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Fr., 20.10.2023, 06:58
Betti, zwei Gedanken, als VORSCHlÄGE hier reingeworfen, zum Weiterdenken - das sind meine Gedanken dazu, das muss nicht so sein, ob es so ist entscheidest du ganz allein.
1. Kann es sein, dass ein wichtiger Faktor bei dir im Hinblick auf die Dissoziation auch Kontrolle ist? Hört sich vielleicht zunächst paradox an, denn du erlebst es ja zunächst als den totalen Kontrollverlust. Aber wenn ich dich so lese, dann geht es für dich immer wieder darum, das Geschehen und das was erzählt wird, wer was wissen "darf" zu kontrollieren. Indem du dissoziierst / innerlich aussteigst (ganz sicher nicht bewusst! das ist kein Vorwurf!) verhinderst du ja oft, dass das Geschehen mehr Zusammenhang bekommt, für dich selbst, vor allem aber auch für die Menschen, die dich auf deinem Weg begleiten. Die Dissoziation steht dann immer wieder im Vordergrund, die eigentlichen Inhalte sind dann auf einmal nebensächlich.
In der Stunde hat das nun nicht "funktioniert" - weil dein Mann etwas "Falsches" gesagt hat. Ich hab keine Idee, warum dieser Name für dich "falsch" ist, und warum dein Mann da Bescheid wissen darf, aber deine Therapeutin eben nicht. Musst du uns hier auch nicht erklären. Aber vielleicht, ganz vielleicht liegt das irgendwie auch hinter deinen Dissoziationen, dass du dein Leben genauso aufgespalten hast, wie die Dissoziationen dich aufspalten und Verbindung verhindern: Person A darf abc über dich wissen, während Person B von abc gar nichts weiß und auch nicht wissen darf. Wenn ich dich richtig verstehe, ist es ja nicht so, dass es da um Fakten geht, von denen du selbst überhaupt nichts weißt, weil das Wissen bei inneren Anteilen von dir liegt, oder?
Ist vermutlich ein alter Überlebensmechanismus, und war vielleicht auch zu irgendeiner Zeit einmal wichtig für dich. Heute ist das höchstwahrscheinlich nicht mehr so. Und vielleicht wäre es eine Idee, wenn du anfängst (ganz langsam und vorsichtig) diese inneren Firewalls ein wenig durchlässiger werden zu lassen?
Damit du durch Erfahrung lernst, dass es eben nicht mehr lebensbedrohlich sein muss, wenn dein Leben nicht in völlig voneinander isolierte "Abteile" aufgesplittet ist? Und vielleicht könnte diese Therapiestunde mit deinem Mann auch ein Anfang dafür sein?
Ich verstehe deine Wut, die du in diesem Zusammenhang hast, auch als alte Wut. Da geht es um alte Dinge, vielleicht auch um Kontrollverluste von früher. Und die schiebt sich dann aktuell rein, als Wut über diesen "Kontrollverlust" der in der Stunde passiert ist. Aber vielleicht wäre es sinnvoll nochmal mit Realitätscheck da ranzugehen und zu schauen, ob denn wirklich so ein katastrophaler Kontrollverlust passiert ist?
Ja, es ist nicht so gelaufen wie du es dir vorgestellt hattest. Dein Mann hat sich "verplappert" (unabsichtlich), und dich schickt das in eine Dissoziation, aus der du so schnell nicht mehr herauskommst. Aber beide, die Therapeutin und dein Mann sind weiterhin da, weiterhin an deiner Seite und ich glaube nicht, dass sie aufgrund des Vorfalls anders von dir denken als vorher.
2. und das knüpft an den ersten Gedanken an und hat weniger mit der aktuellen Situation zu tun als mit der Gesamtsituation in deiner Therapie: Die Frage, ob diese Therapeutin dir wirklich weiterhelfen kann, ist hier ja schon oft reingeworfen worden. Auf mich wirkt deine Therapeutin auch oft ein wenig hilflos, und auch in der Stunde mit deinem Mann hat sie mMn ein wenig hilflos agiert. Kann es sein, dass es hier auch um "Kontrolle" geht, dass das der Grund ist, warum du so an ihr festhältst? Du hast sie ja mit deinen Dissoziationen fest im Griff, sozusagen. Ihr habt euch da über die Jahre auch gut aufeinander eingegroovt. Und du hast zwar Kontrolle darüber, was in der Therapie passieren wird, es ist für dich erwartbar und kalkulierbar. Aber es passiert halt auch nicht wirklich viel, was dich voran bringt. Zu jemand anders zu gehen würde für dich ja auch heißen, die Kontrolle aufzugeben...
Vielleicht ist es an der Zeit, deine Kontrollmechanismen und -bedürfnisse auf den Prüfstand zu stellen? Mit Unterstützung von außen und Schritt für Schritt und ganz allmählich - das alles hatte eine wichtige Funktion für dich und es stabilisiert dich sicherlich auch, wenn du ein Gefühl von Kontrolle hast. Aber gleichzeitig blockiert dich dieses Bedürfnis auch sehr auf deinem Weg nach vorne, so mein Eindruck jedenfalls...
LG l.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott