Mit Depressionen leben zu lernen

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Hiob
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Beitrag Di., 11.08.2009, 11:50

vom Josch an Thea:
Du bist 30 und ich 59Jahre. Da sind Welten dazwischen. Kampf ums Überleben lernte ich von
Kindheit auf zu akzeptieren, probieren, versuchen kannte ich nicht, wobei ich noch immer überzeugt bin, da geht kein Weg vorbei. Ein Wort, dass noch immer aktuell ist. Politiker nehmen diese
Worte immer wieder gerne an, Sportler genauso und in Filmen hörst Du "Macht"oder "Kämpfen" ständig!. Ein Kreislauf, der sich immer wiederholt, lebenslang.
Erfolg aber überwältigt, ein Gefühl der Wertigkeit. Alte Muster jedoch abzulegen ist wieder ein Kampf mit sich selbst, aber wie bringe ich dieses Los wieder los? Mit Sex? Auch da wird gekämpft, Versuchen und Probieren ist schön, gesund und erfrischend ein anderes Lebensgefühl. Ich freu mich für Dich Thea..
Hmm Josch, das birgt irgendwie für mich eine gewisse Erhabenheit, beinahe Stolz, den du gegenüber den Depressionsfrischlingen hegst. Eine Art Stolz darauf, dass du dich gerade so an der Wasseroberfläche halten kannst und dabei mächtig Wirbel machst, ruderst. Das als „aktiv“ erleben kannst, dich vielleicht erleben, deine Welt. Empfindest du dieses Rudern wirklich als „aktiv sein“? Hinterfragst du manchmal das scheinbar positive Image des Wortes „aktiv“? Ist jemand aktiv, wenn er für ein paar Markenturnschuhe oder ein schickes Cabrio arbeitet?

Ich mag es nicht so sehr, wenn jemand eine Art „Martyrium“ in seinem Leben bemerkt, es zu seinem Leben macht und dann Größe daraus gewinnt, das geschafft zu haben und daraus dann andere von einer Art „Position“ heraus beäugt. Das aktivste und aus meiner Sicht nutzloseste, was man m.E. machen kann, ist, mit sich selbst zu kämpfen, was die Psychologenindustrie seit langem als Kerngeschäft benutzt. Man kann damit zwar sein Leben zubringen und immer wieder gewisse Freude gewinnen. Man kann ein Buch und ein Seminar wie eine Bockwurst konsumieren. Aber weil ich das Wort nutzlos verwende...meinst du, dass du wirklich dir und deinem Leben nutzt? Oder eher anderen?

Dieses ganze Vokabular ist aus meiner Sicht beim Thema Depression zu hinterfragen, nicht aus einer Haltung mit scheinbar bestandskräftigen Sinninhalten der Worte heraus zu argumentieren. Nicht aus einem „ich habs geschafft“-Standpunkt. Wenn ich das was man Depression nennt, verändern möchte, muss ich m.E. nicht zwingend handeln....um zu bemerken, dass ich neu sein kann. Es sind m.E. nur Hilfsmittel, um zu bemerken, dass man bereits neu ist. Das wär natürlich grausam für die Welt um dich herum.

Wie diese Sachen wie Ehrgeiz, Kampf, gewinnen-unterliegen, „aktiv sein“....gerade erst den Filz im Denken bilden, der uns krank macht, das ist m.E. eher eine Aufgabe. Aus meiner Sicht kämpfen wir in den allermeisten Tagessituationen nicht deshalb, weil wir etwas erreichen wollen, eher weil das, was ohne das Kämpfen/Zielsetzen... auftauchen könnte, so bedrohlich leer sein könnte.

Vielleicht ist eine zentrale Frage....dürftest du leben, ohne zu kämpfen?
Dieses „komm du erst mal in mein Alter, dann darfst du reden“....ist m.E. ein Indiz dafür, dass das Selbstbild eine gewisse Ausdehnung, einen Lustgewinn im Leiden erleben kann.

Hiob

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josch-wien
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Beitrag Mi., 12.08.2009, 00:38

Dein eingefügtes Zitat ist nicht von mir

Eine nettes erstaunliches Erlebnis von heute: Ein etwa 9-10jähriges selbstbewusstes Mädchen steht neben mir bei Bortolotti, Eissalon's, Mariahilferstrasse und kostet mit einen kl.Plastiklöffel drei verschiedene Eissorten.
Danach hat sie sich für eine Kugel "grünes Eis" entschieden. Auf dem selben Weg zur U3-Station zuckte sie das Handy und ruf ihre Freundin an: Bitte kauf dir das "grüne Eis nicht, es schmeckt scheußlich!
Einige Wochen vorher war ich bei den Beduinen auf Sinai.

Wäre auf eine Antwort von Dir "HIOB" mit Deiner Weisheit besonders neugierig.

LG Josch

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hungryheart
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Beitrag Mo., 17.08.2009, 08:49

Hiob hat geschrieben: Ich mag es nicht so sehr, wenn jemand eine Art „Martyrium“ in seinem Leben bemerkt, es zu seinem Leben macht und dann Größe daraus gewinnt, das geschafft zu haben und daraus dann andere von einer Art „Position“ heraus beäugt.

ich habe letzt eine freundin in einer klinik besucht und dort als gast ein offenes meeting der anonymen alkoholiker besucht.

dort haben sich die veteranen des alkohols gegenseitig ihre heldengeschichten im jahrzehntelangen kampf gegen den alkohol erzählt.

jeder einzelne war natürlich der, der am tiefsten in der gosse gelandet war und der auf den verschlungensten wegen mit den meisten widrigkeiten und katastrophalen katastrophen als phönix aus der asche zu seiner jetzigen weisheit und trockenheit gelangt war.


eine position vor der aus dann die neuen, erst kurz trockenen oder noch nassen alkoholiker gönnerhaft mit noch mehr heldengeschichten der lange trockenen "versorgt" wurden .
gruselig!

ziemlich narzistische, fast schon erbärmliche veranstaltung für eine außenstehende beobachterin wie mich.
ich fand keinen einzigen der alten herren so toll, wie sie taten .

hatte was von sich über den kampf gegen eine krankheit definieren.
(vielleicht weil da nicht viel anders ist????)

nicht die spur weise.
für mich eher langweilig, unerheblich und voll am leben vorbei.
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Nachtvogel
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Beitrag Mo., 17.08.2009, 09:24

eine position vor der aus dann die neuen, erst kurz trockenen oder noch nassen alkoholiker gönnerhaft mit noch mehr heldengeschichten der lange trockenen "versorgt" wurden . gruselig!
Kann schon verstehen, warum du so denkst. Wenn man selbst mitten im Leben steht und dann sowas hört, kann man doch nur denken "get a life!".

Ich habe nun (zum Glück!) keine Erfahrungen mit Alkoholismus - jedoch mit Depression, und das seit etwa 15-20 Jahren. Die Depressionen haben mal mehr, mal weniger mein Leben bestimmt. Ganz schlimm war es auch bei mir 2004 mit monatelanger Apathie, einem Selbstmordversuch, dann medikamentöser und psychologischer Therapie. Alles in allem habe ich etwa 2 Jahre meines Lebens "verloren". In der Zeit der starken Depression war meine Welt auf ein Minimum reduziert: Die Wohnung, die Fernsehprogramme. Meine Heldentaten waren der Weg zum Supermarkt oder eine mühsam geschriebene Bewerbung (war in der Zeit arbeitslos). Und es waren tatsächlich Heldentaten, denn sie haben mir eine Riesenmenge an psychischer Kraft abverlangt.

Tja. Leben mit Depression. Ein interessantes Thema. Mir ging es die letzte Zeit ziemlich gut: Viel zu tun, viel unterwegs, Freunde, ...
Jetzt mir den ersten grauen Herbstregen (auch wenn alles noch grün ist) sinkt jedoch auch meine Stimmung. Ich werde den Herbst und Winter zuhause verbringen mit Freelancearbeiten am Computer. Das sind die besten Bedingungen für eine Rückkehr der Depression (kann ja nicht mehr weglaufen ). Davor graut es mir, auch wenn ich nun nicht mehr ganz unerfahren bin und eigentlich die verschiedenen Fallen erkennen und meiden können müsste...

