Übertragung von 2 Elternteilen auf eine 1 Therapeutin?

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candle
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Beitrag Di., 07.07.2009, 13:01

Hallo Vetiver!

Danke für Deine Nachricht. Ich bin nun zusehends verwirrt.
Woher weißt Du, dass es Übertragung ist? Vielleicht wirkst DU ja auch das erste mal von Dir aus? Kann ja nur eine Anregung sein, weil ich mich damit nicht auskenne. Aber es ist dennoch interessant, dass Du nun meinst es sei der Vater hier aktiv.
Sagen wir mal so wie bei der Übertragungsliebe, dachte ich immer, dass man diese Gefühle hegt zu dem "Gegenpart" üblicherweise, aber offenbar ist es doch nicht so?
Vetiver hat geschrieben: wie es zu meinem aggressiven Vater passen würde.
Agressionen gehören aber zu einem Menschen immer dazu. Wie genau meinst Du das mit Deinem Vater? Meinst Du, Du handelst so wie er?
dass das jetzt gleichzeitig (!) auf eine Person, also die Therapeutin bezogen da ist
Wer wren da die Akteure? Du, Dein Vater und die Therapeutin oder deine Mutter/ Vater, Du, Therapeut?

Vielleicht magst Du das nochmal erklären.

candle
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SamuelZ.
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Beitrag Di., 07.07.2009, 14:01

Hallo Vetiver:

Genau das hier hatte ich aus deinem Ausgangsposting herausgelesen:
Ich habe nur eben sofort gemerkt, dass dieser für mich neue Aspekt sofort drohte, den bisher guten und vertrauensvollen Kontakt zu meiner Therapeutin zu vernichten.Und wenn ich in diesem "Vater-Modus" vor ihr sitze, bin ich total ablehnend und kaum therapeutisch arbeitsfähig, weil ich sie nicht mehr ranlasse.
Dies scheint auch dein (einer deiner?) Konflikt(e) zu sein. Deine Angst, die Therapeutin "zu verlieren" oder "zu verletzen" sobald du im gefürchteten "Vater-Modus" auftrittst. Bist du denn dann wirklich so unausstehlich, dass deine Therapeutin keine Chance mehr hat, an dich heranzukommen? Wie verhältst du dich dann konkret? Hast du deinen "Vater-Modus" bislang ausleben können/dürfen? (vllt ja nicht, weil du meintest, damit deiner Mutter weh zu tun?)

Was die multiplen Übertragungen angeht, die kenne ich auch. Manchmal verändert sich die Wahrnehmung meines Therapeuten innerhalb von Sekunden. Da braucht es nur ein Wort, einen Blick oder eine Äußerung, die in mir etwas berührt oder eine Erinnerung wachruft. Dann kann ich ihn als Vater, Mutter, Bruder, Ex, Opa, Oma, Cousin, Tante, Zahnarzt, Lehrer, bissigen Hund, Hyäne, liebevolle Krankenschwester, etc. sehen und reagiere dann entsprechend mit Misstrauen oder Vertrauen oder Desinteresse bzw. Zuneigung usw.

Viele Grüße
Sandy

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Vetiver
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 10:18

Hallo!

@ Candle
Meine Therapeutin hat den Begriff "Vaterübertragung" letzte Woche verwendet für meinen aktuellen Flash.
Was meinst du denn mit diesen Sätzen? Hören sich spannend an, aber ich komm nicht so recht mit:
Vielleicht wirkst DU ja auch das erste mal von Dir aus?
und
Sagen wir mal so wie bei der Übertragungsliebe, dachte ich immer, dass man diese Gefühle hegt zu dem "Gegenpart" üblicherweise, aber offenbar ist es doch nicht so?
Mit meinem Vater und dem aggressiven Verhalten meine ich das so, dass ich manchmal den Eindruck habe, dass ein Teil von mir sehr ähnlich auf die Welt reagiert, wie er das getan hat. Also sehr ablehnend und hart und brutal gegen sich und andere, wenig emotional und verschlossen, kontrollierend, aufbrausend bis cholerisch... Ich nenne das für mich immer den Härte-Modus, in dem ich auch manchmal ticke und das erinnert mich stets daran, wie ich ihn erlebt habe.
(Meine Therapeutin hatte bei meinen Beschreibungen von ihm mal die These, dass sich das stark nach Borderline anhört bei ihm - natürlich vorsichtig formuliert, weil man mit so einer Ferndiagnose ja sehr leicht bei der Hand sein kann.)

