Schaden durch Psychoanalyse

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Moni.
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 14:56

Eos hat geschrieben: Die Lehranalysanden sind ihren Analytikern sehr ausgeliefert, sie benötigen schlichtweg diese Analyse, um ihren Beruf irgendwann auszuüben. Ein Abbrechen kommt da vielleicht viel weniger in Frage als bei anderen Klienten.
Genau so meine ich es. Auch ein Grund für gescheiterte Therapien, d. h. spätere Analysanden tragen indirekt die Folgen. Schlichtweg Weitergabe/Wiederholung.

(So wie viele Patienten als Kinder die Auswirkungen der schwierigen Kindheit ihrer Eltern tragen mussten...)
Zuletzt geändert von Moni. am Mi., 18.01.2012, 15:34, insgesamt 1-mal geändert.

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montagne
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 14:57

Ich glaube jede Therapie und die Analyse umso mehr ist irgendwo eine totale Institution, die schon durch das Setting Gefahr birgt missbräuchlich zu werden. Dabei muss der Therapeut nicht mal wirklich unlautere Absichten, wie Sexuelles, Finanzielles, eigene erlebte Frustrationen ausagieren im Sinn haben.
Es ist einfach niemand da, der auf die Situation schaut. Nur dann, wenn der Therapeut zur Supervision geht und dort auch ehrlich ist. Aber bei blinden Flecken, die irghednwo jeder hat, auch Therapeuten nützt Ehrlichkeit manchmal wenig.

Die Gefahr ist aber in jeder Therapie da. Ich denke schon, darüber sollte man sich im klaren sein, wenn man eine Therapie beginnt und das auch nicht wärend der Behandlung vergessen.
Ich war naiv, als ich meine Therapie begann. Hab diese Gefahr aber schon auch gesehen. Ich habe halb bewusst, aber auch instinktiv auf Zeichen geachtet, die dafür sprechen, dass diese Therapeutin, zu der ich ging so einen Missbrauch nicht nötig hat. Sind alles keine Garanten, aber Hinweise. Lebensfreude eben, aber auch soziales eingebunden sein.

Und was ich sehr wichtig finde: Das der Therapeut nicht noch eine totalere Institution draus macht, als es eh schon ist. Forderungen oder Suggerierung von Exklusivität der Beziehung, damit könnte ich nicht, wollte ich nicht.
Meine Therapeutin hat mir ausdrücklich geraten, mich über meine Therapie, über das was zwischen uns passiert auszutauschen. Sie selbst geht regelmäßig zur Supervision.
Auch keine Garanten, die gibts einfach nicht.

Ist aber eine für mich offenere basis, als gesagt zu bekommen: Alles muss in der Beziehung, in diesem Raum bleiben.
"Das bleibt unter uns", ist auch, was so manches Missbrauchsopfer vom Täter gehört hat. Weil totale Situationen nunmal bewusst und unbewusst Missbrauch begünstigen.
Zuletzt geändert von montagne am Mi., 18.01.2012, 15:03, insgesamt 1-mal geändert.
amor fati

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Moni.
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 15:03

carö hat geschrieben:vielleicht ist ja ein guter anhaltspunkt, wenn man die lebensfreude des analytikers deutlich spüren kann ?
Danke carö, ein wertvoller Hinweis!

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carö
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 15:31

montagne hat geschrieben:Meine Therapeutin hat mir ausdrücklich geraten, mich über meine Therapie, über das was zwischen uns passiert auszutauschen. Sie selbst geht regelmäßig zur Supervision.
ich denke auch, dass es sehr wichtig ist auch andere draufschauen zu lassen zB in der supervision oder auch in kollegengruppen (intervision) und nicht nur, wenn sich schwere konflikte abzeichnen, sondern regelmäßig. bin ja nicht in so einer situation, aber ich könnte mir das gar nicht anders vorstellen. man muss doch "verrückt" werden, wenn man ganz alleine mit sich alles ausmachen muss. klar ist und bleibt es subjektiv, allein schon, wie man einen fall vorträgt. aber professionellen austausch halte ich für wahnsinnig wichtig und auch sicher für persönlich bereichernd.

bei mir war es zwar nicht so, dass ich dazu aufgefordert wurde über meine therapie zu sprechen. ich glaube, das ist nicht üblich in analysen - eher im gegenteil.

