, ablöseprozessen, grenzen und dergleichen mehr besser als früher umgehen kann... das mag nun zwar nicht für jeden ein so wichtiges thema sein, für mich war es das aber. und letztlich gibt es dinge, die kann noch so sehr gedanklich vorwegnehmen, aber es wird immer anders sein, wenn es dann tatsächlich passiert. und da nimmt man nochmal einen ganz besonderen erfahrungsschatz mit...
Vielleicht, ist momentan für mich einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Ich werde darüber nochmals nachdenken. merci.