Die Akteure jetzt sind meine Thrapeutin und ich und ich eben im Härte-Modus, der mich an meinen Vater erinnert.
War deine Frage so gemeint?

@ SandyP.
Dies scheint auch dein (einer deiner?) Konflikt(e) zu sein. Deine Angst, die Therapeutin "zu verlieren" oder "zu verletzen" sobald du im gefürchteten "Vater-Modus" auftrittst. Bist du denn dann wirklich so unausstehlich, dass deine Therapeutin keine Chance mehr hat, an dich heranzukommen? Wie verhältst du dich dann konkret? Hast du deinen "Vater-Modus" bislang ausleben können/dürfen? (vllt ja nicht, weil du meintest, damit deiner Mutter weh zu tun?)
Ich kann mich gut wiederfinden in deiner Annahme. Sofort taucht der Satz auf: "Wenn ich mich verhalte wie er, wird sie mich rausschmeißen!" Der Satz würde auch zum Verhältnis zu meiner Mutter passen.
Meine Mutter hat meinen Vater oft sehr stark abgelehnt - und wenn es mit mir zu Konflikten kam, sagte sie: "Du bist wie er!" Ich habe ihn in meiner Erinnerung immer abgelehnt und das war der schlimmste Satz, den man mir sagen konnte - als Kind und heute noch.

Ich finde schon, dass ich unaustehlich bin in der therapeutischen Arbeit. Ich verhalte mich, als könne ich ihr nicht einen Zentimeter über den Weg trauen und lasse mich überhaupt nicht mehr auf sie ein. Obwohl.... "überhaupt nicht mehr" stimmt ja nicht, ich gehe ja schließlich zu den Stunden. Das würde ich ja nicht mehr tun, wenn KEINE Tür mehr bei mir offen wäre und ich nicht den Wunsch hätte, von ihr Hilfe zu bekommen.
Dennoch ist mein Verhalten in meinen Augen schon heftig: Ich reagiere ständig zynisch, gebe ihr zurück, dass ich ihre Sätze für therapeutische Tricks halte und so, projiziere und sage, dass sie nur mit "braven Kindern" in der Therapie arbeiten will...
Ich merke oft schon beim Sprechen, dass das totaler Quatsch ist und kann das oft trotzdem nicht stoppen.
Reagiere auf sie, als müsste ich ein Untier bekämpfen bzw. mich vor einem Monster schützen...

Nachdenkliche Grüße
Vetiver

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candle
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 10:51

Hallo Vetiver!
Ich will antworten und schaun, ob ich Dir das erklären kann, was ich meine. Dabei mußt Du berücksichtigen, dass das aus mir selbst kommt. Ich bin kein Fachmann der Seele.
Vetiver hat geschrieben: Mit meinem Vater und dem aggressiven Verhalten meine ich das so, dass ich manchmal den Eindruck habe, dass ein Teil von mir sehr ähnlich auf die Welt reagiert, wie er das getan hat.
Hast Du schon mal in den Spiegel geschaut? Ich habe im Nacken eine Locke wie mein Opa das hatte. In meinen Gesicht sehe ich meinen Vater. Meine Hände ähneln denen meiner Mutter. WAS kann ich dagegen tun? Nichts oder ich kann als Hilfe die plastische Chirurge nehmen. Was bleibt aber denn noch von MIR?
Ähnlich sehe ich das in Reaktionswegen. Das eine ähnelt der Mutter, das andere dem Vater. Das sollte man einfach so anerkennen, aber dann in seinem Sinne die Verhaltensmuster verändern bzw. erstmal vielleicht anerkennen, dass diese auch einfach OK sind für DICH! Es ist eben auch ein Teil DEINER Persönlichkeit, aber dennoch bist Du ein eigener/ anderer Mensch.