ich hätte es mir aber nie verbieten lassen. hab selbst aber irgendwann gespürt, dass bzw. wann es mich verwirrt und von mir ablenkt und wann nicht. gerade wenn man etwas im aussen "verquatsche" anstatt dort, wo es hingehört, ist das sicher nicht so produktiv. aber dennoch ist es wichtiger, zu verstehen, warum man es braucht, anstatt es einfach zu unterdrücken. dann ist es nichts eigenes.

aber dennoch habe ich mich immer sehr intensiv mit anderen über therapiefragen ausgetauscht und habe diese gespräche auch in die analyse aktiv eingebracht. da kam nie ein "das dürfen sie nicht oder das ist nicht so gut"... es ging, wenn, eher um die bedeutung für mich.. und da irgendwie klar war/ist, dass ich sehr viel wert auf austausch lege wäre es an meiner person völlig vorbei gegangen, mir hier ein verbot aufzuerlegen oder eines auferlegt zu bekommen.

mich gruselt es auch immer etwa, wenn ich lese, dass man das nicht soll... ich glaube es geht viel mehr darum zu spüren, was einem dabei gut tut und was nicht. halte es auch für etwas merkwürdig gerade menschen, die missbrauch erlebt haben, was oft mit schweigegelübden einhergeht, eine art schweigegebot auzuerlegen.
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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stern
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 17:30

Jetzt nicht, dass ich sagen möchte, es sollte auch so etwas wie Patientensupervision geben. Und das Problem ist nun auch nicht, wenn etwas "intern" einer Klärung zugeführt werden kann (unmittelbar Patient-Therapeut, ggf. dass ein Thera sich auch Supervision, etc. einholte). Sondern gerade, wenn (auch) das scheitert bzw. zu scheitern droht (was ja nun wirklich nicht absichtlich-bewusst herbeigeführt werden muss, weder von Patient noch Thera): Da kann es evtl. auch auf Patientenseite sinnvoll sein, sich irgendeine Form von externe Beratung einzuholen (bei einer unabhängigen Organisation oder evtl. auch bei einem anderen Therapeuten, der dem auch wirklich möglichst von außen begegenen kann, und nicht sich zugunsten der Loyalität lieber eh weitestgehend zurückhält). Ich kann das nicht so gut in Worte fassen, aber z.B. folgender Artikel gibt ansatzweise wieder, was ich meine... und das auch differenzierter:
http://psychotherapie-vanharen.de/wiki- ... ision.html Auszugsweise:

Gerade die Art und Weise der Reaktion von Therapeutinnen auf solche Mitteilungen [Unzufriedenheit] kann dann sogar den entscheidenden Hinweis bringen, ob es sich um eine Krise, eine gescheiterte Therapie oder einen Mangel an Passung handelt.

Geht er/sie auf Kritik ein? Können Sie sich ein gemeinsames Verständnis der Behandlungssituation erarbeiten, wie es zu Missverständnissen, Stagnation oder Enttäuschungen kommen konnte? Kommt es darüber zu vertieften Einsichten in die eigenen Lebensmuster? Bleibt am Ende ein befreiendes Gefühl, gemeinsam weiter gekommen zu sein? Dann ist die Krise produktiv genutzt. Alarm ist allerdings angesagt, wenn TherapeutInnen auf solche Öffnungen von PatientInnen mit Achselzucken, Unverständnis oder gar Zurechtweisung reagieren. Wenn solche Mitteilungen ausschließlich als subtile Aggression oder Mangel an ernsthafter Mitarbeitet gedeutet werden. Wenn die Lust an der Fortsetzung der Therapie abnimmt, es keinen (weiteren) Behandlungsfortschritt gibt. Dann ist es vermutlich Zeit zu gehen, zumindest für ein ernsthaftes Hinterfragen. Ein angesehener Psychoanalytiker (Helmut Thomä) plädiert dringend für einen Therapeutenwechsel, „wenn sich nach ungefähr halbjähriger Therapie im Patienten nichts verändert hat und auch kein Bild in ihm entstanden ist, auf welchem Weg es zu einer Besserung kommen könnte.“


Wie gesagt: Das Problem (für einen Patienten) ist jetzt nicht, wenn der Thera "ernst nimmt" etwas "verkannt" hat... und das in irgendeiner Form nutzbar, geklärt werden kann (und sei es, dass ein Supervision dahingehend wieder neue Wege eröffnet).

