Psychologe berichtet von Dingen, die nicht stattgefunden haben

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stern
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Beitrag Di., 23.05.2023, 22:40

Sonnenblumenblau hat geschrieben: Di., 23.05.2023, 21:57
Der Psychologe meinte zu meinem Partner, es sei unnormal, in einer solchen Situation ruhig zu bleiben. Schließlich hätte der Unfall potentiell tödlich sein können. Mein Partner hätte ganz aus dem Häuschen sein müssen und dass er es nicht war, würde zeigen, dass er in Extremsituationen seine Gefühle in ungesunder Weise unterdrücken würde.
??? Auch eine seltsame Bemerkung. Ich halte das für relativ normal. Derjenige, der nicht reagieren kann (z.B. weil er hysterisch wird) wäre vielmehr im Nachteil.
Problematisch wäre eine Unterdrûckung oder Dissoziation von Gefühlen in unproblematischen Situationen.

Ich würde aufpassen, dass er keine dissoziatve Störung abheftet, die evtl. nicht vorliegt... was ja normal im Alltag auffallen müsste. Vllt. über einen Wechsel nachdenken. Wenn es ein weiterer Therapeut feststellt, ist es dann vllt. abnehmbarer. Und wenn ein anderer Therapeut das nicht beobachtet, ist es abnehmbarer, dass der Therapeut auf dem falschen Dämpfer unterwegs ist.
Liebe Grüße
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Sydney-b
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Beitrag Di., 23.05.2023, 22:42

Sonnenblumenblau hat geschrieben: Di., 23.05.2023, 22:35
Ich hatte selbst überlegt, so lange zu warten, ehe ich hier schreibe. Aber es hat mich nicht so wirklich losgelassen, dass der Therapeut beim letzten Mal darauf beharrte: "Ich irre mich nicht, das steht doch so in meinen Unterlagen."
Kann ich gut nachvollziehen, vor allen Dingen mit deiner Vorgeschichte.
Lieber einmal genauer hinsehen, als ignorieren…

Dann hoffe ich, dass ihr in zwei Tagen die erwünschte Klarheit erhaltet.
Würde mich über ein Update von dir freuen. :-P

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Sonnenblumenblau
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Beitrag Di., 23.05.2023, 22:59

@stern: Danke. Ich sehe das ähnlich. Wobei es ja nicht gerade einfach ist, den Therapeuten zu wechseln, das ist ja auch wieder mit langen Wartezeiten verbunden. In der Vergangenheit fühlte er sich bei diesem Therapeuten zudem gut aufgehoben und dieser Therapeut kennt seine Geschichte. Ein Neustart würde ihn somit erstmal zurückwerfen, hinzu käme die Wartezeit.

Grundsätzlich kann sich mein Partner auch mit der Idee identifizieren, dass er in Exrtemsituationen seine Gefühle zu stark ausschaltet und "funktioniert", ohne nach sich zu schauen. Das war in seiner Vergangenheit durchaus ein Thema, auf das er gestoßen ist und wo er genauer hinschauen möchte.

Um an seinem Thema "Unterdrückung von Gefühlen" zu arbeiten, braucht er allerdings einen Therapeuten, der die ungesunde und die gesunde Unterdrückung voneinander unterscheiden kann. Und da kommen mir persönlich eben Zweifel am aktuellen Therapeuten, wenn ich die Sache mit dem Wildunfall betrachte.

@Sydney: Das Update bekommst du. Vielleicht nicht zeitnah, da wir über Pfingsten verreisen. Aber ich melde mich. :->

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Lady Nightmare
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Beitrag Di., 23.05.2023, 23:34

Im Gegensatz zu allen anderen könnte ich mir durchaus auch vorstellen, dass der Therapeut mit Provokationen arbeitet. Diese Ankündigung, es werde zu Konflikten kommen ... dann dein Partner, den du selbst als eher ruhig und reflektiert beschreibst ... Die weiteren Stunden werden das sicher zeigen, denn dann wird es wohl nicht bei der einen Provokation bleiben.

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stern
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 06:11

Auf jeden Fall geht es um heftige Dinge, die im Raum stehen:
a) Gegen den Stuhl treten und wütend sagen
b) "Das alles hier bringt mir überhaupt nichts!"

Wenn ich mal von mir ausgehe. Ich weiß was ich tue und habe mich Griff und empfände das daher als sehr schwerwiegenden Vorurf, wenn jemand so etwas behaupten würde... umso mehr, wenn weiter insisitiert wird. Fehlt deinem Mann diese Sicherheit, das von sich weisen zu können?