Versteht Du was ich meine?

candle
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montagne
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 13:32

Das interessante ist ja, das deine Mutter wohl mit "Du bist wie er", dir gezeigt hat, das sie dich in den Momenten ablehnt und vllt. verachtet. Und jetzt tust du das gleiche mit dir. Du lehnst diese Seite an dir ab, findest sie schlecht und schlussfolgerst, das dein therapeut es auch schlecht finden wird und dich ebenso ablehnen wird dafür wie deine Mutter es tat.
Da fällt mir selbst grad noch auf, das es eigentlich immer noch die Mutter-Übertragung ist. Weiterhin schreibst du dem Therapeuten Verhaltensweisen zu, die deine Mutter gezeigt hat und noch zeigt.

Allgemein denke ich (nach meiner eigene Erfahrung) ist es vllt. nicht immer so sinnvoll sich zu überlegen wen man genau überträgt. Ich denke, eine Übertragung kann auch minütlich wechseln oder gemischt sein.

Wichtiger ist sich zu fragen ob man die Gefühle, die man hat und die Annahmen die man dem gegenüber unterstellt, die ganze Wahrnehmungswelt in dem Moment von früher her kennt oder nicht. Und wnen man sie von früher her kennt sich fragt, wie es einem damals damit ging und ob es heute noch angemessen ist oder nicht.

Mir geht es manchmal so, wenn ich es wirklich verstehe, das ich da mal wieder etwas negatives von früher wiederholt habe, dann trauere ich um das kleine Mädchen von damals. Aber ich empfinde auch Wut, auf die Menschen, die mich so mies behandelt haben. Und beides finde ich äußerst angemessen. Im gleichen Zuge klärt sich mein Blick auf meine Therapeutin und ich nehme sie mehr so war, wie sie vllt. wirklich ist. Angemessener eben.
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Vetiver
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 16:38

Hallo Candle, hallo vallée!

Candle, ich versteh jetzt, was du meinst. Spannender Gedankengang!!

Dazu fällt mir folgendes Bild ein:
Ein kleiner Schneeball wird auf der Spitze eines hohen schneebedeckten Berges losgerollt. Und auf seinem Weg nach unten wird er größer und größer, weil er Schnee an sich sammelt, mit dem er in Berührung kommt. Und unten angekommen ist er eine Mischung aus dem Kern, mit dem er losgerollt ist und dem Schnee, den er angenommen hat.

Ich finde das allerdings einen schwierigen Gedanken auf meinen Vater bezogen - mir fällt selbst bei langem Nachdenken nichts ein, was ich an ihm sympatisch fand oder irgendwie anders gut und angenehm. Er war schon ein ziemlich unangenehmer Mensch, nicht nur im meinen Augen.
Er ist selbst schwer seelisch verletzt worden als Kind, aber das hatte ich nicht auf dem Zettel, als ich selbst kleiner war. Später hat mich das manchmal ihm gegenüber sanfter gemacht - bis zu seinem nächsten Angriff auf mich.
Trotzdem habe ich auf ihn zu Lebzeiten immer NUR Wut gehabt und die auch ausgetobt an ihm. So viel Wut, dass jetzt kaum noch was übrig ist.

Und - vallée - ich merke beim Lesen deines Beitrages, dass es wirklich da lang geht. Ich schaffe das im Augenblick nicht, über den Tellerrand der Übertragung zu gucken. Wenn ich aber nur daran denke, dass ich den Blick stärker auf die Empfindungen der damaligen Situation lenken könnte, merke ich, dass ich mich schon sofort mehr entspanne.

Diese Sicht würde ich gerne halten können, wenn ich meiner Therapeutin dann wieder gegenüber sitze in der Stunde, da kippt das am häufigsten wieder um in den alten Härte-Modus.

Puh - ist Entwicklung anstrengend....

Liebe Grüße
Vetiver
Zuletzt geändert von Vetiver am Mi., 08.07.2009, 16:54, insgesamt 1-mal geändert.

