Unangenehme Wahrheiten: Aussprechen oder lieber lügen?

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Stöpsel
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Beitrag Di., 03.03.2009, 19:26

Hi,

ich denke auch, es ist besser die Wahrheit zu sagen. Ist natürlich die Frage, wie man sie sagt. Und man kann ja auch trotzdem hinter der Person stehen, so wie ihr es gemacht habt. Aber die Wahrheit zu sagen, ist allein deswegen wichtig, um die Person nicht darin zu beschneiden, einen Umgang mit dem Problem zu finden. Vielleicht hätte sie sich irgendwie weiterbilden können oder hin zu einer ganz anderen Tätigkeit orientieren, wo z.B. ihre Nettigkeit wichtig ist.
Aber ob Du da nun auch Mitverantwortung hattest, das der Kollegin zu sagen oder ob es reicht, da einfach drauf zu warten, daß der Chef es macht, bin ich mir unsicher. Ich denke, ich hätte in der Situation (wenn mir da alles so klar gewesen wäre, Was ja auch erst einmal der Fall sein muß) dem Chef versucht, eindringlich zu sagen, daß es Unsinn ist, der Kollegin nicht die Wahrheit zu sagen. Und dann kann man ja immer noch nach Lösungen suchen, die für alle Beteiligten geeignet sind. Denn so, daß Du sie beaufsichtigst, während sie die Aufgaben macht, das kann es wirklich nicht sein, da dann ja gleich zwei unproduktiv arbeiten
w_s_ hat geschrieben:Auch wenns heute um Produktivität gibt, es gibt auch dort sowas wie eine gewisse Mindestethik.
Sehe ich auch so.
||| hat geschrieben:Über Ethik nachzudenken ist hier irrelevant, da es niemanden etwas bringt.

||| hat geschrieben:An das Gesetz ist jeder gebunden, an die Moral nicht.
Das eigene Gewissen an der Garderobe abzugeben und nur auf das zu pochen, was gesetzlich geregelt ist, das gabs auch in totalitären Systemen schon immer. Sorry, aber mitdenken ist auf dieser Welt durchaus erlaubt.
Eve... hat geschrieben:Was sie in ihrem reifen Alter nicht geschafft hat, dürfte sie nun auch nicht mehr packen, zumal sie ja nicht die wendigste zu sein scheint. Ich bezweifle, dass Ihr ihr anders auf die Sprünge hättet helfen können. Sie hätte auf Eure frühzeitige Aufklärung über ihre Leistungen hin auch im Sumpf der Verzweiflung versinken können
Na, so negativ würd ich es nicht sehen. Man ist "im reifen Alter" doch nicht dazu verdammt, nichts mehr ändern zu können. Und man hätte zusammen mit ihr nach ner Lösung gucken können . Mag sein, daß sie nicht die entsprechende Fähigkeit für diese Tätigkeit hatte, aber das heißt doch nicht, daß sie keine Fähigkeiten hat. Man muß sie nur finden... (bei der Telekom gibts extra Angestellte, die bei Umstrukturierungen gucken, wie die LEute ihren eigenen Fähigkeiten entsprechend woanders eingesetzt werden können bzw. man hilft ihnen, sich Fähigkeiten anzueignen, um woanders auf dem Arbeitsmarkt weiterzukommen. War zumindest vor 3,4 Jahren so)

Dennoch, Vorwürfe machen mußt Du, Ratlosigkeit, Dir auch nicht. Dir war das alles doch auch nicht klar. Woher solltest Du wissen, wie es mit dem Unternehmen weitergeht?! Wir können jetzt hier alles wunderbar klugscheißen, aber vorher hätte es doch auch niemand richtig sagen können, was passiert.

