Therapiepause?

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Anne1997
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Beitrag Di., 08.09.2009, 10:34

Hallo Xanny,

möchte das, was Annemarie schrieb, doppelt unterschreiben: was hättest Du denn als Kind tun können?
Nichts!(?) - Doch, natürlich, Du hast etwas "getan", nämlich Dir bestimmte Verhaltensmechanismen zugelegt, die damals sehr nützlich waren und Dich heute sehr einschränken.
Und: es sind wohl 30 Jahre, da brauchst Du "Zeit", Jahre, aber es geht.

Du "weißt" es selbst: Du solltest Dich um Dich - liebevoll - kümmern.

Und zum schambesetzten Thema, dass Deine Kinder auch in 20 Jahren in Therapie sitzen, kann ich Dir die
Antwort eines Therapeuten geben, der vollkommen frei und losgelöst von der Therapie seiner erwachsenen Tochter erzählte und ich das damals kaum fassen konnte, dass seine Tochter eine Therapie benötigt und er uns so locker davon erzählte.
(Für mich war er ein "idealer" Vater bzw. fand die Familie durch die Erzählungen "toll".)
Und dass beide sich - soweit sie wollten - darüber ausgetauscht haben (mache ich in meiner heutigen Familie auch noch kaum, da es so nicht geht).
Es ging in der Antwort um die Verantwortung, die ich für mich (... also für niemand anderes) habe, um Mängel, die man erlebt hat, zu verarbeiten, zu spüren, positive Modelle erfahren zu können usw.

Fand das zu einer gewissen Zeit relativ egoistisch (so habe ich auch argumentiert: ich muss mich doch um xy kümmern..., 99% der Menschheit hat schlimmere Probleme) - heute ist mir - nicht nur kognitiv - bewusst, dass dies die einzige Möglichkeit ist (also, sich um sich zu kümmern), um besseren Kontakt zu anderen (auch im Sinne von eindeutigerer Abgrenzung, die bei mir sogar manchmal wieder zu mehr Nähe führte, die dann aber für mich "klar", "berechenbar" war), zu seiner Familie, zu seinen Kindern zu bekommen.

Insofern kannst Du Deine Kinder - so wie Annemarie schreibt - jetzt schützen (s.o.).
Und irgendwie unternimmst Du einiges dafür, Du scheinst sehr sehr zu kämpfen - nur allein ist dies nicht möglich. Also, "mach Dich auf die Socken" - Du bist es wert, Deine Kinder auch (die finden ihren Weg und lernen viel von ihren Eltern, auch zu überleben und dazuzulernen, sich Hilfe zu holen, sich um sein Leben zu kümmern, "alles" eben).
Deine Kinder haben keine Verantwortung für Dich, übernehmen sie vielleicht aber, falls Du Dich nicht um Dich kümmerst und Du sie daraus "entlässt".

Zerrissene schrieb, dass es ihr weht tut, Deine Lebensgeschichte zu lesen: so ging es mir hier schon beim Lesen einzelner Abschnitte, ohne Deinen Blog zu kennen.
Dieses Gefühl, sich selbst damit weh zu tun, kenne ich sehr gut - dank vieler Rückmeldungen von Menschen in meiner Nähe. Und ich merkte irgendwann, dass es so nicht weiter geht und dass ich lernen "muss", verantwortlicher mit mir umzugehen.

Wünsche Dir alles Gute!!!! Du hast hier viele Leute, die Dich schon eine ganze lange Zeit begleiten und Dich schriftlich / gedanklich "powermäßig" unterstützen! Das hat mich beim Lesen sehr beeindruckt!