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Laura13
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 16:47

Hallo Vetiver,

ich klinke mich hier mal kurz ein, weil ich auch immer alles an mir hasse und ablehne, bei dem ich das Gefühle habe, e könnte irgendwie mit meinen Eltern zusammen hängen. Ich will um jeden Preis verhindern, dass ich auch nur ein bißchen bin wie sie.

Da hat mir mal ein Satz von meinem Thera sehr geholfen. Er sagte. "Sehen Sie es doch mal so. Ihre Eltern sind ja nicht so auf die Welt gekommen wie sie jetzt sind. Sie haben sicher einen guten Kern...DEN haben Sie wohl geerbt. Und alles andere ist im Laufe des Lebens bei Ihren Eltern so geworden. Sie haben die beiden eigentlich schon gar nicht mehr kennen gelernt wie sie wirklich waren, denn da waren sie schon verändert und krank."

Das hilft mir total, es SO zu sehen...dann muss ich mich nicht immer so sehr hassen.

Liebe Grüße
Laura
Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Falten
aus deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.
Schau, ich will nichts, als deine Hände halten
und still und gut und voller Frieden sein.

Rainer Maria Rilke

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candle
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 18:06

Vetiver hat geschrieben: - mir fällt selbst bei langem Nachdenken nichts ein, was ich an ihm sympatisch fand oder irgendwie anders gut und angenehm.
Du hast von ihm Anteile, einmal genetisch, da kannst Du nichts dran ändern und eben Deine Verhaltenswesen, die Du aus taktischen Gründen "gegen ihn" entwickelt hast. Nun mußt Du eben einen gesunden Zugang zu diesen Anteilen in Dir finden und Dich damit aussöhnen und annehmen. Sollte ich mir nun mein Gesicht zerstören, nur weil ich meinem Vater so ähnlich sehe? Nee, keine Alternative für mich, denn ich mag mich ja so.
Dies ist allerdings nur ein erdachtes Beispiel, weil ich mit meinen Körper da nie Probleme hatte, aber dann doch mit Verhaltensweisen, die ich in mir spürte, die vielleicht ähnlich sein KÖNNTEN wie bei meinen Eltern. Tasache ist aber, dass ich völlig anders ticke.

candle
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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 20:22

Hallo Vetiver:

Hat deine Mutter deinen Vater denn auch "rausgeschmissen" oder war es bei ihr eine leere Drohung?

Den mütterlich-enttäuschten Ausspruch "Du bist wie dein Vater" kenne ich und weiß nur zu gut, was er an Gefühlen auslösen kann. Bei mir war es v.a. ein Gefühl des Isoliert- und Ausgeschlossenseins, damit verbunden die Angst, lächerlich gemacht zu werden.
VETIVER hat geschrieben:Dennoch ist mein Verhalten in meinen Augen schon heftig: Ich reagiere ständig zynisch, gebe ihr zurück, dass ich ihre Sätze für therapeutische Tricks halte und so, projiziere und sage, dass sie nur mit "braven Kindern" in der Therapie arbeiten will...
Ich merke oft schon beim Sprechen, dass das totaler Quatsch ist und kann das oft trotzdem nicht stoppen.
Du scheinst in der glücklichen Lage zu sein, dein Verhalten sofort reflektieren zu können. Hast du deine Therapeutin in diese Gedanken mal eingebunden? Könnte interessant sein, sie im Hier und Jetzt der Konfliktsituation während des Therapiegesprächs zu beleuchten und würde dir die Möglichkeit geben, auf eine andere (versöhnlichere?) Ebene zu kommen.

Generell hoffe ich immer, dass Therapeuten ein Verhalten, wie du es schilderst, kennen und damit umgehen können. Vermutlich wird sie nicht zum ersten Mal mit solchen Sprüchen konfrontiert werden. Wie reagiert sie denn darauf, v.a. auch auf deine Versuche sie und ihr therapeutisches Tun zu analysieren? Meinst du, sie könnte in der Gegenübertragung mit einen Gefühl der Unzulänglichkeit zu kämpfen haben?
Wenn ich aber nur daran denke, dass ich den Blick stärker auf die Empfindungen der damaligen Situation lenken könnte, merke ich, dass ich mich schon sofort mehr entspanne.
Ich denke, dass ist die Lösung für viele (alle?) Übertragungsgefühle, die Einsicht, dass sie der Vergangenheit angehören und zum Zwecke der Bearbeitung noch einmal aus der staubigen Kiste rausgeholt wurden.

