Liebe Traumstern,
ja, ich hab selber auch schon ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Wahrscheinlich ergeht es den meisten Menschen (speziell den meisten Frauen) so. Wenn ich mich so umsehe, sehe ich nämlich nur wenige Kinder/Mädchen, die sich schon in ihren jungen Jahren abgrenzen dürfen und es deshalb nicht erst später mühsam lernen müssen.
Traumstern hat geschrieben:Ich hatte Angst, dass ich ihn damit überforderre und dass er es eben nicht oder nur sehr schlecht aushalten kann (wegen unserer Vergangenheit s.o.).
Ich verstehe deine Angst. Meiner Erfahrung nach erweisen sich jedoch gerade die Menschen, von denen wir es am wenigsten erwarten, als ziemlich zäh
Bei mir war es so, dass mein Umfeld erst einmal recht verstört und verletzt auf meine ersten ernsthaften (und unbeholfenen) Abgrenzungsversuche reagiert hat. Es wurde unbequem für die meisten Leute, als ich damit anfing. Es war eine Weile sehr schwer, anstrengend und beängstigend für mich, bei meinen Grenzen zu bleiben. Ich fürchtete, als egoistisch und böse zu gelten. Ich hatte Angst, nicht mehr liebenswert für andere zu sein. Und den anderen ging es ganz genauso. Sie fühlten sich ungeliebt durch mein Abgrenzen. Rückblickend war das aber eine recht kurze Phase, als ich sie einmal durchhielt (Ich brauchte ein paar Anläufe, weil ich quälende Schuldgefühle hatte). Die allermeisten Kontakte haben sich im Endeffekt für beide Seiten enorm verbessert. Zugegeben, einige wenige brachen aber auch ab.
Für meine Familienmitglieder (und manche Freunde) steckte in meiner Verhaltensänderung eine Entwicklungsaufgabe und -möglichkeit: Sie mussten und
konnten lernen, dass meine Abgrenzung, mein Nein zu etwas keine Absage an sie als ganze Personen ist; dass meine Abgrenzung nichts gegen sie, sondern etwas für mich ist und sie das deswegen nicht persönlich nehmen müssen. Aber klar, ich musste es aushalten, wenn sie es doch taten. Einige haben dadurch selber gelernt, sich zu spüren und abzugrenzen.
Mir hat das Abgrenzen dabei geholfen, aus dieser permanenten Überforderung und dem Druck auszusteigen. Das war sooo ein befreiendes Gefühl! Endlich mal wieder durchatmen, kein ständiges Herzklopfen mehr haben... Das war (und ist noch) der Himmel auf Erden für mich.
Die Alternative dazu ist die Depression. Und in ihrem Schlepptau die Angst, der Druck, die Überforderung...
Ein ganz einfühlsames Buch, das mir enorm geholfen hat, war
Josef Giger-Bütler: Sie haben es doch gut gemeint - Depression und Familie. Vielleicht kannst du es dir mal in der Bibliothek ausleihen...?
Nur mal kurz aus einer Rezension des Folgewerkes
Endlich frei: Schritte aus der Depression zitiert (Ich glaub, es ist egal, welches Buch du dir ausleihst, wenn du es tun solltest):
Verhaltensweisen der ständigen Überforderung und der laufende Blick auf andere Menschen. Es handelt sich bei depressiven Menschen wirklich fast ausschließlich um Andere. (...) Und das alles ohne sich selbst zu kennen. Seine eigenen Gefühle, seine Bedürfnisse, seine Wünsche. (...) Die Hilflosigkeit auf der einen Seite und den Zwang zum "Müssen" auf der Anderen.
Dieser letzte Satz spiegelt m.E. auch wider, wie es dir mit dem Nähebedürfnis deines Mannes geht: Du kannst es nicht befriedigen, erträgst es nicht, aber du glaubst zu müssen und fühlst dich schlecht, wenn du es nicht tust. Also befriedigst du es so gut wie irgendwie möglich - bis zum Zusammenbruch bzw. bis hin zu den Panikattacken, die kommen, noch bevor dein Mann zu Hause ist. Du kannst selber nicht mehr spüren, ob du Nähe herstellen
willst, weil du glaubst, du
musst. Das Müssen erdrückt jedes Wollen. Vielleicht liegt also auch bei dir der Wunsch nach Nähe darunter?
Deine Angst zeigt dir den Weg, du Liebe.
Ich hoffe, du hast/hattest eine gute, hilfreiche Thera-Stunde!
Ganz lieben Gruß
Taffi