Liebe Grüße,
Anne

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Xanny
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Beitrag Di., 08.09.2009, 11:10

Violetta 2009 hat geschrieben: Wieso darf dein Exmann Kontakt zu deinen Kindern haben, wenn er so ein Schläger ist/war?
Das verstehe ich nicht.Also, ich hätte da furchtbare Angst um meine Kinder. Kann man diesen
Kontakt vom Vater zu den Kindern aus genau diesen Gründen gerichtlich nicht ganz verbieten?
Ist es nicht auch für die Kinder wichtig hier Abstand zu bekommen?
Violetta.
Weil ich vieles nicht zur Anzeige gebracht habe. Es ist also auch mal wieder meine Schuld. Und das Jugendamt sagt, die Kinder brauchen beide Elternteile und er hat den Kindern (bis auf psychische Grausamkeiten) ja nichts getan. Das ist auch etwas, was mich furchtbar wütend macht. Ich habe da an so vielen Fronten gekämpft, mehrfach vor Gericht gewesen. In meiner Klinikzeit hat das Gericht den Pflegeeltern die Fürsorge zugesprochen, mein Ex hatte mich verklagt, er wolle die Kinder haben...und trotzdem gibt es ein Umgangsrecht, dass nur auszusetzen ist, wenn man ihm nachweisen kann,dass er die Kinder mißhandelt. Das sind unsere Gesetze, würg!!!
Das versteht auch in meinem Umfeld niemand so ganz aber wir versuchen alle, das Beste daraus zu machen und die Kinder liebevoll aufzufangen, wenn sie mal wieder von einem Wochenende heimkommen, wo sie nur vor der Glotze gesessen haben, weil der Idiot einfach nichts hinkriegt. Manchmal wollen sie auch gar nicht zu ihm. Aber das ist wirklich eine lange Geschichte, die sehr viele Behördengänge und Gerichtssitzungen beinhaltet. Wenn es nach mir ginge, ich würde ihm die Kinder nicht geben wollen. Mein Anwalt ist da auch schon ratlos.
*Ein Freund ist jemand, der Deine Vergangenheit versteht, an Deine Zukunft glaubt und Dich so akzeptiert, wie Du bist*

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Xanny
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Beitrag Di., 08.09.2009, 11:15

Anne1997 hat geschrieben: Wünsche Dir alles Gute!!!! Du hast hier viele Leute, die Dich schon eine ganze lange Zeit begleiten und Dich schriftlich / gedanklich "powermäßig" unterstützen! Das hat mich beim Lesen sehr beeindruckt!
Das finde ich auch außerordentlich beeindruckend. Komme mir manchmal vor, wie ein Kind, was nicht hören will, obwohl die Eltern sagen tu dies und tu das. Aber alle Beiträge sind hier aus tiefstem Herzen geschrieben und meinen es gut, trotz dass ich vielleicht anders reagiere, als von manchem Verfasser hier erwünscht. Ich bin darüber sehr, sehr dankbar und es tut gut, zu wissen, dass hier überhaupt noch jemand mitliest und sich die Mühe macht, hier etwas zu schreiben. Vielen Dank an Alle aktiven Forumslesern an dieser Stelle.
Für mich ist dies Forum grad eine ganz gute Stütze, ich kann hier gut über vieles Schreiben und habe das Gefühl, hier auch ganz gut angenommen zu sein. Das tut mir grad einfach mal gut.
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candle
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Beitrag Di., 08.09.2009, 12:25

Xanny hat geschrieben: Ja, das kommt auch in der Therapie hin und wieder vor. Naja, wohl eher häufig, wenn ich ehrlich bin.
Dann ist das womöglich der springende Punkt. Du kannst Dich nicht einlassen auf Hilfe.

Ich bin ja nun ganz allein auf mich gestellt und habe ja vor einigen Wochen auch sehr schlimm rotiert mit meinen Mißbrauchsgeschichten.

Ich habe mir klar gemacht, rational, dass ich mich nicht schützen konnte, dass es nichts nutzt darin immer wieder zu bohren... hat auch eine Spur mit dem Kind in einem zu tun und dem Selbstmitleid, Suche nach der eigenen Schuld, dass man es verdient hat, dass man schlecht war... man hinterfragt und hinter fragt und hinterfragt....

STOP

Tauche einn in die reale Welt! Suche nicht mehr, trigger Dich nicht permanent selber! Es hilft nichts! Es ist Vergangenheit. Heute hast Du Möglichkeiten Dich zu schützen. Du hast Möglichkeiten Deinen Kindern zu zeigen, dass man kein Opfer werden, sein und bleiben muß!

Vor allem haben nicht immer andere Schuld im Erwachsenenalter. In Beziehungen trägt jeder einen Anteil.