LG Sandy

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Vetiver
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Beitrag Do., 09.07.2009, 12:36

Hi SandyP.,

meine Mutter hat meinen Vater nie rausgeschmissen - sie waren bis ans Ende ihres Lebens zusammen.

Meine Therapeutin ist mit einem üppigen Selbstvertrauen ausgestattet. Das heißt ja nicht, dass Gegenübertragungen ausbleiben, aber sie ist da irgendwie eine alte Häsin, scheint mir. Aber wissen kann ich das natürlich nicht.

Dennoch: Das Kern des Problems liegt im Augenblick in den Gefühlen. Ich kann mit ihr reden, und selbst analysieren, und machen und tun - ich FÜHLE heftiges (übertragenes) Misstrauen der Therapeutin gegenüber und bin deshalb fast nicht mehr zugänglich und habe deshalb das Gefühl, dass ich hinschmeißen muss und abhauen.

Und noch was geht mir ständig im Kopf rum:
Wenn mein Misstrauen Übertragung ist, dann ist es mein Vertrauen in meine Therapeutin doch auch.
Und dann gerate ich ins Schwimmen und habe das Gefühl, dass da keine reale Beziehung zu meiner Therapeutin besteht.
Alles Projektionen, alles Übertragung, alles Schall und Rauch.
Und mit diesen Gedanken nähert sich meine Arbeitsfähigkeit in der Therapie dem Nullpunkt.

Manchmal macht mich das alles echt irre...

Tja, und wahrscheinlich ist auch das, was ich in den letzten Zeilen beschrieben habe, eine Projektion.
Auch das gehört der Vergangenheit an? Ja, wahrscheinlich....

Grüße von Vetiver

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SamuelZ.
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Beitrag Do., 09.07.2009, 19:00

Hallo Vetiver,

ich finde das super spannend, was du beschreibst. Mir geht's nämlich ähnlich. Da gibt es plötzlich so starke und v.a. neue Gefühle jeglicher Art, die ich gar nicht kontrollieren oder auf Anhieb erklären könnte.
ich FÜHLE heftiges (übertragenes) Misstrauen der Therapeutin gegenüber und bin deshalb fast nicht mehr zugänglich und habe deshalb das Gefühl, dass ich hinschmeißen muss und abhauen.
Wie äußert sich dein Misstrauen? Hältst du sie plötzlich für inkompetent, unmenschlich, gefühllos, manipulierend, ... ?

Bei mir ist es das ungute Gefühl, manipuliert zu werden, ohne etwas davon mitzubekommen. Wir haben die letzten zwei Sitzungen darüber geredet und er hat mir versichert, dass er ohne meine Einwilligung niemals "Experimente" an und mit mir durchführen würde. Weiß noch nicht, ob ich das glauben kann oder nicht.

Aber was würde bleiben, übernähme ich die Kontrolle in der Therapiesitzung?
Kann sie nur wirken, wenn man sich blind ausliefert?
Wenn mein Misstrauen Übertragung ist, dann ist es mein Vertrauen in meine Therapeutin doch auch.
Und dann gerate ich ins Schwimmen und habe das Gefühl, dass da keine reale Beziehung zu meiner Therapeutin besteht.
Alles Projektionen, alles Übertragung, alles Schall und Rauch.
Und mit diesen Gedanken nähert sich meine Arbeitsfähigkeit in der Therapie dem Nullpunkt.
Ich kenne diese Gedanken. Sie machen mich nicht irre, aber demotivieren mich total. Ich stelle mir die Therapie wie einen virtuellen Raum vor. Alles spielt sich in der Fantasie ab, Emotionen entstehen im luftleeren Raum. Ich werde nicht satt davon und die Vertrauensbildung gelingt dann auch nicht so gut.
Tja, und wahrscheinlich ist auch das, was ich in den letzten Zeilen beschrieben habe, eine Projektion.
Auch das gehört der Vergangenheit an? Ja, wahrscheinlich....
Ich sehe, dass du Trost brauchst. *tröst* Alles irgendwie traurig und enttäuschend...