Angenommen es wäre wahr und der Therapeut besteht weiterhin daraud, dann könnte der Therapeut auch Punkt b) nicht einfach übergehen. Eine Therapie, die nichts bringt, wäre nicht einfach so fortzufahren.

Und wie gesagt: Extremsituationen an sich, halte ich nicht für eine geeignete Referenz, um das emotionale Management zu beurteilen. In diesen zu funktionieren, ist von Vorteil und kann ûberlebensnotwendig sein. Unfunktional wäre vielmehr, wenn solche Mechanismen immAlktag weiter bestehen. Btw.: Gefühle zu unterdrücien oder zu dissoziieren wäre auch etwas anderes, als etwas nicht zu wissen, das stattgefunden haben soll.

An eine provokative Therapie dachte ich auch kurz... empfände ich nicht nur als manipulativ, sondern auch insofern als heftig, dass es um Dinge geht, die den Bestand der Therapie mind. gefährden könnten (treten + Therapie bei bringt nichts).

Im Zweifel: Lieber keine Therapie, als eine schlechte. Wartezeit hin oder her... davon hat man ja auch nichts. Bliebe die Option: Dein Mann tut Dinge, von denen er später nichts mehr weiß. Aber wenn so etwas häufiger passieren soll, so ist kaum vorstellbar, wenn das bisher weder ihm noch dir in irgendeiner Form aufgefallen wäre. (Einmal IN einer Extremsituation würde ich auch das nicht überbewerten).
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BluePoint
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 06:16

Sonnenblumenblau hat geschrieben: Di., 23.05.2023, 21:57 Der Psychologe meinte zu meinem Partner, es sei unnormal, in einer solchen Situation ruhig zu bleiben. Schließlich hätte der Unfall potentiell tödlich sein können. Mein Partner hätte ganz aus dem Häuschen sein müssen und dass er es nicht war, würde zeigen, dass er in Extremsituationen seine Gefühle in ungesunder Weise unterdrücken würde.

Bei dieser Aussage wäre ich eher sehr skeptisch. Es klingt als würde der Therapeut versuchen deinem Mann seine eigene Sichtweise aufzudrücken. Beide Reaktionen sind "normal". Nur die eine ist sinnvoller als die andere. Da völlig den Kopf zu verlieren kann man machen, ist aber nicht unbedingt die "gesündere" Reaktion und ganz sicher nicht besser für alle Beteiligten.
Du hast ja genauso reagiert und ich bin bei solchen Dingen auch immer sehr ruhig und versuche die Situation erstmal im Überblick zu behalten.

Ist der Therapeut denn ansonsten hilfreich? Vielleicht wäre ein Wechsel anzudenken.


Jenny Doe
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 06:57

Sonnenblumenblau hat geschrieben: Der Psychologe meinte zu meinem Partner, es sei unnormal, in einer solchen Situation ruhig zu bleiben. Schließlich hätte der Unfall potentiell tödlich sein können. Mein Partner hätte ganz aus dem Häuschen sein müssen und dass er es nicht war, würde zeigen, dass er in Extremsituationen seine Gefühle in ungesunder Weise unterdrücken würde.
Das hat mich damals stutzig gemacht. Und jetzt kommt halt sowas hinterher. Beides zusammen stimmt mich nachdenklich.
Meine Reaktion auf dieses Zitat ist nicht unvoreingenommen. Das löst noch heute Wut in mir aus, dass mir in der Therapie erklärt wurde, wie ich Erlebtes wahrnehmen soll, was ich fühlen soll, welche Gedanken ich denken soll, wie ich bewerten soll..., und das meine Therapiesitzungen damit verschwendet wurden, dass mir Therapeuten ihr eigenes aufdrängen wollten. Da wird einem suggeriert, dass es unnormal ist, wenn man mit Erlebtem umgehen kann, ohne daran zu zerbrechen.
Da können eine Menge Therapiestunden bei drauf gehen, wenn Patienten Gefühle, ... eingeredet werden, die der Patient gar nicht hat. Der Meinung eines Psychotherapeuten zufolge aber haben müsste, weil es "normal" ist, auf Erlebtes in einer vorgeschriebenen Art und Weise zu reagieren.
Reagiert man anderes auf Erlebtes, als es der psychotherapeutischen Norm entspricht, dann wird gerne behauptet, der Patient würde seine Emotionen unterdrücken, verdrängen, leugnen, nicht wahrhaben wollen, ...
Mir ist da mal der Kragen geplatzt. Als mir eine Psychotherapeutin mal erzählte, was sie denken, fühlen, ... würde, wenn sie ich wäre, ... habe ich ihr nahegelegt mal Psychotherapie zu machen, damit sie lernt anders mit Erfahrungen umzugehen.