Sondern eher, wenn etwas in dem System, in dem es entstanden ist, doch nicht gelöst werden kann. Z.B. wenn ein Therapeut vielleicht wirklich xy nicht so ernst nimmt... oder z.B. eine ( massiverer beeinträchtigende und nachhaltigere, einer Klärung nicht so zuführbaren) Unsicherheit dahingehend bleibt: "werde ich jetzt nicht ernst genommen" oder (analog oben:) passt die Deutung, an der der Thera nachhaltig festhält: ich arbeite nicht ernsthaft mit, nehme mich nur selbst nicht ernst usw. (man kann ja manches in ganz vielerlei Hinsicht deuten).

Da bleibt schon die Frage: Wohin könnte man sich damit als Patient wenden, wenn man eben nicht (mehr) trauen kann, ob (ggf. trotz Supervision des Theras) irgendwo "blinde Flecken" liegen, und ob man das wirklich mit dem Thera lösen kann (festhalten vielleicht doch helfen könnte... oder gerade nicht).

Einlassen ist wichtig, keine Frage: Auf was man sich nicht einlassen kann, das wirkt eh nicht... allerdings ist Einlassen auch keine Garantie, dass alles geklärt werden kann. Bzw. für mich gäbe es auch manche Ausschlussgründe, auf was ich mich nicht einlassen würde... nur z.B. (weil es hier genannt wurde): irgendwelche Schweigegelübde: da braucht man nicht viel darüber streiten, sowas kratzt an ethischen Prinzipien (eine Sensibilisierung, dass Verlagerungen, irgendwelche Prozesse stören können, wäre etwas anderes für mich)... irgendwelche Urlaubsbindungen ebenso... UND SO WEITER. Dann vielleicht gar noch ne (unflexiblere) Deutung, man könne sich vielleicht nur nicht an Regeln halten... jepp, da wäre Zündstoff (bei mir) schon so vorprammiert/absehbar, dass ich (vermutlich) gleich Reißaus nehmen würde. Heikel wird es dann, wenn ein zuvor eigentlich passendes Gespür, am Ende dadurch aufgeweicht wurde, weil es wieder in genau die Kerbe schlug, die man eh schon kennt... und die dann mehr oder weniger bestätigt ist (was nicht absichtlich geschehen muss). Und was dann auch noch erschwerend hinzukommen kann (Quelle: s.o.):
Ich bin mir durchaus bewusst, wie viel Selbstbewusstsein es schon voraussetzt, die eigenen Zweifel, Gefühle und Gedanke wirklich ernst zu nehmen. Dazu gehört bereits eine innere Haltung der Wertschätzung: die Haltung, „mein Gefühl ist wirklich wichtig und ich bin es Wert, dass...
Zuletzt geändert von stern am Mi., 18.01.2012, 17:58, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
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sandrin
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 17:47

Ich kann das, was stern schrieb, nur unterschreiben.
Was ich aber ebenfalls nochmals betonten möchte: MICH hat immer am meisten genervt, dass ich Dinge angesprochen habe, diese aber sofort wieder als Übertragung gedeutet wurden. Ich meine, auch eine Analyse hat eine reale Beziehung, in der auch reale Probleme entstehen können, z. B. Missverständnisse. Wenn sich aber ein Analytiker immer wieder auf diese Übertragungsebene begibt und sagt: "Ich kann verstehen, dass Sie sich sich fühlen, schließlich haben Sie ja auch Ihre Mutter als unberechenbar erlebt", dann entgeht der Therapeut meiner Meinung nach einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Patienten und zieht sich oft auch einfach aus der Affäre. Das ist das beste Mittel, das eigene Arbeiten nie hinterfragen zu müssen. Zumindest verbirgt sich dahinter diese Gefahr.

Mich hat das am Ende echt aggressiv gemacht, weil ich einfach immer gegen eine Übertragungswand gelaufen bin und niemals an die reale Beziehungsebene gelangt bin.