Dir alles Gute!
Sandy

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stern
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Beitrag Fr., 10.07.2009, 04:36

Vetiver hat geschrieben:Und noch was geht mir ständig im Kopf rum:
Wenn mein Misstrauen Übertragung ist, dann ist es mein Vertrauen in meine Therapeutin doch auch.
Und dann gerate ich ins Schwimmen und habe das Gefühl, dass da keine reale Beziehung zu meiner Therapeutin besteht.
Alles Projektionen, alles Übertragung, alles Schall und Rauch.
Und mit diesen Gedanken nähert sich meine Arbeitsfähigkeit in der Therapie dem Nullpunkt.
Oha... ich kann deine Schlussfolgerung jedenfalls nicht ganz nachvollziehen . Sondern habe eher den Eindruck, du verstrickst dich ganz schön in komplizierten Gedankengängen. Jedenfalls sehe ich es - mal wieder platt und unanalytisch ausgedrückt - so:

Nur weil du vielleicht Misstrauen überträgst, muss ja nicht zwingend auch deine Vertrauen Übertragung sein.

Für mich wäre es jedenfalls eine recht schlimme Vorstellung, dass alles, was ich einem Menschen entgegenbringen nur Übertragung iss... also Produkt meiner Prägung iss, und ich eine personifizierte, wandelnde Übertragung bin, deren gesamtes Fühlen/Denken nur Übertragung iss.

Sicher, durch manche Dinge bin ich auch geprägt... wie JEDER Mensch... manche mehr, manche weniger durch insbes. "negative", hinderliche Prägungen (z.B. misstrauische Tendenzen, die früher [bestimmten Personen gegenüber] mal sinnvoll waren, heute aber hinderlich). Aber das schließt ja nicht aus, dass ich auch jemanden vertrauen kann - und zwar von mir aus... und zwar insbes. auch so, dass das, was ich jemandem entgegenbringe auch genau dieser Person gilt.

Ja, vielleicht gibbet in dir einen misstrauischen Anteil, der gelernt hat, dass Misstrauen mal sinnvoll war. Aber vielleicht hast du auch einen mutigen Anteil in dir, der dir sagt, dass diese Person vertrauenswürdig ist. Wer weiß.

Für meinen Teil würde ich jedenfalls irgendwann restlos kirre werden (ich bin eh so ein Gedankenfreak ), wenn ich auseinanderpflügen würde, ob xy vielleicht eine Vaterübertragung sein könnte. Oder eine Mutterübertragung. Oder vielleicht eine yz-Übertragung (denn es gibbet ja i.d.R. mehr Menschen, mit denen man Erfahrungen machte, und die uns vielleicht auch ein Stück weit geprägt haben und weiterprägen... ebenfalls im positiven und negativen Sinn).

Nur fände ich es eben nicht gerade aufbauend, wenn ich mich als Wesen definieren würde, dessen Gedanken/Gefühle nur fremdgesteuert durch das sind, das irgendwann einmal eingeimpft wurde. Und in dem Sinne, schaue ich, dass ich das korrigieren kann, was evtl. verzerrt ist. Und dahingehend bekam ich Rückmeldungen von meinen Theras (und teils auch dahingehend, wo der Ursprung liegen könnte, was man dann meinetwegen auch Übertragung oder sonst wie nennen mag).

Aber nicht nur dahingehend, sondern insbes. auch dahingehend wo eine Wahrnehmung bzw. eine Aussenden von Gefühlen/Eindrücken/Gedanken/Worte/Verhalten/Taten sozusagen unverzerrt/angemessen ist, der Person gegenüber, der es insbes. auch gilt. So sinngem. jedenfalls... wie ich es eben für mich dzt. annehmen kann... auch wenn das vielleicht in dieser Form nicht unbedingt die Worte meiner Theras waren.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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(alte Weisheit)

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Anne1997
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Beitrag Fr., 10.07.2009, 05:45

