Vorgehen in VT bei komplexen Traumata

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Südländerin
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Beitrag Di., 20.10.2020, 12:57

NeverEndingStory hat geschrieben: Mo., 19.10.2020, 21:05 Wie ist das denn für dich jetzt, wo es deutlich distanzierter ist? Und wieso hat deine TfP ein ungutes Ende genommen, wenn ich fragen darf?
Hi Nes, es hat alles sein für und wieder, mir hilft die Distanz bei mir zu bleiben und mich auf meine aktuellen Probleme
zu konzentrieren. Es geht vor allem um Stabilisierung und da denke ich hat die VT Vorteile.

Die vorherige Therapie endete u.a. wegen negativer Übertragung bei gleichzeitig großer Sympathie. Was ich dort in
der Beziehung gelernt habe, kann mir keiner nehmen. Ich war aber auch sehr misstrauisch und habe andere Menschen
um Rat gefragt, heute weiß ich, dass diese Probleme IN der Therapie zu besprechen sind.

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Kreativus50
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Beitrag Di., 20.10.2020, 19:44

Hallo!
Ich habe alle Beiträge hier gelesen und will gerne zu Deinen letzten Fragen etwas aus meiner Therapieerfahrung beisteuern.

Stichwort: extremes Misstrauen
Habe ich ggü. dem Therapeuten auch, es ist aber schon viel weniger geworden, eben weil ich dieses Misstrauen von Anfang an haben/behalten darf und durfte. Weil es nicht wegtherapiert werden soll. Es ist ganz normaler Bestandteil der Therapie, wertfrei. Das ermöglicht mir in ganz winzigen Schritten etwas zu vertrauen. Aber auch weiterhin misstrauen zu dürfen.
Ganz unbeschwert werde ich wohl nie anderen Menschen ggü. sein.
Anfangs war ich sehr irritiert, weil ich das Gegenteil aus meiner Vortherapie kannte, was auch gründlich schief ging.
Der jetzige Thera nimmt es nicht persönlich, denn es gilt nicht ihm direkt. Er begrüßt immer, wenn ich davon sprechen kann. Wir haben sehr viel drüber gesprochen, dass dieses Misstrauen ja aus meinen früheren Erfahrungen stammt und sinnvoller und guter Schutzmechanismus war, den ich mir nicht freiwillig angeeignet habe. Es war vielmehr eine Notwendigkeit zum Überleben damals. Hinderlich heute, weil der Mechanismus soo automatisiert funktioniert, auch wenn er nicht mehr so notwendig wäre.
In konkreten Situationen auseinanderzufriemeln, was springt von früher an und was ist in der aktuellen Realität begründet, das hilft mir sehr.

Stichwort: Methoden
Phasenweise habe ich sehr viel Fachliteratur zu Therapiemethoden, Trauma etc. gelesen. Im Moment weniger.
Ein Hintergrund bei mir: Ich wollte neben dem informiert sein, auch eine gewisse Kontrolle haben. Das war sehr anstrengend. Also immer vorbereitet und auf dem Sprung sein, was für Interventionen könnten in Therapie auf mich zukommen. Sind wir wieder bei Vertrauen/ Misstrauen.
In der jetzigen Therapie bekomme ich bei Bedarf sehr viel Fachinformationen ( der Ex-Thera wollte sich da nicht in die Karten gucken lassen) und gern auch immer wieder erläutert. Mich erleichtert das. Mein Thera ist sehr aktiv, arbeitet methodenübergreifend und macht auch sehr kreative Vorschläge. Anfangs blieb mir da so manches Mal vor Staunen der Mund offen stehen. Sein aktives Vorbild war eine Entlastung für mich.
Aber ich kriege auch genug Zeit und Platz, um eigenes zu entwickeln. Mit der Zeit traue ich mich da auch viel mehr.

Zu Deinen Beiträgen hier: Irgendwie entstand von Anfang an bei mir die Frage, ob es bei Deinen intensiven Nachfragen nach genauem Vorgehen und Methoden auch um diese Themen geht (Kontrolle, Vertrauen, Misstrauen etc.).

