Traumabearbeitung, ich versteh es nicht

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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alatan
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 05:48

Lawendelblüte hat geschrieben: So., 20.11.2022, 20:08 Hat ein Traumatherapeut nicht auch eine eigentliche Richtung/Form, nach der er arbeitet z.b. TP,VT, TFP usw. und ist die Traumatherapie nicht nur ein Zusatz zu der eigentlichen Form? Man könnte auch fragen, gibt es die "Traumatherapie" alleine?
Es gibt sehr viel auf dem Markt zur Traumatherapie, deshalb ist das für Pat. nicht einfach zu erkennen, was wirklich fundiert und nicht gefährdend ist. Z. B. ist die alleinige Qualifikation für EMDR weit von der Befähigung entfernt, Pat., die von Traumata betroffen sind, adäquat zu behandeln.
Es gibt eine Fachgesellschaft, die sehr hohe Normen hat zur Erlangung dieser Qualifikation für approbierte Psychotherapeuten, d. h. Ärzte, Psychologen und Kinder/Jugend-PT, die bereits eine grundständige psychotherapeutische Weiterbildung absolviert sind. Das ist die DeGPT, Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie. Wenn dieses Zertifikat erworben wurde, kann man sich darauf verlassen, dass hochqualifizierte Arbeit geleistet wird, da dahinter ein umfangreiches Programm an Theorie, Supervision, Selbsterfahrung und Methodenvielfalt steckt.

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Gespensterkind
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 07:05

Ob es notwendig ist "in die Tiefe" zu gehen oder ein "Trauma zu bearbeiten", das kannst Du doch immer noch entscheiden. Ich denke, am Anfang steht vielleicht erst mal der Wunsch, bestimmte Symptome besser zu verstehen, bzw. man leidet an verschiedenen Symptomen und möchte das Leiden verringern.
Nicht immer ist es dann der Weg, ein Trauma in allen Details zu bearbeiten. Es kommt eben ganz darauf an, was Du brauchst, um den Leidensdruck zu verbessern ohne andere Symptome zu fördern.
Und das kannst Du mit einem Traumatherapeuten herausfinden.

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Montana
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 09:20

Integration bedeutet aber viel, viel mehr. Jede banale Alltagserfahrung wird in die eigene Geschichte und das eigene Weltbild integriert, egal ob traumatisch oder nicht. Das bezieht sich nicht auf Anteile der Persönlichkeit. Und Erfahrungen, die nicht integriert sind, oder zumindest nicht vollständig, die hat jeder Mensch. Das ist nicht automatisch schlimm.
Aber im Fall der TE gibt es da Dinge, die aktuell zu Symptomen führen, und daher muss da etwas sein, was nicht integriert ist. Einfach mal einen Panikanfall bekommen ist ja kein alternativer Lebensstil, sondern das ist ein ernsthaftes Problem.

Und ich denke nicht, dass man etwas "erfolgreich abspalten" kann. Man kann einen stabilen Zustand erreicht haben, aber der hat dann ein Verfallsdatum. Das war bei mir auch so. Schule, Studium, Erfolg im Beruf, alles fein (zumindest nach außen), chronische körperliche Erkrankung -> BUMM
Sich das BUMM zu sparen und keinen Zusammenbruch des privaten und beruflichen Lebens zu riskieren, finde ich eine ganz prima Idee. Ich habe es nicht geschafft, das zu vermeiden, aber würde jeden ermutigen, das zu versuchen.

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caduta
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 12:39

@Montana: Ich weiß aber nicht, ob es Sinn macht einen stabilen Zustand ohne Not durch Traumatherapie in einen wahrscheinlich erst einmal instabilen Zustand zu überführen, bei dem man nicht weiß, ob man wieder rauskommt.
Wenn es vorher schon schwerwiegende Symptome gibt, ist eine Traumatherapie natürlich notwendig. Aber wenn nicht, soll man das dann wirklich forcieren?

