Für immer alleine?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag Fr., 08.11.2013, 22:31

whisper_ooh hat geschrieben:
Ulrich hat geschrieben:Wenn eine Frau Freundinnen hat (also sozial nicht isoliert ist) und nur mit Männern nicht so gut kann, könnte das durch eine schwierige Beziehung zum Vater verursacht sein. Im Alter von 3-6 Jahren verliebt sich fast jedes Mädchen in seinen Vater. Wenn der komisch darauf reagiert, können hinterher Probleme entstehen. Aber damit will ich nicht sagen, dass das immer die Ursache sein muss.
mal angenommen es wäre so, kann ich ja schwer sagen, dadurch das ich mich an die zeit nicht wirklich mehr erinnern kann. Bleibt das ein ewiges handicap? Kann man das irgendwann auch mal ablegen?
Da sehe ich eher schwarz. Ist jedenfalls meine Erfahrung. Ich habe lange daran arbeiten müssen, um meine Hemmungen gegenüber Frauen wenigstens minimal zu reduzieren. Das ist zum Teil einfach Schicksal.

Man weiß bei keinem Menschen genau, wieso er so ist wie er ist. Die Frage bei solchen Hemmungen gegenüber dem anderen Geschlecht ist ja, ob man sehr darunter leidet. Wenn man Freunde hat, die einen deswegen kritisieren, weil man noch nie eine Freundin hatte, kann es passieren, dass man es möchte, bloß weil die Freunde es möchten.
whisper_ooh hat geschrieben: was mich dazu nur interessieren würde, was ist dann mit den leuten die komplett ohne vater aufwachsen und keine oder weniger probleme damit haben eine beziehung einzugehn oder generell sich männern gegenüber zu öffnen?!
Bei denen ist die Entwicklung eine ganz andere. Wenn ein Mann von seinem Vater großgezogen wird, und dann später Angst vor Frauen hat, dann liegt es vielleicht daran, dass Frauen für ihn fremde Wesen sind. Wenn ein Mann mit beiden Elternteilen aufgewachsen ist, und später Angst vor Frauen hat, dann kann das verschiedenen Ursachen haben. Es kann sein, dass die Mutter sehr autoritär war, oder es kann einen sexuellen Missbrauch durch sie gegeben haben, oder der Vater kann sehr eifersüchtig gewesen sein.

Werbung

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag Fr., 08.11.2013, 23:16

Ich glaube nicht, dass mann immer alles auf die Kindheit schieben kann. Z. B. warum jemand Schwierigkeiten hat Sozialkontakte aufzubauen oder Probleme mit dem anderen Geschlecht hat.
Wenn es danach ginge, müsste ich Angst vor Frauen und Männern haben. Ist aber nicht so.
Ich habe mich seit meiner Kindheit auch weiterentwickelt und neue positive Erfahrungen haben die alten negativen teilweise überdeckt.
Ich bin immer wieder über meinen Schatten gesprungen und musste auch Mut beweisen, um in meinem Leben voranzukommen. Das ist eben auch sehr individuell, was für (Überlebens-)Strategien der Einzelne entwickelt.
Es kommt auf so viele Faktoren an wie z. B. berufliche Entwicklung, wie sich auch in diesem Bereich Kontakte entwickeln, Freundschaften die gepflegt werden wollen usw.
Die Erfahrungen die man insgesamt im Leben macht und wie man diese in seine Persönlichkeit integriert. Das kann man nicht verallgemeinern. Auch hat jeder eine andere Schmerzgrenze und Frustrationstoleranz. Ich möchte mich nicht in meinen negativen Kindheitserlebnissen verlieren und darin festfrieren. Unzufriedene Zustände kann man aber ändern, in dem man auch Mut zur Veränderung zeigt. Tätig wird.......

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag So., 10.11.2013, 07:30

Solage hat geschrieben: Ich glaube nicht, dass mann immer alles auf die Kindheit schieben kann. Z. B. warum jemand Schwierigkeiten hat Sozialkontakte aufzubauen oder Probleme mit dem anderen Geschlecht hat. Wenn es danach ginge, müsste ich Angst vor Frauen und Männern haben. Ist aber nicht so.
Wenn man sich analytisch nur um die Frühzeit kümmert und sie mit dem Therapeuten ausagiert, dann kann einem das natürlich so vorkommen. Auch dann, wenn der Therapeut pauschal von "den Eltern" redet, ohne sich konkret dafür zu interessieren, wie Vater und Mutter des Patienten in dessen Kindheit gewesen sind. Moderne Therapeuten neigen zu falschen Synthesen, sie machen aus einem triangulären Konflikt eine pseudoharmonische Dyade. Der Therapeut tritt an die Stelle der Eltern, er möchte sie ersetzen, und dadurch wird er unverzichtbar. Die Konflikte bleiben außen vor, d.h. werden in der Therapie nicht besprochen. D.h. es werden weder die Konflikte der Kindheit ernsthaft besprochen (das wäre ja auch unhöflich gegenüber den Eltern des Patienten) noch werden die rezenten Konflikte des Patienten (die dieser in seinem gegenwärtigen Leben außerhalb der Praxis des Therapeuten hat) besprochen. Therapie verkommt mehr und mehr zu einer Selbstbespiegelung.
Solage hat geschrieben:

Die Erfahrungen die man insgesamt im Leben macht und wie man diese in seine Persönlichkeit integriert. Das kann man nicht verallgemeinern. Auch hat jeder eine andere Schmerzgrenze und Frustrationstoleranz. Ich möchte mich nicht in meinen negativen Kindheitserlebnissen verlieren und darin festfrieren. Unzufriedene Zustände kann man aber ändern, in dem man auch Mut zur Veränderung zeigt. Tätig wird.......
Meinst du mit Frustrationstoleranz deine Frustrationstoleranz als Kind? Da du aber schreibst, du möchtest dich nicht in negativen Kindheitserlebnissen verlieren, wohl eher nicht. Es geht dir primär um Frustrationstoleranz, die du einfach hast, oder die du hast, weil du sie als richtig ansiehst. Frustrationstoleranz ist aber etwas, das man schon als Kind lernen muss. Und als Vorbilder dienen dabei vor allem Vater und Mutter. Mein Vater hat mir viel von Toleranz erzählt, aber praktiziert hat er sie kaum. Er war mir gegenüber abwechselnd gleichgültig und überempfindlich. Ich habe gelernt mit der Tatsache, dass er mich geprägt hat fertig zu werden. Der Grund, wieso ich (als Kind) überhaupt so viel auf seine Meinung und sein Verhalten gegeben habe, war ja meine Liebe zu ihm. Die fühlte ich aber nicht immer. Es gab eine Zeit, vor dem sechsten Lebensjahr, wo ich ihn eher als Störenfried ansah, obwohl er mir zu der Zeit noch gar nichts angetan hatte. Später hat er mir dann immer wieder gesagt, ich würde zu meiner Mutter gehören, aber ich verstand nicht, was er damit meinte.

Benutzeravatar

Nico
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 62
Beiträge: 12125

Beitrag So., 10.11.2013, 07:58

Solage hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass mann immer alles auf die Kindheit schieben kann.
Oh doch, kann man!!
Und das wird sogar ziemlich häufig gemacht weil es angenehm und einfach ist.
Nur bringt es einem halt sowas von überhaupt nicht weiter, aber man kann halt nicht alles haben.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

Werbung


Sudek
Helferlein
Helferlein
männlich/male, 59
Beiträge: 31

Beitrag So., 10.11.2013, 08:36

Solage hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass mann immer alles auf die Kindheit schieben kann........
Auf die Kindheit schieben, ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ein genaues, empathisches, tiefes sich Erinnern an die Gefühle, die bestimmte Situationen bei einem in der Kindheit hervorgerufen haben, ist sicher wichtig und muss nicht heißen, dass man alles "auf die Kindheit schiebt", Solage!! Was meinst Du? Herzlicher Gruß aus Darmstadt

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag So., 10.11.2013, 15:03

@Sudek

Die Erinnerung ans Gefühl ist zwar wichtig, aber noch nicht ausreichend. Was noch hinzu kommen muss, ist die Einsicht, dass diese Gefühle mehr oder weniger unreif waren. Ansonsten kommt man aus der Regression nie mehr raus, oder man schlittert noch tiefer rein. Das, was Kinder möchten liegt teilweise jenseits der Vorstellungskraft von Erwachsenen. Wenn sie von ihren Eltern ungerecht behandelt wurden, ändert sich daran zunächst mal gar nichts. Sie haben es aber u.U. zu verantworten, wenn bestimmte asoziale Triebe nicht sublimiert werden können.