Viele Grüße

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Eve...
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Beitrag Di., 03.03.2009, 19:56

... so negativ würd ich es nicht sehen. Man ist "im reifen Alter" doch nicht dazu verdammt, nichts mehr ändern zu können. Und man hätte zusammen mit ihr nach ner Lösung gucken können ... (bei der Telekom gibts extra Angestellte, die bei Umstrukturierungen gucken, wie die LEute ihren eigenen Fähigkeiten entsprechend woanders eingesetzt werden können bzw. man hilft ihnen, sich Fähigkeiten anzueignen, um woanders auf dem Arbeitsmarkt weiterzukommen. War zumindest vor 3,4 Jahren so)
Bei mir wars anders, deshalb empfinde ich meine Äußerung nicht als negativ, sondern als realistisch. Ich habe bestimmt nicht schlecht gearbeitet; trotzdem hat mein letzter Chef, als er - dynamisch und profitorientiert - die Firma übernommen hatte, mich durch zwei (!) junge Kräfte ersetzt, die sich jetzt den Arbeitsplatz für wahrscheinlich fast dasselbe Geld teilen. (Vorerst, denn eine ist leider schwanger geworden )

"Zusammen nach einer Lösung gucken" - sorry, da muss ich ein bisschen - Schöner Wunsch, leider ist die Arbeitswelt SO heute sehr, sehr selten. "Ex und hopp!" entspricht wohl eher den Gepflogenheiten.

Ich WEISS, was der Arbeitsmarkt für das betreffende Alter hergibt. Und ich weiß auch, dass der Wille zum Lernen wichtig ist und nie erlöschen darf. Wie jedoch die betreffende Kollegin geschildert wird, das klingt für mich eher nach Trotzverhalten. Was hier über sie geschrieben wurde, lässt mich annehmen, dass sie zu den emotionalen Arbeitnehmerinnen gehört, die nicht sehr zugänglich für "Verbesserungsvorschläge" sind.

Aber ich mag mich natürlich irren.

Eve

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Hamna
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Beitrag Di., 03.03.2009, 20:17

Raziel hat geschrieben: Lass das selbst-kündigen weg. Zumindestens in Deutschland. Das hilft ihr später beim Arbeitsamt mehr.
Um Himmels Willen!

Beim Arbeitsamt vielleicht, bei der Jobsuche sicher nicht!!!

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Stöpsel
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Beitrag Di., 03.03.2009, 20:35

Hallo Eve,
Bei mir wars anders, deshalb empfinde ich meine Äußerung nicht als negativ, sondern als realistisch.
Na ja, aber sie WAR ja noch in dem Unternehmen. Und statt ihr da irgendwelche komischen Aufgaben zu geben, hätte man da ja auch versuchen können, ehrlich mit ihr zu reden und eben in der damaligen Situation nach ner anderen Lösung gucken können.

Daß es sonst auf dem Arbeitsmarkt schwierig ist, ist keine Frage. Allerdings auch so ein bißchen ein von der Gesellschaft selbstgemachtes Problem (will sagen: ist nicht naturgegeben, daß es so sein muß). MEiner MEinung nach werden ältere Leute einfach nicht mehr ausreichend wertgeschätzt. Alter und Erfahrugn hat eben auch einen Wert, der nur leider nicht mehr so gesehen wird, jung und dynamisch ist eben auch nicht alles.
Wie jedoch die betreffende Kollegin geschildert wird, das klingt für mich eher nach Trotzverhalten. Was hier über sie geschrieben wurde, lässt mich annehmen, dass sie zu den emotionalen Arbeitnehmerinnen gehört, die nicht sehr zugänglich für "Verbesserungsvorschläge" sind.
Na ja, ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich jahrelang vermittelt bekommen würde, daß es gut ist, was ich mache. Wenn ich dann hinterrücks so von der Realität überfallen würde, hm, also, wenn man da auf stur stellt, kann ich das schon verstehen.

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Eve...
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Beitrag Di., 03.03.2009, 21:01

Hi Stöpsel!
Na ja, aber sie WAR ja noch in dem Unternehmen. Und statt ihr da irgendwelche komischen Aufgaben zu geben, hätte man da ja auch versuchen können, ehrlich mit ihr zu reden und eben in der damaligen Situation nach ner anderen Lösung gucken können.
Missverständnis. Ich meinte, bei mir war es anders, was das "gemeinsame Gucken nach anderen Lösungen" und ähnlich nette Verhaltensweisen der Firmenleitung angeht. Im Gegenteil, es wurde gemobbt, wohl in der Hoffnung, dass ich selbst meinen Hut nehme - um die Gefahr einer kleinen Abfindung zu umgehen.

