Therapeutin redet mich mit „Liebe Frau..“ an

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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candle.
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 18:17

StillesMeer hat geschrieben: Mi., 22.06.2022, 18:15 Ich traue mich nicht. Dies wäre zu viel Selbstoffenbarung von meiner Seite und das halte ich nicht aus.
Was soll denn passieren?

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Sydney-b
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 18:34

Du kannst doch einfach probieren, ob du es nicht doch aushälst?
Du hast schon viel mehr und Schlimmeres ausgehalten....
Du wirst überrascht sein, wie gut es dir hinterher damit geht....Vielleicht nicht sofort, sondern erst nach einigen Tagen....aber du wirst feststellen, dass du es aushalten kannst!

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Griselda
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 18:58

Ich glaube du siehst das zu eng.
Bei mir auf der Arbeit wird grundsätzlich jeder Kollege/Kollegin, egal ob Vorgesetzt oder Verwaltung, egal ob persönlich bekannt oder nicht mit "Liebe Frau xy" oder "Lieber Herr xy" in E-Mails angeredet.
Privat, im förmlichen Schriftverkehr, habe ich gemerkt, dass es manchen Leuten z.B. Lehrern unangenehm ist. Sie schreiben dann "Hallo" zurück.

Meine Therapeutin hat SMS immer mit "Herzliche Grüße, Ihre xy" unterschrieben.
Das finde ich sogar bischen too much, habe es aber noch bei einem zweiten Therapeuten mitbekommen, dass ein "Ihr xy" als Abschlussgruß verwendet wurde.
Ich glaube, es wird bewusst gebraucht um Verbindlichkeiten herzustellen.

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lisbeth
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 19:08

StillesMeer hat geschrieben: Mi., 22.06.2022, 15:55 Einmal war ich mutig und habe (dieses Jahr, weil wir uns nun so lang kennen) mal „Liebe Grüße“ statt „Viele Grüße“ gewählt, aber sie blieb trotzdem bei „Gruß“. Seitdem bin ich noch vorsichtiger mit Anreden und Grüßen.
Hm, ich denke auch, dass die Kollegin vielleicht einfach nicht auf sowas achtet? Während du da anscheinend jedes Wort abwägst... Und: wenn für dich Liebe XY bzw. liebe Grüße stimmig sind, dann ist das doch ok, auch wenn die Kollegin das tatsächlich anders sehen sollte. Dann kann man doch auch dazu stehen, das bringt dein momentanes Empfinden zum Ausdruck und warum sollte ich nicht zeigen dürfen, wenn ich jemanden gut leiden kann - auch im Job? Ich finde eher, wir brauchen viel mehr davon!

Zur Therapeutin: Ich finde auch, dass es gut wäre, wenn du das ansprichst. Das wäre doch gut, mit ihr zusammen zu erkunden, *was* genau für dich daran so problematisch ist, wenn sie dich mit Liebe Frau XY anredet. Als mündliche Anrede finde ich es auch eher ungewöhnlich, aber wenn deine Therapeutin um die 60 ist (nach deiner Altersangabe) hat sie vielleicht insgesamt noch einen ganz anderen Kommunikationsstil. Was nicht heißen muss, dass sie das nicht meinen wird.
In der schriftlichen Kommunikation benutzt meine auch immer "Liebe Frau lisbeth" - und zwar immer, auch wenn es gerade sehr knirschig zwischen uns war. Das hatte für mich eher etwas Beruhigendes... Während ich in solchen Momenten dann ganz bewusst "Hallo Frau Therapeutin" geschrieben habe :anonym: (und ich bin mir sicher, dass es ihr aufgefallen ist, auch wenn wir nie darüber gesprochen haben....)
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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peppermint patty
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 19:32

StillesMeer hat geschrieben: Mi., 22.06.2022, 18:15 Ich traue mich nicht. Dies wäre zu viel Selbstoffenbarung von meiner Seite und das halte ich nicht aus.
Selbstoffenbarung contra Selbstverletzung, wenn du es nicht ansprichst. Was ist für dich erstrebenswerter? Oder eben das kleinere Übel?

