Schwindel in der Therapiestunde

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Waldschratin
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Beitrag So., 22.08.2021, 07:24

Ach ja, was mir noch einfällt:
Sun_Shine hat geschrieben:Nach dieser Übung habe ich mich unter einer Decke verkrochen-
Vielleicht wäre es gut, diese Decke gleich zu Anfang der Stunde zu nutzen?
Kann vielleicht gut Schutz und Deckung (im wahrsten Sinn des Wortes... :-> ) geben, so dass es die Watte im Kopf nicht so schnell und komplett braucht.

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lisbeth
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Beitrag So., 22.08.2021, 08:38

Hallo sun_shine,

zusätzlich zu meiner Gesprächstherapie bin ich regelmäßig bei meiner Kunsttherapeutin, die auch ein körperorientierte Ausbildung hat, und das auch regelmäßig in die Stunden mit einfließen lässt.

Das was du beschreibst, hört sich (für mich) schon nach dissoziativen Symptomen an: Irgendwas wird dir (emotional) zu viel und deshalb schaltest du ab.
Was meine Kunsttherapeutin immer wieder mit mir "übt", ohne das aber explizit zum Fokus zu machen: An solchen Grenzen entlang zu pendeln. Und das geht auch ganz losgelöst von den Inhalten. Im übertragenen Sinne: zu lernen, mit einem Fuß auf dem festen Boden zu bleiben und den anderen auf die wackelige Fläche zu stellen, und dann auszutesten, wie weit du gehen kannst, ohne dich komplett im Schwindel (oder in irgendeiner anderen Empfindung) zu verlieren.
Das geht mit ein wenig Übung wirklich so, wie wenn man das Gewicht zwischen den beiden Füßen hin und her verlagert. Wenn ich merke, es wird zu viel, gehe ich mit meinem Fokus auf den "sicheren" Boden zurück. Wenn ich mich wieder sicherer fühle, dann probiere ich wieder mehr wackeligen Boden aus.

Das hat den Vorteil, dass es meine Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit stärkt. Dass ich mich nicht so sehr von einem Gegenüber oder irgendwelchen "magischen" Skills abhängig fühle, um mich zu regulieren, sondern Schritt für Schritt merke, dass ich das auch selbst steuern kann - zu einem gewissen Grad zumindest.

Das alles braucht Zeit. Und es gibt natürlich auch immer wieder Abstürze und Fehlversuche, das gehört dazu. Aber über einen längeren Zeitraum betrachet, hat mir das sehr geholfen, weil es auch wegkommt von dem Ansatz "diese Zustände komplett weghaben zu wollen" sondern mir etwas in die Hand gibt, in solchen Situationen achtsam und selbstfürsorglich mit mir umzugehen.

Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.
LG von lisbeth
Zuletzt geändert von lisbeth am So., 22.08.2021, 09:37, insgesamt 1-mal geändert.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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MisterZett
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Beitrag So., 22.08.2021, 09:29

Sun_Shine hat geschrieben: Sa., 21.08.2021, 19:52 Ja, der Kopf will abheben, weil irgendwas in mir überfordert ist. Aber nicht auf der kognitiven Ebene, sondern emotional. ... Für Leichtigkeit sorgt in dem Fall ja schon mein Kopf. Was du schreibst, ist ja ganz nett- schöne Worte. Nachgeschmack bei mir bleibt jedoch: Hohn. Dennoch danke für deine Mühe, auch wenn ich nicht viel damit anfangen kann.

Liebe Sun_Shine!

Wenn kognitiv nicht geht, es die Situation aber fordert, wirkt sich das ganz wie von selbst auf die Emotion aus. Letztlich sollten beide harmonisch miteinander kooperieren, denn der Mensch ist eine Einheit aus beidem. Lässt sich die Harmonie nicht herrichten, kommt als Reaktion der Schwindel.
Umso therapiebedürftiger wird es, sollte A sein, sich aber mehr an B geklammert wird, so wird A zum Feindbild, hier die Leichtigkeit des Denkens, die die Emotion insgeheim fordert.

