Alles was ich tue und sage, fühlt sich falsch an

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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zement
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Beitrag Mo., 11.08.2008, 00:21

Das ist eines der interessantesten Postings, die ich jemals im Leben gesehen habe. Wenn du in deinem nächsten Schreiben mitteilen würdest: Tut mir leid, Leute, ich bin ein Fake und wollte als Psychologiedoktorand einfach einmal eine Bilderbuchpsychose aus der eins-zu-eins-authentischen Ich-Perspektive heraus pseudoautobiographisch soziomodellieren - ich würde bloss schenkelklatschend-erleichtert erwidern: Ach Gott, natürlich! ... Nicht übel nehmen bitte, diese meine unkontrollierte Auslassung, und auch die folgenden ... Ich musste bei einigen deiner Ausführungen wie annodazumal im Kindergarten: drei, viermal zurücklesen und wortweise nachfahren, um sicherzustellen, dass ich diese Begriffsfolge ohne Patzer und Lücken wirklich so gelesen habe wie ich es zunächst glaubte aber umgehend nicht für möglich hielt... ... "Richtig würde sich anfühlen, wenn ich mich in jeder Situation so verhalten würde, wie es alle erwarten würden. Also eben so, dass es niemandem auffällt wie unfähig ich eigentlich bin." - Ich sage: das ist entweder das Geheimmemo eines pickelharten Sachverständigen-Hochstaplers auf brisantester Gutachter-Ebene in einer Staatsaffäre ersten Ranges oder - der erzsolide Grundstein für mindestens eine vierstellige Anzahl gepfeffertster Psychotherapiesitzungen... ... Du kämpfst gegen ein Urteil, das noch nicht einmal angedeutet, geschweige denn anberaumt wurde - dagegen war Kafka ein Diskodraufgänger

Also. Nichts von dem was ich schreibe wird dir im geringsten nützen, denn du wirst mir kein Wort (wirklich) glauben. Sei's drum. Ich starte zwei Versuche (und stoppe mich dann vorsätzlich, um kein Lexikon zu füllen - das wäre ein leichtes!). Ich fasse deine Probelmatik (stümperhaftest) für mich einstweilen so zusammen: du leidest darunter, dass du nicht perfekt bist. Das hat zunächst einmal viel Ähnlichkeit mit einer Stammtischfloskel (die nicht einmal dem Angeheitertsten in der kandidlen Runde ein müdes Schmunzeln abringen wird)(so banal klingt die Schose). Das Bahnbrechende an deiner speziellen Auslegung und Manifestation dieser Plattitüde ist jedoch (wie ich mich in mühsam-widerwilliger Lektüre nach und nach überzeugen musste): du meinst es ernst.

Erster Versuch. Mein früherer Boss hat einmal mir gegenüber in einer kurzen Unterredung (als untermalende Binsenweisheit) das Sätzchen eingestreut "Kein Lehrer ist perfekt" - ich mochte und mag den Kerl, aber in dieser Sekunde spürte ich ein minimales Unbehagen im Raum mich einnehmen, welches ich seinerzeit nicht ohne weiteres hätte in Worte fassen können. Das tue ich aber jetzt (nach einigen Jährchen subbewusster Themen-Vertiefung) umso lapidarer: der Begriff "perfekt" ist sinnlos. Und zwar grundsätzlich. Ohne starres (!) Koordinatensystem: ein Nullwort. Ich mag es nicht, wenn fähige Leute sich mit Fehlgriffen blossstellen und unwillentlich brüskieren - das war es, was mir unterschwellig aufstiess. Präzisierung: "perfekt" setzt eine Werteskala voraus. Und eine Skala basiert auf Ansichten, Doktrinen, Traditionen, Kräfteverhältnissen, kurz: Interessen. Und das wars. Schon sind wir bei Machtansprüchen, Geltungsdrang, Modetrends, Hierarchien, Eitelkeiten, politischen Systemen, Gesellschaftsordnungen, Status, Schickimicki, blablablah! Kurz: nichts daran ist "vorgegeben"und "klar", und schon gar nicht "selbstverständlich". Im Gegenteil. Logik basiert auf Spielregeln, sogenannten Axiomen, ohne die ist sie Schall und Rauch - und Perfektion, ebenso, (zu Ende gedacht) auf Macht- und Konsens- und Interessenskonstellationen. Ohne diesen Senf ist nur das absolute "Nichts" perfekt: das Nichtsein. Unendlich symmetrisch und garantiert widerspruchsfrei. Auf alles andere fällt gnadenlos die krakenhafte Mehrwertsteuer mit Bürokratiewasserkopf und Verwaltungsbeamtentum. Übrigens gilt ein gleiches tupfgenauso für das in deinen Äusserungen nicht minder prominente Wörtchen "Fehler"... Was du daraus entnehmen kannst? Sehr wahrscheinlich nichts. Anderseits liebe ich es, mich zu irren.