LG, Nachtvogel

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hungryheart
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Beitrag Mo., 17.08.2009, 10:07

Nachtvogel hat geschrieben:
Kann schon verstehen, warum du so denkst. Wenn man selbst mitten im Leben steht und dann sowas hört, kann man doch nur denken "get a life!".
das ist es nicht nachtvogel.
ich habe auch -immer mal wieder- mit depressionen zu kämpfen.
inzwischen gottseidank nur noch selten und mit einer leichten form.

mich langweilen nur leute, die "toller" tun, als sie sind und die leute um sich herum gönnerhaft mit pseudoweisheiten zum "nachdenken" bringen wollen
diese art der selbstdarstellung ..... unangenehm.
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Nachtvogel
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Beitrag Mo., 17.08.2009, 11:58

diese art der selbstdarstellung ..... unangenehm.
Brrr .. ja, das wäre es mir auch


Eremit
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Beitrag Mo., 17.08.2009, 12:02

Dennoch kann man von diesen Menschen ja auch etwas lernen. Zum Beispiel, wie man in die Offensive geht.

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josch-wien
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Beitrag Fr., 21.08.2009, 14:21

Jetzt mir den ersten grauen Herbstregen (auch wenn alles noch grün ist) sinkt jedoch auch meine Stimmung. Ich werde den Herbst und Winter zuhause verbringen mit Freelancearbeiten am Computer. Das sind die besten Bedingungen für eine Rückkehr der Depression (kann ja nicht mehr weglaufen ). Davor graut es mir, auch wenn ich nun nicht mehr ganz unerfahren bin und eigentlich die verschiedenen Fallen erkennen und meiden können müsste...

LG, Nachtvogel


Wenn Du Dir Sorgen von Übermorgen bereits in eine festgelegte Depressionszeit Dich wiederfindest, tja da kann Dir niemand weiterhelfen. Ich hab so eine Idee: Möchtest Du vielleicht erwachsen werden? Das ist nämlich schwierig und anstrengend, sehr sogar, jedoch gibt es dafür mehr Lebensqualität in jeder Hinsicht.

LG Josch ,

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Hiob
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Beitrag Fr., 21.08.2009, 21:35

vom Josch an den Nachtvogel:

Wenn Du Dir Sorgen von Übermorgen bereits in eine festgelegte Depressionszeit Dich wiederfindest, tja da kann Dir niemand weiterhelfen. Ich hab so eine Idee: Möchtest Du vielleicht erwachsen werden? Das ist nämlich schwierig und anstrengend, sehr sogar, jedoch gibt es dafür mehr Lebensqualität in jeder Hinsicht.
Ich finde es unpassend Josch, wenn du deinen von uns offenbar verletzten Stolz des Leidenden nun umkehrst und andere aus deiner Leidens-Größe heraus beleidigst.

Es ist einfach unnötig.
Wenn du jemandem helfen willst, dann hilf ihm nicht wie die Missionare. Sie uind die anderen selbstlosen Helfer geben dir immer nur soviel Essen, dass du heute satt wirst (DAMIT LEBEN KANNST). Sie werden nie die Ursache deines Hungers angehen. Warum? Damit du ewig auf sie angewiesen bist. Und sie sich ihr Selbstbild als Helfer bewahren.

Mutter Eresa

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Thread-EröffnerIn
josch-wien
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Beitrag Sa., 22.08.2009, 03:38

Ich finde es unpassend Josch, wenn du deinen von uns offenbar verletzten Stolz des Leidenden nun umkehrst und andere aus deiner Leidens-Größe heraus beleidigst.

Sevus Hiob,

sag könntest Du Dich vielleicht mehr an das Thema orientieren und nicht unbedingt auf mich sich zu konzentrieren, oder begeilst Du Dich lieber mit zynischen Antworten..

