Nicht über den Missbrauch reden können - was hilft?

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 20.09.2021, 21:48

NeverEndingStory hat geschrieben: Mo., 20.09.2021, 21:21 Und bei Körpertherapie hatte ich übrigens die gleichen Probleme. Ich komme emotional an den MB ran, zeige ihn (körperlich, symptomatisch ü…) , merke, dass die Thera das wahrnimmt… und bin weg oder stürze emotional ab.

Okay, dann ist es aber ggf auch einfach sinnvoller Selbstschutz dass eine Instanz in deinem Geist sagt, ne, das überfordert, das holen wir jetzt nicht wieder hoch.

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Beitrag Mo., 20.09.2021, 22:02

@ chrysokoll
Ja, vielleicht hast du da recht.
So konkret haben wir das nie besprochen.
Aber ich bin jetzt halt am Thema sexueller Missbrauch dran, der Rest ist im Moment weniger wichtig oder auch einfach wirklich ein Stück weit bearbeitet.
Meine Thera würde mir ganz sicher nicht im Wege stehen sondern mir helfen jemand geeignetes zu finden und mich weiter begleiten, bis ich jemanden hätte, wenn ich das wollte.
Aber… ich möchte gar nicht. Ich habe wirklich viel mit ihr durch. Oder sie mit mir.

Und sie traut sich bzw. uns das auch zu. Sie meint das würde sich verändern (und ja, hat es vielleicht auch schon ein kleines bisschen?).

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Beitrag Mo., 20.09.2021, 22:06

münchnerkindl hat geschrieben: Mo., 20.09.2021, 21:48 Okay, dann ist es aber ggf auch einfach sinnvoller Selbstschutz
Aber, es kommt ja eh hoch. Das Hochkommen geht vielleicht sogar noch, aber WEHE jemand anderes nimmt das wahr.
Was für eine Art von verkorkstem Selbstschutz soll das sein, der nur dann funktioniert, wenn ich mich endlich mal mitteilen könnte???

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 20.09.2021, 22:07

Naja, aussprechen macht es nochmal realer als nur drüber nachdenken.

Kannst du es niederschreiben?

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Beitrag Mo., 20.09.2021, 22:14

münchnerkindl hat geschrieben: Mo., 20.09.2021, 22:07 Kannst du es niederschreiben?
Ja, zumindest einigermaßen. Aber Welten besser als drüber reden.

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Beitrag Mo., 20.09.2021, 22:15

Hat sonst noch jemand Ideen, was ich konkret ausprobieren könnte, um weiter zu kommen an dieser Stelle?
Oder vielleicht auch irgendwelche theoretischen Infos zur Einordnung?
Oder kennt jemand Ähnliches?

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Kirchenmaus
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Beitrag Di., 21.09.2021, 06:22

Ja, ich kenne das.

Ich habe herausgefunden, dass es "einfach" Anteile sind, die mich vor der Wahrheit schützen wollen. (Solange es nicht stimmt, war es nicht wahr, also bin ich die Verrückte, also kann ich es verändern, also habe ich die Kontrolle – vereinfacht gesagt.)

Für mich ist es auch extrem schwer, die Emotionen und Körpererinnerungen auszuhalten. Das ist aktuell ein Thema, und ich leide sehr.

Was mir hilft, ist, die Situationen, die erzählt werden sollen, ganz stark zu fragmentieren. Auf keinen Fall eine ganze Sequenz erzählen! Nur ein ganz kleines Stück, und dann sofort Pause machen, wenn die überwältigenden Gefühle kommen. Das kann z. B. sein, nur zu sagen: "Es war in meinem Zimmer." Meist müssen dann erst die auftauchenden Gefühle betrachtet und versorgt werden, die extrem stark sein können.

Dies habe ich im Rahmen einer Therapie mit Schwerpunkt Trauma mittels Bildschirmtechnik so gelernt und gehandhabt. Jetzt mache ich Somatic Experiencing, und die Therapeutin achtet absolut streng darauf, dass ich mich nicht überfordere.

