„Therapeutisches“ Umarmen?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Bluemoon123
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Beitrag Di., 28.12.2021, 14:01

Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:16 Wenn ich klar sagen würde, ich will nicht, dann würde er das auch respektieren, da bin ich mir sicher. Ich sag es aber eben nicht so, weil ich mir nicht sicher bin.
Wie wäre es denn, wenn Du mal ausprobierst, wie es ist, wenn Du mal "nein" sagst. Du sagst zwar einerseits, Du bist Dir sicher, dass er es respektieren würde, aber andererseits traust Du Dich doch nicht es mal zu tun. Du denkst Du müsstest da durch. Aber so ist es nicht. Du darfst auch "nein" sagen. Auch das scheinst Du noch lernen zu müssen. Vielleicht ist das die wichtigere Lernerfahrung. Ungestraft nein sagen zu dürfen und eben nicht alles aushalten zu müssen.

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Montana
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Beitrag Di., 28.12.2021, 14:10

Und noch eins, ähm, also ich hätte früher vermutlich auch mit Zähneknirschen Ja gesagt, um nicht wegen Verweigerung den Therapieplatz zu verlieren. Ob das nun als Drohung ausgesprochen worden wäre oder nicht, wäre überhaupt nicht relevant gewesen.
In einer Therapie habe ich gegen meinen eigenen Willen auf der Couch gelegen und das irgendwie ausgehalten. Bis ich an dem Punkt war, es zu riskieren, das einfach nicht mehr zu tun. Es kam kein Rausschmiss, obwohl ich den erwartet hatte. Der Therapeut hatte zu Beginn nämlich gesagt, ich MÜSSE auf der Couch liegen. Es war aber so schlimm, dass ich es am Anfang einer Stunde rausgezögert habe bis zum Geht-nicht-mehr und es mehr Druck gebraucht hätte, mich dazu zu kriegen. Also wurde es so, dass ich auf der Couch saß und er daneben auf seinem Stuhl. Bis er irgendwann meinte, wir könnten doch besser auf Stühle wechseln, weil es ja blöd sei, wenn wir uns jede Stunde den Hals verrenken müssen. Es wurde dann eine Analyse im Sitzen und nur ab und zu äußerte er noch den Wunsch, ich ginge auf die Couch. Was ich kein einziges Mal mehr gemacht habe (und das für mich als persönlichen Erfolg ansehe).

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Philosophia
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Beitrag Di., 28.12.2021, 14:34

Geht m.E. gar nicht - ich hatte 2 Therapeutinnen, die auch auf Umarmungen bestanden haben ... zum Kotzen war das und taktlos. Es hat dazu geführt, dass ich in meiner Analyse (die Analyse war nach diesen zwei übergriffigen Therapien) zunächst immer meinen riesigen Rucksack bei mir hatte, den ich beim Gehen sofort aufsetzte (damit ist Umarmen dann nicht gut möglich) und dann damit fluchtartig die Praxis verließ, um mich in Ruhe draußen anzuziehen. Ich brauchte 3 Jahre Analyse, um den Rucksack draußen zu lassen und mich in der Praxis wieder anzuziehen. Mit aufgedrückter Körperlichkeit wird es jedenfalls nicht besser - bei mir wurde es sogar schlimmer.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Gespensterkind
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Beitrag Di., 28.12.2021, 14:54

Ich bin wirklich berührt darüber, dass ihr mir so viel dazu schreibt und bedanke mich sehr dafür, weil es mir dabei hilft, meine eigenen Gedanken zu ordnen, teilweise bei euch wiederzufinden oder auch etwas besser mich zu verstehen!!! Vielen Dank dafür!
münchnerkindl hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:44 Wenn man das Fass aufmacht dann werden doch recht wahrscheinlich noch andere "Nähebedürfnisse" sich melden.

Das wird ziemlich sicher emotional nicht so werden, wie wenn ein Bruder dich rein freundschaftlich umarmt.
Tatsächlich bin ich wirklich überhaupt nicht verliebt oder habe irgendwelche sexuelle oder sonstige Nähe-Wünsche meinem Therapeuten gegenüber - nach wie vor nicht. Das beruhigt mich ein bisschen.
lisbeth hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:58 Du fandest den Vorschlag "schrecklich", aber wolltest "gute Patientin" sein und dich nicht sperren und machst deshalb brav mit?
Das trifft es ganz gut. Weil er in dieser Stunde, wo er das vorgeschlagen hat meinte, er habe den Eindruck, es gehe überhaupt nicht voran und ich würde mich in gar keine Richtung bewegen wollen. Und dann hat er das mit dem Umarmen vorgeschlagen und da habe ich mir gedacht: "das kannst Du jetzt nicht auch schon wieder ablehnen, sonst beendet er irgendwann die Therapie, weil ich mich nicht bewege..." (aber das schreibe ich jetzt nur hier, ich habe mich noch nicht getraut, das wirklich laut zu denken, ich schäme mich ein bisschen dafür)
lisbeth hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:58 Also, in dem Sinne, dass du seine "Erlaubnis" brauchst, dafür, dass du überhaupt Grenzen haben darfst?
Ja, Grenzen sind echt ein Problem. Ich habe immer das Gefühl, dass sich meine Grenzen sehr auflösen im Kontakt mit anderen. Das ist schwierig. Ich orientiere mich daher immer sehr an den Grenzen anderer, weil ich nicht weiß, wo meine wirklich sind. Ich glaube, da muss ich echt noch viel lernen...

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Gespensterkind
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Beitrag Di., 28.12.2021, 14:57

Winni hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 12:04 Dann kannst Du leichter an Deinen Gefühlen dazu erkennen, ob sich da für Dich etwas zum Positiven verändert.
Ich habe halt meist gar kein richtiges Gefühl dazu. Eher nur, dass etwas "komisch" ist oder "irritierend".
Lillern hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 12:34 Allerdings wäre so ja vielleicht wirklich der erste Schritt für dich zu schauen, was hier deine Grenzen sind, womit du dich wohlfühlst, und dich da ein wenig zu sortieren, und erst im zweiten Schritt zu handeln, in welche Richtung auch immer.
ich habe einfach Sorge, dass ich überhaupt nicht herausfinde, wo meine Grenzen sind, weil alles, was auch nur irgendwie mit Nähe zu tun hat, um das mache ich schon gleich einen großen Bogen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass ich kaum Augenkontakt aushalte und meinen Therapeuten beispielsweise fast nie anschaue. Weil mir das einfach zu nah ist und zu viel Angst macht.
Montana hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 13:15 Einfach, weil es nicht dasselbe ist, wenn einer die Arme um einen legt oder einen wirklich, wirklich in den Arm nimmt.

