'Lieben lernen' - was kommt nach der Übertragungsliebe

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 30.05.2009, 20:26

Liebe Niemandsland, mit der "Kontroll-Analyse" triffst du den Nagel auf den Kopf!! Ja, ich gebe es zu, ich bin ein Kontrollfreak. Das exzessive Kontrollbedürfnis hat etwas mit meinem Unbehagen Vertrauen zuzulassen, zu tun.
Ich sehe es auch als Ziel meiner Therapie, das Kontrollbedürfnis etwas einzuschränken. Da ist ein kleines, piepsiges Etwas in mir, das in den letzten Wochen Vertrauen und Zuversicht aufgebaut hat. Ich habe es in der letzten Woche zum ersten Mal vernommen. Ein kleines Vögelchen, das fragt, ob es wachsen darf oder nicht?
Gefühle kann man nicht kontrollieren, man kann sie verdrängen und auf diesem Wege kommen sie irgendwann so oder so zu einem zurück.
Bei mir klappt das eigentlich ganz gut mit dem Verdrängen. Problem ist halt, dass das Verdrängen viel Energie frisst, das wiederum hemmt die Lebensfreude. Wie beim Liebeskummer. Ich kenne eigentlich niemanden, der Liebeskummer NICHT versucht zu verdrängen.
Ich würde es auch sehr interessant finden, wenn sich hier welche melden würden, die die Übertragungsliebe überstanden haben und ein wenig davon berichten würden.
Ja, das würde mich auch sehr interessieren. Wer hat die Ü-Liebe überlebt bzw. AUFGELÖST? Wie habt ihr euch dadurch verändert?

LG Sandy

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 30.05.2009, 20:33

@münchnerkindl:
Liebe zu empfinden und sich verknallen sind zwei völlig verschiedene Dinge. Echte Liebe ist etwas zartes, berührendes, befreiendes.

"Sich verknallen" hat zur Liebe eine destruktive Komponente. Weil es eine starke Abhängigkeit und Unfreiheit beinhaltet.

Ich denke "dich zu verknallen" ist im Gegensatz zum Empfinden von Liebe nix was dich irgendwo hinbringt. Es bringt nur Leiden mit sich im Fall von einem Verknallobjekt, das ohnehin als potentieller Partner nicht zur Verfügung steht
Du scheinst aus leidvoller Erfahrung zu schreiben.

Wir scheinen unterschiedliche Definitionen zur Liebe und Verknalltheit zu haben. Ich habe die Begriffe fast synomym verwendet.

Danke für deine Sicht der Dinge.

LG Sandy

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Sisyphos
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Beitrag Sa., 30.05.2009, 21:03

Hallo Sandy,

beim Lesen der letzten Posts kamen mir folgende Gedanken: Warum verfolgst Du so vehement bestimmte Ziele in Deiner Therapie?
Der Titel Deines Threads heißt "Lieben lernen". Muß man das lernen...? Oder eher...Angst verlieren?

LG,
Sisyphos

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 30.05.2009, 21:23

Hallo Sisyphos:

mein Thera legt viel Wert auf die klare Benennung von Therapiezielen. Ich vermute, es hat u.a. mit dem Antrag an die Krankenkasse zu tun. Regelmäßig fragt er im Gespräch nach den Therapiezielen. Es hat aber auch damit zu tun, dass es mir schwerfällt für mein Leben eigene Ziele und Wünsche zu benennen. Es ist somit auch eine Übung.
Der Titel Deines Threads heißt "Lieben lernen". Muß man das lernen...? Oder eher...Angst verlieren?
Beides hängt m.E. sehr eng miteinander zusammen.

Sandy

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Hamna
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Beitrag Sa., 30.05.2009, 23:56

Niemandsland hat geschrieben:Gefühle kann man nicht kontrollieren, man kann sie verdrängen und auf diesem Wege kommen sie irgendwann so oder so zu einem zurück.
Ich hätte auch andere Aussagen zitieren können für meine These, dass Liebe immer auch eine bewusste Entscheidung ist! Man ist nicht Opfer seiner Gefühle und ihnen ausgeliefert, es gibt immer einen Moment der Entscheidung!

Sandy, du hast dich scheinbar bewusst zu einer Übertragungsliebe zu deinem Therapeuten entschieden. Die Auflösung wird, nach meiner Erfahrung, so aussehen, dass er sich nicht zu schade ist, sich so vor dir darzustellen, dass du ihn letztendlich nicht mehr ernst nehmen geschweige denn lieben kannst, ganz zum Schluss der Therapie. So hat es mein Therapeut vor etlichen Jahren mit mir gemacht. Mystifizieren und Entmystifizieren hat er es genannt, und ich hab ihn dafür gehasst und verachtet. War nicht schön,hat aber gewirkt, im Guten wie im Schlechten.

Ist nur meine eigene Erfahrung, ich freu mich über jeden, der Positiveres zu berichten weiß.

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estelle
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Beitrag So., 31.05.2009, 00:05

Hallo Rilke,
wie hat er das genau gemacht dies entmystifizieren,ich kann mir das garnicht so richtig vorstellen.
Violetta.

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Hamna
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Beitrag So., 31.05.2009, 00:11

Er ist zum Arschloch mutiert, hat mich ausgelacht, meine Ehe und meinen Ehemann in den Dreck gezogen, hat sich wirklich benommen wie die Axt im Walde oder der Elefant im Porzellanladen. Ich kann es gar nicht mehr genau benennen, aber das war die Phase, wo ich auch richtig gegen ihn rebelliert habe und zurückgeschossen habe, mit all der Munition, die er mir dummerweise vorher geliefert hatte.

Es war ein sehr hässlicher Prozess. Manchmal frage ich mich heute, ob so eine Form der Ablösung noch einmal nötig sein wird. Ich hänge ja schon sehr an ihm. Wie wird er damit umgehen, wenn wir uns ein weiteres Mal trennen müssen?

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estelle
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Beitrag So., 31.05.2009, 00:21

Rilke,
ich frage mich nur ob so ein Verhalten am Schluß der Therapie nicht einiges kaputt macht,
schöner wäre es doch die Therapie samt Therapieerfolge in schöner Erinnerung zu behalten.
So ungefähr ein schöner Abschied als schöne Erinnerung wenigstens.
Mein Abschied von meinem damaligen Therapeuten war auch etwas unterkühlt,wie hier schon irgend-
wo berichtet,obwohl er mir immer einen schönen Abschied versprochen hatte.
Wenn ich das vorher so gewußt hätte wäre ich die letzte Stunde garnicht mehr hingegangen und alles
wäre gut gewesen,ich weiß nicht warum zum Schluß noch so ein Theater sein muß,dann fällt man ja
gleich in neue Depressionen.Violetta.

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estelle
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Beitrag So., 31.05.2009, 00:45

mystifizieren heißt jemanden in die Irre führen,

also Rilke,laß das bloß nicht noch mal mit dir machen!

Nächtliche Grüße von Violetta.

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Elena
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Beitrag So., 31.05.2009, 01:21

Hi Sandy,

grundsätzlich finde ich es wirklich toll, wie du Dein Ziel formulierst, nämlich Deine Masken abzulegen, dass Dein wahres Selbst zum Zuge kommt.
Aber ich muss Dir nochmal was zu der Übertragungsliebe schreiben, weil ich das Gefühl habe, dass da was aus der Bahn gerät. Die Übertragung passiert ja automatisch, ohne Deinen bewussten Einfluß und Willen. Es kommt aus dem tiefsten Unterbewusstsein. Und aus Deinem Verhalten dem Therapeuten gegenüber kann dieser erkennen, welche Umgangsmuster Du im zwischenmenschlichen Bereich hast. Er versucht Dir (wenn er mit Übertragung arbeitet) Dein Muster zugänglich zu machen, damit Du es erkennst und ggfs. etwas ändern kannst. Versuche bitte nicht, bei Dir eine Übertragungsliebe zu forcieren, Du bist gerade wieder dabei, Dir eine Maske zu basteln und diese für den Therapeuten aufzusetzen! Was bringt Dir das? Es wird zu einem Spiel, welches Du gerade am vorbereiten bist, aber genau davon wolltest Du doch weg. Gebe der Übertragung einen geringeren Stellenwert, sie dient wirklich nur als Hifsmittel des Therapeuten, und Du kannst Dir garnichts vornehmen, ob Du es zu einer Übertragungsliebe, Übertragungshass, Übertragungsangst etc. kommt. Es passiert ohne dem Zutun von Deinem Willen, von ganz alleine.
Aber setze Dir doch zum Ziel, Dich ihm so zu öffnen, damit er Deine Struktur erkennt, und Dich auf den Weg bringen kann, einem anderen Mann zu vertrauen und zu lieben.

Liebe Grüsse von
Elena

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estelle
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Beitrag So., 31.05.2009, 08:50

Hallo Rilke,
wenn dein Therapeut am Ende alles in den Dreck gezogen hat, Entmystifizierung wie er das nannte,

ist es nicht möglich dass er eigene Verlustängste hatte bzw. hat? Solltest du nicht auch die Therapie

noch verlängern?

Ich hatte immer den Eindruck, dass mit meinem ehemaligen Therapeuten selber irgendetwas nicht

stimmen kann!


Lena
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Beitrag So., 31.05.2009, 09:21

Bei mir hat die Auflösung anders stattgefunden - und mein Therapeut ist dabei nicht zum A... mutiert. Ganz im Gegenteil. Ich konnte ihm alles über meine Gefühle sagen und die waren sehr stark. Allerdings konnte ich diese Gefühle auch nur zulassen und sagen, weil ich wusste, dass er das nicht für sich ausnutzt. Der Zustand hielt einige Zeit an, war aber nicht dauernd Thema. Und irgendwann haben sich diese Gefühle zurückgebildet - ohne dass jemand was dafür getan hat.
Ich mag ihn nach wie vor wahnsinnig gerne - aber das ist ja nichts Schlimmes und darf auch so bleiben finde ich.
Und mein Therapeut hat nie absichtlich etwas getan, das mir weh getan hat und mich von meinen Gefühlen wegbringen sollte.

LG Lena

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SamuelZ.
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Beitrag So., 31.05.2009, 18:21

Hallo Rilke: musste gerade schmunzeln bei deinem Beitrag...
Die Auflösung wird, nach meiner Erfahrung, so aussehen, dass er sich nicht zu schade ist, sich so vor dir darzustellen, dass du ihn letztendlich nicht mehr ernst nehmen geschweige denn lieben kannst, ganz zum Schluss der Therapie.
Versuche mir vorzustellen, wie das bei ihm aussehen könnte... so: oder so: ?? Da entspinnen sich gerade sehr interessante Phantasien....

Danke, dass du die bewusste Entscheidung für/gegen Verliebtheitsgefühle aus Erfahrung anerkennen kannst.

Mystifizierung und Entmystifizierung sind für mich zum jetzigen Zeitpunkt - wie der Begriff "Idealisierung" - zu stark für das, was ich eigentlich empfinde.

Was ich wahrnehme, ist, dass da etwas in mir zu Leben anfängt, sich noch recht zaghaft zu Wort meldet, Sympathie und Freude beim Gedanken an die Therastunden und den Thera empfindet. Vermutlich bin ich in das, was da in mir entsteht, verliebt. Es geht mir weniger darum, wie ich meinen Thera wahrnehme, als darum, wie ich das wahrnehme, was sich in mir drin zu regen anfängt. Also, mein Fokus liegt auf meiner eigenen Person, weniger auf der des Therapeuten...

Hm, ist das irgendwie verständlich??

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SamuelZ.
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Beitrag So., 31.05.2009, 18:30

Hallo Violetta:

meinst du, dass eine Ablösung auch ohne Depri, Tränen, Trauer vonstatten gehen kann?

Ich habe in meinem Leben mehrfach übertragungsgeliebt (ältere, unerreichbare Männer, Vaterersatzfiguren). Damals eher ungesteuert. Die Ablösung verlief früher unter großen Schmerzen, tränenreich, depressiv. Die jüngsten (Kollegen, Trainer) verliefen sehr unspektakulär. Plötzlich war da nichts mehr, von einem Tag auf den anderen. Seit etwa 3 Jahren bin ich übertragungsliebe-frei.

Ich habe also unterschiedliche Ablösungsprozesse durchlebt. Meine Hoffnung ist, dass sie nicht alle umsonst waren, sondern ich dadurch unabhängiger, vielleicht reifer geworden bin. Könnte mich aber auch irren.

Deshalb bin ich neugierig, ob die Ü-Liebe tatsächlich eine therapeutische Funktion hat oder nicht?

Viele Grüße
sandyp.

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Beitrag So., 31.05.2009, 18:47

Hi Elena,

da wären wir ja wieder bei unserem Thema!

Danke, dass du mich daran erinnert hast, was die Funktion der Übertragung in der Therapiearbeit ist. Sie zeigt Verhaltensmuster auf, oftmals auch ganz tiefliegende, an die man sonst so nicht herankommt. Wie eine Blase, die an die Oberfläche steigt und dort aufplatzt.

Also, es hat bei mir echt lange gedauert, bis ich mir eingestehen konnte, das ich mich auf die Therapiestunden tatsächlich freue und meinen Therapeuten sympathisch finde. Jetzt bin ich etwas verunsichert: ist das schon Übertragung, oder nicht?

Die Wahrnehmung meiner leisen Empfindung ist hart erkämpft worden!!
Aber setze Dir doch zum Ziel, Dich ihm so zu öffnen, damit er Deine Struktur erkennt, und Dich auf den Weg bringen kann, einem anderen Mann zu vertrauen und zu lieben.
Ich sehe, was du meinst. So habe ich es bislang auch wahrgenommen: ich habe die Öffnung zugelassen und darum gerungen. Es ging mir allerdings weniger um eine Maske für meinen Therapeuten, sondern eher um ein "Freischaufeln" bislang ungehörter Wünsche und Bedürfnisse.

Die Ü-Liebe muss ja nicht unweigerlich auf eine "Öffnung" folgen. Auch eine interessante Einsicht.

Ganz generell: Was meinst du, was steht nach der Auflösung von Ü-Liebe. Nur die Einsicht in die Prozesse des Verliebens?

Liebe Grüße
Sandy

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