Als Grundausstattung solltest du unbedingt Techniken zur Reorientierung kennen: 1-2-3-Übung, Igelball, Füße spüren, etwas zum Riechen o. ä. Die sind wirklich notwendig.
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

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Shukria
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Beitrag Di., 21.09.2021, 07:48

Ich kenne das auch als unbewussten Schutz.

Das Thema drängt, kommt hoch aber ich kanns nicht aussprechen.

Mein impuls war bei der Bearbeitung immer die Therapeutin am liebsten vor die Tür setzten zu wollen um beim drüber reden nicht von ihr in Stich gelassen werden zu können. Das hat viel Zeit gebraucht das zu reflektieren warum aussprechen mit/bei ihr so schwer ist obwohl es so drückt und Vertrauen grundsätzlich da ist. Aber sex. Gewalt es ist eben noch mal ne andere Stufe und meist schon mit negativer Beziehungserfahrung verknüpft. Und ja reden macht es auch realer. Da sind die BeziehungsÄngste fallen gelassen zu werden entsprechend auch massiver.

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Beitrag Di., 21.09.2021, 08:14

Kirchenmaus hat geschrieben: Di., 21.09.2021, 06:22 Ja, ich kenne das.

Ich habe herausgefunden, dass es "einfach" Anteile sind, die mich vor der Wahrheit schützen wollen. (Solange es nicht stimmt, war es nicht wahr, also bin ich die Verrückte, also kann ich es verändern, also habe ich die Kontrolle – vereinfacht gesagt.)

Als Grundausstattung solltest du unbedingt Techniken zur Reorientierung kennen: 1-2-3-Übung, Igelball, Füße spüren, etwas zum Riechen o. ä. Die sind wirklich notwendig.
Danke Kirchenmaus, es tut so gut zu hören, dass ich nicht die einzige bin, der es so geht.

Und das mit den Anteilen… meine Thera meinte tatsächlich mal etwas ähnliches. Und das klingt für mich auch sehr stimmig. Nur dass ich nicht raus habe, inwiefern die Anteile nur bestrafen und zerstören wollen oder inwiefern (auch) schützen.

Die Techniken kenne ich, aber gut dass du das sagst, ich sollte das mal wieder bewusster angehen und gezielt in dieser Situation nutzen. Ich vergesse oft, dass es sowas gibt oder weiß in dem Moment wo es nötig wäre dann einfach nicht mehr wie sie gehen. Ich vergesse zum Beispiel bei der 5-4-3-2-1 Übung (vermutlich wie deine 1-2-3 Übung?) welche Sinne wann kommen bzw. welche Sinne es überhaupt gibt. Das vergesse ich auch dann, wenn ich es auf drei reduziere.
Aber da könnte mir meine Thera vielleicht helfen.

Diskrimination hilft mir eigentlich immer am meisten, aber dafür brauche ich den Kontext der Situation/ Erinnerung und den habe ich meist nicht (ich habe nur sehr fragmentierte Erinnerungen und oft kontextlose Bilder/ Körpergefühle oder Stimmen oder so).
In diesem Fall weiß ich z.B. auch nicht genau, ob das Problem der Inhalt der Erinnerung ist oder der Versuch das mitzuteilen oder beides? Ist alles gefühlter Einheitsbrei.

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Beitrag Di., 21.09.2021, 08:16

Shukria hat geschrieben: Di., 21.09.2021, 07:48 Mein impuls war bei der Bearbeitung immer die Therapeutin am liebsten vor die Tür setzten zu wollen um beim drüber reden nicht von ihr in Stich gelassen werden zu können. Das hat viel Zeit gebraucht das zu reflektieren warum aussprechen mit/bei ihr so schwer ist obwohl es so drückt und Vertrauen grundsätzlich da ist. Aber sex. Gewalt es ist eben noch mal ne andere Stufe und meist schon mit negativer Beziehungserfahrung verknüpft. Und ja reden macht es auch realer. Da sind die BeziehungsÄngste fallen gelassen zu werden entsprechend auch massiver.
Ja. Genau so.