Hallo Stern und Vetiver,

zwar etwas off-topic und auch wiederum nicht;
[quote="stern"]du verstrickst dich ganz schön in komplizierten Gedankengängen. Jedenfalls sehe ich es - mal wieder platt und unanalytisch ausgedrückt - so: Nur weil du vielleicht Misstrauen überträgst, muss ja nicht zwingend auch dein Vertrauen Übertragung sein.[/quote]
Und weiter: [quote="stern"]Sicher, durch manche Dinge bin ich auch geprägt... wie JEDER Mensch... Aber das schließt ja nicht aus, dass ich auch jemanden vertrauen kann -(...)... und zwar insbes. auch so, dass das, was ich jemandem entgegenbringe auch genau dieser Person gilt.[/quote]
Und: [quote="stern"]Aber vielleicht hast du auch einen mutigen Anteil in dir, der dir sagt, dass diese Person vertrauenswürdig ist.[/quote]
Dass Du dies hier so schreibst, liebe Stern ([quote="stern"]Für meinen Teil würde ich jedenfalls irgendwann restlos kirre werden (ich bin eh so ein Gedankenfreak ), wenn ich auseinanderpflügen würde, ob xy vielleicht eine Vaterübertragung sein könnte[/quote]usw.), empfinde ich als "ganz große klasse", habe mich beim Lesen sehr darüber gefreut!
Man kann einfach so vertrauen, das geht und es ist ein direkter, echter Kontakt, und wenn das geht, könnte man fast platzen vor Freude, dass dies möglich ist. Ebenso kann Misstrauen auch von mir ausgehen und das darf sein, ich kann es ja ansprechen. Durch "Nur-Denken" in (un)möglichen (Gegen-)Übertragungen lässt sich gut Kontakt vermeiden. Das hat(te) sicher eine sinnvolle Funktion, schränkt aber jetzt ein. Deshalb: Nur MUT, dies anzusprechen, liebe Vetiver!

Danke, stern, für Deine Zeilen!
Anne (auch "Gedankenfreak" )

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Vetiver
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Beitrag Fr., 10.07.2009, 17:06

@SandyP.
Wie äußert sich dein Misstrauen? Hältst du sie plötzlich für inkompetent, unmenschlich, gefühllos, manipulierend, ... ?
Bei mir ist es das ungute Gefühl, manipuliert zu werden, ohne etwas davon mitzubekommen.
Spannend, dass du das sagst..
Vielleicht meine ich was Ähnliches, drücke es aber anders aus: Ich habe manchmal die Befürchtung, sie hat einen Plan, der nicht mich meint, und es gibt irgendwelche allgemeingültigen Wachstumsziele, die ich persönlich erreichen oder nicht erreichen kann. Aber die eben ihre sind und nicht meine. (Ich weiß, ich weiß, wieder sehr verkopft - aber ich muss ja meine Gefühle hier irgendwie in Schriftform bringen...)
Also um mal ein Beispiel aus der letzten Zeit zu nennen, das mich einige Wochen auf Trab gehalten hat: Sie hatte wahrgenommen, dass ich mich verstärkt auch traue, Kritik ihr gegenüber zu äußern (z.B. wenn sie mich mehrmals hintereinander jeweils 10 Minuten warten läßt vor der Sitzung, dann sage ich mittlerweile, wie ich das finde).
Meine Therapeutin findet mein Ansprechen solcher Dinge sicherlich ein gutes Zeichen in meinem Prozess. Aber das war für sie auch der Anlaß anzunehmen, dass ich mich nun selbstständiger und unabhängiger von ihr bewegen kann.
DAS WUSSTE natürlich nicht, habe nur irgendwie im Laufe der Zeit gespürt, dass sie sich anders verhält, nicht mehr so unterstützend, mehr auf meine Selbstverantwortung abzielend, weniger nachhakend.
Das geht ja alles in eine gute Richtung, aber ich habe ihr Verhalten als Rückzug und Distanz gedeutet und bin total abgeschmiert.
Aus meiner Sicht sieht das nämlich anders aus: Wenn ich diesen ihr gegenüber neuen Raum erforsche, in dem ich sie nicht nur glorofiziere, sondern etwas realer wahrnehmen und auch reagieren kann, dann bin ich, glaube ich, so gestrickt, dass ich in diesem Raum eine Weile rumprobieren muss, ohne dass es gleich Verhaltenskonsequenzen hat. Ich bin da einfach nicht so schnell und souverän, wie sie manchmal denkt. Und ich fand, dass sie mir zu wenig Zeit gibt, neues Beziehungsverhalten auch eine Weile mit Sicherheitsgefühl und Zeit zu üben, ohne dass meine Kinder-Antennen sofort scannen müssen, was denn jetzt schon wieder an Beziehung abhanden kommt.
(Das muss ich dringend doch noch mal mit ihr besprechen, merke ich gerade....)