Ja, das ist es bestimmt nicht. Weil ich eben auch gar keine verliebten Gefühle habe. Ich habe gar keine richtigen Gefühle. Ich glaube auch nicht, dass sich das durch das Umarmen ändert. Das Umarmen sollte ja eher dazu führen, dass mir Nähe nicht mehr so unerträglich angstmachend vorkommt.
Waldschratin hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 13:56 Er weiß doch, dass du DIS bist, oder?
Spätestens da müsste ihm klar sein, was "sich an etwas gewöhnen" und deine Verwirrtheit bedeutet.
Hat er je nachgefragt, ob wirklich alle! Innenanteile tatsächlich und vollständig und ohne Bedenken mit dieser Umarmerei einverstanden sind?
Ja, das weiß er und darüber reden wir auch viel. Es ist gerade ein bisschen schwierig, weil nur die Kinder da sind und denen geht es gerade nicht gut - die Erwachsenen haben sich momentan wohl verloren. Sonst könnten die Erwachsenen-Helfer auch das eine oder andere Kind in den Arm nehmen. Das funktioniert aber gerade nicht mehr.
Waldschratin hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 13:56 Für mich das Schlimmste, was man mir antun kann : Ich darf nicht sein. Nicht die sein, die ich bin. Ich soll "weg", mein So-Sein soll "weggeholfen" werden.
Danke. Ja, das trifft schon auch meine Angst oder mein "Gefühl" (wenn man das so nennen kann) dazu. Es ist halt alles gerade sehr verwirrend.
Waldschratin hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 13:56 Mag jetzt ganz und gar nur Meins sein, aber deine Verwirrtheit und das "Keingefühldafür" kommt mir sehr bekannt vor.
Danke! Das passt sehr für mich! :red:
Bluemoon123 hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 14:01 Wie wäre es denn, wenn Du mal ausprobierst, wie es ist, wenn Du mal "nein" sagst. Du sagst zwar einerseits, Du bist Dir sicher, dass er es respektieren würde, aber andererseits traust Du Dich doch nicht es mal zu tun.
Ich erlebe ihn nicht missbräuchlich. Aber das ist natürlich schwer zu sagen. Und ich weiß gerade auch nicht, ob ich mich einfach traue, nein zu sagen. Zu sagen, dass ich mich unwohl fühle schon. Und auch darüber reden. Aber richtig nein sagen und einfach nur beim nein bleiben - puh - ich habe gerade Angst, dass ich das nicht kann :-((

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Tröte
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Beitrag Di., 28.12.2021, 15:18

Ich bin ein wenig "geschockt", dass hier einige von missbräuchlichen/grenzüberschreitendem Verhalten des Therapeuten sprechen. Ich kann sagen, dass z.B. im Schematherapeutischem Rahmen Umarmungen durch den Therapeuten nichts ungewöhnliches sind und in der Therapie auch üblich sein können. Natürlich in Absprache mit dem Patienten und in einem professionellem Rahmen.
Laut den Beschreibungen von Gespensterkind sehe ich hier kein grenzüberschreitendes/missbräuchliches Verhalten seitens des Therapeuten und gerade das Unwohlsein wurde ja auch thematisiert.
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Bluemoon123
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Beitrag Di., 28.12.2021, 15:37

Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 14:57
Bluemoon123 hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 14:01 Wie wäre es denn, wenn Du mal ausprobierst, wie es ist, wenn Du mal "nein" sagst. Du sagst zwar einerseits, Du bist Dir sicher, dass er es respektieren würde, aber andererseits traust Du Dich doch nicht es mal zu tun.
Ich erlebe ihn nicht missbräuchlich. Aber das ist natürlich schwer zu sagen. Und ich weiß gerade auch nicht, ob ich mich einfach traue, nein zu sagen. Zu sagen, dass ich mich unwohl fühle schon. Und auch darüber reden. Aber richtig nein sagen und einfach nur beim nein bleiben - puh - ich habe gerade Angst, dass ich das nicht kann :-((
Ich hab überhaupt nicht gemeint, dass das missbräuchlich wäre. Aber Fakt ist, Du traust Dich nicht nein zu sagen. Das ist aber die Voraussetzung dafür, dass man etwas dann auch wirklich zulassen kann. Wenn man nein sagen darf, wenn einem nicht danach ist, dann darf man genauso ja sagen, wenn einem danach ist. Dann erst ist das ja ein richtiges ja. Nicht wenn Du für Dich eigentlich keine andere Option hast als es über Dich ergehen zu lassen.

Und ein einmaliges nein ist ja auch noch lange kein dauerhaftes nein. Es kann sich ja theoretisch auch in jeder Stunde anders anfühlen. Wenn Dir dann mal danach ist, dann darfst Du ja genauso auch ja sagen.

Ich glaube das ist die wichtigere Lektion, die Du bei diesem Prozess lernen kannst. Dass wirklich DU entscheidest, ob Du es zulässt oder nicht. Ohne Strafen befürchten zu müssen, wenn Du es mal nicht zulässt.


Waldschratin
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Beitrag Di., 28.12.2021, 15:45

Gespensterkind hat geschrieben:Ich erlebe ihn nicht missbräuchlich. Aber das ist natürlich schwer zu sagen. Und ich weiß gerade auch nicht, ob ich mich einfach traue, nein zu sagen. Zu sagen, dass ich mich unwohl fühle schon. Und auch darüber reden. Aber richtig nein sagen und einfach nur beim nein bleiben - puh - ich habe gerade Angst, dass ich das nicht kann
Dann sag doch erstmal genau das : Dass du dich nicht "wirklich Nein sagen" getraust.

Es geht ja nicht drum hier klarzubekommen, ob dein Thera nun missbräuchlich ist, was falsch macht oder ihn irgendwie niederzumachen. (Mir jedenfalls nicht ;-) )
Sondern dass du mehr bei dir sein kannst und klar bekommen kannst, was du denn eigentlich grade "erlebst" und wahrnimmst und fühlst.

Und da hast du grade dieses Unwohlsein, deine Angst nicht Nein sagen zu können (oder dürfen), deine Verwirrtheit etc.
Und da könnt ihr gemeinsam ansetzen.
Ich denk, dein Thera braucht da nochn bissl mehr "Anleitung" von dir und ist da einfach (noch) zu unkundig und will zu viel "helfen".

Gespensterkind hat geschrieben: Es ist gerade ein bisschen schwierig, weil nur die Kinder da sind und denen geht es gerade nicht gut - die Erwachsenen haben sich momentan wohl verloren. Sonst könnten die Erwachsenen-Helfer auch das eine oder andere Kind in den Arm nehmen. Das funktioniert aber gerade nicht mehr.
Und das hat ja seinen Grund, warum die Kleinen grade so "übernommen" haben. :ja:
Habt ihr die schon mal "gefragt" oder die Erwachsenen, warum die sich so vom Acker machen?
So schwer das ist und so oft das "nicht funktionieren" mag, Versuch ist es trotzdem wert, immer wieder (mal) : Zulassen, Raum geben, "zuhören", innehalten und erstmal angucken und wahrnehmen.

Gespensterkind hat geschrieben: Dazu gehört zum Beispiel auch, dass ich kaum Augenkontakt aushalte und meinen Therapeuten beispielsweise fast nie anschaue. Weil mir das einfach zu nah ist und zu viel Angst macht.
Kenn ich auch, nur zu gut! Und viele hier ebenso! :hugs:

"Musst" du ihn denn anschauen?
Was wäre, wenn du z.B. dir ne Decke nimmst und dich drunter verkriechst und so mit ihm in Kontakt gehst?
Dich hinterm Sofa versteckst oder einem dicken Kissen?
Kontakt aufnehmen und Nähe spüren geht so auch. Ich habs schon ausprobiert. ;-)

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peponi
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Beitrag Di., 28.12.2021, 15:48

Philosophia hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 14:34 Es hat dazu geführt, dass ich in meiner Analyse (die Analyse war nach diesen zwei übergriffigen Therapien) zunächst immer meinen riesigen Rucksack bei mir hatte, den ich beim Gehen sofort aufsetzte (damit ist Umarmen dann nicht gut möglich) und dann damit fluchtartig die Praxis verließ, um mich in Ruhe draußen anzuziehen. Ich brauchte 3 Jahre Analyse, um den Rucksack draußen zu lassen und mich in der Praxis wieder anzuziehen.
Sorry fürs Offtopic, aber dein Beitrag hat mich gerade geplättet, Philosophia. Ich mache das fast eins zu eins genauso - ich packe meine Jacke grundsätzlich in meinen Rucksack, damit ich nach der Therapiestunde so schnell wie möglich fliehen kann und nicht noch mal zurück zur Garderobe und damit noch ein zweites Mal am Therapeuten vorbei muss. Obwohl er mir nie irgendeinen Anlass gegeben hat, ihm zu misstrauen, und ich auch registriert habe, dass er irgendwann anfing, nach der Stunde im Therapiezimmer zu bleiben und ich vermute, dass er das bewusst macht, um mir meine Flucht so angenehm wie möglich zu gestalten - ich kriege das einfach nicht weg und fühle mich total lächerlich, dass ich es nicht schaffe, meine Jacke an der Garderobe aufzuhängen und mich in der Praxis anzuziehen. Mir tat das gerade wirklich gut, das von dir zu lesen. Danke.