Und habt ihr es dann einfach weiter probiert, reflektiert?

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Kirchenmaus
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Beitrag Di., 21.09.2021, 09:34

NeverEndingStory hat geschrieben: Di., 21.09.2021, 08:14 Und das mit den Anteilen… meine Thera meinte tatsächlich mal etwas ähnliches. Und das klingt für mich auch sehr stimmig. Nur dass ich nicht raus habe, inwiefern die Anteile nur bestrafen und zerstören wollen oder inwiefern (auch) schützen.
(...)
Ich vergesse zum Beispiel bei der 5-4-3-2-1 Übung (vermutlich wie deine 1-2-3 Übung?) welche Sinne wann kommen bzw. welche Sinne es überhaupt gibt. Das vergesse ich auch dann, wenn ich es auf drei reduziere.
Aber da könnte mir meine Thera vielleicht helfen.
(...)
(ich habe nur sehr fragmentierte Erinnerungen und oft kontextlose Bilder/ Körpergefühle oder Stimmen oder so).
In diesem Fall weiß ich z.B. auch nicht genau, ob das Problem der Inhalt der Erinnerung ist oder der Versuch das mitzuteilen oder beides? Ist alles gefühlter Einheitsbrei.
Ganz kurz, weil ich gleich wegmuss:
Die Aufgabe der Anteile ist immer, das System zu schützen. Immer.

Ja, ich meinte die 5-4-3-Übung. Hab mich verschrieben. :)

Für mich deutet das auf sehr frühe bzw. extrem angstbesetzte Erfahrungen hin. Die brauchen besondere Behutsamkeit.

Alles Gute!
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 21.09.2021, 09:53

NeverEndingStory hat geschrieben: Mo., 20.09.2021, 22:14
münchnerkindl hat geschrieben: Mo., 20.09.2021, 22:07 Kannst du es niederschreiben?
Ja, zumindest einigermaßen. Aber Welten besser als drüber reden.



Dann könntest du es quasi literarisch verpackt verarbeiten. Du könntest versuchen in der dritten Person darüber zu erzählen, also nicht "ich"... erlebte xyz sondern eine fikitionale "sie" kreieren die das erlebt und dich so etwas von den Geschehnissen distanzieren.
So könntest du die Geschichte auch in Variationen so verfremden und verändern, dass dann eine helfende dritte Person hinzutritt oder andere Geschehnisse eintreten die dem Opfer zur Hilfe kommen.

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Di., 21.09.2021, 10:45

münchnerkindl hat geschrieben: Mo., 20.09.2021, 20:38
Es ist meiner Meinung nach keine Übertragung wenn man zB von den Tätern oder der Umgebung zur Zeit der Tat eingeredet bekommen hat man dürfte über etwas nicht reden und dann aufgrund dieser Konditionierung Hemmungen davor hat darüber zu reden
Exakt das ist mein Problem, das ich hier in 2 anderen Threads aufgegriffen habe und (zu Recht) harte Rückmeldungen bekam. Obwohl ich eine andere Tat supergut und erfolgreich mit dem Thera "abgearbeitet" habe, ist es jetzt geknallt. Dabei haben wir uns wohl gegenseitig hochgeschaukelt. Und man ist so auf jede kleine Abwehrgeste ("jetzt nicht, später", abweisender Gesichtsausdruck) konditioniert, weil man ja damals auch keine Hilfe bekam oder verhöhnt wurde etc. Und Thera interpretiert das als mangelndes Vertrauen => Teufelskreis. Dabei ist es doch Teil der Diagnose, die Fragmente nicht genau zusammensetzen zu können. Ich versuche es jetzt auch erst mal als Trockenübung im Selbststudium: Aufschreiben, aufnehmen auf Band, anhören zur Gewöhnung, Tatortbesichtigung. Ja, gerade bei diesem brisanten Thema hätte ich Hilfe benötigt, denn es ist wirklich noch mal ne Hausnummer heftiger als eine "normale"Gewalttat. Aber was soll ich denn tun, wenn mir Thera das Thema verweigert? Mit Freunden geht es auch nicht, die sind ganz grün im Gesicht geworden und haben gesagt "hör auf". Also, auf eigene Gefahr und nicht unbedingt zum Nachahmen empfohlen.
@Übertragung: Aber evtl. Mutter/Vater/Lehre*innen, Mitschüler*innen, Familienangehörige, die nicht geholfen haben = doch Übetrtragung?

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 21.09.2021, 11:25

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Di., 21.09.2021, 10:45
Und Thera interpretiert das als mangelndes Vertrauen => Teufelskreis. Dabei ist es doch Teil der Diagnose, die Fragmente nicht genau zusammensetzen zu können.

Ich finde alleine schon die Begrifflichkeit "mangelndes" Vertrauen problematisch. Also dass man da einen Mangel hat, mal wieder mangelhaft ist. Also "du machst es mal wieder nicht gut genug".

Ich würde sagen, Vertrauen ist ein Kontinuum. VOLLSTÄNDIG vertrauen sollte man niemandem. Weil das Gegenüber ist ein Mensch, selbst ohne schlechte Absicht sind Menschen fehlbar. Und zwischen "der hat eh schlechte Absichten, vorsicht" und "ich gebe mich vollständig in die Hand eines anderen Menschen" gibt es sinnvolle Abstufungen.

Will man vollständiges Vertrauen muss man sich der Religion zuwenden. Allgüte und Allweisheit die einem vollständige Sicherheit verspricht kann man nur in der Transzendenz suchen.

Ausserdem, was ist es wirklich? Mangel an Vertrauen oder nicht doch eher ein zu viel an Zweifeln/Ängsten?

Ausserdem, bei mir war es immer so dass meine Zweifel an irgendwas sich hinterher als berechtigt rausgestellt haben. Ich bin eignetlich immer nur auf die Nase gefallen wenn ich die weggeschoben und ignoriert habe. Hmmm, "fühlt sich irgenwdie gerade nicht so gut an xyz zu tun" kann auch eine sinnvolle Warnleuchte sein. Weil es gibt ja tatsächlich im Leben an jeder Ecke jemand wo du dir ein schlechtes Erlebnis abholen kannst.
Der Zweifel ist also grundsätzlich nicht dein Feind! Stell dir vor, du bist bei Scientology und fängst an daran zu zweifeln was da mir dir gemacht wird. Da ist es doch super!
Zuletzt geändert von münchnerkindl am Di., 21.09.2021, 11:36, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag Di., 21.09.2021, 11:36

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Di., 21.09.2021, 10:45
münchnerkindl hat geschrieben: Mo., 20.09.2021, 20:38
Es ist meiner Meinung nach keine Übertragung wenn man zB von den Tätern oder der Umgebung zur Zeit der Tat eingeredet bekommen hat man dürfte über etwas nicht reden und dann aufgrund dieser Konditionierung Hemmungen davor hat darüber zu reden
Und man ist so auf jede kleine Abwehrgeste ("jetzt nicht, später", abweisender Gesichtsausdruck) konditioniert, weil man ja damals auch keine Hilfe bekam oder verhöhnt wurde etc. Und Thera interpretiert das als mangelndes Vertrauen => Teufelskreis.
Genau das würde meine Thera aber jetzt, glaube ich, als Übertragung bezeichnen.
Dass einem das früher von Tätern eingeredet … wurde spricht ja gar nicht dagegen, dass sich das heute als Übertragung zeigt.
Ich denke, wenn meine Thera das in dem Kontext Übertragung nennt, dann will sie mich daran erinnern, dass das alte Gefühle sind. Damit ich überhaupt anfangen kann da Realität rein zu bringen.
Und klar, ich Zweifel dann an ihr und daran, inwiefern das wirklich alt ist. Und suche Anzeichen, die mir bestätigen, dass eigentlich sie das Problem ist. Das macht es ja so schwierig.

Sie benutzt den Begriff der Übertragung glaube ich für alles, was aus alten Beziehungen die heutigen überschattet.

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