Verliebtheit/Liebe

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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lamedia
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Beitrag Di., 30.12.2008, 17:31

@ minds: Hm, das wäre sehr schade, wenn es "nur" ein Bild wäre. Ich meine, es geht über ein Bild hinaus, denn ich kenne doch immerhin seine/ihre Werte, seinen Ausdruck, Sprache... Jedenfalls ist meine Form von Kontaktaufnahme meist recht intensiv, so dass ich glaube, das schnell zu erkennen. Vielleicht ist es aber doch so, während ich glaube, den Menschen da drüben zu meinen und schon zu lieben, dass ich ein inneres Bild meine und liebe. Ich denke drüber nach.

Zu der Frage nach frühem Auftauchen der Begriffe kann ich Platon empfehlen: Die Dialoge Symposion und Phaidros. Da geht es um Eros, was er mit den Menschen macht, wie er sie übertölpelt oder ins Göttliche führt. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es dort keinen Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe, aber verschiedene Formen des Umgangs mit der Liebe. Den haltlosen und den besonnenen.

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w_s_
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Beitrag Di., 30.12.2008, 17:53

mediasres hat geschrieben:Vielleicht noch mal der eine Punkt: Oft gehört habe ich das folgende Modell: Erst käme die Verliebtheit, dann verschwände sie, übrig bliebe dann Liebe.
Das kommt mir falsch vor. Ich kann mich nur in Menschen verlieben, die ich liebe.
Doch, wir wissen heute aus der Gehirnforschung, dass es im Zuge der Liebe zwischen Mann und Frau schon verschiedene Phasen gibt. Diese frühe Phase der Verliebtheit, die als intensiv, rauschartig, suchtartig nach dem Partner/der Partnerin beschrieben wird, schwärmerisch, leidenschaftlich ist dadurch gekennzeichnet, dass gewisse Gehirnteile offenbar hormonel ausgeschaltet werden (konkret der Amygdala und der Cortex cingularis anterior, wo Angst und Alarmzentren angesiedelt sind, werden durch Dopamin und Oxytocinschübe ausgeschalten, und es wird atypisch viel Vertrauen generiert). Diese Dinge sind offenbar grundlegend in den Gehirnen verankert, siehe L. Brizendine - Das weibliche Gehirn. Goldmann Seite 111.

Aber diese Phase geht vorbei - so in etwa nach 5 oder 6 Monaten. Das ist eine ernüchternde Phase, die Dopaminschübe gehen zurück, und machen dann Platz für eine ruhigere, reifere Liebe, in dem eine Art Bindungsnetzwerk im Gehirn entsteht - und auch hier werden offenbar bevorzugt nur noch Oxytcoinschübe beobachtet.

Folgt man diesen Erkenntnissen - und das obige Buch ist absolut lesenswert - dann muss man zwar zur Kenntnis nehmen, dass Liebe und Verliebtheit auch biochemische Prozesse und Gehirnaktivitäten beinhaltet, die fix vorprogrammiert sind. Aber man kann sich auch daran orientieren, dass diese Dinge einem gewissen Muster in unserem Dasein folgen. Ja, und diese Begrifflichkeiten haben auch etwas mit Fortpflanzung und Arterhaltung zu tun - und mit Partnerwahl. Liebe und Verliebtheit haben demnach auch recht klare Funktionen - was nichts an deren Wert und an deren Schönheit ändert, wie ich meine.

Wie die Abgrenzung zur Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau aussieht, darüber kann ich weniger sagen - vermutlich so, dass es durchaus ähnliche Prozesse sein können, wo es aber aus welchen Gründen auch immer bei Mann und Frau nicht zur geschlechtlichen Annäherung gekommen ist. Wo man sich vielleicht nicht als Partner gewählt hat, oder die Partnerschaft nur kurz bestanden hat, und die beiden doch beschließen Freunde zu bleiben.

Wie die Freundschaft zwischen Männern und Frauen aussieht (heterosexualität unterstellt), nun das dürfte wohl ganz anderen Mustern folgen.

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minds
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Beitrag Mi., 31.12.2008, 06:43

@mesiasres: Wenn man einen Menschen noch nicht so lange kennt, kennt man vielleicht vieles von ihm. Oft werden aber eigene Schwächen lange Zeit im Verborgenen gehalten. Wenn es in der Liebe darum geht, den ganzen Menschen mit all seinen Schwächen zu bejahen, ist es notwendig, den anderen sehr gut bzw. wirklich lange zu kennen.

Platons Gastmahl habe ich vor langer Zeit mal gelesen. sehr unterhaltsam .

@ws28: Ich habe das auch mal gelesen, dass, wenn die Verliebtheit vorbei ist, Bindungshormone gebildet werden (Oxytocin wird freigesetzt, wenn man sich körperlich nah ist: beim Sex, aber auch schon bei körperlichen Berührungen.) Das würde aber die These bestätigen, daß Liebe intensive Freundschaft mit dem Zusatz von Körperlichkeit ist. Vielleicht entstünde Liebe, wenn man einem engen Freund körperlich nahe kommt, denn dann würde auch Oxytocin freigesetzt.