Vom Hintergrund dieses Zitates ist es möglich,
dass die Therapeutin ihre persönliche Einstellung auf deinen Partner überträgt oder,
dass sie ihn provozieren möchte, in dem Sinne, dass sie ihn dazu drängt, dasselbe zu fühlen, wie sie fühlen würde. So in dem Sinne "Wenn ich Sie wäre, ich würde gegen den Stuhl treten".

Ich denke, dass bei einer solchen Äußerung eines Therapeuten Skepsis berechtigt ist. Ein Therapeut hat nicht das Recht einem Patienten eigenes aufzudrängen. Es gibt auch Menschen, die gut mit Erlebtem umgehen können, ohne daran zu zerbrechen. Einen Patienten so weit bringen zu wollen,
bis er den Erwartungen eines Therapeuten entspricht und endlich beginnt unter dem Erlebtem zu leiden, ist unethisch.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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SinnIch
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 08:29

Sowas als Provokation fände ich schon wirklich krass und auch gefährlich und kann ich gar nicht glauben. Hätte man das dann auch nicht in der Stunde dann wenigstens noch aufgeklärt?
Nach dem, was du schreibst, klingt es auch für mich sehr unwahrscheinlich, dass dein Mann so gehandelt hat und im Zusammenhang mit dem anderen eher so, als würde der Therapeut da seinen eigenen Film fahren.
Schwierig daran finde ich, dass es sich ja nie sicher klären lässt. Selbst wenn Name, Datum usw auf den Notizen stehen.
Ich kann mir schwer vorstellen, wenn der Therapeut nicht einlenkt, wie da eine Therapie noch möglich sein soll.
Echt blöde Situation! Hoffe, dein Mann ist nicht total verunsichert, mich würde sowas ziemlich aus der Bahn werfen und mein Vertrauen in mich selber schwächen.

Man kann sich manchmal nicht vorstellen, was für einen an der Waffel die TherapeutInnen selbst haben können...

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Tobe
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 09:27

Hallo Sonnenblumenblau,

mein Vertrauen dem Therapeuten gegenüber wäre bei der von Dir beschrieben Situation sehr erschüttert. Es gibt natürlich Situationen, wo ein Patient sich an seinen solchen Vorfall ggf. auch nicht mehr so genau erinnern kann. Ich halte es dennoch für relativ unwahrscheinlich, weil dabei meist wenigstens Erinnerungsfetzen vorhanden sind, die man ggf. erstmal nicht wirklich einordnen kann.

Ich selber hatte auch mal eine Sitzung, an die ich mich nur noch bruchstückhaft erinnern konnte, da ich dabei wohl dissoziiert bin. Dennoch konnte ich mich eben bruchstückhaft noch erinnern, daß da was war und ich kannte ähnliche Situationen an mir, wo es mir ähnlich erging, ohne daß ich dafür eine Erklärung für mich hatte.
Sitzungen können solche Situationen durchaus hervorrufen, wenn man dazu neigt zu dissoziieren, da Sitzungen eben auch ans “Eingemachte“ gehen können.

Es wird sich vermutlich nicht mehr sicher klären lassen, was da nun wirklich vorgefallen war, oder eben auch nicht. Selbst Notizen eines Therapeuten lassen sich im Nachhinein noch bearbeiten, falls eine Verwechslung vorlag und er dies nicht zugeben möchte.

Was ich jetzt vorschlage ist natürlich nicht legal, aber ich würde dies in Erwägung ziehen, um mir meiner selber wieder sicherer zu werden und auch wieder das Vertrauen zurückgewinnen zu können, sofern dies dadurch massiv beeinträchtigt ist und ich sonst unter diesen Bedingungen die Therapie nicht mehr fortführen könnte.
Er könnte eine Weile die Therapiesitzungen heimlich mitschneiden, also den Ton und dies natürlich nur für sich selber. Als “Beweismittel“ ist dies natürlich nicht zulässig und solche Aufnahmen darf er auch nicht anderweitig verwenden und sollten danach auch sicherheitshalber wieder vernichtet werden. Dies könnte nämlich, sofern dies herauskommen sollte, auch das Vertrauen vom Therapeuten ihm gegenüber zerstören. Aber so könnte er sich auch selber kontrollieren, ob da etwas dran sein kann, daß er möglicherweise doch “Aussetzer“ hat, an die er sich nicht erinnern kann.