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chrysokoll
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Beitrag Di., 20.10.2020, 19:51

NeverEndingStory hat geschrieben: Di., 20.10.2020, 10:01
Könntet ihr nochmal erläutern, wie eure Theras mit extremen Misstrauen umgehen?
Und kommen alle Methodenvorschläge von euren Theras, oder recherchiert ihr auch manchmal (und wenn ja, wo)?
zunächst mal darf ich das Misstrauen haben und benennen, immer wieder.
Sie zuckt da nicht mit der Wimper ist keine Spur genervt oder gekränkt, wir schauen uns das an, sie bleibt ganz ruhig, warmherzig, freundlich, sachlich.
Und nach und nach verstehe ich was los ist, was ich da auf sie übertrage.
Und ja, sie ist Verhaltenstherapeutin, trotzdem geht es um Übertragung und Beziehung

Meine Therapeutin ist absolut offen was ihre Methoden, Interventionen angeht.
Auf Nachfrage erklärt sie alles was ich wissen will, auch ohne Nachfrage viel und transparent.
Sie hat mir Dinge kopiert, einige wenige Fachbücher genannt die ich mir auch anschaffen konnte bzw. sollte.

Und damit war dann mein Recherchedrang bald erledigt, das ist klasse.
Ich muss nicht mehr ständig nachlesen und kontrollieren, das macht es mir sehr viel leichter

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Kreativus50
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Beitrag Di., 20.10.2020, 19:53

@Montana
Das ist die "Frage aller Fragen" immer wieder auch bei mir.
Eine Antwort hab ich noch nicht gefunden. Mein Thera spiegelt mir auch immer wieder, dass er mich "nicht im Kontakt"
wahrnimmt.
So langsam fällt mir zumindest punktuell auf, dass ich zwar in den Stunden physisch anwesend bin, aber irgendwie
"nicht da" . Ein Zustand von Nicht-Fühlen. Sorry, besser kann ich das noch nicht in Worte fassen. Ein schrecklich einsamer
Zustand bei mir, wo eben auch die adäquaten Worte zum Ausdruck fehlen.

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kaja
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Beitrag Di., 20.10.2020, 20:14

NeverEndingStory hat geschrieben: Mo., 19.10.2020, 21:05 @Kaja
Inwiefern spielt die Beziehung denn eine wichtige Rolle? Also als Vertrauensbasis, schätze ich mal? Besprecht ihr das auch? Und was macht ihr mit (aus Sicht der Therapeutin) unangebracht großem Misstrauen?
Hast du typische PTBS Symptome bzw. dissoziative? Und hilft die Therapie da?
Vertrauen ist ein großes Wort.

Er weiß das ich seine Kollegen und seinen Berufsstand hasse. Er weiß das ich ihm misstraue .
So etwas (auch als Therapeut) so lange aushalten zu können, ist wohl schon ziemliche anstrengend.
Unangebracht findet er mein Misstrauen nicht und er spricht auch durchaus mal offen aus, dass er weiß das ich ihn nicht in dieser klassischen Therapeuten-Position des "Retters" und "Beschützers" sehe.

Wir hatten uns mal darüber unterhalten, dass er Misstrauen natürlich auch von anderer Kundschaft mit Trauma kennt.
Durch meine Geschichte ist das alles noch deutlich ausgeprägter als "üblich" und das hat zu so einigen schlimmen Auseinandersetzungen geführt.

Das ich trotzdem geblieben bin, wird wohl ein solches "Beziehungsresultat" sein.

Ich dissoziiere nicht, sondern habe andere Symptome entwickelt. Um mich in eine Dissoziation zu flüchten bin ich viel zu sehr darauf fixiert die Kontrolle zu behalten. Es hat in vielen Bereichen sehr gut geholfen, auch wenn es teilweise lang gedauert hat und immer wieder frustrierende Rückschritte gab und gibt.
After all this time ? Always.