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zement
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Beitrag Mo., 11.08.2008, 00:28

Zweiter Versuch. Nun baue ich einen Trick ein. Der ist so gut, dass er direkt von mir sein könnte. Ich nehme deinen Anspruch nämlich jetzt in diesem Durchgang ernst. Du willst perfekt sein. Gut. Dass "Perfektion" (beliebig selbstgerechte) Massstäbe und ergo (beliebig schmuddlige) Interessen voraussetzt hab ich oben anzureissen versucht, sehr wahrscheinlich mit mässigem Erfolg - nun gehen wir heuristischer vor. Gesetzt den Fall, es gäbe Perfektion: was wäre dies dann? Oder konziser (bzw. suggestiver, hehe): welche wäre es dann? Eine geschickte Fragestellung enthält bekanntlich die halbe Antwort-Miete - und so spekuliere ich gleich ins Blaue fertig: dies wäre zweifellos die deinige. Das heisst nicht wirklich die deinige, sondern die dir "vertraute" und von dir entsprechend "vorausgeahnte", also die von dir "gekannte", "eingebrannte", "internalisierte". Und nun stecken wir halstief in einem Psychologieseminar. Ob wir wollen oder nicht. Gipfelnd namentlich in der Schlüsselfrage: welche "Perfektion" kennen wir denn da (wohl)? Antwort, nun nicht mehr ganz so knifflig: die stereotype. Das gibts auch in Substantiv: das Stereotyp. Tatatataaaaa: das ist unser Ziel. Das Stereotyp. Auf deutsch: das Abziehbild. Das Postkartensujet. Das Hampelmännchen. Die Königin im Sissi-Film und der Held in RamboIII (oder auch der "perfekte" Kellner in einem Ritzroyal-Prospekt)(das ist aber in Wahrheit ein Fotomodell - und würde in echt katastrophal abschneiden)... Im Grunde hätt ich mir den Vortrag sparen können, du hast es selber optimal zusammengefasst: du willst "funktionieren". Wie eine Kinofigur. Oder ein Automat. (Oder ein Prospekt-Kellner.) Der Haken: Automaten und Kinofiguren und Hampelmännchen fühlen sich schlechter als scheisse. Nämlich überhaupt nicht. Es gibt sie ja gar nicht (bei genauerem Hinsehen). Und die Postkarte ist aus Altpapier. Wie kommen wir da jetzt nur heil raus...

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c0nsp1r4cy
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Beitrag Mo., 11.08.2008, 21:26

Zuvor ich schrieb bereits, wie sehr ich diese Gedankengänge und Schlussfolgerungen kenne. Letzten Endes sind sie lediglich Fantasie und bevor Du nicht zum schräg gegenüberhockenden Typen gehst und so lange mit Fragen bohrst, wirst Du nie wissen, ob er Dich tatsächlich negativ betrachtet oder er, während des Nachdenkens und in die Ferne starrens, einfach nur ein böses Gesicht macht.

Du hasst Dich doch so sehr, dass Du überhaupt nicht mehr dazu in der Lage scheinst, ein gerechtes Urteil überhaupt zuzulassen. Du interpretierst doch alles, was nicht viel viel viel zu offensichtlich ist und selbst das stellst Du infrage, negativ.

Das ist der Teufelskreis. Durch Deinen enormen Anspruch unterjochst Du Deinen ganzen Geist in Ketten. Deine eigenen Fähigkeiten kommen nie zum Vorschein, weil sie stets durch das "was könnten die für gut halten" gelenkt wird. Was übrig bleibt ist ein furchtbar enger Weg, ständige Angst in eine Deiner Fallen zu tappen und Deine Gegenüber überzeugen zu müssen.