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag So., 10.11.2013, 16:04

@Ulrich
Doch in meiner Therapie wurden die Konflikte in meiner Kindheit sehr wohl besprochen, richtig durchgekaut.
Es wurde auch immer wieder der Vergleich zum hier und jetzt gezogen. Bloß möchte ich nicht in einer Opferrolle verharren: Ich bin ja so arm dran, weil Mutter und Vater ..........Das bringt mich eben nicht weiter. Dies hat mich eher destabilisiert.
Eine gewisse Frustrationstoleranz habe ich mir eben durch Enttäuschungen und Entbehrungen erworben. Diese hilft mir in meinem jetzigen Leben auch mit Niederlagen klarzukommen. Es war eben nicht die Vorbildfunktion der Eltern, sondern, das was sie mir nicht gegeben haben und wie sie mich behandelt haben. Durch dieses Aushalten müssen wurde ich abgehärtet und habe Kampfgeist entwickelt.

Wenn ich mir heute Kinder und Jugendliche ansehe, dann leiden manche auch unter einer übermäßigen Verwöhnung. Ich kenne einen Fall, da kann der Jugendliche eben nicht den kleinsten Frust einstecken, weil alles Negative von ihm ferngehalten wurde. Ich bin mir da nicht so sicher was schlimmer ist. Extreme Verwöhnung oder Vernachlässigung.

Du hast mich in einem anderen Thread gefragt, ob die Beziehung zu meiner Mutter sich nicht gebessert hätte. Nein, überhaupt nicht. Sie war und ist noch immer eine sehr auf sich bezogene Frau. Ich musste mich schon als Kind um meine Eltern kümmern, war auf mich alleine gestellt. Meine Mutter ist sehr narzisstisch und ihre gesamte Umgebung leidet unter ihrem Verhalten. Das habe ich gelernt so zu akzeptieren. Ich kann sie nicht ändern.

Ich kann meine Vergangenheit eben nicht mehr ändern, aber versuchen zu lernen mit den erlittenen Verletzungen und Mängeln trotzdem in meinem Leben klarzukommen. Eine andere Sichtweise zu entwickeln. Das ist mir auch immer wieder gelungen. Da war auch immer wieder eine Portion Glück dabei.
Aber immer gelingt mir das natürlich auch nicht. Es ist halt ein Wachstumsprozess der immer noch andauert........

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag So., 10.11.2013, 16:14

@Nico

Ja, die Erkenntnis alleine bringt mich auch nicht weiter.

@Sudek

Hoffe, dass ich mit meinem Beitrag auch Deine Frage erklärt habe.

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag So., 10.11.2013, 17:19

Solage hat geschrieben:@Ulrich
Doch in meiner Therapie wurden die Konflikte in meiner Kindheit sehr wohl besprochen, richtig durchgekaut.
Es wurde auch immer wieder der Vergleich zum hier und jetzt gezogen. Bloß möchte ich nicht in einer Opferrolle verharren: Ich bin ja so arm dran, weil Mutter und Vater ..........Das bringt mich eben nicht weiter. Dies hat mich eher destabilisiert.
........
Das machen manche Therapeuten gerne. Sie reden dem Patienten ein, die Eltern seien schlecht gewesen, oder interessieren sich in der Kindheit des Patienten nur für das schlechte. Infolgedessen erinnert der Patient sich auch nur an das schlechte.