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StillesMeer
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 20:01

Das ist etwas, was ich gar nicht über die Lippen bekomme: meine eigenen Gefühle zu äußern. Ich kann zwar maßlos reden in den Stunden, die Zeit ist immer zu knapp, aber nicht über so etwas Tiefes. Für die einen mag es nur ein Wort sein, für die anderen wie mich bedeutet es die Welt. Wie soll ich ihr das begreiflich machen? Am Ende denkt sie sich nichts dabei und ist durch meinen Kommentar ganz verunsichert und denkt bei sich: „Mein Gott, bei der Frau X muss ich wirklich jedes Wort vor dem Aussprechen auf die Goldwaage legen!“

Vielleicht will sie ja wirklich so etwas wie Zuwendung damit ausdrücken oder mich stützen. Ich gehe schon über ein Jahr zu ihr und erst so langsam traue ich mich, etwas über meine Kindheit, missbräuchliche Beziehungen und Ähnliches zu erzählen.Seitdem redet sie mich mit „Liebe..“ an, vor allem wenn sie mich begrüßt und verabschiedet in der Tür.Sie kommt dann auch meist sehr an mich heran und schaut mir in die Augen (mir fällt Blickkontakt sehr schwer und das hat sie auch schon angesprochen). Vielleicht will sie so mein Vertrauen in sie stärken? Ich grübele schon seit Wochen über diese Geste.

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Steffi83
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 20:40

Abgesehen davon, dass es sich bei meinen Gesprächen um eine Art Begleitung handelt, kenne ich bei mir das "Liebe Frau M." In dem Kontext, dass wenn ich was schwieriges erzählt habe und etwas traurig dasitze oder dann im verabschieden,.dass es dann in einem liebevollen Ton schon 3,4 mal hieß "meine liebe Frau M." Oder nur "meine liebe".

Das klingt in der Tat auch etwas nach einem kind trösten, aber ich empfinde es für mich inzwischen als okay, da ich es als eine Art liebebolle Anerkennung und Zuwendung annehme(n kann...was mir auch manchmal schwer fällt).

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StillesMeer
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Beitrag Mi., 22.06.2022, 21:51

Steffi83 hat geschrieben: Mi., 22.06.2022, 20:40 Abgesehen davon, dass es sich bei meinen Gesprächen um eine Art Begleitung handelt, kenne ich bei mir das "Liebe Frau M." In dem Kontext, dass wenn ich was schwieriges erzählt habe und etwas traurig dasitze oder dann im verabschieden,.dass es dann in einem liebevollen Ton schon 3,4 mal hieß "meine liebe Frau M." Oder nur "meine liebe".

Das klingt in der Tat auch etwas nach einem kind trösten, aber ich empfinde es für mich inzwischen als okay, da ich es als eine Art liebebolle Anerkennung und Zuwendung annehme(n kann...was mir auch manchmal schwer fällt).

So scheint meine Therapeutin es auch zu verwenden. Danke für deine Schilderung.

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parisblues
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Beitrag Sa., 25.06.2022, 20:11

StillesMeer hat geschrieben: Mi., 22.06.2022, 20:01 Das ist etwas, was ich gar nicht über die Lippen bekomme: meine eigenen Gefühle zu äußern. Ich kann zwar maßlos reden in den Stunden, die Zeit ist immer zu knapp, aber nicht über so etwas Tiefes. Für die einen mag es nur ein Wort sein, für die anderen wie mich bedeutet es die Welt. Wie soll ich ihr das begreiflich machen? Am Ende denkt sie sich nichts dabei und ist durch meinen Kommentar ganz verunsichert und denkt bei sich: „Mein Gott, bei der Frau X muss ich wirklich jedes Wort vor dem Aussprechen auf die Goldwaage legen!“
Mir ging es bis vor Kurzem ganz genauso. Ich habe mich nie bei ihr getraut meine (kritischen) Gedanken und Gefühle, die sie betreffen, zu offenbaren. Bin seit ca. 2 Jahren bei ihr und bis vor zwei Monaten war das ein No-Go und dann sind ein paar Dinge passiert und ich konnte es einfach gar nicht mehr zurückhalten. Also ich kann dir sagen, wenn du es momentan einfach nicht schaffst, dann hab das Vertrauen, dass der Zeitpunkt kommen wird, an dem entweder die Umstände oder/und das Vertrauen dich dazu bewegen, ihr offener gegenüber zu treten. Ich wünsch dir alles Gute!