Ich kann dir sagen, genau auf diese Art hat sich angefangen mein Narzissmus zu äußern. Ich betrieb dieses Perfektionieren verdammt lange und kann nun behaupten jeden auf den ersten Blick täuschen zu können und von mir zu beeindrucken, aber das Leid, welches ich mir dadurch selbst auferlegte, ließ mich am meinem Selbsthass zugrunde gehen und frisst immerzu an mir.

Der springende Punkt ist, dass Du nie in den Genuss kommen wirst, Dein Potential in allen Bereichen des Lebens auszunutzen, Du wirst immer nur das sein, wozu Dich andere machen.

@zement

Diese Denkweisen sind Dir so unbekannt? Bei Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl und einem riesen Anspruch an sich selbst, sind es immer die Selben, wie ich sehe. "Funktionieren" ist das Zauberwort - mehr will man ja nicht...
.oO°Hunger, onward, with my desires.
Learned the hard way not to play with fire.
From a comfortable distance, I'll admire.
Because I got to take a break.
I'm exhausted, I'm tired.°Oo.

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heissundkalt
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Beitrag Di., 12.08.2008, 19:39

c0nsp1r4cy hat geschrieben:
Das ist der Teufelskreis. Durch Deinen enormen Anspruch unterjochst Du Deinen ganzen Geist in Ketten. Deine eigenen Fähigkeiten kommen nie zum Vorschein, weil sie stets durch das "was könnten die für gut halten" gelenkt wird. Was übrig bleibt ist ein furchtbar enger Weg, ständige Angst in eine Deiner Fallen zu tappen und Deine Gegenüber überzeugen zu müssen.
...genau das ist der punkt. Juna, ich ticke leider ganz genau so...
Juna hat geschrieben:Ja, man kann vielleicht nicht ganz genau wissen, was die anderen von einem denken - man kann's halt nur erahnen. Aber wenn mich manchmal Menschen z. B. auf eine bestimmte Art und Weise anschauen, dann weiß ich in dem Moment, dass sie irgendetwas Negatives über mich denken oder aus welchen Gründen auch immer eine ablehnende oder negative Einstellung mir gegenüber eingenommen haben .
...du schreibst mir aus der Seele.

ich habe das gefühl, ich existiere nur durch die aufmerksamkeit anderer.
deshalb vesinke ich in selbstzweifeln, wenn mich jemand kritisiert.
ich habe durchaus eine eigene meinung und vertrete diese auch, habe aber zu jeder zeit angst andere zu verletzen: aus reinem egoismus. denn ich will schließlich geliebt werden. wieder so eine floskel.
alles kreist um das eigene ego, das doch eigentlich nichts wert ist und um bewundereung buhlt. wie erbärmlich. wie sinnlos und unglaublich absurd!!!!!!! und das schlimmste ist, dass ich mir ja dessen bewußt bin. aber trotzdem folgt immer wieder das gleiche muster....

ich weiss nicht, ob es dir genau so geht juna. aber ich glaube zumindest sind es ähnliche muster...wie man dieses ewige "perfekt sein" wollen stopt weiß ich nicht. aber es ist nicht gut...

zement:auch ich wundere mich darüber, dass du dich wunderst... wenn man in sich selbst keine stabilität findet sucht man sie außerhalb. viel schlimmer finde ich, dass man so vieles durchschaut, aber verinnerlicht ist es nicht... und DAS treibt mich in den sogenannten wahnsinn...
WER ZUHÖRT KANN VERSTEHEN

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Juna
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Beitrag Mi., 13.08.2008, 17:43