Ich meine, ich habe die Härte der Arbeitswelt für Ältere ja selbst kennengelernt und stehe naturgemäß den Opfern näher, hab jedoch meine Vorbehalte in dem hier vorliegenden Fall. Ich tendiere zu der Ansicht, dass diese Dame auch anders angesprochen eher ungünstig reagiert hätte. Wahrscheinlich hätte sie sich auch im anderen Fall aufgeregt, weil sie sich ungerecht behandelt gefühlt hätte.

Sicherlich bleibt unsere Meinung zu der Kollegin Spekulation; wir kennen sie ja nicht.

Eve


Raziel
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Beitrag Mi., 04.03.2009, 16:52

Servus, Rilke
Raziel hat geschrieben: Lass das selbst-kündigen weg. Zumindestens in Deutschland. Das hilft ihr später beim Arbeitsamt mehr.
Um Himmels Willen!

Beim Arbeitsamt vielleicht, bei der Jobsuche sicher nicht!!!
In beiden Fällen bekommt sie ein Arbeitszeugnis. Ich gehe mal davon aus, dass man dort einen Passus wie diesen findet: "Sie hat sich bemüht, die ihr aufgetragene Arbeit....etc." Da dürfte es ziemlich egal sein, ob sie nun freiwillig gekündigt hat oder - soweit ich das noch in Erinnerung habe - der Stellenrationalisierung zum Opfer gefallen ist. Ihre Chancen, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, sinkt damit in beiden Fällen.

Aber für das Arbeitsamt ist es sehr wohl wichtig, ob die Kündigung von ihr oder ihrem Arbeitgeber erfolgt ist. Denn wenn Ersteres zutrifft, dürfte man ihr kurzfristig die Stütze kürzen. Selbst im anderen Fall muss sie sich von den Fallmanagern (ich hasse dieses Wort) noch rechtfertigen, wenn sie sich nicht drei Monate im Voraus arbeitslos gemeldet hat (auch wenn's meist nur eine Formalität ist).
Man liest sich
RazielBild

Tradition ist nicht das Bewahren der Asche,
sondern die Weitergabe des Feuers.

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|||
Helferlein
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Beitrag Mi., 04.03.2009, 20:04

Guten Abend,

folgendes hätte ich gerne näher erläutert:

||| schrieb:
Über Ethik nachzudenken ist hier irrelevant, da es niemanden etwas bringt.

“ “

||| schrieb:
An das Gesetz ist jeder gebunden, an die Moral nicht.

“Das eigene Gewissen an der Garderobe abzugeben und nur auf das zu pochen, was gesetzlich geregelt ist, das gabs auch in totalitären Systemen schon immer. Sorry, aber mitdenken ist auf dieser Welt durchaus erlaubt.“

Ich verstehe weder das Kopfschütteln noch das Kommentar, was vielleicht an meiner mangelhaften Fähigkeit des Mitdenkens liegt. Ist bewusst, dass meine Aussagen kontextgebunden sind und dass wir in keinem totalitären System leben, oder geht es nur um das Prinzip?

Mit freundlichen Grüßen

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Stöpsel
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Beitrag Mi., 04.03.2009, 21:03

||| hat geschrieben:Über Ethik nachzudenken ist hier irrelevant, da es niemanden etwas bringt.
Tja, wenn man so will, was ist dann noch alles irrelevant auf dieser Welt? Mitmenschlichkeit, Solidarität, Liebe, ... BRAUCHEN tut man das alles nicht, wenn es ums pure funktionieren geht. Ist nur die Frage, in was für einer Welt wir dann leben.
Und was heißt denn, es bringt niemandem was? Den Mitarbeitern bringts ja schon was, wenn sie ne reelle Chance kriegen, Defizite abzubauen. Dann sei wenigstens so korrekt und sage, analog zu dem, was Anastasius schrieb, daß es dem Unternehmen nichts bringt (und auch das ist nicht mal gesagt, aber egal).

Zu der 2. Aussage schreibe ich nur noch: In was für einer Welt willst Du denn leben? Wenn man den Gedanken weiterdenkt und sich überlegt, was man dafür tun müßte, zeigt das die notwendigen Konsequenzen fürs eigene Tun auf. Auch umgekehrt, wenn man den Gedanken konsequent zu Ende denkt, was denn passieren würde, wie die Welt aussehen würde, wenn sich alle nur stur ans Gesetz halten würden und nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind und wenn man berücksichtigt, nach welchen Prinzipien Gesetze geschaffen werden. Vielleicht siehst Du den Unterschied.

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Ratlosigkeit
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Beitrag Do., 05.03.2009, 08:19

Ja, die Diskussion entwickelt sich...
Es ist ein grundlegendes Problem: Menschlichkeit versus Zielorientiertheit (Arbeit, Leistung, Resultate bringen)
Wir wollen alle nicht in einer Welt leben, wo Menschen nur nach ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt werden. Das ist unmenschlich, das hatten die Nazis.
Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, daß JEDER, wirklich jeder Mensch einen Platz in der Gesellschaft hat, wo er "nützlich" und in der Folge auch zufrieden sein kann - man muß nur den richtigen für ihn finden. Klar, das kostet Zeit und Hirnschmalz. Und das hat niemand in der heutigen Arbeitswelt.
Im kleinen habe ich das mit der betreffenden Mitarbeiterin versucht. Als sie in unsere Abteilung kam und sich herausstellte, daß eben Mankos vorhanden waren, gab es 2 Kollegen, die sich schlichtweg weigerten mit ihr zu arbeiten. Daraufhin erst ging ich zum damaligen Chef um das Problem anzusprechen. Damals gab es die Alternative: sie gleich zu feuern. Aber das stand von Seiten des Chefs nicht zur Diskussion. Also lief es wie oben geschildert....
Für mich selbst bleibt unterm Strich folgendes: Ich war ein netter Mensch. Super, kann ich mich selbst beweihräuchern (das ist ironisch gemeint - für alle die jetzt auf mich losgehen wollen). Naja, so "nett" war ich auch nicht - denn hätte mein Chef mich nicht ausdrücklich angewiesen, sie zu beschäftigen - ich hätte mir das vermutlich nicht angetan. Denn es hat mich eine Menge Mehrarbeit, Zeitaufwand und Nervenkraft gekostet sie "mitzunehmen". Entschädigt wurde ich dadurch, daß sie ein wirklich angenehmer, netter und sympathischer Mensch war.
In der Arbeitswelt wird eben nicht nach "Nettigkeit" und "Sympathe" gewertet, sondern alleine danach, ob jemand cooperiert, seine Aufgaben erledigt, produktiv ist. Ich glaube, man muß da einfach strikt trennen.
Nur habe ich (und nicht nur ich, auch andere - sie war eben allgemein beliebt), durch meine "Nettigkeit" die Ebenen verwischt. Weil wir nett zu ihr waren, wurde bei ihr die Illusion geweckt, mit ihr wäre alles ok und der Verlust ihres Jobs wäre eine Bösartigkeit von seiten des Unternehmens. Und ich kann ihr das nicht einmal erklären, denn dann müsste ich ihr beinhart sagen: Du taugst nichts! Das Du überhaupt so lange hier bleiben konntest war schon ein Geschenk an Dich! Und sorry, so etwas kann ich nicht aussprechen.
Zieht man die haltung der reinen Nutzenorientiertheit aber durch - wo landen wir dann? Jeder, der auch nur einmal einen noch so kleinen Fehler macht läuft dann Gefahr in der Kathegorie "nutzlos" und untauglich zu landen. Und das ist Nazismus pur.
Ihr seht, das Problem beschäftigt mich sehr. Moral versus Produktivitätsregeln oder wie immer man das nennen will.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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Eve...
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Beitrag Do., 05.03.2009, 09:16

Du taugst nichts! Das Du überhaupt so lange hier bleiben konntest war schon ein Geschenk an Dich!
Dazu möchte ich noch einmal nachdrücklich sagen: Es ist gut, dass Du es so nicht sagen konntest! Denn das wäre wirklich verletztend gewesen!