Ich brauchte dies nicht, da ich mich dennoch bruchstückhaft an diese Sitzung erinnern konnte. Sicher hat mich diese Situation auch sehr verunsichert, dennoch hatte ich genug Vertrauen meinem Therapeuten gegenüber mit ihm weiterarbeiten zu können.

Die Wahrscheinlichkeit, daß es zu aktiven Vorfällen kommt, also welche wo man z.B. aufsteht und gegen einen Stuhl tritt, dazu auch noch flucht o.ä. und sich nicht mal bruchstückhaft daran erinnert, halte ich dennoch für relativ unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen.

Es ist auch möglich, daß der Therapeut so schusselig ist, daß er seine Patienten durcheinanderbringt, oder eben mit seinem Gedächtnis ernsthafte Probleme hat.
Wenn sich dies bewahrheitet, würde ich natürlich den Therapeuten trotz der möglichen längeren Wartezeit wechseln, denn dies wäre keine gesunde Basis um eine erfolgreiche Therapie machen zu können.

L.G. Tobe
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SinnIch
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 09:36

Was mir noch etwas ungewöhnlich auffällt, ist, was du am Anfang geschrieben hast:
Sonnenblumenblau hat geschrieben:Zu Beginn der Therapie hat der Therapeut meinem Partner gesagt, dass es im Rahmen der Therapie zu Therapeut-Patientenkonflikten kommen wird und ihn sozusagen vorgewarnt und gefragt, ob er sich trotzdem auf die Therapie einlassen würde.
Auch wenn es sicherlich oft in Therapie zumindest zu kleineren Konflikten früher oder später kommt, schon etwas merkwürdig, dass da so klar am Anfang gewarnt wurde, wenn man dann das Weitere berücksichtigt. Konflikte scheinen ja zumindest bei ihm ein zentrales unvermeidbares Element zu sein?
Fragt sich dann tatsächlich wieder, ob von ihm provoziert oder eher "unabsichtlich", weil er vielleicht öfter irgendwie seltsame Dinge bringt.
War denn die erste Therapie bei ihm total unspektakulär?

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Montana
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 10:05

Zu dem Wildunfall nochmal: ich finde die Reaktion deines Mannes vollkommen normal. Ich hatte selbst mal einen Unfall, der auch tödlich hätte enden können. Während er passierte, dachte ich auch, das war es. Aber ich war deshalb ebenfalls nicht "aus dem Häuschen". Es passieren tagtäglich Unfälle und ich hatte Glück. Es waren Dinge zu klären, z.B. musste schnell ein neuer fahrbarer Untersatz her um zur Arbeit fahren zu können. Ich hab mich drum gekümmert und damit war das Thema dann erledigt. Damals hatte ich noch keinerlei Kontakt zu Therapeuten, daher hat auch keiner seine Meinung dazu geäußert.

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Winni
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 10:27

Hallo,

die Warnung des Therapeuten vor „Konflikten“ finde ich sehr fragwürdig. Arbeitet der Thera mit speziellen, besonders provokativen Therapieformen? Dann sollte das - sowie die Zielsetzung daraus - klar im Vorfeld kommuniziert werden.

Außerdem sollte jede therapeutische Intervention - also auch eine Provokation - am Ende der Stunde aufgeklärt und besprochen werden. Sonst geht der Effekt ins Leere und die Intervention wird irritierend und sinnlos.

Etwas fällt mir aber noch auf: Du scheinst höchst alarmiert - im Gegensatz zu Deinem Partner. Könnte es sein, dass bei Dir da die vergangenen Erfahrungen mit der Schizophrenie des damaligen Partners „klingeln“? Dass da eine Angst aufkeimt, noch klein, aber erkennbar? Evtl solltest DU Dir zumindest kurzfristige Unterstützung holen, um beide Bereiche objektiv anzuschauen und einzuordnen: Deine eigene frühere Erfahrung und die jetzige Sorge um Deinen aktuellen Partner.

Alles Gute Dir!
"An Ärger festhalten ist wie wenn Du an einem Stück
Kohle festhältst mit der Absicht, es nach jemandem zu werfen -
derjenige, der sich dabei verbrennt, bist Du selbst" (Buddha)

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Zephyr
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 11:20

Tobe hat geschrieben: Mi., 24.05.2023, 09:27 Ich halte es dennoch für relativ unwahrscheinlich, weil dabei meist wenigstens Erinnerungsfetzen vorhanden sind, die man ggf. erstmal nicht wirklich einordnen kann.