Und entschuldige an dich, Gespensterkind, dass ich deinen Thread jetzt kurz dafür benutzt habe, das loszuwerden. Mir geht das, was du schreibst, aber auch nicht aus dem Kopf und es beschäftigt mich, vielleicht auch weil dein Therapeut eine ähnliche Formulierung benutzt hat wie dieser übergriffige Therapeut, von dem ich eingangs geschrieben habe. Dieses "Nähe aushalten" - da schüttelt es mich wirklich, weil es so perfide ist und du als die Schuldige da stehst, wenn du dich damit nicht gut fühlst. Ich will auch nicht zu viel von meinem in deins projizieren, aber darf ich dich fragen, ob es für dich überhaupt ein Therapie-Ziel ist, Nähe besser zulassen zu können? Oder kam das nur von deinem Therapeuten?
Ich sehe Umarmungen nicht per se als missbräuchlich, so schwarz-weiß ist die Welt nicht, aber es kann halt fließend in einen Graubereich übergehen. Er hat den Vorschlag gemacht, nicht du, das ist für mich schon das erste Alarmsignal. Er hat dir die Möglichkeit gelassen, es abzulehnen, aber aus Angst vor Konsequenzen hast du dem zugestimmt, obwohl du dich damit unwohl fühlst. Weiß er von deinem Unwohlsein?

Und, noch mal zum Verständnis, warst du nicht auch diejenige, die fünf Termine wöchentlich hatte? Also lässt du fünf Mal wöchentlich eine Umarmung über dich ergehen, die du eigentlich gar nicht möchtest?

Liebe Grspensterkind, ich bin auch nicht gut darin, meine Grenzen abzustecken. Aber bitte, bitte sprich das an und dein Unwohlsein damit!
silence like a cancer grows.

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Lillern
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Beitrag Di., 28.12.2021, 16:04

Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 14:54 Weil er in dieser Stunde, wo er das vorgeschlagen hat meinte, er habe den Eindruck, es gehe überhaupt nicht voran und ich würde mich in gar keine Richtung bewegen wollen. Und dann hat er das mit dem Umarmen vorgeschlagen und da habe ich mir gedacht: "das kannst Du jetzt nicht auch schon wieder ablehnen, sonst beendet er irgendwann die Therapie, weil ich mich nicht bewege..." (aber das schreibe ich jetzt nur hier, ich habe mich noch nicht getraut, das wirklich laut zu denken, ich schäme mich ein bisschen dafür)
Ich finde dafür musst du dich gar nicht schämen. Mir würde es in der Situation genau so gehen, da war vielleicht das Timing auch etwas unglücklich gewählt, sodass man sich da selber unter Druck setzt weil "man muss ja irgendwie zufrieden stellen".
Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 14:57 ich habe einfach Sorge, dass ich überhaupt nicht herausfinde, wo meine Grenzen sind, weil alles, was auch nur irgendwie mit Nähe zu tun hat, um das mache ich schon gleich einen großen Bogen.
Hast du darüber denn mal mit ihm gesprochen?
Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 14:57 Aber richtig nein sagen und einfach nur beim nein bleiben - puh - ich habe gerade Angst, dass ich das nicht kann
Und wenn du erstmal ansprichst, dass du denkst, dass du dich nicht traust nein zu sagen, und deswegen die Umarmungen zulässt? (wenn das denn der Fall ist) Das wäre ja vielleicht ein Mittelweg. Und über solche Dinge in der Therapie zu sprechen, Grenzen zu erkunden usw. ist ja auch eine "Bewegung", ich denke das würde auch dein Therapeut so sehen.