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w_s_
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Beitrag Mi., 31.12.2008, 10:52

Ja im Grund sind wir körperliche Wesen - aber ich denke mir, dass trotzdem nicht unbedingt Liebe entsteht, nur weil ein Mann und eine Frau gut befreundet sind, und dann zusätzlich Geschlechtsverkehr miteinander haben. Ich vermute, dass dies sehr wohl sein kann - oder auch nicht. Vielleicht dann nicht, wenn diese erste, intensive Phase fehlt, wo sich so ein Paar ja offenbar geradezu aufeinander "biochemisch programmiert".

Oder wie ist das mit dem umgekehrten Fall? Man lernt sich kennen, trifft sich ein paar Mal, irgendwann kommts sogar zu einem ONS - und dann beschließen beide, es dabei zu belassen, aber gute Freunde zu bleiben. Wäre das Liebe - ich glaube nicht. Nur einmal miteinander geschlafen zu haben bedeutet nicht unbedingt, dass man sich verliebt hat - es kann der Ausgangspunkt dafür sein, muss es aber nicht.

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minds
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Beitrag Mi., 31.12.2008, 12:36

Wenn sich Mann und Frau kennenlernen und einen ONS haben, dann wahrscheinlich deshalb, weil sie sich vor allem körperlich anziehend finden. In einem solchen Fall kenn sich beide in der Regel kaum, d.h. es besteht keine intensive freundschaftliche Bindung. Ich habe mal gelesen, dass sich eine Affäre von einer Beziehung darin unterscheidet, dass man, wenn man eine Affäre eingeht, irgendetwas nicht mag an dem anderen, aber dennoch starke körperliche Anziehung empfindet. Sonst könnten beide ja eine Beziehung eingehen (es sei denn, jemand lehnt vielleicht generell Beziehungen ab).

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w_s_
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Beitrag Mi., 31.12.2008, 12:48

Es kann so sein wie du schreibst - aber es kann auch genauso gut das Gegenteil stimmen. Man mag sich extrem, entwickelt tiefe Aspekte der Freundschaft, es passiert dass man miteinander einmalig schläft, und es bleibt bei der tiefen Freundschaft - die sogar noch tiefer werden kann, wenn beide das einmalige miteinander schlafen nicht zum Konfliktherd werden lassen sondern als Teil des Erlebten, im Zuge ihrer Freundschaft, begreifen? Sowas gibts definitiv auch.

Vielleicht ist in so einem Fall genau der klassische Begriff der "ONS" einfach falsch - den ich auch eher als kurzes Aufreißen, zügellosen Sex und dann Tschüss umschreiben würde. Den zu einem klassischen ONS ist keinerlei Freundschaft oder tiefe Beziehung, sondern nur sexuelle Attraktion notwendig - da bin ich bei dir.
Zuletzt geändert von w_s_ am Mi., 31.12.2008, 16:35, insgesamt 1-mal geändert.

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Dornröschen Dorn
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Beitrag Mi., 31.12.2008, 13:18

Wow, ihr schreibt echt interessant!
Diese Diskussion ist echt sehr lesenswert.
LG
Erfahrungen sind die Schlüssel zu noch mehr Glück und Vollkommenheit, für alle Schlösser, die das Leben mir noch bringen wird..



Lieben Gruss und bis bald!

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w_s_
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Beitrag Mi., 31.12.2008, 20:37

Und welche Aspekte interessieren dich dran besonders?

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minds
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Beitrag Do., 01.01.2009, 13:34

Was ist also dann Liebe: ist es Zufall (z. B. in dem Fall "Freundschaft mit Zusatz von Körperlichkeit"), ist es ein Gefühl (Ich wüßte aber nicht, welches Gefühl es sein könnte, das sich von intensiver Freundschaft unterscheidet) oder ist es eine Haltung (eine Entscheidung für jemanden, in einem best. Rahmen: feste Beziehung, langjährig, Kinder usw.)?

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w_s_
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Beitrag Do., 01.01.2009, 14:13

Vermutlich ist sie insoferne Zufall, als man eine tolle Partnerin/einen tollen Partner treffen muss, den man ernsthaft in Betracht zieht und umgekehrt. Vermutlich ist es ein Gefühl, weil es extrem stark emotional erlebt wird.

Primäre halte ich es aber für eine Entscheidung, die teils bewußt, teils unbewußt gefällt wird - wie erkennt man eine tolle Partnerin/einen tollen Partner? Wie ausgeprägt ist die bewußte Entscheidung, sich mit ihr/mit ihm wieder zu treffen und weiter zu gehen? Wie stark spielen unbewußte Dinge mit? Wie lange braucht mann und frau um genug zu wissen, um jemanden für die/den richtigen zu halten - was ist dazu an Informationen erforderlich, was an Vertrauen? Ich glaube, die Entscheidung am Anfang kann schon relativ bewußt fallen im Sinn von ja/nein, aber wenn der gegenseitige "Prägungsprozess" mal eingeleitet ist, dann fallen diese bewußten Element der Entscheidung mehr und mehr weg, dann spielt Biochemie im wahrsten Sinn des Wortes eine enorme Rolle.

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Dornröschen Dorn
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Beitrag So., 04.01.2009, 00:42

Mag noch jemand weiter diskutieren? Nicht das der Beitrag wieder in der halben Versenkung verschwindet..
Erfahrungen sind die Schlüssel zu noch mehr Glück und Vollkommenheit, für alle Schlösser, die das Leben mir noch bringen wird..



Lieben Gruss und bis bald!

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minds
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Beitrag Di., 06.01.2009, 19:04

Wie denkt Ihr über den Beitrag von Thomas Artmann: "Wie geht Liebe?" (unter: http://www.autorenwerkstatt.org/pdf/Pro ... rtmann.pdf)?

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w_s_
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Beitrag Di., 06.01.2009, 19:41

Also was ich an dem Artikel gut finde, ist die Abrechnung mit der "romantischen Liebe", den falschen, dahinter stehenden gesellschaftlichen Normen, die fallweise nicht mal von intelligenten Menschen durchschaut werden. Die Abrechnung mit dem gesellschaftlichen Partnerideal - ohne Partne bist du nichts. Oder der Unfug, über Partner Selbstwert (oder gar Besitz?) zu definieren. Auch ist der angeführte Aspekt der "Selbstheilung" über Beziehungen ein relavanter.

Der Gedanke, Liebe nicht als Gefühl, sondern als Fähigkeit zu beschreiben, ist allerdings kein neuer Gedanke. Fromm sprach in dem Zusammenhang von einer Kunst, und Kunst kommt vom Können, und Können könnte man erlernen. Die Liebe als Haltung zum anderen Menschen und zu sich selbst zu beschreiben hat viel mit Selbstliebe zu tun - die auch nach Fromm notwendig ist um überhaupt jemand anderen tatsächlich lieben zu können.

Wo ich nicht ganz übereinstimme ist der sehr altruistische Punkt, dass Liebe nichts erwarten würde - weil sie bedinungslos sei. Hier fehlt mir die Unterscheidung zwischen mütterlichen Lieben - die bedingungslos ist - und der väterlichen Liebe - die sehr wohl Bedingungen stellt. Und es fehlt mir hier auch die Reflexion, dass Selbstliebe irgendwo auch da sein muß - was, wenn die Selbstliebe in massiven Widerspruch zur Liebe zu einem Partner gerät, weil dieser etwa meine Liebe nicht erwidert? Weil er oder sie mich verletzte? Irgendwo muss dann die Selbstliebe die Instanz sein, an der ich mich auffangen und irgendwann auch schützen muss. Dass ich sage, da mache ich nicht mehr mit, dafür bin ich nicht zu haben, weil ich mir selbst wichtig bin. Ich halte es für unreflektiert zu sagen, dass die Liebe zu mir selbst und die Liebe zu einer Parterin/einem Partner nicht im Gleichgewicht stehen müssen - indem ich die eine Liebesfrom zur Partner/in als komplett selbstlos zulasse.

Mit dem Begriff der "Barmherzigkeit gegenüber Schwächen" kann ich persönlich vielleicht noch weniger anfangen. Ja, wenn hier statt dessen "tiefe Akzeptanz gegenüber Schwächen" stehen würde, dann ja. Barmherzigkeit geht mir aber zu weit - wohl deshalb, weil es ebenfalls keine Reflexionsebene mehr gibt, ab wann den die Barmherzigkeit aufhören solle.

Extrem gut finde ich aber wieder die Analyse, was Eifersucht sei - nämlich die eigene Verlustangst. Das hat für mich schon eine tief reflektierende Wahrheit und Sinnhaftigkeit.

In Summe aber ein sehr lesenswerter Artikel!

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minds
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Beitrag Di., 06.01.2009, 19:52

Ich finde den Artikel auch lesenswert. Allerdings finde ich die Auffassung irgendwie ziemlich idealistisch. Selbst wenn angestrebt wird, bei der Liebe vor allem auf die Bedürfnisse des anderen zu achten und eigene Bedürfnisse zurückzustellen, glaube ich, dass man - früher oder später - von natürlichen, körperbezogenen Bedürfnissen "überfallen" wird (dass man eben doch den Wunsch hat, etwas zurückzubekommen, wiedergeliebt zu werden). Die Intention hinter dem Artikel mag sehr schön sein, sehr vorbildlich, aber ich glaube, dass es den Menschen auf lange Sicht kaputt machen würde, immer nur zu geben und selbstlos zu handeln.

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comus
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Beitrag Di., 06.01.2009, 20:05

ws28 hat geschrieben:Hier fehlt mir die Unterscheidung zwischen mütterlichen Lieben - die bedingungslos ist - und der väterlichen Liebe - die sehr wohl Bedingungen stellt.
Na ja, so meinte das jedenfalls Erich Fromm vor über 50 (!) Jahren in seinem Buch "Die Kunst des Liebens". Inzwischen ist ja einiges passiert, gesellschaftlich und überhaupt.
Ich kann mit dieser Aussage von Erich Fromm wenig anfangen, glaube sie stimmte auch vor 50 Jahren nicht.

Egal, soll keine Offtopic Diskussion werden.

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