"Du taugst nichts" ist etwas, dass niemand hören möchte, ob unberechtigt oder an der Stelle passend. Denn es ist SEHR generalisierend: an anderer Stelle hätte diese Kollegin vielleicht durchaus etwas "getaugt". Sie war womöglich wirklich nur auf dem für sie falschen Posten. Also hätte diese Grundaussage sie auch noch UNNÖTIG verletzt und ihr möglicherweise ohnehin nicht stabiles Selbstwertgefühl noch weiter runtergedrückt.

"Du taugst nichts" - gemessen woran bitte? Das ist doch auch die Frage. Gemessen an der gnadenlosen Härte der heutigen Arbeitswelt? An der Produktivität, die über die Menschen gestellt wird? An der "Nutzlosigkeit" für die mehr arbeitenden Kollegen? Ethischer Maßstab oder rein nutzbringender oder beides?

Dazu noch die Folgefrage entsprechend der Themenüberschrift angedacht: WAS ist Wahrheit? Bekanntermaßen relativ, also auch in diesem Fall, oder?

Es ist bezeichnend, wie in der Diskussion hier zwei Standpunkte polarisiert zum Ausdruck kommen: knallhart oder menschlich orientiert. (durch III und Anastasius z. B.). Nicht zu vereinbaren?

Gruß, Eve

P.S. Ich merke, wie sehr mich dieses Thema doch beschäftigt, und frage mich im Nachhinein, ob man für mich auch dieses "Die taugt nichts" in der heimlichen Hosentasche hatte ... ein Sch***gefühl.

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MinaM
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Beitrag Do., 05.03.2009, 11:03

Hallo Ratlosigkeit,

Eve hat genau meine Gedanken. Tauglichkeit und Untauglichkeit sind relative Begriffe. Es wäre wirklich fatal der Frau als "Abschiedsmitgift" die Erklärung ihrer Untauglichkeit mitzugeben.
Aber wohl kannst du erklären (falls du überhaupt noch in Kontakt mit ihr bist) dass sie gemessen an ihren Kollegen einfach "schwächer" abgeschnitten hat. Dass sie durchaus gut war, die anderen aber im Vergleich zu ihr einfach besser. Ich denke dass kann man eher akzeptieren als du bist eben völlig untauglich gewesen.
Ich habe mal eine andere Frage: Du schriebst, dass du ebenfalls auf der Abschussliste standest und erfolgreich für deinen Arbeitplatz gekämpft hast. Es hat nicht dich erwischt, sondern sie. Muss überhaupt eine sehr unangenehme Situation und Atmosphäre da bei euch in der Arbeit gewesen sein.
Wie stellt sich aber die Sache dar, wenn die Frau tatsächlich erfolgreich wäre mit ihrer Klage? Also sie damit ihren Arbeitplatz erhalten könnte.
Ist dann auch wieder dein Arbeitplatz bedroht?
Versteh mich nicht falsch, ich kann es durchaus verstehen wenn du Sorgen in dieser Richtung hättest, du hast auch ein Recht um deinen Arbeitsplatz zu bangen.

lg
MinaM
Nichts bereuen ist aller Weisheit Anfang.
- Ludwig Börne

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 05.03.2009, 12:25

Ratlosigkeit hat geschrieben: Nur habe ich (und nicht nur ich, auch andere - sie war eben allgemein beliebt), durch meine "Nettigkeit" die Ebenen verwischt. Weil wir nett zu ihr waren, wurde bei ihr die Illusion geweckt, mit ihr wäre alles ok und der Verlust ihres Jobs wäre eine Bösartigkeit von seiten des Unternehmens.