Früher hat man viel mehr auf die subjektive Seite geschaut. Wenn man sich nur dafür interessiert, was in der Familie des Patienten "passiert ist" ist logischerweise nur das von Interesse, was nicht so optimal war. Solche suboptimalen Sachen gibt es aber vermutlich in jeder Kindheit.


pandas
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 77
Beiträge: 4613

Beitrag So., 10.11.2013, 17:26

Mein Therapeut versucht mir gegenteilig desöfteren einzureden, es hätte gute Seiten an meinem Vater für mich gegeben.
dazu fügt er ganz offensichtlich meiner erzählten Erinnerung etwas hinzu, was überhaupt nicht passt und stimmen kann. (Bspw: "Der Papa hat Essen gemacht" wo mein Vater keinen Finger in haushaltlichen Dingen gerührt hat.)

Bei der mutter versucht er jedoch mir einzureden, die Beziehung sei vom Grund auf "schlecht", was aber auch nicht stimmt, sie war sehr ambivalent, letztlich überwog aber das Stützende, so gut es meiner mutter möglich war.

Mit dieser Dualität hat mein Therapeut mich ziemlich zur Weißglut gebracht. Drauf angesprochen leugnet er aber und schiebt alles auf die Übertragung in der therapeutischen Beziehung.

Ich habe schon gar keine Lust mehr darauf, mit ihm über meine Eltern zu reden. Er bringt das Thema aber oft von selbst drauf-
wenn ich mich da auf die Therapie verlassen würde, wäre ich nach Therapieende bald tatsächlich für immer alleine
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag So., 10.11.2013, 18:24

@Ulrich
Meine Eltern waren wirklich nicht in Ordnung, aber so richtig schlecht und böse wohl auch nicht. Hatten auch ihre Probleme, für die ich allerdings auch nichts konnte. Habe als Kind schon darunter gelitten. Bin bald von zu Hause ausgezogen und mein Leben hat sich gebessert. Die Beziehung zu den Eltern nicht wirklich.

Ich konnte meine Vergangenheit eigentlich ganz gut abhaken bis zur Therapie. Dort wurde mir erst gesagt, wie schlimm meine Eltern wirklich waren. Hatte vieles einfach vergessen. In der Therapie brach dann wieder alles auf. Hat mir nicht wirklich gut getan.

@Pandas
Ich musste jetzt schmunzeln, als ich Deinen Beitrag gelesen habe. Kommt mir sehr bekannt vor.
Nachdem ich es gewagt hatte die negativen Seiten meiner Eltern zu erzählen, hat mein Therapeut auch
dazugedichtet. Der wusste dann sogar wie meine Mutter mich als Säugling behandelt hat, obwohl ich daran gar keine Erinnerung habe!!! Außerdem hätte mich meine Mutter angeblich auch nie gewollt. Das waren seine Worte. Und er hat auch immer wieder von sich mit dem Thema angefangen. So wurde ich immer wieder in einen Schmerz hineinmanövriert, den ich in der Gegenwart aber gar nicht gebrauchen konnte. Musste mit einem ganz anderen Problem klarkommen.

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag Mo., 11.11.2013, 07:41

pandas hat geschrieben: Mein Therapeut versucht mir gegenteilig desöfteren einzureden, es hätte gute Seiten an meinem Vater für mich gegeben.
dazu fügt er ganz offensichtlich meiner erzählten Erinnerung etwas hinzu, was überhaupt nicht passt und stimmen kann. (Bspw: "Der Papa hat Essen gemacht" wo mein Vater keinen Finger in haushaltlichen Dingen gerührt hat.)

Bei der mutter versucht er jedoch mir einzureden, die Beziehung sei vom Grund auf "schlecht", was aber auch nicht stimmt, sie war sehr ambivalent, letztlich überwog aber das Stützende, so gut es meiner mutter möglich war.:
Ich habe dazu zwei Theorien:
1.Ich vermute, dass er viel aus seiner eigenen Kindheit auf dich überträgt. Das macht er mit anderen Patienten vielleicht genauso. Ich schreibe deshalb "vielleicht", weil es auch denkbar wäre, dass er bei anderen Patienten vielleicht andere Aspekte seiner Kindheit projiziert.
2.Wenn seine Deutungen nicht auf Verdrängung seiner eigenen Kindheit beruht, so könnte ich mir noch theoretisch vorstellen, dass er etwas erkannt hat, und dass er vielleicht ein sehr guter Analytiker ist. Wenn ein Analytiker gut ist, dann hat er ja immer das Problem, sein Verständnis zu vermitteln, und eine Möglichkeit besteht darin, dem Patienten Märchen über den Vater zu erzählen, die zwar im wörtlichen Sinne nicht wahr sind, die aber gewisse Gefühle im Patienten wachrufen können, die verdrängt sind, und vielleicht auch Erinnerungen.