Also nochmal: Mache erstmal eine Sache für DICH!!!

Arbeite hier an Deinen Resourcen und nicht den Problemen. Das würde Dich erheblich weiterbringen.

Die Beiträge wühlen Dich doch immer mehr auf!

Ich kenne das wie gesagt. Hatte das auch und bin wieder rausgekommen und das hatte was mit sich "selber in den Hintern treten" zu tun oder suche Dir jemanden, der es tut, der Dir eine Hilfe ist.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

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Stöpsel
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Beitrag Di., 08.09.2009, 14:18

Hallo Xanny,
Ich kann mir nicht verzeihen, früher nicht besser auf mich aufgepasst zu haben. Hätte ich vor 30 Jahren ein deutliches Stop gesetzt, dann würde es mir jetzt anders gehen.
Vielleicht denkst Du das in ein paar Jahren auch, daß Du JETZT nicht gut auf Dich aufpaßt und versuchst in eine geeignete Klinik zu gehen. Aber das kannst Du JETZT beeinflussen.
KimHB hatte doch vor einigen Tagen was geschrieben, was gut zu Dir gepaßt hätte, such doch mal nach sowas... Bzw. ist Bremen dann ja schon einigermaßen in der Nähe von Dir, das müßte dann ja wahrscheinlich passen.
Ja, ich werde wohl mal mit meinem Hausarzt reden müssen, aber der hält diesen ganzen Psychokram für total bescheuert, das hat er mir schon gesagt und da macht er auch keinen Hehl draus, deswegen trau ich mich nicht so ganz.
DAnn such Dir im Zweifel einen neuen HAusarzt.

Viele Grüße

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estelle
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Beitrag Di., 08.09.2009, 16:52

Weil ich vieles nicht zur Anzeige gebracht habe. Es ist also auch mal wieder meine Schuld. Und das Jugendamt sagt, die Kinder brauchen beide Elternteile und er hat den Kindern (bis auf psychische Grausamkeiten) ja nichts getan.


Hallo Xanny,
Psychische Grausamkeiten finde ich auch schlimm.
Wenn Kinder unter 18 Jahren von Personen psychisch gequält werden,von denen sie abhängig sind,
(Eltern, Lehrer usw.)und da einen längeren Zeitraum drunter psychisch leiden,kann dieses durchaus
auch eine strafbare Handlung sein. Frag doch mal deinen Anwalt,vielleicht gibt es ja doch Möglichkeiten
deinem Exmann das Umgangsrecht zu entziehen!
Aber auch hier wieder bist du nicht schuld,weil du es nicht zur Anzeige gebracht hast! Manchmal ist
man einfach zu solchen Angelegenheiten psychisch nicht in der Lage,kann ich mir gut vorstellen.
Grüße,
Violetta.

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Xanny
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 06:57

Violetta 2009 hat geschrieben: Aber auch hier wieder bist du nicht schuld,weil du es nicht zur Anzeige gebracht hast! Manchmal ist
man einfach zu solchen Angelegenheiten psychisch nicht in der Lage,kann ich mir gut vorstellen.
Ja, man steckt da wie in einem Film und läßt alles über sich ergehen, weil man immer noch angst vor Schlimmerem hat. Ich zweifel heute noch, ob diese Trennung richtig war, oder ob es besser gewesen wäre, so weiterzumachen, als immer Angst zu haben, wenn jemand hinter mir steht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ansonsten gehts mir grad richtig schlecht. Fühle mich gar nicht gut, bin schon mit Kopfschmerzen aufgestanden, hab ne schlechte Nacht hinter mir und jetzt rufen die Verpflichtungen...

Fühl mich grad zu nichts in der Lage...
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estelle
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 07:40

Xanny schrieb
Ja, man steckt da wie in einem Film und läßt alles über sich ergehen, weil man immer noch angst vor Schlimmerem hat.


Guten Morgen Xanny,
ja kann ich mir gut vorstellen,was du geschrieben hast.
Ich finde,wenn du noch so viel Angst hast solltest du doch besser noch ein wenig weiter zu deinem
Therapeuten gehen und dich eine Weile weiter begleiten lassen, zumindest hast du dann immer
einen Ansprechpartner und das erleichtert ja auch schon.
Liebe Grüße,
Violetta.