Herzlichst von
MisterZett
Der Weise äußert sich vorsichtig, der Narr mit Bestimmtheit über das kommende Wetter.
Wilhelm Busch

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Sun_Shine
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Beitrag So., 22.08.2021, 21:53

Ihr seid spitze, vielen Dank! So viele Inputs....
Atem, Wind, Geist: Yoga mache ich gerne (da bin ich aber noch lang kein Profi) und gerade die sehr bewusste Atmung in dem Setting finde ich ganz schwierig, weil ich spüre ich hab da "zu wenig". Aber die Atmung ist zudem ein großes Thema. Witzig dass das hier jetzt öfter angesprochen wurde. Da fügt sich wieder ein bisschen was zusammen. Mir ist eingefallen, dass ich dieses flache Atmen oder sogar Luft anhalten ganz automatisch mache, zeitgleich mit diesem Zustand. Und die Farbe weicht aus dem Gesicht. Fällt mir nie auf, darauf macht mich immer jemand anderer aufmerksam. Und zur Beruhigung des Nervensystems achte ich ganz allgemein sehr bewusst auf regelmäßige, tiefe und ruhige Atmung. (bei Nervosität vor einem Ereignis zum Bsp.)
@waldschratin: ich finde es sehr beachtlich, wie detailliert du das beschreiben kannst, und vor allem, wie sehr du reflektiert bist und so gut bescheid weißt, wie dein Körper reagiert. Das ging aber wahrscheinlich nicht von heute auf morgen...die Strategien die du dir erarbeitet hast, finde ich großartig, und ich nehme gerne ein bisschen was davon mit, und habe wieder neue Ideen- worauf ich achten kann, was ich ausprobieren kann,...
Und ja- die Decke ist oft schon von Beginn an da. Zu Herbstbeginn ja auch wieder mehr passend. :-)

Was mir noch einfällt: in solchen Situationen habe ich oft (aber nicht immer) das starke Bedürfnis, körperlich sehr aktiv zu werden. Wut rauslassen,...irgendwelche Emotionen. Ohne genau zu wissen, woher das kommt. Boxen, treten,...hatten wir schon. Fällt mir extrem schwer, aber es ist gut. Vielleicht schaffe ich es einmal, das in dem Moment einzufordern und da über meinen Schatten zu springen. (Und auch, mich wieder einzufangen, um das formulieren zu können)

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Waldschratin
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Beitrag Mo., 23.08.2021, 08:45

Sun_Shine hat geschrieben:Das ging aber wahrscheinlich nicht von heute auf morgen...
Ich hab mit Anfang/Mitte 20 die erste Therapie gemacht, bin da das erste Mal mit Körperwahrnehmung beschäftigt gewesen, danach immer mal mehr oder weniger intensiv hab ich mich so "vorwärtsgeforscht" mit mir. :->
Jetzt bin ich Mitte 50 und immer noch längst nicht so "bei mir", wie ich das gern hätte oder es wohl "normal" wäre.

Aber das hab ich akzeptiert, dass ich nunmal so gestrickt bin und das zu mir gehört. Ich konzentriere mich mittlerweile auf einen pfleglichen Umgang damit.

Freut mich, wenn du aus meinem Sammelsurium ein paar Anregungen mitnehmen kannst! :flower:

Körperlich aktiv zu werden, grade in solchen Situationen, ist auch bei mir das beste Mittel, da schnellstmöglich wieder rauszufinden, um wieder handlungsfähig zu sein.
Wenn ich nur schwer Worte finden kann, hat sich da meist was aktiviert aus der mindestens vorsprachlichen Zeit und dem muss-will ich dann auch entsprechend Rechnung tragen. Da braucht es (bei mir jedenfalls) andere "Werkzeuge" als kognitiv dranzugehen und Sprache etc.

Aber du sprichst da was ganz Wichtiges an : Mich dann auch wieder "eingefangen" zu bekommen, um mir das, was da abgeht in mir, auch ins Jetzt "übersetzt" zu bekommen. Meine SE-Thera nennt das gerne "Orientierung finden" und das trifft es für mich sehr sehr gut! :ja:

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 24.08.2021, 09:57

Wenn du die Atmung auf gesunde Weise regulieren willst und dazu noch Stresshormone abbaust. Körperlich anstrengende Aktivitäten die nicht viel Denken oder emotionale Arbeit erfordern.

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