Und ich kann ihr das nicht einmal erklären, denn dann müsste ich ihr beinhart sagen: Du taugst nichts! Das Du überhaupt so lange hier bleiben konntest war schon ein Geschenk an Dich! Und sorry, so etwas kann ich nicht aussprechen.

Aber moment mal, anzusprechen daß die Arbeitsleistung nicht ausrechend ist ist doch was anderes als jemandem zu sagen "du taugst nichts"

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Ratlosigkeit
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Beitrag Do., 05.03.2009, 16:34

Bitte verbeisst euch nicht in meine Formulierung "Du taugst nichts" - ich habe sie bewußt hart gewählt, um die Schwere des Problems zu zeigen. Genau so hätte ich "nett" sagen können: "Du entsprichst nicht ganz den Erwartungen" - unterm Strich hätte es das selbe bedeutet und wäre genauso bei der Frau angekommen. Versteht ihr? Sie hätte es als "du taugst nichts" verstanden, egal wie es formuliert worden wäre.
Zur Gesamtsituation, die tatsächlich ziemlich beschissen war: die Abteilung bestand aus 4 Leuten und es war seit längerer Zeit klar, daß die Abteilung aufgelöst werden würde. Ursprünglich sollten alle 4 gehen, wenn sich nicht ein anderer Platz für die eine oder andere im Unternehmen finden würde. So ging es einfach darum seine eigene Haut zu retten. Eine Kollegin sprang freiwillig vorzeitig ab, ich war auf Grund meiner speziellen Qualifikation am leichtesten in einem anderen Bereich unterzubringen (aber auch davon mußte ich eine ganze Reihe von Leuten erst überzeugen), für die dritte Kollegin ergab sich in buchstäblich letzter Minute eine andere Stelle weil ein Kollege überaschend kündigte - und die schwächste in der Gruppe mußte eben gehen.
Nur wird sie nie erfahren, daß sie gehen mußte, weil sie schwach war. Ich selbst werde den Kontakt zu ihr abbrechen bzw. nicht zulassen, sollte sie ihn suchen - obwohl ich sie menschlich wirklich gerne hatte. Aber das wäre wirklich zu viel für mich. Ich würde es nicht packen, wenn sie mir ihr Herz ausschütten würde, in der Art "alle sind so gemeinzu mir, was habe ich denn falsch gemacht, ich habe so viel gearbeitet und ich bin stolz auf meine Arbeit..." (Originalton). Ich würde das nicht aushalten, da zuzuhören und weiterhin vor der Wahl zu stehen, sie entweder anzulügen: "Du hast nichts falsch gemacht, du hast brav gearbeitet, die sind alle böse zu dir" oder ihr eben die Wahrheit zu sagen (siehe oben "du hast eben nicht entsprochen"). Das will ich nie wieder erleben müssen. Also kein Kontakt mehr zu ihr, aus reinem Selbstschutz.
Es wäre das beste für sie, zu klagen. Es ist ziemlich illusorisch, daß sie nochmal einen Job findet, und so könnte sie noch etwas Geld herausholen. Mein Arbeitsplatz wäre dadurch nicht gefährdet. Aber ich stelle mir mit Grausen vor, daß ihre (mangelnde) Qualifikation bei einem Prozess dann offiziell bestätigt wird. Was dann? Dann ist ihr Selbstwertgefühl endgültig futsch.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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Eve...
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Beitrag Do., 05.03.2009, 16:52

Aber ich stelle mir mit Grausen vor, daß ihre (mangelnde) Qualifikation bei einem Prozess dann offiziell bestätigt wird. Was dann? Dann ist ihr Selbstwertgefühl endgültig futsch.
Dann soll es so sein. Finde ich in dem Fall aber okay, denn wer klagt, muss mit den Konsequenzen zurecht kommen. Das liegt mit Sicherheit nicht mehr in Deinem Verantwortungsbereich!

Übrigens zu der weiter oben geschriebenen Annahme: Es kommt niemand zurück in eine Firma, gegen die er klagte, jedenfalls nicht über längere Zeit; deshalb gibt es die Abfindungen.