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sumati001
sporadischer Gast
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 10:06

Hallo Xanny!

Ich verfolge deinen Thread nun schon einige Zeit mit. Und auch wenn ich weitgehend nur wiederholen kann, was andere schon geschrieben haben, möchte ich dir sagen, dass ich sehr mit dir fühle!
Ich glaub, ich kann gut nachvollziehen, was in dir vorgeht. Gerade das ständige Kreise um "Schuld" an allem sein kenn ich gut. AUch wenn andere es hier ja auch schon versucht haben, möchte ich mich dem anschließen: DU BIST NICHT SCHULD!!!! An nichts, was passiert ist. Als Kind hattest du keine Wahl!!! Und was heute abgeht ist immer noch Folge dessen, was in deiner Kindheit passiert ist!

Ich beginne das für mich auch heute erst langsam "auf die Reihe" zu kriegen. Wir hatten als Kinder einfach keine Wahl!!!!!! (Ich weiss nicht wie viele Therapiestunden letztlich immer wieder um diese Frage gekreist sind.) Wenn dein Therapeut das nicht nachvollziehen kann oder will, dass DU alle Zeit der Welt brauchen darfst, das für dich klar zu kriegen, kann ich dir nur raten: such dir einen anderen!!!! Man kann nicht von heute auf morgen "umschalten" und dann passt alles. - Schön wär es - und die Therapeuten wären bald arbeitslos Selbst wenn man's als "Erwachsener" irgendwo "begreift", das verletzte Kind da ganz tief drinnen hat das deswegen noch lang nicht begriffen!!! (So gehts mir zumindest!) Hast du mit deinem Kind / den Kindern denn schon Kontakt herstellen können? Für mich ist das immer noch eine tägliche herausforderung, das Vertrauen des verletzten Kleinen zu bekommen. Und ihm jeden Tag ein bisschen davon zu geben, was es braucht.

Du brauchst eine professionelle Begleitung, die viel Geduld hat und dir keinen Stress macht!!!! Brich nicht einfach die Therapie ab, allein kannst du das nicht schaffen. Meine Thera hat vor einiger Zeit zu mir in einer ähnlichen Situation gemeint: "Ja, das war alles ganz schlimm, aber wenn Sie wollen, durchbrechen wir jetzt gemeinsam den Kreislauf. Sie sind jetzt nicht mehr allein. Wir stehen das gemeinsam durch." Für mich war die Botschaft unheimlich wichtig. Auch wenn klar ist, dass die Hauptarbeit bei mir liegt (was kann schon 1 Stunde in der Woche viel ändern?) Aber trotzdem ist genau diese 1 Stunde, in der ich weiß es ist wer da, der nicht be oder verurteilt, die wichtigste Stunde in der Woche überhaupt. Und so gelingt es ganz langsam schrittweise aus der Schuldfrage auszusteigen und einfach zu schauen, was das Kind braucht, damit es ihm gut geht.

Ich wünsch dir, dass du bald einen Therapeuten findest, der dich ganz in diesem Sinn begleitet. Und noch was: es ist alles ganz "normal" was du da durchlebst!!!! Viele hier werden das bestätigen können! Es ist mühsam, aber lass dich versichern: Es gibt einen Weg heraus aus dem ganzen Schlamassel!!!! Gib nur nicht auf!!!!! (Sonst tragen die, die das alles verbrochen haben, letztlich wirklich den Sieg davon. Und schon allein deshalb solltest du dranbleiben!!! Meinst du nicht? )

Ich grüße dich lieb
sumati

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Xanny
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 11:16

sumati001 hat geschrieben: Hast du mit deinem Kind / den Kindern denn schon Kontakt herstellen können? Für mich ist das immer noch eine tägliche herausforderung, das Vertrauen des verletzten Kleinen zu bekommen. Und ihm jeden Tag ein bisschen davon zu geben, was es braucht.
Hallo sumati001,

Kontakt zu meinem inneren Kind herzustellen fällt mir verdammt schwer. Ich verabscheue dieses Kind und kann es nicht als Teil von mir annehmen. Dieses Kind hat ein Leben gelebt, das ich so nicht hinnehmen kann. Ich habe kein Verständnis für das kleine Mädchen. In meiner Therapie habe ich das Kind mal als Monster betitelt.
Andererseits, wenn ich mich selbst als Kind sehen soll, dann muss ich einfach nur weinen. Weil es alles so furchtbar ist, weil diesem Kind keine Chance gegeben wurde. Das ist ein großer Widerspruch, aber das sind die Gefühle, die dann bei mir auflaufen.
Ich finde das ganz schön schwierig. Jedes Kind bekommt von mir Verständnis, Liebe, Mitgefühl, nur meinem Kind kann ich das nicht geben. Ich habe vielmehr das Gefühl, diese Kind noch zusätzlich bestrafen zu müssen. Es hat sich nicht gut verhalten, also die Liebe der Eltern nicht verdient. Meine Mutter schleppte mich mal zum Jugendamt und sagte den Mitarbeitern dort, sie sollen mit mir machen, was sie wollen, sie hat keine Lust mehr auf mich. Was habe ich wohl schlimmes angestellt? Diese Szene ist mir immer im Kopf, das kleine Mädchen muss ins Heim, weggesperrt werden, ist eine Zumutung für die Menschheit.

Wenn ich sehe, wie andere mit ihren Kindern umgehen, wenn ein Kind irgendwo liebevoll auf den Arm genommen wird, weil es sich verletzt hat, oder traurig ist, dann versinke ich in so einer Szene. Ich möchte manchmal in die Rolle des Kindes schlüpfen, meinen Kopf bei Mama verstecken und weinen dürfen und nicht immer nur die Große sein, die alleine zurechtkommt.

Ich durfte als Kind selten weinen, bzw. habe das nur nachts heimlich unter meiner Decke gemacht. Es gab keine Gespräche über mich, die Pubertät, meine Stärken. Ich musste nur funktionieren. Meine Stiefmutter hat mich mal unterrichtet, wie ich das Badezimmer richtig zu putzen hatte. Mein Vater stand daneben und hat mit dem Finger auf alle Ecken gezeigt, die nicht sauber waren. Ich war damals 13 Jahre alt und fühlte mich total erniedrigt. Außer mir hat nämlich niemand das Badezimmer gesäubert.

Mit 12 erklärte mein Vater mir, ich könne nicht richtig kochen, die Bratkartoffeln waren zu groß geschnitten. Das war bei uns so Gang und Gebe, von der Schule, Mittag für den Vater machen und wehe es war noch nicht abgewaschen, das erledigt man zugleich. Je mehr solcher Dinge mir einfallen, desto mehr hasse ich es, dass das Kind nichts richtig machen konnte.

Wäre ich nie zur Welt gekommen, wie meine Eltern es wollten, dann wäre vieles nicht passiert. Meine Schwester, die zur Adoption freigegeben wurde, hat es sicher besser gehabt. Meine Mutter erzählt gerne die Geschichte, dass ich als "Blinddarm" zur Welt kam und keiner etwas davon wusste. Und dass sie mich dann einmal die Woche bei meinen Pflegeeltern besuchen durfte und sich geekelt hat, mich auf den Arm zu nehmen. Von mütterlichen Gefühlen wohl keine Spur. Und als ich später zu meinem Vater zog, da hat sie mir nicht verziehen, dass ich sie "im Stich gelassen" habe, als es mit meinem Stiefvater Probleme gab. Ich war immer nur dafür da, für andere zu sorgen und deren Fussabtreter zu sein.


Oje, ich schweife schon wieder ab, ich sollte besser aufhören...
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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 11:29

Du brauchst im Moment wirklich eine Therapie.

Aber keine die in irgendeiner Weise mit den Traumata konfrontiert. Sondern eine die dich unterstützt, dir auf die Beine hilft und die dir hilft zu dir selbst zu finden, dich selbst liebevoll anzunehmen

Kannst du in deiner Gegend nicht ambulant jemanden finden, der dir dabei helfen kann?