@zement:
Ich habe wahrscheinlich so bestimmte Idealbilder nach denen ich mich verhalten etc. will. Die sind wahrscheinlich auch nahezu perfekt. Mir ist auch klar, dass das was Menschen unter Perfektion verstehen letztendlich sozial konstruiert ist. Aber eigentlich geht es ja auch nicht darum, wie diese Vorstellung von dem was richtig oder falsches Verhalten etc. ist, entstand, sondern jetzt ist sie eben da. Und ich habe nun mal nur die eine. Jeder Mensch richtet sein Verhalten an irgendetwas aus. Selbst wenn ich Ansprüche an mich selbst habe, die ich nie zu 100% definieren kann, weil sie sich in jeder Situation neu ergeben und selbst dann noch nicht mal wirklich greifbar sind, bleibt ja trotzdem das Gefühl, dass ich alles nur falsch machen , dass dies alles anderen genauso sehen und mich deshalb schrecklich finden. Ich habe ja auch viele reale Schwächen, die nicht allein aus diesem Perfektionanspruch heraus "sichtbar" werden, sondern das sind einfach Tatsachen. Natürlich ist das was eine Schwäche ist auch wiederum sozial konstruiert, also gesellschaftlich definiert. Aber ich lebe nun mal in dieser Gesellschaft und muss damit klar kommen, wenn ich ein Teil von ihr sein will und das möchte ich.
Mir ist es wichtiger, dass ich funktioniere, als dass ich ich selbst bin. Wenn ich ich selbst wäre, könnte ich in so gut wie gar nicht existieren. Ich habe ja gar keine andere Wahl.
[ich hab einfach mal über deinen selbstherrlichen Schreibstil hinweggesehen ...]



@c0nsp1r4cy:
Letzten Endes sind sie lediglich Fantasie
Ich habe aber nun mal bestimmte Verhaltensweisen, die ich nicht ablegen kann, die einfach auf Ablehnung etc. stoßen müssen. Deshalb ist es mehr als Fantasie. Also z. B. bin ich eher ruhig. Ich zwinge mich immer dazu zu reden. Weil es sich eben schrecklich falsch anfühlt, wenn ich nicht rede. Ich denke auch, dass ich wegen meiner Unsicherheit eher Arrogant und nicht offen, herzlich etc. wirke.
Du wirst immer nur das sein, wozu Dich andere machen
Aber ohne das wäre ich gar nichts oder ein einziger Fehler. Dann bin ich lieber das wozu mich andere machen. Ich sehe dazu gar keine richtige Alternative.



@littlerat:
ich weiss nicht, ob es dir genau so geht juna.
ja, mir geht es genauso. Außer dass ich es nur sehr selten schaffe zu meiner eigenen Meinung zu stehen. Was ich allerdings schrecklich finde, weil ich so auch nicht sein will, weil es auch "falsch" ist.

... und so ist es wohl:
wenn man in sich selbst keine stabilität findet sucht man sie außerhalb

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petrapan
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Beitrag Mi., 13.08.2008, 21:30

Ich kenn das alles sehr gut. Bei mir haben ein schlimmer Nervenzusammenbruch und 4 Jahre Therapie geholfen.
Jetzt mal 2 Fakten:
1. Du weißt NIEMALS was andere Leute denken oder erwarten
2. DU hast keinerlei Einfluß darauf, was Leute von Dir denken
3.Was jemand denkt oder wie jemand reagiert hat erstmal nichts mit Dir zu tun sondern mit ihm selbst

Weswegen Dich jemand böse anguckt oder komisch guckt oder was auch immer, kann an Dingen liegen die DU GAR NICHT beeinflussen kannst. Vielleicht machst Du alles "richtig" und siehst aber seiner verhassten Tante Helga sehr ähnlich und deswegen kann er Dich nicht leiden. Oder Du erinnerst ihn von Deiner Art her an seine Mutter oder was auch immer. Vielleicht hat er auch gerade Blähungen und hat Angst es könnte jemand merken. Oder er denkt Du guckst komisch weil Du es gemerkt hast, dass sein Bauch grummelt und jetzt guckt er blöd zurück weil er denkt Du guckst blöd.
Und dann gibt es auch Menschen, die haben eine Antenne für unsichere Leute und die werden Dich immer kritisieren und verunsichern, weil sie wissen sie KÖNNEN es, weil Du Dich halt verunsichern läßt.

Ich habe eine Verwandte, die hat Jura studiert und ist dann in die Hotelbranche gegangen und zwar nicht als Juristin sondern als Bedienstete, weil sie auch so verunsichert ist und am besten dort aufgehoben ist, wo sie die Wünsche der Kunden erfüllen muß und ein prima "Diener" ist. Es gibt durchaus Berufsgruppen, wo man diese psychologische Störung auch als "Talent" ausleben kann und so dann auch damit leben kann.
Aber ich bin fast daran zerbrochen. Ich hab bis zur 13. Klasse kein Wort gesagt im Unterricht in der Schule , auch in der Uni ging´s nicht und ich habe immer gedacht alle finden mich total bescheuert weil ich nichts sage. In der Uni hab ich mich dann dazu gezwungen, mal was zu sagen, aber habe den Dozenten doch ziemlich nach dem Mund geredet und hab mich dann dafür auch noch geschämt.
Ich hab mich auch nicht getraut in der Mensa was zu essen, weil ich Angst hatte ich mach das mit dem Tablett nehmen und essen bestellen falsch, also hab ich lieber gesagt, ich habe keinen Hunger. usw.
Mit hat nur eine lange Therapie geholfen, aber wie gesagt, in mnachen Dienstleistungsberufen, ist es von Vorteil wenn man drauf geeicht ist, die Wünsche des Gastes schon vorher erahnen zu meinen bzw es dem Gast immer mehr als Recht machen zu wollen.

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Juna
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Beitrag Do., 14.08.2008, 20:08

Ich habe schon mal während meiner Schulzeit ein Praktikum in solch einem Dienstleistungsberuf gemacht. Aber das hatte ich auch schon die ganze Zeit Angst, dass ich etwas falsch machen könnte, ich mich total dumm anstelle etc. Das hat dann dazu geführt, dass ich mich da dann auch schrecklich gefühlt habe und einfach nur weg wollte. Zusätzlich haben dann z. B. noch meine Hände angefangen zu zittern. Das war ja dann auch offensichlich wie unfähig ich bin usw. Naja, ich glaube einfach, dass ich da auch einfach das Gefühl hätte ich würde alles falsch machen.

Wenn ich z. B. zu wenig rede fällt da ja auf jeden Fall den anderen auf. Bei anderen Sachen interpretiere ich vielleicht zuviel hinein, eben auch Dinge die gar nicht stimmen. Aber Menschen die zu ruhig sind etc. werden nie oder selten positiv gesehen. Das ist nun mal eine Tatsache. Z. B. durch diese Sachen haben die Menschen ja schon mal eine negative Grundeinstellung mir gegenüber. Und Menschen neigen nun mal dazu dann den Mensch insgesamt auch negativ zu bewerten, der erst Eindruck zählt nun mal und dient als Richtschnur. Deshalb ist es für mich auch gar nicht so unrealistisch, dass die Menschen dann wirklich auch insgesamt negativ von mir denken. Ja, es ist halt nur eine Sache der Wahrscheinlichkeit, aber die Fakten sprechen nun mal dafür, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass die Menschen mir gegenüber eher negativ anstatt positiv eingestellt sind. Auch wenn ich mich im Einzelfall mal täuschen könnte.

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petrapan
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Beitrag Do., 14.08.2008, 20:30

Mal abgesehen, daß Du es einfach echt nicht wissen KANNST wie andere Leute über Dich denken, und schüchterne oder schweigsame Menschen auch nicht automatisch negativ bewertet werden, was wäre denn so schlimm wenn "die Leute" negativ über Dich denken? Man muß sich nicht "den Leuten" anpassen, so daß sie einen toll finden sondern man muß sich Leute suchen die einen so mögen wie man ist. Vielleicht bewegst Du Dich auch im falschen Freundeskreis bzw unter den "falschen" Leuten.
Vielleicht passen die einfach nicht zu Dir!

Wobei ich glaube, daß Du so verbissen daran festhälst, daß Dich sowieso alle nicht mögen, daß Du das überall und egal bei wem denken würdest. Um dieses furchtbare Gefühl loszuwerden, alles "falsch" zu machen hilft nur ein guter Therapeut. Alleine kriegst DU das glaube ich nicht hin, dazu bist Du zu tief in dieser "Mich mag eh keiner"-Schleife drin. Du scheinst aber auch nichts anderes hören zu wollen, man muß schon auch bereit dazu sein, daß einem jemand hilft, sonst bringt die Therapie auch nichts.

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Juna
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Beitrag Do., 14.08.2008, 21:23

Im Job zum Beispiel ist es aber schon wichtig, dass die Leute nicht negativ über mich denken. Außerdem bin ich ja gezwungen mit diesen Menschen jeden Tag stundenlang zusammen zu sein. Es macht mich halt irgendwie fertig. Ich kann ja nicht einfach sagen, ok - alle Menschen mögen mich nicht, finden mich komisch oder was weiß ich, aber mir ist das völlig egal. Das kann einem ja gar nicht vollkommen egal sein.
Ich habe ja grundsätzlich egal wo ich bin das Gefühl, das mich andere Menschen ablehnen. Ich glaube, dass es letztendlich gar keinen Ort oder gar keine Menschen gebe, bei denen das nicht so wäre. Außer vielleicht bei Menschen die ich seeehr lange Zeit kenne oder bei Menschen die mich durch bestimmte Verhaltensweisen davon überzeugen können, dass sie mich zumindest nicht vollkommen schrecklich finden. Aber vor allem auf der Arbeit kommt das nicht vor, weil da eben alles distanzierter abläuft.

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Yoni
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Beitrag Fr., 15.08.2008, 08:49

Mir geht es genauso wie Dir Juna, ich fühle mich im Umgang mit anderen auch so mangelhaft und schlecht, daß ich das Gefühl habe mich niemandem zumuten zu können. Ich mache mir oft Vorwürfe, daß ich einen schlechten Charakter habe und keine Sympathie verdient habe. Es schmerzt mich sehr, wenn ich auf Grund meiner Unsicherheiten und Hemmungen jemanden enttäuschen muß. Vor allem für Leuten, die ich mag tut mir das richtig leid.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich viele durch meine extreme Zurückhaltung verunsichert fühlen. Wenn die Leute dann anfangen mir aus dem Weg zu gehen, weil sie merken, daß von mir nicht viel bis gar nichts kommt, dann fühle ich mich natürlich in meinen Minderwertigkeitsgefühlen bestätigt und bin sehr verletzt.
Der Grund dafür ist wohl ein sehr schlechtes Selbstwertgefühl. Mir ist so, als wenn ich meine Mitmenschen erst davon überzeugen müsste, daß ich ihrer wert bin, deshalb vielleicht auch diese großen Versagensängste. Ich bin auch ganz schlecht davon zu überzeugen, daß ich genauso liebenswert sein könnte, wie jeder andere auch. Da ist latent immer die Angst verurteilt und ausgegrenzt zu werden.

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petrapan
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Beitrag Fr., 15.08.2008, 19:41

Der Grund dafür ist wohl ein sehr schlechtes Selbstwertgefühl.
Auf jeden Fall liegt das am mangelnden Selbstbewußtsein, das ist schon mal gut daß man das erkennt. Nämlich daß es nicht WIRKLICH so ist, daß einen alle blöd finden, sondern das man das selbst erwartet weil man sich sowieso für unzulänglich hält.
Wie gesagt, ich hatte das gleiche Problem und habe auch NIE gedacht daß ich das jemals in den Griff bekomme. Ich hab 4 Jahre Therapie hinter mir und nehme auch seit 4 Jahren Tabletten, da wird man auch schon mal etwas weniger gestreßt. Ich war manchmal so nervös, daß ich mich übergeben mußte, wenn ich z.B. irgendwo neu war.
Ich kann Dir nur zu einer Therapie raten, da Du es alleine wohl nicht schaffen wirst. Du und kein anderer Mensch kann es erreichen daß alle einen toll finden bzw es darf einfach für einen auch nicht so wichtig sein, daß es einen zerfrißt.
Ich nehme mal an in Deiner Familie wurde Dir auch schon immer das Gefühl gegeben, Du bist nicht gut genug. Bzw manchmal bekommen auch überbeschützte Kinder als Erwachsene so ein Gefühl. Wenn die Eltern vor anderen immer gut dastehen wollten und immer Angst hatten, die Kinder könnten irgendwas nicht schaffen oder sich übernehmen. Kindern, denen sehr viel geholfen wurde und die selten etwas eigenständig machen durften, werden oft zu so total verunsicherten Erwachsenen. Wäre interessant wie es bei Dir war.