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Sadako
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Beitrag Di., 20.10.2020, 20:20

Zum Thema extremes Misstrauen fällt mir eine „Krise“ in der Therapie ein, die schon eine Weile her ist.
Im Anschluss an eine Sitzung, wo es Streit zwischen mir und meiner Therapeutin gab, habe ich ihr offenbart wieviel Angst ich vor ihr habe. Sie hat mir dann im Grunde gesagt, wenn ich keine Sicherheit mit ihr und der Therapie finde, kann die Therapie nicht funktionieren, weil ich mich nicht an wirklich schwierige Themen wagen werde. Ihre Konsequenz war, dass wir dann erstmal „nur“ an der therapeutischen Beziehung gearbeitet haben. Sie hat mir da keine Vorwürfe gemacht, dass ich so misstrauisch bin, ganz im Gegenteil. Es war nur wichtig, dass Angst und Widerstand und Unwille da überhaupt hinzugehen nicht im Verborgenen bleiben. Das sie sich da aus meinem inneren Chaos rausgehalten hat und das alles da sein konnte, war sehr erleichternd.


montagne
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Beitrag Mi., 21.10.2020, 20:54

Meine Therapeutin ist u.a. ausgebildet in VT, zumindest rechnet sie darüber ab. Die Beziehung war aus meiner Sicht Dreh- und Angelpunkt der "Heilung". Aufbau von Vertrauen, Kommunizieren lernen, sprich Bedürfnisse artikulieren, aushandeln, Kongruenz von innen und außen, Dissonanzen und Ambivalenzen aushalten. Alles zu einem gewissen Grad, manches sehe ich eher als Lebensaufgabe. Für mich war es das Fundament.
Sicher auch nicht unwichtig, konkrete Probleme besprechen, da Unterstützung zu bekommen und so eine Art Blaupause zu bekommen, wie man effektiv durchs Leben navigiert. Das war bei mir nicht so einfach gegeben, aufgrund der traumatischen Entwicklungsgeschichte.
amor fati

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Thread-EröffnerIn
NeverEndingStory
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Beitrag Mi., 21.10.2020, 21:27

@Montana
Ja, was ist Kontakt. Ich glaube, es gibt Kontakt immer in verschiedenen Abstufungen und Intensitäten und jeder muss für sich selbst gucken, welche Intensität er wann braucht.
Und Kontakt zu jemand anderem beinhaltet immer auch Kontakt zu sich selbst.

Bei mir gab es einen denkwürdigen Moment in der Therapie, in dem ich zum ersten Mal mich und meine Therapeutin richtig gespürt habe. Positiv und warm gespürt. Vorher hatte ich nie das Gefühl, dass da bei mir in Beziehungen etwas fehlt, aber seitdem MÖCHTE ich z.B. auch echte Freundschaften haben, die tiefer gehen. Seitdem hatte ich dieses Kontaktgefühl immer wieder mal kurz mit ihr, aber auch ein, zweimal mit anderen Personen. Ich empfinde das als etwas vorsichtiges, offenes, warmes.

Und ich kann Kreativus zustimmen, wenn ich es nicht schaffe in Kontakt zu ihr zu kommen, bin ich meist auch nicht in Kontakt mit mir selbst und das fühlt sich dann dumpf und leer an.

@Südländerin und Kreativus,
Vielen Dank, ihr habt mir viel zum Nachdenken gegeben. Ja, ich muss das IN der Therapie klären. Ich werde es in der nächsten Stunde zum Thema machen.
Und ja, Kontrolle wünsche ich mir sehr. Gerade in der Therapie. Und es stimmt schon, vermeintliches Fachwissen, zu wissen was wann kommt, das würde mir viel mehr Kontrolle geben. Danke für den Hinweis, der war wirklich gut.

@all
Weil ich von unangebrachtem Misstrauen schrieb und darauf so viele reagiert haben: Das sind meine eigenen Worte.
Meine Therapeutin findet mein Misstrauen aus meiner Geschichte heraus vollkommen verständlich und sie begegnet dem Misstrauen auch völlig ruhig und gelassen, manchmal fast neugierig. Sie ist weder genervt (auch wenn ich das dann immer glaube) noch nimmt sie das persönlich. Dabei kennen wir uns jetzt schon viele, viele Jahre und man sollte meinen, dass sie mir langsam lange genug gezeigt hat, dass sie vertrauenswürdig ist.

Mein Fragedurst ist gerade komplett gestillt, ich habe begriffen, dass es gar nicht darum geht, ob meine Thera mit mir nun Skilltraining macht oder nicht. Sondern um das Misstrauen.
Leider weiß ich oft gar nicht, was das Misstrauen triggert und ich kann oft auch nicht sagen, ob meine Befürchtungen daher kommen, dass mir sowas schon früher passiert ist. Weil ich mich an kaum etwas aus meiner Kindheit erinnere. Deshalb ist es sooo schwer festzustellen, ob das Misstrauen nun im hier und jetzt begründet ist oder nicht.

