(Teil 2) Nach mehrstündiger Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln unter Schmerzen und Corona-Ansteckungsgefahr sitze ich dann ENDLICH dem Arzt gegenüber, und was ist: von dem Brief hat er noch nie gehört, über die Idee einer OP wird gelacht, so abwegig ist sie scheinbar, und die übliche Leier geht los: ob ich denn schon alle Pillen durchprobiert habe, warum ich denn bitte nicht jeden Tag bis zu den Wechseljahren hochdosierte Schmerzmittel schlucken will, dass ich zu jung sei, um zu entscheiden, ob ich Kinder möchte usw. Nach drei Minuten „Anamnesegespräch“, in denen ich genau einmal zu Wort gekommen bin, werde ich arrogant abserviert und kann wieder vier Stunden mit dem Zug nach Hause fahren. Das ist mir jetzt mehrmals passiert, und die verbliebenen Termine, die ich diesen Winter noch habe, werden genau so laufen.
Ich bin über Betroffenen-Foren mit anderen Patientinnen in Kontakt, die sich seit 5 bis 15 Jahren ausschließlich von genau so einem Termin zum nächsten hangeln, und deren Leben, wenn sie dann mit Ende 30 ENDLICH genug gelitten haben und von ihrer kranken Gebärmutter befreit werden, unwiderbringlich zerstört ist. Weil sie 40 sind und einsam und verarmt. Weil sie seit ihrer Kindheit ihre ganze psychische und körperliche Kraft dafür gebraucht haben, ihre Schmerzen auszuhalten, anstatt sich beruflich und privat ein Leben aufzubauen. Gestern Abend habe ich mit einer 21-jährigen Adenomyose-Patientin gechattet, die überlegt, von außen ihre Gebärmutter mit einem Messer so zu verletzen, dass sie danach raus genommen werden muss. Dass sie dabei vermutlich andere Organe mitverletzt oder sogar sterben könnte, ist ihr mittlerweile egal, sie kann nur so wie es ist nicht weiterleben. In England gibt es eine 22-Jährige, deren Körper von Endometriose so angegriffen ist, dass sie im Rollstuhl sitzt. Beiden wird von Ärzten ausdrücklich deshalb nicht geholfen, weil sie noch (?!) keine Kinder bekommen haben. Sie als Menschen, wie sehr sie leiden und wie sie ihre Jugend und Zukunft verlieren und ob sie sich irgendwann umbringen, zählt nicht, solange sie ihren Existenzzweck als Frau noch nicht erfüllt haben, indem sie als Brutkasten für Babies waren. Wenn Ärzte es aus egoistischen Gründen und patriarchalischen Überzeugungen heraus so weit kommen lassen, ohne ihrem Hippokratischen Eid nachzukommen, Menschen in Not zu helfen, dann haben sie es auch verdient, dass man Druck auf sie ausübt und sie mit seinen sehr begrenzten Mitteln zum Handeln zwingt. Traurig genug, dass das überhaupt nötig ist, bevor sie aktiv werden. Einbeziehen würde ich sie, wenn sie sinnvolle Behandlungsvorschläge machen würden, und willkürlich Verhütungsmittel zu verschreiben, die keine nachweisbare Auswirkung auf meine Krankheit haben, zählt für mich nicht dazu.
Mich in psychiatrische Behandlung zu begeben, halte ich momentan noch für den falschen Weg, da es allen zukünftigen Ärzten, die versuchen, mich abzufertigen, indem sie meine Krankheit auf die Psyche schieben, noch ein Argument in die Hand gibt. Damit würde ich ja gewissermaßen eine Aussage über mich treffen, mit der ich mir selbst in den Rücken falle. Eine Person meines Vertrauens habe ich nicht mehr, denn chronische Schmerzen isolieren auf die Dauer… trotzdem danke ich dir für deine Vorschläge! Wenn ich selbst nicht mehr weiterkomme, greife ich vielleicht darauf zurück. Und tut mir Leid, dass du jetzt die „Zielscheibe“ dieses Romans geworden bist; das war so nicht gedacht!