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Candykills
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 13:36

Caduta, ich glaube, dass das eine absolut individuelle Entscheidung ist.
Es gibt Therapeuten, die mir ganz klar ins Gesicht gesagt haben, dass ich auf jeden Fall eine Traumatherapie machen soll, um die Dinge zu verarbeiten und dann zu integrieren.
Und ich habe noch mehr Therapeuten getroffen, die immer nur bei mir gedeckelt haben und auch klar sagten: man muss nicht immer bearbeiten.

Leider habe ich aber auch die Erfahrung gemacht, dass allein jahrelange Stabilisierung nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat, dass ich gut dauerhaft funktioniere.

Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass man bei einem normal-stabilen Menschen nicht ans Trauma geht. Ich glaube, dass das auch kein vernünftiger Traumatherapeut machen würde, wenn da nicht die Not für besteht.
Auf der anderen Seite braucht es aber für die Bearbeitung eine gewisse Stabilität.

Ich glaube, dass es ein Prozess ist und man irgendwann vielleicht spürt, ob man rangehen sollte oder nicht.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 14:44

ist das nicht eine sehr theoretische Frage?
Wie viele Menschen mit Trauma sind in einem "stabilen Zustand" ?
Es kommt natürlich auf die Art der Traumatisierung an, sprechen wir von einem einmaligen Verkehrsunfall oder von jahrelanger Gewalt und MB ab früher Kindheit ?
Wer geht denn in Therapie in einem stabilen Zustand?

Ich hatte viele Jahre lang diverse Symptome, Probleme, Schwierigkeiten, zig Diagnosen, Psychiatrieaufenthalte.
Süchte, Selbstverletzung... das ganze Programm
Aber ich habe funktioniert, war und bin beruflich erfolgreich. Das kann man ja trotzdem wohl kaum "stabil" nennen

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Seepferdchen_
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 15:09

candle. hat geschrieben: So., 20.11.2022, 23:14
Dazu- wie wird man übertrieben gesagt 100 kleine Traumata los?
So wie ich es verstehe: Mit Selbstliebe. Bzw die Traumata selber wirst du nicht los, die sind passiert. Bei den Triggern kannst du mit viel Selbstliebe und Achtsamkeit mit der Zeit immer besser und schneller ins Hier und Jetzt umschalten.

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candle.
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 15:45

Seepferdchen_ hat geschrieben: Mo., 21.11.2022, 15:09 So wie ich es verstehe: Mit Selbstliebe.
Meinst du das hat immer mit Selbstliebe zu tun? Ich weiß nicht? Ich mag mich generell, abgesehen von den "Schwankungen", die wohl jeder hat.

candle
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Gespensterkind
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 16:15

Ich denke mal, gemeint ist mit Selbstliebe, dass man zunächst einmal dazu kommen muss zu akzeptieren, dass man selbst traumatisiert ist und deshalb nicht alles so läuft, wie man es vielleicht gern hätte. Also Selbstakzeptanz oder so ähnlich. Davon heilen auch keine Traumata. Aber ich denke, das ist ein Schritt.

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peppermint patty
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 16:46

Meine ehemalige Traumatherapeutin hat immer gesagt, wenn keine Notwendigkeit besteht würde sie niemals direkt an Traumatisierungen arbeiten. Warum auch? Da stehen Risiko und Nutzen eher im negativen Verhältnis.

Auch bei meinen diversen Klinikaufenthalten habe ich meistens Therapeutinnen mit ähnlicher Auffassung erlebt. Bei mir selbst hatte ich oft das Gefühl, dass da auch vor schweren Themen zurückgewichen wurde.
Insgesamt bin ich aber froh über diese Haltung, denn man sollte mEn entweder bereit für eine Konfrontation sein sein, oder sie sollte tatsächlich notwendig sein.

Warum sollte man etwas aufreißen, was noch nicht dran ist?
Das heißt aber nicht, dass keine Therapie induziert sein könnte. Das würde ich mir tatsächlich überlegen, je nach Leidensdruck.