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.
pandas hat geschrieben:
Mit dieser Dualität hat mein Therapeut mich ziemlich zur Weißglut gebracht. Drauf angesprochen leugnet er aber und schiebt alles auf die Übertragung in der therapeutischen Beziehung.
Hat er nichts weiter dazu erklärt? Auf dem Weg der Übertragung kann viel an Gefühl aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportiert werden, und in den Anfängen der Psychoanalyse hat man dies als ernstes Hindernis betrachtet. Spätere Analytiker-Generationen haben sich dann aber damit abgefunden, dass der Patient sich an die entscheidenden Dinge (aufgrund von Übertragen und Ausagieren) nicht erinnert und versuchen seitdem die Rolle des Ersatzvaters oder Ersatzmutter so gut wie möglich zu spielen. D.h. es wurde vom Patienten immer weniger erwartet, dass er sich an die entscheidenden Dinge (auf die es ankommt) nicht erinnert. Ich weiß nicht, wie es bei dir gewesen ist. Hast du dich im Laufe der Therapie an was erinnert, was dir vor Beginn der Therapie noch nicht bewusst war? Aus der Erfahrung meiner Selbstanalyse weiß ich, dass meistens die Erinnerungen zuerst zurückkommen, die noch nicht so weit zurückliegen (diese Regel hat eine Ausnahme in den Fällen, wo ein jüngeres Ereignis verdrängt bleibt, weil es traumatscher(er) war). Ich hab mich zuerst an Dinge aus der Grundschulzeit erinnert, dann kamen Erinnerungen an die Zeit vor dem sechsten Lebensjahr zurück.

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag Mo., 11.11.2013, 12:46

Errata:

D.h. es wurde vom Patienten immer weniger erwartet, dass er sich an die entscheidenden Dinge (auf die es ankommt) erinnert.

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag Mo., 11.11.2013, 12:55

Solage hat geschrieben:@Ulrich
Meine Eltern waren wirklich nicht in Ordnung, aber so richtig schlecht und böse wohl auch nicht. Hatten auch ihre Probleme, für die ich allerdings auch nichts konnte. Habe als Kind schon darunter gelitten. Bin bald von zu Hause ausgezogen und mein Leben hat sich gebessert. Die Beziehung zu den Eltern nicht wirklich.

Ich konnte meine Vergangenheit eigentlich ganz gut abhaken bis zur Therapie. Dort wurde mir erst gesagt, wie schlimm meine Eltern wirklich waren. Hatte vieles einfach vergessen. In der Therapie brach dann wieder alles auf. Hat mir nicht wirklich gut getan.
Das war vermutlich kein guter Therapeut.

Der "Vorteil" einer solchen Herangehensweise ist, dass manche Patienten sich dann von ihren Eltern lösen, was aber nur in seltenen Fällen von Vorteil ist.

Manche Therapeuten leben anscheinend im Wahn, sie müssten bessere Eltern sein, d.h. den Platz der angeblich schlechten Eltern einnehmen.

Das, woran man sich nach der Kindheit erinnert ist ja meistens nur das Gute. Sich dann auch an schlechtes zu erinnern bringt zunächst mal gar nichts. Man muss dann möglichst schnell tiefer graben, um zu den Dingen zu gelangen, die dahinter liegen. Das Problem ist aber, dass an diese Dinge keiner mehr glauben mag, weil sie Tabuthemen (kindliche Sexualität, sich sexuell hingezogen fühlen zu Verwandten) betreffen.

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag Mo., 11.11.2013, 21:25

@Ulrich

Nein, er war bei mir kein guter Therapeut. Da hast Du Recht.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag