Hmm Josch, das birgt irgendwie für mich eine gewisse Erhabenheit, beinahe Stolz, den du gegenüber den Depressionsfrischlingen hegst. Eine Art Stolz darauf, dass du dich gerade so an der Wasseroberfläche halten kannst und dabei mächtig Wirbel machst, ruderst. Das als „aktiv“ erleben kannst, dich vielleicht erleben, deine Welt. Empfindest du dieses Rudern wirklich als „aktiv sein“? Hinterfragst du manchmal das scheinbar positive Image des Wortes „aktiv“? Ist jemand aktiv, wenn er für ein paar Markenturnschuhe oder ein schickes Cabrio arbeitet?vom Josch an Thea:
Du bist 30 und ich 59Jahre. Da sind Welten dazwischen. Kampf ums Überleben lernte ich von
Kindheit auf zu akzeptieren, probieren, versuchen kannte ich nicht, wobei ich noch immer überzeugt bin, da geht kein Weg vorbei. Ein Wort, dass noch immer aktuell ist. Politiker nehmen diese
Worte immer wieder gerne an, Sportler genauso und in Filmen hörst Du "Macht"oder "Kämpfen" ständig!. Ein Kreislauf, der sich immer wiederholt, lebenslang.
Erfolg aber überwältigt, ein Gefühl der Wertigkeit. Alte Muster jedoch abzulegen ist wieder ein Kampf mit sich selbst, aber wie bringe ich dieses Los wieder los? Mit Sex? Auch da wird gekämpft, Versuchen und Probieren ist schön, gesund und erfrischend ein anderes Lebensgefühl. Ich freu mich für Dich Thea..
Ich mag es nicht so sehr, wenn jemand eine Art „Martyrium“ in seinem Leben bemerkt, es zu seinem Leben macht und dann Größe daraus gewinnt, das geschafft zu haben und daraus dann andere von einer Art „Position“ heraus beäugt. Das aktivste und aus meiner Sicht nutzloseste, was man m.E. machen kann, ist, mit sich selbst zu kämpfen, was die Psychologenindustrie seit langem als Kerngeschäft benutzt. Man kann damit zwar sein Leben zubringen und immer wieder gewisse Freude gewinnen. Man kann ein Buch und ein Seminar wie eine Bockwurst konsumieren. Aber weil ich das Wort nutzlos verwende...meinst du, dass du wirklich dir und deinem Leben nutzt? Oder eher anderen?
Dieses ganze Vokabular ist aus meiner Sicht beim Thema Depression zu hinterfragen, nicht aus einer Haltung mit scheinbar bestandskräftigen Sinninhalten der Worte heraus zu argumentieren. Nicht aus einem „ich habs geschafft“-Standpunkt. Wenn ich das was man Depression nennt, verändern möchte, muss ich m.E. nicht zwingend handeln....um zu bemerken, dass ich neu sein kann. Es sind m.E. nur Hilfsmittel, um zu bemerken, dass man bereits neu ist. Das wär natürlich grausam für die Welt um dich herum.
Wie diese Sachen wie Ehrgeiz, Kampf, gewinnen-unterliegen, „aktiv sein“....gerade erst den Filz im Denken bilden, der uns krank macht, das ist m.E. eher eine Aufgabe. Aus meiner Sicht kämpfen wir in den allermeisten Tagessituationen nicht deshalb, weil wir etwas erreichen wollen, eher weil das, was ohne das Kämpfen/Zielsetzen... auftauchen könnte, so bedrohlich leer sein könnte.
Vielleicht ist eine zentrale Frage....dürftest du leben, ohne zu kämpfen?
Dieses „komm du erst mal in mein Alter, dann darfst du reden“....ist m.E. ein Indiz dafür, dass das Selbstbild eine gewisse Ausdehnung, einen Lustgewinn im Leiden erleben kann.
Hiob