@stern
Nur weil du vielleicht Misstrauen überträgst, muss ja nicht zwingend auch deine Vertrauen Übertragung sein.
Nee, das ist klar. Aber andersrum wird ja auch kein Schuh draus.
Wenn mein Misstrauen Übertragung sein könnte, warum dann nicht auch das Vertrauen?
Ich meine das auch nicht als bloße Gedankenspielerei, es ist wirklich für meine Basis an Vertrauen eine wichtige Überlegung: Wieso werden meist nur problematische Abläufe oder Emotionen in der Therapie als Übertragung oder Projektion bezeichnet? Und warum dann eben VERtrauen nicht? Ich vertraue schließlich in meiner Therapie einer Frau, die ich noch gar nicht so lange kenne, von der ich relativ wenig weiß....

@Anne1997
Man kann einfach so vertrauen, das geht und es ist ein direkter, echter Kontakt, und wenn das geht, könnte man fast platzen vor Freude, dass dies möglich ist. Ebenso kann Misstrauen auch von mir ausgehen und das darf sein, ich kann es ja ansprechen.
Ich glaube, ich bin da anders gestrickt... Ich denke, dass wir mit unseren ganz individuellen seelischen Päckchen sehr verschieden reagieren. Vielleicht würde ich manchmal auch gerne so sein, wie du das in deinen Sätzen beschreibst, aber ich funktioniere anders. Bin ja nicht ohne Grund in dieser Therapie.

So - gehe jetzt ins Wochenende und das ist mangels Rechner forenfrei...
Viele Grüße und bis nächste Woche
Vetiver
[hr][/hr]
PS @SandyP.
Kann die Therapie nur wirken, wenn man sich blind ausliefert?
Dazu kann ich gerade keinen Gedanken fassen - ich schreibe am Montag was dazu. Ich bin in diesem Gefühl gerade zu tief drin.

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SamuelZ.
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Beitrag Fr., 10.07.2009, 17:48

Hallo Vetiver:
sie hat einen Plan, der nicht mich meint, und es gibt irgendwelche allgemeingültigen Wachstumsziele, die ich persönlich erreichen oder nicht erreichen kann
Habt ihr euch Gedanken über konkrete Therapieziele gemacht? Das mit den "allgemeingültigen Wachstumszielen" kann ich gut nachvollziehen. Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass es da ein Standardprogramm gibt, für Leute wie mich, und das wird jetzt durchgezogen. Also nur wenig Individualisierung des Therapieprozesses.
dass sie sich anders verhält, nicht mehr so unterstützend, mehr auf meine Selbstverantwortung abzielend, weniger nachhakend.
Hast du bei ihr den Eindruck, zu schnell "erwachsen" werden zu müssen? (Könnte vllt auf eine Kindheitserfahrung bei dir hinweisen). Ich kann nachvollziehen, was du meinst. Nur weil man einen Sachverhalt erkannt hat (z.B. die Tatsache, dass man sich in seinen Bedürfnissen übergangen fühlt udn deshalb diese klar udn kritisch äußern muss), heißt ja nicht automatisch und sofort, dass damit gleich das "richtige" Verhalten mitgeliefert wird. Bei mir kommt häufig noch ein Kampf mit Schuld- udn Anstandsgefühlen dazu. Die müssen erstmal überwunden werden. Und schon sind wieder Minuten vergangen.

Ein schönes Wochenende wünscht

Sandy

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