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Juna
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Beitrag Fr., 15.08.2008, 20:52

Meiner Mutter war/ist es auf jeden Fall sehr wichtig, dass unsere Familie nach außen gut da steht. Alles was irgendwie negativ ist, darf niemals in die "Öffentlichkeit" gelangen. Das wäre für sie fast eine Katastrophe. Wenn doch mal so etwas in der Art passiert, kann sie tagelang darüber reden und es beschäftigt sie wahrscheinlich Wochen, wenn nicht sogar Monate. Obwohl es sich ja eher um Kleinigkeiten handelt, die in keinster Weise den Ruf unserer Famile wirklich schaden würden o. ä. Deshalb war es ihr auch wichtig, dass ihre Kinder in der Öffentlichkeit gut dastehen. Ich hab dann halt oft als kleines Kind zu hören gekriegt, dass man etwas so macht und nicht so. Beispielsweise so Benimmregeln etc. Sie hat mich da halt ziemlich oft kritisiert.
Meine Eltern haben mir auch weniger erlaubt als meine Freunde (also weggehen, draußen bleiben etc.). Ich hatte immer das Gefühl, dass sie mir nicht vertrauen. Obwohl sie dazu gar keinen Grund hatten. Ich war z. B. immer pünktlich zuhause etc., weil ich hoffte, sie würde mir irgendwann vertrauen. Das taten sie allerdings nie.
Insgesamt hatte ich als Kind immer das Gefühl, dass ich unerwünscht wäre. Warum weiß ich eigentlich gar nicht. Wahrscheinlich weil meine Mutter immer nur wollte, dass ich eine Tochter bin, die die Familie nach außern hin gut dastehen lässt. Aber ich als Mensch war sozusagen unwichtig. Und nach ihrer Ansicht habe ich die Familie ja auch oft nicht so gut repräsentiert wie sie sich das gewünscht hätte.
Ich würde allerdings nicht sagen, dass ich total überbeschützt wurde. Ich durfte ja schon Sachen allein machen .....

Aber ich meine, es gibt so viel Elternhäuser, die wirklich schlimm sind. Ich kann mich überhaupt nicht beschweren. Ich bin ja eher so ein verwöhntes Kind. Ich hab zwar nicht alles einfach so geschenkt bekommen, sondern musste schon was dafür leisten, aber letztendlich habe ich schon alles gehabt an materiellen Dingen, die ich haben wollte.
Und ich will das auch nicht auf meine Eltern schieben. Schließlich waren sie letztendlich ganz normale Eltern. Und Eltern machen nun mal "Fehler" - immer - das bedeutet ja nicht, dass man deshalb zwangläufig als Erwachsene nicht mehr klar kommt oder so. Ich bin halt einfach als Mensch irgendwie unfähig und das kann man auch nicht so einfach durch die "Fehler" die meine Eltern gemacht haben erklären (die ich noch nicht mal als Fehler ansehe).

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petrapan
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Beitrag Fr., 15.08.2008, 21:02

Lies mal das Buch "Wenn Eltern zu sehr lieben", das hat mir damals die Augen geöffnet.
Es geht auch nicht darum den Eltern den schwarzen Peter zu zuschieben, aber man ist halt das, zu dem einen die Eltern gemacht haben und bei Dir ist das ja wie aus dem Lehrbuch. Wenn das bei Euch in der Familie so war, daß es so wichtig war wie man nach Außen dasteht (war bei mir übrigens auch so und zwar ganz extrem. Meine Eltern haben sich fast so verhalten als wären wir Prominente und alle würden nur drauf warten, daß einer was falsch macht), dann ist das kein Wunder daß Du immer denkst Du machst alles falsch und wie könnte es auf andere wirken. Und das kommt einfach aus Deinem Elternhaus. Es ist ja gut daß Du das schon mal weißt, die Schlußfolgerung muß jetzt sein "Aha! Die anderen denken also gar nicht automatisch schlecht von mir! Ich bin das nur von Kindesbeinen daran gewöhnt, Angst zu haben was andere von mir denken können!"

Wenn Du das begriffen hast, daß Deine Angst nicht real ist sondern Dir eingeimpft wurde, dann kannst Du da bewußt gegen an kämpfen.

Wie gesagt es geht überhaupt nicht darum die Eltern zu "beschuldigen", sondern einfach den Zusammenhang zu sehen! Eltern können gar nicht alles richtig machen, und ein "richtig" gibt´s auch nicht wirklich!!