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Seepferdchen_
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 16:51

candle. hat geschrieben: Mo., 21.11.2022, 15:45

Meinst du das hat immer mit Selbstliebe zu tun? Ich weiß nicht? Ich mag mich generell, abgesehen von den "Schwankungen", die wohl jeder hat.

candle
Ja, mit Selbstliebe, so verstehe ich zumindest meine Therapeutin.

Trauma Heilen durch immer wieder durchleben, mit Distanz, so wie du ein Bild betrachtest. Dabei dich selber ganz fest liebhaben, akzeptieren, was passiert ist, akzeptieren, dass es vorbei ist, dass du jetzt im Hier und Jetzt sicher bist.

Bei Triggern immer wieder bewusst üben, wird durch Übung besser.

So verstehe ich es zumindest theoretisch. Praktisch bekomme ich das bei manchen Themen gaz gut hin, bei anderen noch gar nicht. Immerhin erkenne ich, dass ich getriggert werde.
Je besser ich zu mir schaue - Selbstliebe! - sprich regelmässig essen, genügend Schlaf, mehrmals die Woche Sport, kaum Alkohol, desto besser gelingt es mir, mich rasch wieder im Hier und Jetzt zu verankern.
Und, das Wichtigste: Atmen! Bewusst Atmen, länger aus als ein, Eiswürfel lutschen, eiskalt abduschen, an der frischen Luft bewegen, diese ganzen Dinge halt.

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Montana
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 17:07

caduta hat geschrieben: Mo., 21.11.2022, 12:39 @Montana: Ich weiß aber nicht, ob es Sinn macht einen stabilen Zustand ohne Not durch Traumatherapie in einen wahrscheinlich erst einmal instabilen Zustand zu überführen, bei dem man nicht weiß, ob man wieder rauskommt.
Wenn es vorher schon schwerwiegende Symptome gibt, ist eine Traumatherapie natürlich notwendig. Aber wenn nicht, soll man das dann wirklich forcieren?
Stabil muss man da vermutlich in Anführungszeichen setzen. Denk an den schiefen Turm von Pisa, der ist auch "stabil". Das heißt, er wird nicht demnächst plötzlich umkippen. So richtig gut steht es aber auch nicht um ihn und daher wird laufend daran gearbeitet, ihn zu erhalten. Und das wird ewig so weitergehen, weil er nicht ins Gleichgewicht gebracht werden kann.

Wenn ich an mein eigenes Leben denke, dann habe ich auch lange, lange nichts anderes gemacht, als mich kurz vor dem Umkippen gerade noch zu halten. Dann hat aber das "Verfallsdatum" zugeschlagen. Man wird ja älter und es kommen zusätzliche Belastungen wie körperliche Krankheiten dazu. Und auf einmal brannte es an mehreren Baustellen gleichzeitig. Wäre das zu vermeiden gewesen? Vermutlich ja, weil es sich gegenseitig verstärkt hat. (Das Ding mit dem Zum-Arzt-gehen und dort darauf zu bestehen, dass gehandelt wird usw. Was Menschen mit Traumahintergrund oft so gar nicht können.)

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 21.11.2022, 19:03

peppermint patty hat geschrieben: Mo., 21.11.2022, 16:46 Meine ehemalige Traumatherapeutin hat immer gesagt, wenn keine Notwendigkeit besteht würde sie niemals direkt an Traumatisierungen arbeiten.
Wann besteht denn eine "Notwendigkeit" an Traumatisierungen zu arbeiten?
Stabilisieren ist wichtig, das ist sowieso die Grundvoraussetzung. Und natürlich muss eine Bereitschaft von Seiten des Patienten vorhanden sein. Ebenso zentral ist eine fundierte Qualifikation des Therapeuten, einfach so an Trauma rumzuwurschteln schadet mehr als dass es nützt.

Aber sehr viele Symptome hängen nunmal mit der Traumatisierung zusammen. Wie sollte man das sonst gut bewältigen?

Ich kann nur von mir sprechen, ich habe über Jahre Symptome gewechselt, ein bunter "Strauß" an allem möglichen.
Besser wurde da gar nichts mit reiner Symptombearbeitung.

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