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StillesMeer
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Beitrag So., 25.12.2022, 02:57

Ich möchte noch einmal etwas zu dem Thema schreiben.. da sich meine Einstellung zu der Anrede mittlerweile geändert hat, ohne dass ich mit der Therapeutin darüber gesprochen habe, aber teils haben mir eure Antworten hier zu einem Perspektivwechsel verholfen .

Neulich hat sie mich an der Haustür nicht mit „Liebe Frau..“ empfangen und es hat mich fast geschmerzt, denn ich empfinde es in Verbindung mit ihrem Lächeln nunmehr wie ein freundliches, vertrauensvolles Willkommen. Für mich war in diesem Moment aber auch klar, dass da vor mir im Zimmer mit der Patientin noch ein sehr schwieriges Gespräch am Laufen war, in das sie noch sehr involviert sein musste (dann begrüßt sie nachfolgende Patienten immer etwas verhaltener). Es war dann aber auch schnell wieder ok für mich, zumal mich die rauskommende Patientin nett grüßte.

Tatsächlich kam es bisher nie vor, dass sie eine andere Patientin mit der Anrede „Liebe..“ in der Tür empfing (es variiert dann eher nur ihre Stimmlage beim „Hallo“).
Ich bin aber inzwischen auch in Langzeittherapie bei ihr.

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Shukria
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Beitrag So., 25.12.2022, 09:06

Ich tu Liebe inzwischen als HöflichkeitsFloskel ab.

Bei meiner ersten Therapeutin hat mich das auch völlig aus dem Konzept gebracht und ich hab zig Sachen reininterpretiert an Zuneigung. Dann war ich in ner Tagesklinik und da liefs genauso und meine jetzige redet mich auch so in Anschreiben an …

Also das ist ein nettes Wort für Hallo, mehr nicht.

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ENA
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Beitrag So., 25.12.2022, 09:08

Ich denke auch,dass so eine Anrede durch aus "normal" und " nicht böse" gemeint sein kann. Es kann etwas mit "bewusst therapeutische Nähe entstehen lassen wollen", jemanden wirklich nett finden (und das kann man ja auch in den unterschiedlichsten Kontaktarten), Mitgefühl zeigen oder "einfach eine nette Geste" sein. Dass es etwas mit "klein machen wollen"oder Dich als "klein ansehen" zu tun hat,glaube ich nicht.

Mir kommt noch so eine Gedanke bzw. eher zwei Fragen.Du musst sie hier nicht beantworten,aber vielleicht magst Du es für Dich:'

Darf Dich jemand als lieb empfinden (oder anders formuliert "nett")? Magst Du Dich selber so empfinden?

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Philosophia
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Beitrag So., 25.12.2022, 10:31

Ich finds immer schwierig, sich mit anderen Patienten zu vergleichen, und zudem besser, wenn die Therapeutin alle Patienten ähnlich wertschätzend behandelt wie mich selbst.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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sunny87
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Beiträge: 125

Beitrag So., 25.12.2022, 10:44

Meistens bekommt man doch gar nicht mit, wie andere Patienten angesprochen werden. War bei mir zumindest so. Die Termine lagen immer so, daß man nur sehr selten andere Patienten gesehen hat.

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StillesMeer
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Beitrag So., 25.12.2022, 12:54

ENA hat geschrieben: So., 25.12.2022, 09:08 Ich denke auch,dass so eine Anrede durch aus "normal" und " nicht böse" gemeint sein kann. Es kann etwas mit "bewusst therapeutische Nähe entstehen lassen wollen", jemanden wirklich nett finden (und das kann man ja auch in den unterschiedlichsten Kontaktarten), Mitgefühl zeigen oder "einfach eine nette Geste" sein. Dass es etwas mit "klein machen wollen"oder Dich als "klein ansehen" zu tun hat,glaube ich nicht.
Das glaube ich inzwischen auch nicht mehr. Da sie mich dabei sehr freundlich anlächelt.

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