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vinjea
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag Fr., 15.08.2008, 21:42

Hallo Juna,
ich bin sehr erstaunt über das, was ich da lese. Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich als Teenager diese Sichtweise einnahme. Die Angst "falsch" zu sein war so groß, dass ich dafür vor allem Schulnoten riskierte. Ich erinnere mich an die Aufforderung meine Hausaufgaben vorzulesen, die ich gemacht hatte und sicher auch größtenteils richtig hatte - und ich konnte nicht. Anstatt einer verdienten zwei kassierte ich wortlos eine unverdiente 6. Nicht nur einmal. Jede Frage von einem Lehrer analysierte ich insgeheim und vor lauter für und wieder, antwortete ich nicht, selbst wenn ich die Antwort wusste. Mal war ich mir unsicher, ob die Frage so gemeint war, wie ich sie verstanden hatte, manchmal reichte die Befürchtung, meine Stimme würde komisch klingen, damit ich schwieg. Und gleichzeitig in meinem Kopf meine eigenen Stimme (nicht wörtlich), die sich insgeheim fragt: "WARUM sagst du ES nicht! Sag schon die Antwort, die kichern und tuscheln schon, weil du nix sagst." Aber nichts.

Ich erinnere mich, dass ich nach Familienfeiern meine Mutter fragte, ob ich mich "blöd" verhalten hatte.

Wow, das hatte ich beinahe alles schon verdrängt. So ist es nicht mehr. Manches ist geblieben und manchmal ist das Gefühl "falsch" zu sein noch da, aber es ist nicht mehr so stark wie damals.

Ich kann dir nichtmal sagen, warum es nachließ. Ich weiß nur, dass es langsam auf ein alltagstaugliches Niveau zurückgegangen. Ich habe noch immer hohe Ansprüche an mich, die mir mitunter im Weg stehen und mich hemmen, aber es vermischt sich mit anderen Problemen, ist nur noch diffus und verschwommen vorhanden. Es gibt Situationen, da ist diese Gefühl absolut weg - ausgerechnet im Job oder bei Bewerbungsgesprächen. Die größte Hürde ist noch immer Telefonieren, diese Angst was falsch zu machen, zu viel zu reden, zu undeutlich, zu lange zu schweigen - obwohl mein Job übrigens Call-Center-Agent war und ich über 3,5 Jahre in 3 verschiedenen Porjekten täglich am Telefon gearbeitet hab. Vielleicht war der Job ein Teil meiner unbewussten "Therapie", bei der Einarbeitung habe ich tausend Ängste ausgestanden, jedesmal wieder.

Die Teilursache dürfte auch der Drang meiner Mutter gewesen sein, nach außen gut auszusehen. Mein Mann bestätigt das, obwohl er auch sagt, dass meine Eltern deutlich lockerer geworden sind. Meine Schwester hat bereits zwei Jahre Therapie hinter sich und das hat auch ein gutes Stück auf sie abgefärbt. Wir lieben meine Eltern, die sich sehr viel Mühe geben, auch bei solchen Themen (die ja stark an ihrer Ehre als Eltern kratzen) gesprächsbereit sind und uns überhaupt zur Seite stehen. Sie sind keine schlechten Eltern, aber manches in unserer Kindheit, was sie aus Unsicherheit und Unwissen nicht optimal gehandhabt haben, hat doch tiefe Spuren hinterlassen. Du siehst, Ursachenforschung bedeutet nicht automatisch Schuldzuweisung. Es bedeutet nur, die Gründe für unser Verhalten zu verstehen und vielleicht so den Schlüssel zu finden, um uns von anerzogenen und jahrelang programmierten Gedankengängen und Zwängen zu befreien.

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Juna
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Beitrag Fr., 15.08.2008, 22:03

@petrapan: ja, vielleicht werde ich das Buch mal lesen, wenn es mir besser geht. Zur Zeit könnte ich mich glaube ich überhaupt nicht auf ein Buch konzentrieren

@Raleigh: Ja, in der Schule hatte ich auch immer sehr schlecht mündliche Noten, weil ich mich nie getraut habe etwas zu sagen. Genauso wie du es beschrieben hast - ich hab hin und her überlegt und dann war es irgendwie zu spät, um zu antworten.
Bei mir hat es halt nicht nachgelassen, sondern ist eher immer schlimmer geworden.

Mehr kann ich gerade nicht schreiben - bin zu müde ...

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