urmely hat geschrieben: ↑Di., 18.06.2024, 10:06
Er warf mich vor, ich würde ihn manipulieren und unter Druck setzen wollen. Dass da kein Subtext von mir war, wollte er nicht verstehen. Das zog sich dann die weiteren 1,5 Jahre durch unsere Kommunikation, die letzten Sitzungen habe ich eigentlich gar nicht mehr geredet.
Ich glaube, das ist etwas, was viele "neurotypische" Menschen nicht nachvollziehen können. Dass da (manchmal zumindest, gerade wenn es um Klarstellungen geht) eben KEIN Subtext ist. Dass ich da nicht ausagiere, nicht meine versteckten Aggressionen der Therapeutin überstülpe, dass ich dem Gegenüber auch nicht die vermeintlichen Fehler aufs Brot schmieren möchte. Vielmehr ist es der (oft verzweifelte) Versuch, gut für mich zu sorgen, indem ich mir die Klarheit verschaffe, die ich benötige. Weil ich ja auch aus Erfahrung weiß, dass ich Dinge oft "falsch" auffasse, gerade in der gesprochenen Kommunikation. Dann frage ich nach, das ist dann scheinbar "verkehrt" - wenn ich aber nicht für Klarheit sorge, drehe ich innerlich am Rad, so dass das auch nicht gut ist. Ich weiß nicht, wie oft ich damit Konflikte losgetreten habe, mit Chefs/Chefinnen, mit Ärzten/Ärztinnen, mit Therapeutinnen...
urmely hat geschrieben: ↑Di., 18.06.2024, 09:58
Ich weiß, dass Therapie mit mir nicht einfach ist und das wissen TherapeutInnen auch. Es macht etwas mit mir, wenn die 5. oder 6. Person in Folge mir sagt, dass sie sich ein Arbeiten mit mir nicht zutraut.
Das glaube ich dir sofort, dass dich das runterzieht und auch Hoffnung auf Veränderung nimmt.
Wäre es eine Möglichkeit, da unorthodox ranzugehen? Out of the Box zu denken? Indem du dir mehrere Therapiestandbeine organisierst? Ich hatte phasenweise Gesprächstherapie bei der Analytikerin, eine Kunsttherapeutin, hatte jemanden für Körperarbeit (die ich aber nur alle 4-6 Wochen gesehen habe) - das hatte für mich den Vorteil, dass ich nicht in diese emotionale Abhängigkeit reingerutscht bin, dass ich in Urlaubszeiten oder bei Krankheit nicht ohne Unterstützung dastand, die Kunsttherapie hat mir wahnsinnig dabei geholfen, meine Gefühle besser zu spüren, zu benennen und mich auch zu regulieren. Ich glaube ohne die KT hätte das mit der Analytikerin auch im Desaster geendet, weil "zuviel" und zuviel Ratlosigkeit auf ihrer Seite (immerhin konnte sie die Ratlosigkeit zugeben, aber das war auch schwierig). Das was ich parallel mit der KT erarbeitet und gelernt habe, hätte ich dort bei der Analytikerin nie geschafft - weil sie das Wissen nicht hat, weil die Zeit nicht reicht, weil der Ansatz ganz anders ist. Ich hab das von Anfang transparent gemacht und alle wussten voneinander und haben das so auch mitgetragen. Die Infos sind ausschließlich über mich geflossen, das war mir wichtig, dass das nicht über meinen Kopf hinweg läuft. Vor allem die KT hat mich auch immer wieder ermutigt, dass ich das, was ich bei ihr lerne, die Erfahrungen die ich dort mache, auch "rübertragen" muss zur Analytikerin. Was auch gut und richtig so war, auch wenn es mir schwergefallen ist.
Könntest du dir vorstellen, die ADHS-Gruppe weiterzuführen, trotz Einzeltherapie? Notfalls als Selbstzahlerin? Oder wirklich ein nonverbales Verfahren zu suchen, das dir und deinen Bedürfnissen entspricht? So ein Modell könnte dann auch für zukünftige Therapeutinnen ein wenig den "Druck" nehmen, dass sie sich das (alleine) nicht zutrauen, mit dir zu arbeiten.
urmely hat geschrieben: ↑Di., 18.06.2024, 10:06
Vermutlich kommt dann noch dazu, dass sie mich mit ihrem spontanen Angebot eines Therapieplatzes damals zu "etwas Besonderem" gemacht hat. Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass jemand meine Not sieht und sich zutraut mir zu helfen. Auch der Mailkontakt fühlte sich erstmal so an.
Danke für diese Feststellung! Ich glaube, ich krieg so langsam eine Ahnung, was mich zu dieser Ex-Therapeutin hingezogen hat. Das war wirklich dieses "Gesehenwerden". Sie war wahnsinnig "gut" darin, einem das Gefühl zu geben, dass sie mich versteht, dass sie mich sieht usw. Nur war das halt ein Gefühl das sie vermittelt hat, wofür ich sicher auch sehr empfänglich war, aber de facto war es nicht wirklich so.
Sie hat mir ihre Deutungen übergestülpt, immer wieder, nur konnte ich mit denen nichts anfangen. Wenn ich ihr das gesagt habe, dann war ich wiederum im "Widerstand". Und ja, das vermittelt dir am Ende das Problem, dass der Fehler bei dir liegt, dass du dich nicht genug anstrengst, dass du dich irgendwo verweigerst.
urmely hat geschrieben: ↑Di., 18.06.2024, 10:06
@lisbeth, ich wünsche dir viel Erfolg bei der ASS-Abklärung. Für mich hat sich da so Vieles rückblickend erklärt und tut es immer noch.
Danke, mich treibt das Thema seit über 10 Jahren um, hab es immer wieder mit viel Überwindung in den Therapien angesprochen, da wurde mir dann immer gesagt: SIE doch nicht, Frau lisbeth, Sie "können" doch Augenkontakt halten, sie haben doch Empathie, manchmal eher zu viel davon usw usw. - und weil das vermeintlich "Expertinnen" waren (aber halt auf einem Stand der frühn 1990er) habe ich dem dann auch Glauben geschenkt. Erst als ich angefangen habe, mich mal zu Autismus und Frauen tiefer einzulesen, fielen die Puzzlestücke auf einmal so, dass ein für mich sinnvolles Bild daraus entstand. Meine Psychiaterin hat mich letztes Jahr zum Screening überwiesen, das Ergebnis war mehr als eindeutig. Für eine richtige Diagnostik stehe ich jetzt auf der Warteliste. Bin immer noch hin und hergerissen. Auch, wie offen ich damit umgehe. Kriege in meinem Umfeld da auch eher ungläubige Reaktionen, meine Mutter fühlt sich angegriffen (wegen dem Kühlschrank-Mutter-Klischee, das in den 1970er Jahren mal "in" war), Freunde sagen auch: DU doch nicht? Mal schaun, das ist alles ein Prozess, ich bin ausnahmsweise mal gespannt, wo das hinführt.