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Philosophia
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Beitrag Di., 28.12.2021, 16:12

Krass liebe Peponi, dass du das so kennst! Es war bei mir extrem zwanghaft. Wir haben in der Analyse nie darüber geredet, ich hatte das Gefühl, sie wusste es. Sie ist mir nach dem Abschied nie nachgelaufen oder hat mich rausbegleitet - und das fand ich hilfreich. Ich konnte es sein lassen, als ich wirklich wusste, dass sie mir das nicht antun wird.
Ich sehe Umarmungen in der Therapie auch nicht zwangsläufig als missbräuchlich an - aber wenn es dem/der Patienten/in nicht gut tut, dann sollte das tabu sein, wirklich! Nur weil der Therapeut glaubt, er könnte mit seinen heilenden Händen Wunder vollbringen?! Pfff! Ich hab auch schon von Therapeuten gelesen, die so sexuelle Handlungen an Patientinnen gerechtfertigt haben, dass sie deren Lust wieder erwecken wollten. Echt nicht cool!
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alatan
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Beitrag Di., 28.12.2021, 16:45

Leider ist Missbrauch in der Psychotherapie oftmals nicht (sofort) erkennbar. Und ein missbrauchender Therapeut tut dies keineswegs unbedingt bewusst, sondern aufgrund eigener unverarbeiteter Neurosen. Durch übergriffiges Verhalten besteht immer die Gefahr der Entstehung einer Übertragungsneurose (vulgo Verstrickung), aus der herauszukommen in vielen Fällen unmöglich ist.


montagne
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Beitrag Di., 28.12.2021, 17:14

Ich melde, wie andere hier, meine Bedenken.
Ich lehne Körperkontakt nicht grundsätzlich ab. Ich habe zwar auch, wie viele Probleme mit Nähe, bin aber doch wohl ein sehr körperlicher Mensch, was ja schon nicht bei jedem so ist und was auch in Ordning so ist. Muss ja nicht.
ABER:
1. Diese Körperlichkeit sollte man denke ich selbst, im eigenen Tempo und zu eigenen Konditionen entdecken oder wiederentdecken und nicht auf Komando. Gerade als traumatisierter Mensch ist doch Kontrolle über die eigenen körperlichen Grenzen wichtig. Und ist es nicht auch schon eine ungute Wiederholung, wenn man etwas "brav" mitmacht, obwohl man sich nicht gut damit fühlt?
2. Ich glaube Körperkontakt kann schon heilen oder erhellend sein, aber das wird erst in späteren Phasen der Heilung der Fall sein, wenn eben die Basis dafür vorhanden ist. Und dazu geört für mich ein gutes Gespühr für die eigenen Bedürfnisse UND die es gegenüber, aber auch andere Ich-Funktionen. Es liegt in der Natur der Sache einer kPTBS dass die zu Beginn noch unzureichend ausgeprägt sind.
3. Es gehört in den Alltag, wo man es eben selbst reguliert und man meist weniger regressiv ist ODER in die Hände eines Profis, der/ die Körperarbeit gelernt hat und dies selbst gut reflektieren kann. Denn es ist ein Spiel mit dem heißen Eisen. Es können sehr gemischte, unvereinbare Gefühle und Bedürfnisse geweckt werden (sexuelle UND kindlich-regressiv), denn man lebt nunmal in einem erwachsenen Körper und hat ein erwachsenes Frontalhirn, welches bestimmte Körpersignale entsprechend werten wird. Es kann aber vielleicht auch eine tiefe, hinderliche Regression entstehen, die selbst mit externer Hilfe nur schwer auflösbar ist.

Und warum hast du täglich Therapie?
Zuletzt geändert von montagne am Di., 28.12.2021, 17:36, insgesamt 3-mal geändert.
amor fati

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Lilien
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Beitrag Di., 28.12.2021, 17:14

Liebe Gespensterkind,

es ist ja schon sehr vieles hier geschrieben worden. Ich möchte mich auch nicht unbedingt wiederholen. Ich gehöre jedenfalls auch zu den Menschen, die Berührungen nur sehr selektiv und von sehr wenigen Menschen zulassen.