Ich selber hatte auch mal eine Sitzung, an die ich mich nur noch bruchstückhaft erinnern konnte, da ich dabei wohl dissoziiert bin. Dennoch konnte ich mich eben bruchstückhaft noch erinnern, daß da was war und ich kannte ähnliche Situationen an mir, wo es mir ähnlich erging, ohne daß ich dafür eine Erklärung für mich hatte.
Sitzungen können solche Situationen durchaus hervorrufen, wenn man dazu neigt zu dissoziieren, da Sitzungen eben auch ans “Eingemachte“ gehen können.
Da Tobe hier die eine Möglichkeit dargestellt hat, wollte ich mal die Perspektive von jemanden reinbringen, die solche dissoziativen Amnesien tatsächlich hat.

Ich erinnere mich tatsächlich öfter an Situationen nicht, die mir von außen geschildert werden. Und zwar wirklich GAR NICHT. Da sind keine Fetzen, da ist kein Gefühl von “Ach ja richtig, da war doch was.”. Gar nichts. Mir selbst würde das auch nicht auffallen, scheinbar wird dann im Inneren die Situation drum herum so bewertet/ einsortiert, dass die Lücke nicht auffällt. Sprich, ich merke auch nicht, dass mir Zeit fehlt.
Das kann es also tatsächlich geben.
Aber (!)
1. Ich bin auch ansonsten hoch dissoziativ.
2. Das tritt nicht nur in Therapie auf und ich habe auch erst angefangen das zu glauben, als ich bereit war die Hinweise auf der Arbeit und im Alltag ernstzunehmen. Ich bin aber bei Freunden und Familie absolut dafür bekannt “alles zu vergessen”, “total verpeilt” zu sein usw. Das tritt also definitv nicht völlig isoliert auf.

Ich kann deine Sorge total nachvollziehen. Ich weiß noch, wie ich mich gefühlt habe, als ich in der Therapie plötzlich in der Situation war etwas erzählt zu bekommen, was bei mir einfach nicht da war.
Meine Therapeutin war damals aber sehr vorsichtig damit und hat immer auch gesagt, dass auch sie nur ein Mensch ist und Fehler macht/ verwechselt/ vergisst. Erst als sich die Situationen häuften wurde das Bild klarer.

Ich hoffe, dass sich das ganze irgendwie klärt. Nach meinem Bauchgefühl klingt er nicht wie jemand mit dissoziativen Amnesien, wenn das ansonsten kein Thema ist. (Und wenn es wirklich eine war und das einmalig war, dann muss es ja auch gar kein Thema sein. Denn dann beeinflusst ihn das ja nicht weiter.)

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 11:59

@Wildunfall: Wenn die ruhige Reaktion Deines Mannes so unnormal wäre, dann hätten wir bald keine Rettungssanitäter, Feuerwehrleute oder Polizisten mehr.
Dann fällt mir noch ein, dass mir ein Pharmareferent aus der Neurologie mal sagte: "Du glaubst gar nicht, wie viele von denen selbst auf Droge sind." Nur, um diese Möglichkeit mitzudenken, es gibt sie.

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Sonnenblumenblau
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Beitrag Mi., 24.05.2023, 14:38

Hallo zusammen,

ich bin sehr froh über die vielen und sehr differenzierten Antworten, die mir tatsächlich aus der Seele sprechen. Deshalb an alle, die geantwortet haben, schon einmal herzlichen Dank!

Ich versuche, so umfassend wie möglich darauf einzugehen:

Ja, manipulativ und verantwortungslos waren genau die Begriffe, die mir durch den Kopf gingen, als ich mit meinem Partner die Möglichkeit besprach, dass es sich um eine Provokation handeln könnte. Mein Partner sah es gelassener und meinte: "Ich kann ja abwarten, wo es mich hinführt, vielleicht bringt es mir ja etwas."
Aber in mir sträubte sich da alles.

Da hier die Frage aufkam, ob ich aufgrund der Erfahrungen mit meinem Exmann getriggert werde: Jein.
Ich habe keine Sorge, dass mein Partner etwas Ähnliches entwickeln könnte.

