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Sa., 27.04.2024, 06:40
Auch in einer Intervision passiert keine Lästerstunde. Es geht auf keinen Fall darum den Klienten zu bewerten. Der Unterschied zwischen Super- und Intervision ist lediglich ein gradueller, Intervision ist mehr der Austausch zwischen Gleichgestellten und man kann gegenseitig Prozesse anschauen, in Supervision hat der Supervisor idR eine höhere Ausbildung/mehr Erfahrung und es geht nur in eine Richtung. Die Rollen werden nicht getauscht.
Was dort passiert unterliegt der Schweigepflicht.
Du kannst dir das so vorstellen, dass das im Allgemeinen in etwa so abläuft, wenn es routinemässig und nicht Fallspezifisch ist:
1. Es wird die Gesamtsituation der Fachperson angeschaut, wie geht es ihr?
2. Was läuft besonders gut?
3. Wo gibt es Stolpersteine?
4. Was lässt sich entwickeln, Stolpersteine zu bearbeiten?
Die Stolpersteine können dabei auch ganz in der Fachperson selbst liegen. Das kann dann zum Beispiel so aussehen, dass die Fachperson sagt: „Von meinen 16 Patient:innen mussten in letzter Zeit drei kurzfristig in eine Stationäre Behandlung wegen akuter Verschlechterung. Es fühlt sich an, als hätte ich versagt“. -> Dann können die Versagensgefühle angeschaut werden.
Oder aber es sind schon eher fallspezifische Stolpersteine, aber immer geht es mehr um die Fachperson selbst: „Ich habe eine Patientin, die spricht immer nur von ihren Papageien. Ich habe Mühe, sie im Gespräch auch auf andere Themen zu führen und merke, dass ich es eigentlich auch interessant finde, mehr über Papageien zu erfahren. Doch eigentlich wäre das Therapieziel die Arbeit an x.“ - Dann werden zB Gesprächsstrategien angeschaut, vielleicht auch, warum die Fachperson bei diesem Thema Mühe hat sich selbst zurück zu nehmen.
Es geht überhaupt nicht darum, das Verhalten der Patientin zu erfahren.
Fallspezifische Supervision oder Intervision kann zB folgendermassen ablaufen:
1.Fachperson schildert den Fall anonymisiert mit den nötigen Informationen um den Sachverhalt zu bearbeiten: „Ich hab da einen Patienten mit einem komplexen Traumahintergrund. Wir arbeiten jetzt seit 3 Jahren wöchentlich zusammen, aber seit 4 Monaten habe ich das Gefühl auf der Stelle zu treten. In den Gesprächen wiederholen sich Themen oft und ich merke, dass ich darüber ärgerlich und ungeduldig werde. Ich weiss gerade nicht so genau, was ich als nächstes priorisieren soll.“
2. Es wird angeschaut woher zB die Ärgergefühle kommen.
3. Es werden professionelle Handlungsstrategien gemeinsam entwickelt/vorgeschlagen.
In der Intervision kann es auch noch sein, dass es zum Vergleichen von Fällen kommt. Teilnehmer A erklärt einen Fall mit seinen Herausforderungen, Teilnehmerin B sagt „ich hatte mal eine Patientin, da lief das ähnlich. Sie hat besonders gut auf Körperübungen angesprochen aus Methode X, hast du das schon mal probiert?
Rückschlüsse auf beidseits bekannte Patient*innen - nicht auszuschliessen, aber entweder tut das gar nichts zur Sache oder aber es ist sogar hilfreich.
Super- und Intervision ist etwas unglaublich wichtiges. In einem Beruf zu arbeiten, wo man der Schweigepflicht unterliegt, bedeutet, dass man sehr viel in sich aufnimmt, was man irgendwie verarbeiten muss, aber dies nur in einem geschützten Rahmen tun darf. Wenn Fachpersonen professionell und reflektiert handlungsfähig bleiben sollen, brauchen auch sie die Möglichkeit über sich und ihre Arbeit zu sprechen. Und schliesslich und letztlich kann so ein gemeinsames Reflektieren auch dazu führen, nochmal Wege zu finden, auf die man selbst so gar nicht gekommen wäre. Oder man kommt erst selbst in der Reflexion darauf, denn es ist etwas anderes „im Hamsterrad stecken zu bleiben“ als einen Fall wirklich mal wieder geordnet zu analysieren.
Für eine Bewertung der Patienten ist da absolut kein Platz. Und auch keine Zeit.
Ich habe im Beruf selbst Inter- und gelegentlich Supervision, was unglaublich wichtig ist. Gleichzeitig war es ein komisches Gefühl als ich von meiner Therapeutin erfuhr, dass sie meinen Fall in der Super- und auch in der Intervision angeschaut hat. Vermutlich wegen des Rollenwechsels. Es gab mir das Gefühl, ein besonders schwieriger (hoffnungsloser) Fall zu sein. Mir hat es geholfen, mir in Erinnerung zu rufen, mit welchen Gefühlen über meine Klienten ich selbst in die Supervisionen gehe. Wie wichtig das für mich ist, meine Arbeit machen zu können. Und das ist es auch für andere. Nur bin ich in der Therapie auf der anderen Seite und das ist das komische Gefühl.