Du bist doch ein alter "Hase" und könntest den "Jüngeren" deine Erfahrung logisch weitergeben, und nicht nur bösartig zu antworten. Oder kann es vielleicht sein, dass Hiob, 85 eine Pseudonym bleibt und Waffenlobbyist in Wirklichkeit ernster zu nehmen ist !

LG Josch

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hungryheart
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Beitrag Sa., 22.08.2009, 09:12

josch-wien hat geschrieben: sag könntest Du Dich vielleicht mehr an das Thema orientieren und nicht unbedingt auf mich sich zu konzentrieren, oder begeilst Du Dich lieber mit zynischen Antworten..

Du bist doch ein alter "Hase" und könntest den "Jüngeren" deine Erfahrung logisch weitergeben, und nicht nur bösartig zu antworten. Oder kann es vielleicht sein, dass Hiob, 85 eine Pseudonym bleibt und Waffenlobbyist in Wirklichkeit ernster zu nehmen ist





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Eremit
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Beiträge: 8876

Beitrag Sa., 29.08.2009, 05:26

Alle hier, die an Depressionen leiden, leben. Sie leben also schon mit der Depression, auf die eine oder andere Weise. Ist also insofern schon ein Erfolg. Ein Erfolg, auf den alle, die hier sind, stolz sein sollten, auch, wenn es noch so schwer fällt.

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Thea
Helferlein
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Beiträge: 72

Beitrag Do., 01.10.2009, 07:04

jeder einzelne war natürlich der, der am tiefsten in der gosse gelandet war und der auf den verschlungensten wegen mit den meisten widrigkeiten und katastrophalen katastrophen als phönix aus der asche zu seiner jetzigen weisheit und trockenheit gelangt war.
Wenn es diesen Leuten einen "Sinn" gibt, ist das nicht so schlecht oder?
Ist meiner Meinung nach besser als sinnlos "ersaufen".

Was ist denn überhaupt ein Lebenssinn?
ein fettes Bankkonto?
Ein Haus bauen?
Meister im Puzzlebauen?
Kinder groß ziehen?
Mitarbeiter des Monats?
viele Versicherungen verkaufen?

Ich kenne mindestens eben so viele Mütter die stundenlang und Heldenepos-mäßig von den "Qualen" des Haushalts und der Kindererziehung reden. Das kann man doch auch lächerlich machen, wenn man will... ?!?

LG

Thea
Glück ist das, was man täglich tut.

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The Universal
Helferlein
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männlich/male, 30
Beiträge: 132

Beitrag Fr., 23.10.2009, 15:40

Ich finde, dass die meisten Menschen im Alltag zu wenig Anerkennung finden, und deswegen erteile ich denjenigen hier, die sich selbst für ihre harte Arbeit loben, eine ehrlich gemeinte Runde Anerkennung, weil ich auch weiß, wie schwer es ist, mit Depressionen zu leben. Ihr seid alle toll, genauso wie ich. Das Licht unter den Scheffel zu stellen ist manchen anerzogen worden, und auch, wenn andere schon längst können, was man selbst kann, ist es nicht trotzdem der Anerkennung wert?
The Ultimate Way III - 01.10.2012

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Phönixia
Forums-Gruftie
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Beiträge: 917

Beitrag Fr., 23.10.2009, 16:49

Hallo Thea,
Was ist denn überhaupt ein Lebenssinn?
ein fettes Bankkonto?
Ein Haus bauen?
Meister im Puzzlebauen?
Kinder groß ziehen?
Mitarbeiter des Monats?
viele Versicherungen verkaufen?
vielleicht ist das nicht "Lebenssinn", aber alles immer noch besser als Depression

Mir fällt auf das hier Depression (bin selber depressiv) geradezu "belobhudelt" wird.
Als wäre das etwas Elitäres, nach den Motto: "da muss man ja depressiv werden, in so einer dekadenten Welt". Als hätten Depressive mehr Tiefgang und mehr Empfindsamkeit für das Leben. Vielleicht ist das ja auch zum Teil so.
Aber ich würde mir hier lieber konkrete Ratschläge wünschen, mit Depressionen umzugehen und zu Leben.

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