Eve

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Helferlein
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Beitrag Do., 05.03.2009, 20:51

Guten Abend,

„Tja, wenn man so will, was ist dann noch alles irrelevant auf dieser Welt?“

Was irrelevant ist und was nicht, dass hängt vom jeweiligen Kontext ab. Deswegen schrieb ich ja auch nicht, dass irrelevant ist über Ethik nachzudenken, da es niemanden etwas bringt, sondern, dass es hier irrelevant ist über Ethik nachzudenken, da es niemanden etwas bringt.

„Ist nur die Frage, in was für einer Welt wir dann leben. [...] In was für einer Welt willst Du denn leben?“

Mir ist nicht bekannt, dass ich mir meine Welt aussuchen kann. Die Welt ist immer dieselbe, nur die Gesellschaftsformen ändern sich, und selbst diese Veränderungen geschahen über größere Zeiträume fast nahezu nach dem selben Schema. Allerdings will ich hier keinesfalls Historizismus betreiben.

„Und was heißt denn, es bringt niemandem was? Den Mitarbeitern bringts ja schon was, wenn sie ne reelle Chance kriegen, Defizite abzubauen. Dann sei wenigstens so korrekt und sage, analog zu dem, was Anastasius schrieb, daß es dem Unternehmen nichts bringt (und auch das ist nicht mal gesagt, aber egal).“

Jeder halbwegs intelligente Arbeitgeber wird in diesem Fall (Vorsicht, ich beziehe mich nach wie vor auf den von Ratlosigkeit beschriebenen Fall) einem Arbeitnehmer die Chance geben Defizite abzubauen. Ein guter Arbeitgeber wird das Gespräch mit dem Betroffenen suchen und mit diesem besprechen, wie dies am Besten bewerkstelligt werden kann. Dazu muss der Arbeitgeber keine ethischen Prinzipien haben, denn er hat viel naheliegendere Gründe dies zu tun, nämlich wirtschaftliche. Unwirtschaftlich wird es erst dann, wenn man jede Woche Defizite bespricht.

„Wenn man den Gedanken weiterdenkt und sich überlegt, was man dafür tun müßte, zeigt das die notwendigen Konsequenzen fürs eigene Tun auf. Auch umgekehrt, wenn man den Gedanken konsequent zu Ende denkt, was denn passieren würde, wie die Welt aussehen würde, wenn sich alle nur stur ans Gesetz halten würden und nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind und wenn man berücksichtigt, nach welchen Prinzipien Gesetze geschaffen werden. Vielleicht siehst Du den Unterschied.“

Ja bitte, lassen Sie uns konsequent zu Ende denken, was passieren würde, wenn sich tatsächlich alle Menschen an das Gesetz halten würden und nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Das können wir gleich dann machen, nachdem wir herausgefunden haben, nach welchen Prinzipien Gesetze geschaffen werden.
Entschuldigen Sie bitte die eben formulierte Falle und den Sarkasmus, aber der Konjunktiv liegt mir nicht besonders. Wir sind Menschen und halten uns so gut wie an gar Nichts genau. Dies ist ja auch fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wer anderer Meinung ist, möge doch bitte die Südosttangente unter Einhaltung aller Gesetze von Anfang bis Ende durchfahren.

„Wir wollen alle nicht in einer Welt leben, wo Menschen nur nach ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt werden. Das ist unmenschlich, das hatten die Nazis.“

Nein, das hatten die Nazis mit Sicherheit nicht. Sie propagierten dies nur.

„Zieht man die haltung der reinen Nutzenorientiertheit aber durch - wo landen wir dann? Jeder, der auch nur einmal einen noch so kleinen Fehler macht läuft dann Gefahr in der Kathegorie "nutzlos" und untauglich zu landen. Und das ist Nazismus pur.“

Jeden Arbeitnehmer, der einen kleinen Fehler macht, in die „[...]Kategorie "nutzlos" und untauglich[...]“ einzuordnen ist keinesfalls nutzenorientiert im Sinne von wirtschaftlich oder effektiv, etc.

Mit freundlichen Grüßen

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