Sandrin

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carö
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 18:49

sandrin, das kann man denk ich auch wirklich als vorschieben der übertragung sehen bzw. schon als missbrauch der deutungsmacht.
ich muss sagen, dass ich das echt kaum erlebt habe, sondern immer wieder die betonung darauf, das es nur versuche sind, etwas zu verstehen.. hypothesen... interpretationen, die nicht wahr sein müssen und das natürlich verbunden mit entsprechendem verhalten. es war also nicht nur dahingesagt, sondern für mich glaubwürdig, dass ich etwas auch widerlegen kann, wenn es für mich nicht passt. das wurde akzeptiert, ohne mich damit abzunerven... da würde man doch eh nur dicht machen, sich unverstanden fühlen oder/und wütend. bringt letztlich nichts.

ich glaube, ich habe mitunter am meisten profitiert, wenn wir einen konflikt so auflösen konnten, dass ich mich eben nicht zurechtgebogen fühlen musste. einer der bewegendsten momente war für mich, wo mein analytiker ausdrücklich ein bestimmtes verhalten mir gegenüber bedauert hat. er hat einblicke in seine reale welt gewährt, einblicke in seine realen beschränkungen und grenzen. nicht als entschuldigung, sondern um es besser verstehen zu können, warum er so und nicht anders sein konnte. ich konnte ihm das dann vergeben und auch loslassen, weil ich ihn verstehen konnte. hätte er nur übertragungsdeutungen gegeben, dann wäre ich auf meinem frustlevel sicherlich sitzengeblieben.

gleichzeitig hat er sich weiterentwickelt in der zeit der therapie.. er wurde eigentlich immer offener, war mein eindruck. gleichzeitig war er aber auch sehr abstinent... aber ich glaube, dadurch dass er für mich tatsächlich immer wieder auch greifbar war als reale person, konnte ich mich auch auf manche schwierigen übertragungsdeutungen eher einlassen und gewissermassen auf herz und nieren prüfen, ob da für mich was dran ist... denk ich mal..

ich bin nach wie vor der festen überzeugung, dass der gute umgang mit den fehlern und konflikten, die immer passieren können - also eben nicht alles nur dem patienten zuzuschreiben, sondern auch die wirkung des analytikers mit zu berücksichtigen - entscheidend war, dass es sich gut entwickelt hat.
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sandrin
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 19:08

Ja, carö. Da hast du absolut Recht.
Ich finde, wenn man das in den Griff bekommen könnte, dann wäre viel gewonnen. Für mich war das halt einfach immer so frustrierend, weil meine Therapeutin mir sozusagen immer "entglitten" ist. Ich muss dazu sagen, ich war ihre allererste Patientin als Analytikerin. Davor hat sie schon lange Jahre tiefenpsychologisch gearbeitet. Vermutlich war das der erste Idealismus und der Glaube, das psychoanalytische Gedankengut bzw. die Methode seien das Non-Plus-Ultra. Allerdings hat sie sich in vielerlei Hinsicht mir gegenüber sehr menschlich gezeigt und sich auch offenbart. Das hat es so schwer gemacht. Und jetzt kommt wirklich ne Übertragungsgeschichte - das war wie das Verhältnis zu meiner Mutter. Ich konnte ihr nie böse sein, weil sie bei allem, was sie mir oft zugemutet hat, auch fürsorglich sein konnte.

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Herr Schmidt
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 20:38

Ich weis nicht mehr genau wo ich es gelesen habe, aber in den USA und in Australien unterschreibt der Patient vor seiner Psychotherapie eine sogenannte "Allgemeine Zustimmungserklaerung" (= informed consent). Diese ist gesetzlich vorgeschrieben. Dabei wird der Patient ueber Risiken und Nebenwirkungen der Therapie aufgeklaert. Der Grund fuer dieses Gesetz sind die enormen Schadenersatzklagen, die in den USA und Australien moeglich sind. Ich glaube in GB und Irland wird darueber diskutiert, so etwas einzufuehren. Ich habe den Auszug leider nur in English gefunden:

"Informed consent" is a process of sharing information with patients that is essential to their ability to make rational choices among multiple options in their perceived best interest. It was founded as a legal standard of care on the principle of individuals’ rights over their own bodies and was well established by the turn of this century. It was enforced progressively throughout the past generation: first for surgical procedures, then medical ones, and finally for medication itself. Until recently psychotherapy had largely avoided this burden."

Ich faende so ein Gesetz nur fair. Dadurch wird nicht nur der Patient mehr geschuetzt, sondern auch der Therapeut.

Die, meiner Meinung nach, "krasseste" Deutung, die ich in meiner Analyse erfuhr, war die folgende: In einer Sitzung beschreibe ich meinem Therapeuten meine Wut ueber fehlende Arbeitslosengeldzahlungen. Ich war bereits mehrere Tage ohne Essen und Strom gewesen, weil das Geld nicht rechtzeitig ueberwiesen wurde. Ich sagte, dass ich es inzwischen verstehen wuerde, dass manche der Jugendlichen die Bushaltestelle demolieren (es waren gerade die Unruhen in London aktuell). Er fragt mich nach meiner Suizidalitaet und ich sagte, dass ich von hohen Gebaeuden springen moechte. Darauf antwortet er, ich koenne auf das Gebaeude steigen, und vom da aus dann auf die Bushaltestelle springen. Anschliessend war ich zum ersten mal auf den Suizidwebseiten/foren, um ueber Selbstmordmethoden zu recherchieren.

Ich finde, dass Therapeuten, die solche Sprueche vom Stapel lassen, vom Markt gehoeren. Die Beweislast liegt wie immer beim Patienten.

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Maika
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 20:43

Ein angesehener Psychoanalytiker (Helmut Thomä) plädiert dringend für einen Therapeutenwechsel, „wenn sich nach ungefähr halbjähriger Therapie im Patienten nichts verändert hat und auch kein Bild in ihm entstanden ist, auf welchem Weg es zu einer Besserung kommen könnte.“
Falls es jemanden zum Nachlesen interessiert: Das steht in dem Artikel, auf den ich weiter oben hingewiesen habe.
Da bleibt schon die Frage: Wohin könnte man sich damit als Patient wenden, wenn man eben nicht (mehr) trauen kann, ob (ggf. trotz Supervision des Theras) irgendwo "blinde Flecken" liegen, und ob man das wirklich mit dem Thera lösen kann (festhalten vielleicht doch helfen könnte... oder gerade nicht).
Ich weiß es nach meiner Erfahrung wirklich nicht, und ich weiß nicht mal ob man damit jede ungünstige Entwicklung verhindern kann. Ich habe im Laufe meiner Analyse mit drei außenstehenden Personen gesprochen, einmal bei einem Kriseninterventionszentrum und mit zwei anderen Analytikern (Vertrauensanalytiker). Keiner von denen konnte wirklich beurteilen, ob meine Therapie schiefläuft oder nicht, keiner hat nach meinen Schilderungen zum Wechsel geraten, zwei meiner Gesprächspartner rieten mir, das Ganze noch mal mit meinem Analytiker zu besprechen - was ich zu dem Zeitpunkt ja schon immer und immer wieder gemacht hatte. Also insgesamt schon die Tendenz, dass die Probleme wohl in der Analyse geklärt werden könnten. Aber ich habe ja grade Rat von außen gesucht, weil es eben innerhalb der Analyse nicht funktioniert hat.

Problem war vielleicht auch, dass die Vertrauensanalytiker eigentlich gar keine Ansprechparter für schieflaufende Therapien sind, sondern nur für echte Verfehlungen wie z.B. Missbrauch, und dass so eine Art Clearingstelle/Anlaufstelle für Patienten tatsächlich nicht existiert.

Was mich noch umtreibt ist, dass eine scheiternde Therapie für den Therapeuten selbst völlig egal sein kann, da es keine Rückmeldung an die KK über Erfolg oder Misserfolg gibt. Lange Therapien sind ja eine ziemlich kostenintensive Behandlung, ich verstehe nicht, dass es keine Evaluation gibt, z.B. nach einem Jahr ein Nachgespräch/Fragebogen, wo dann zumindest sichtbar würde, wenn sich Misserfolge bei bestimmten Therapeuten häufen.

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Schattenmädchen
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 21:25

Man könnte meinen, hier wird über Wellnessanwendungen diskutiert... Ganz ehrlich: Ich gehe in eine Therapie, weil es mir dermaßen schlecht geht, dass ich keinen anderen Ausweg mehr sehe und auf Psychopharmaka keine Lust habe. Was interessiert mich da ein Wisch über Risiken und Nebenwirkungen? Wenn ich epileptisch bin und vor mir ein Medikament stehen habe, das die lebensgefährlichen Anfälle verhindern kann, dann nehme ich das, Punkt. Solange ich in der Situation bin, dass mich irgendwelche Risiken wie "Verschlechterung des Krankheitsbildes" oder "Stagnation" abschrecken können, brauche ich nicht wirklich eine Therapie. Was sind denn bei vielen von uns die Risiken und Nebenwirkungen einer "Nicht-Therapie"? Solange diese überwiegen, nehme ich alles andere gerne in Kauf.

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sandrin
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 21:46

Sehe ich anders.
Wenn ich z. B. eine körperliche Krankheit habe und ich muss mich entscheiden zwischen wirklicher Therapie, d. h. Ursachenbeseitigung oder reiner Symptombehandlung, werde ich mich schon fragen, ob ich die Therapie möchte, wenn ich davon z. B. blind, gelähmt oder sonst was werden könnte. Also ich finde, das machst sehr wohl einen Unterschied. Man wählt halt immer das geringere Übel ...

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Mary-Lou
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 21:49

Schattenmädchen hat geschrieben:und auf Psychopharmaka keine Lust habe. Was interessiert mich da ein Wisch über Risiken und Nebenwirkungen? Wenn ich epileptisch bin und vor mir ein Medikament stehen habe, das die lebensgefährlichen Anfälle verhindern kann, dann nehme ich das, Punkt.
Hmm, so ganz vergleichen kann man das allerdings nicht.

Bei einem Medikament, das lebensgefährliche Anfälle verhindern kann, bist du eher gezwungen, dieses zu nehmen, sofern du das Risiko des Sterbens nicht eingehen möchtest. Du hast dennoch einen Beipackzettel, auf dem die Risiken und Nebenwirkungen aufgelistet sind.

Du selbst schreibst aber davon, dass man z.B. eine Therapie macht, weil man bspw. keine Psychopharmaka einnehmen möchte. Da hättest du die Wahl. Und verglichen mit deinem lebensrettenden Medikament wäre auch hier ein Beipackzettel nicht ganz sinnlos. Er gibt dir die Möglichkeit, dich über Risiken und Nebenwirkungen zu informieren und ggf. ein anderes "Präparat" zu wählen.
Frühling: „Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit.” (Henry David Thoreau)

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lullabychild
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 23:20

@ Sandrin Warst du bei meinem Therapeuten lol? Das was du sagst habe ich mit meinem Verhaltenstherapeuten auch durch und war letztendlich auch der Grund warum ich aufgehört habe.
Du hast es wunderbar gesagt, er entzieht sich damit der realen Beziehungsebene. Ich wollte letztes Jahr im Mai die Therapie beenden, aber hat nicht locker gelassen mir SMS ,Briefe geschrieben , dass wir darüber reden müssen bla bla bla und als ich dann zur Stunde gekommen bin und ihn meinen Frust über unsere gefühlt distanzierte Therapiebeziehung zu erklären, hat er es natürlich so gedreht und meinte: Sie haben mir ja schon öfter gedroht die Therapie abzubrechen." Dabei war ich lediglich unglücklich mit der Therapie.
Er hat noch andere fiese Spielchen gemacht, aber das wär jetzt vielleicht zu lang.
Jedenfalls wär ich für Qualitätskontrollen in Therapien.


montagne
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 23:34

Ein wichtiger Prädikator seitens der Klienten, neben Faktoren seitens des Therapeuten und des Rahmens) für das gelingen der Therapie ist, dass Klienten den als-ob-Charakter der therapeutischen Beziehung und des Agierens verstehen und anerkennen.
Soweit ich weiß hat das gar nicht mal all zu viel mit den Strukturniveau oder dem Schweregrad der Störung zu tun.

Ich glaube das ist eines der tragenden Elemente, um durch negative Übertragungen hindurch zu kommen. Manchmal gehört eben eine negative Übertragung zum Weg der Heilung. So wie manchmal auch eine akute Verschlechterung. Dies gilt wiederum insbesodnere für früh gestörte Klienten, also narzißstisch oder schizoid strukturierte. Die haben gar keine Fähigkeit zur Depression. Wenn sie voran kommen in ihrer Struktur erwerben sie erst diese Fähigkeit und dann tritt die depression meist auch sehr stark auf.
Klar liegt da eine hohe Abbruchgefahr.

Aber generell würde ich negative Erlebnisse oder phasenweise Verschlechterungen in einer Therapie nicht so ungewöhnlich finden.
Krebspatienten und ihre Angehörige leiden wie Hunde an der Chemo und da wird auch nicht einfach gesagt, Chemo ist schlecht, man solle es lassen. Und Chemo ist nun wirklich buchstäblich Gift.
amor fati

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