Aber ich habe damals selbst schlechte Erfahrungen mit Therapeuten/ Helfersystemen gemacht. Ich hatte versucht, mir Hilfe zu holen und bin beim ersten Mal an eine Therapeutin geraten, die zu Beginn sagte: "Ich habe eigentlich keine Zeit, Sie noch aufzunehmen", mir andere Psychologen heraussuchte, an die ich mich wenden könne usw. Das Erstgespräch hat sie aber trotzdem geführt, mir auch noch einen zweiten Termin angeboten und nach diesem zweiten Termin war ich weg, weil sie mich auf eine Art und Weise "beraten" hatte, dass ich den Eindruck gewann: Die will mich nicht ablehnen, aber loswerden. Die Gespräche wurden wirklich lieblos, teilweise fast herablassend geführt.

Diese Erfahrung war schmerzhaft hat mich so sehr zurückgeworfen, dass ich mich erstmal anderthalb Jahre lang überhaupt niemandem mehr geöffnet habe.

Dann wurde die Situation bei uns aber brenzlich, die verbalen Bedrohungen durch meinen Exmann nahmen zu und ich hatte tatsächlich Angst, dass er mir etwas antut, wenn ich mich trenne. Das hat er auch deutlich angekündigt.

Ich habe wieder versucht, mir Hilfe zu holen. Die Situation war ziemlich schwierig, wegen der mangelnden Krankheitseinsicht meines Exmanns und weil "ja noch nichts passiert war."

Und irgendwie lief es in den Beratungen meiner Wahrnehmung nach so, dass ich mich mit meinen konkreten Ängsten nicht in ausreichendem Maße ernst genommen fühlte.


"Ja, von Femiziden liest man, das verunsichert... aber ich bin hier seit 30 Jahren bei der Gewaltberatung und habe noch nie erlebt, dass eine Hilfesuchende tatsächlich ermordet wurde" (Ähm, Frau, du sitzt hier in einer anonymen Beratungsstelle. Woher willst du das bitteschön wissen?)
"Naja, aber wie es jetzt ist, kann es ja auch nicht bleiben"
Und immer wieder: "Sie denken ja schon an die Kinder, die das alles mitbekommen?"

Irgendwie fühlte es sich so an: Die Helfenden konnten mir nicht wirklich helfen. Was ja nun überhaupt nicht ihre Schuld war. ABER dieses Gefühl, nicht helfen zu können, war für sie schwer auszuhalten und deshalb wurde mir irgendwie eine Mitverantwortung in Form von "Vielleicht übertreiben Sie ja und sind gar nicht so sehr in Gefahr, wie Sie denken" untergeschoben.

Ich hätte in dieser Situation jemanden gebracht, der sagt: "Ja scheiße, tatsächlich, niemand kann Sie so schützen, wie Sie das eigentlich bräuchten. Deshalb ist es verflixt nochmal IHRE Entscheidung, wann Sie sich in die Gefahr begeben, sich zu trennen. Schauen wir mal, wie wir Sie dafür stärken können. Aber die Entscheidung bleibt bei Ihnen, weil Sie ja auch das ganze Risiko haben."

Ich habe es dann irgendwann drangegeben und einfach nur noch auf den Moment gewartet, in dem mein Partner mich nachweislich körperlich angreift. Dann habe ich die Polizei gerufen und siehe da: Obwohl mein Exmann den Polizisten von seinen Kontakten zum Innenministerium und seinem Chip im Kopf erzählte und obwohl ich insistierte: "Sie können ihn der Wohnung verweisen, der kommt aber wieder und ich habe Angst", begnügte man sich erstmal mit der Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung.

Als mein Exmann eine halbe Stunde später versuchte, sich durchs Flurfenster wieder Zutritt zum Haus zu verschaffen, waren die Beamten aber wenigstens noch in der Nähe und als er diese dann angriff, reichte es dann für eine Zwangseinweisung. Holdrio.

Dementsprechend geht es mir wie @Jenny Doe: Mich alarmiert, wenn meinem jetzigen Partner erzählt wird, wie er sich fühlen und wie er Situationen wahrnehmen sollte. Das spült in mir meine alten Erinnerungen hoch und es macht mich ehrlich gesagt wütend.

Hinzu kommt, dass ich nach meiner Geschichte sehr froh bin, einen besonnenen Menschen an meiner Seite zu haben und dass ich diesen Wesenszug sehr schätze.

Natürlich sollte mein Partner näher hinschauen, wenn seine Beherrschtheit ungesunde Formen annimmt. Dann aber bitte mit jemandem, dem er vertrauen kann.

Ich bin gespannt, wie das Gespräch morgen verläuft.

LG Sonnenblumenblau

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