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estelle
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 12:09

Hallo Xanny,
aus deinem obigen Beschriebenen entnehme ich das du zusätzlich zu deinen Schuldgefühlen aus deiner
Ehe noch ziemlich viele uralte Schuldgefühle aus deiner Kindheit mit dir rumschleppst.
Dafür ist eigentlich die Therapie da so etwas aufzuarbeiten.
Es wundert mich nur das dieses anscheinend noch nicht geschehen ist,dein Therapeut dir noch nicht
gesagt hat,dass du keine Schuld hast,nachdem du jetzt schon mehrere? Jahre in Therapie bist.
Habt ihr dieses Schuldthema denn wirklich schon eingehend bearbeitet?(Ich lese hier noch nicht lange
mit).
Grüße,
Violetta.

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candle
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 12:30

Violetta 2009 hat geschrieben: Habt ihr dieses Schuldthema denn wirklich schon eingehend bearbeitet?(Ich lese hier noch nicht lange
mit).
Vielleicht kann Xanny das gar nicht bearbeiten. Es braucht vorab Stabilisierung.

Mir hat es geholfen mich in die Realität zu begeben. Erstmal positiv fühlen, was man als erwachsene Frau leistet. Und das wird auch bei Xanny nicht wenig sein. Wenn sie das begriffen hat, kann sie auch selbstbewußter die Vergangenheit erfahren.

So ist auch nur der Thread eher hilfreich sich tiefer in Loch zu drehen.

candle
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stern
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 14:50

Dieses Kind hat ein Leben gelebt, das ich so nicht hinnehmen kann. Ich habe kein Verständnis für das kleine Mädchen. In meiner Therapie habe ich das Kind mal als Monster betitelt. ... Ich habe vielmehr das Gefühl, diese Kind noch zusätzlich bestrafen zu müssen. Es hat sich nicht gut verhalten, also die Liebe der Eltern nicht verdient.
Auch wenn du es nicht spürst... und jetzt auch eher nicht der günstiger Zeitpunkt sein dürfte, dich damit (inneren Kind) zu beschäftigen: Ist dir zumindest kopfmäßig klar, dass bei dem, das du als "Monster-Kind" bezeichnest, eher ein Anteil aktiv sein dürfte, der dir "eingeimpft" wurde? Insofern empfinde ich das auch nicht als Widerspruch:
Andererseits, wenn ich mich selbst als Kind sehen soll, dann muss ich einfach nur weinen. Weil es alles so furchtbar ist, weil diesem Kind keine Chance gegeben wurde. Das ist ein großer Widerspruch, aber das sind die Gefühle, die dann bei mir auflaufen.
Sondern in dem Moment bist du vermutlich stärker mit deinem inneren Kind in Kontakt... ohne dass sich dieser "verinnerlichte Anteil" dazwischen schiebt.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


Zerrissene
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Beitrag Mi., 09.09.2009, 15:24

Hallo Xanny,
Xanny hat geschrieben:
Kontakt zu meinem inneren Kind herzustellen fällt mir verdammt schwer. Ich verabscheue dieses Kind und kann es nicht als Teil von mir annehmen. Dieses Kind hat ein Leben gelebt, das ich so nicht hinnehmen kann. Ich habe kein Verständnis für das kleine Mädchen. In meiner Therapie habe ich das Kind mal als Monster betitelt.
Wer sagt bzw. schreibt denn, dass du JETZT Kontakt zu deinem inneren Kind aufnehmen sollst? Xanny, ich verstehe dich soooooooo gut, denn ich habe mal genauso gedacht wie du. Wie habe ich mich vor diesem kleinen Kind geekelt, ihr Leben war nicht mein Leben usw. Ich habe sie böse Seele genannt.

Darum geht es jetzt aber gar nicht, ich an deiner Stelle würde zum jetzigen Zeitpunkt keinen einzigen Gedanken daran verschwenden. So hart, wie es jetzt klingen mag, so gemein, wie jetzt einige Forenleser denken mögen, Xanny, es geht jetzt um dich, um die große Xanny. Wichtig ist, dass es dir schnell wieder besser geht, und das schaffst du nur mit einer entsprechenden Klinik oder mit einer entsprechenden ambulanten Therapie.

Xanny, bitte, versuche wieder deine innere Mitte zu finden.

Deine Vergangenheit kann warten, sie läßt dich eh nicht los.

LG Zerrissene

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