Ich habe auch schon diverse Übergriffe durch andere Menschen bzw. eigentlich fast nur von Männern, hinter mir. Griffe an die Brust, die Taille, Umarmungen, Streicheln über den Oberschenkel etc.

Einmal griff mir jemand an die Oberweite und meinte, mein Schal sei halt so schön :anonym: . Da ich in meiner Kindheit schweren Missbrauch erlebt habe, kann ich selbst "nett gemeinte" Berührungen oftmals nur sehr schwer aushalten. Ich sehe es, im übertragenen Sinne, wie einen Nerv, den man überstrapaziert, sodass er infolge einfach "übersensibel" reagiert und kleinste Berührungen unaushaltbar werden. Einzig mein Sohn darf mich ohne Vorankündigung knuddeln. Hier muss ich es auch nicht aushalten, ich kann es genießen! Bei allen anderen Menschen habe ich meine Schmerzensgrenze und die würde ich auch nicht auf Anraten eines Therapeuten sofort ablegen.

Das, was Du da spürst, ist eine Grenzverletzung. Und zwar Deiner eigenen, persönlichen(!) Berührungsgrenze. Es muss überhaupt nicht bedeuten, dass der Therapeut da bewusst oder unbewusst "missbräuchlich" arbeitet, aber da Du ein Individuum bist und für Dich eigentlich bei jeder Umarmung Unwohlsein fühlst, solltest Du es als Experiment seinerseits betrachten, das Du jedoch und zwar mit gutem Recht, jederzeit erst einmal "auf Eis" legen darfst.

Du könntest auch vorschlagen, die Berührungen auf andere Menschen zu verlagern, also auf Vertraute. Dass Du z.B. damit beginnst, leichte Berührungen (müssen ja auch keine Umarmungen sein) durch eine vertraute(!) Person erst einmal zuzulassen. Es muss doch nicht zwangsläufig der Therapeut sein...

Das, was da bei Deinem Therapeuten geschieht, das würde mir die Luft zum Atmen nehmen! Fünfmal in der Woche sehen, dann jeden Tag umarmen...
Das alles in einer Verhaltenstherapie. Ich würde das definitiv in der Konstellation auch nicht aushalten können.

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Montana
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Beitrag Di., 28.12.2021, 17:17

Ich weiß grad nichtmal, ob mein Therapeut eine Garderobe hat. Die Jacke ziehe ich nicht aus. Jetzt im Winter öffne ich sie, weil es sonst arg zu warm ist.
Da ich es schwierig fand, nach dem Öffnen der Tür an ihm vorbei zu gehen, sprach ich das an. Jetzt öffnet er und geht dann weg, und ich schließe die Tür. Ich weiß nicht warum, aber mich stresst es sehr, wenn ich ihn hinter mir habe.
Letztens erwähnte er, dass ich die einzige bin, für die er beim Öffnen vom Normalen abweicht. Das finde ich zwar auch irgendwie unangenehm, und ich war versucht, darum zu bitten, es wieder "normal" zu machen, aber irgendwie will ich das einfach nicht. Es ist so viel besser, wenn der Abstand gewahrt bleibt.
Es ist aber auch nicht so, dass ich ihn in irgendeiner Weise abstoßend finde. Ganz im Gegenteil. Unter anderen Umständen wäre der genau das, was ich toll fände. Fast so toll wie mein Mann ;)

Zu Berührungen habe ich irgendwo mal was gelesen, speziell bei DIS. Und das lief auf das hinaus, was hier schon angesprochen wurde: es ist kaum auf die Schnelle in Erfahrung zu bringen, ob alle einverstanden sind. Dass sich spontan alle einig sind, ist auch eher nicht zu erwarten. Also entscheidet es jemand für alle und die anderen müssen damit leben ohne es ändern zu können. Und fühlen sich nachvollziehbar schlecht deswegen.

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