Danke euch allen!

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Montana
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Beitrag Mi., 21.10.2020, 23:07

Da fällt mir etwas zu ein, denn ich kenne auch das Problem, mich für mein Misstrauen rechtfertigen zu müssen.
Eine kleine Geschichte: ich brauchte während meines Studiums kurzfristig Geld (nur geliehen) um eine unerwartete Ausgabe bewältigen zu können. Nicht viel, aber dringend. Und fragte meinen Vater. Der besprach das mit meiner Stiefmutter und meldete mir zurück, dass sie sehr traurig und enttäuscht sei darüber, dass ich nicht sie gefragt hatte. Meine erste Reaktion war ein schlechtes Gewissen. Ich konnte mich in sie hinein versetzen und verstand ihre Gefühle. Meine verstand ich nicht.
Noch während des Telefonats kam die Erinnerung an ein Ereignis, was so gravierend gewesen war, dass ich sie nicht hatte fragen können. Es hatte in meiner Jugend eine Situation gegeben, wo ich sie um Hilfe gebeten hatte. Das war nichts finanzielles gewesen, es ging nur darum, mit einem Haustier zum Tierarzt zu fahren, den ich selbst bezahlt hätte. Zu Fuß war der Tierarzt mit dem Tier nicht erreichbar. Sie hatte mich damals nicht gefahren, mir verboten meinen Vater zu fragen und das Tier zahlte den Preis dafür.
Mein Vater hatte davon keine Ahnung gehabt, denn natürlich hatte ich das nicht verraten. Mit dieser Offenbarung war mein schlechtes Gewissen dann doch nicht mehr nötig, aber dafür hatten meine Eltern einen riesigen Krach. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass bis heute die allermeisten Begebenheiten, die in diese Richtung gingen, ein Geheimnis sind. Sie werden ganz automatisch in meine Entscheidungen miteinbezogen, aber bewusst werden sie in aller Regel nur, wenn ich unter höchstem Rechtfertigungsdruck stehe. Und dann entscheide ich, was das kleinere Übel ist. Denn "Recht haben" in den Sinne, wie ich es in der Geschichte weiter oben hatte, ist nun auch keine gute Sache. Wie ich es drehe, ich bin am Ende die Böse. Habe entweder Gefühle verletzt oder etwas geheimes verraten.


montagne
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Beitrag Do., 22.10.2020, 00:09

Trauma definiert sich ja durch Kontrollverlust und damit einhergehenden Verlust an Vertrauen in andere, in sich, in die Welt, in das Leben.
Bzw. man konnte Vertrauen vielleicht nie aufbauen. Es gilt das in der Therapie nachzuholen, eine korrigierende Beziehungserfahrung zu machen. Ich halte das für die Basis von allem anderen, aber auch für die größte Schwierigkeit. Ich weiß aber auch, das es geht.
amor fati

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Montana
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Beitrag Do., 22.10.2020, 06:50

Aber ist das Vertrauen, das man in einer Therapie aufbauen kann, nicht sehr partiell? Also auf Therapiedinge bezogen? Und andere Lebensbereiche davon ausgenommen?
Hm, ich finde schwer ein Beispiel. Aber ich nehme einfach an, dass ich nur einen seeehr kleinen Teil des Therapeuten jemals kennenlerne.

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Sadako
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Beitrag Do., 22.10.2020, 07:09

Montana hat geschrieben: Do., 22.10.2020, 06:50 Aber ist das Vertrauen, das man in einer Therapie aufbauen kann, nicht sehr partiell? Also auf Therapiedinge bezogen? Und andere Lebensbereiche davon ausgenommen?
Ja... einerseits stimmt das.
Andererseits zeige ich mich da verletzlich, lasse zu, dass meine Wunden gesehen werden und zeige meine Bedürftigkeit und Verwundbarkeit. Das erfordert viel Mut und einen riesigen Vertrauensvorschuss.
Die zentrale Erfahrung von Menschen mit Komplextrauma ist, dass die die ihnen Sicherheit, Halt und Nähe geben sollten, sie stattdessen bedroht, gequält und geschädigt haben.
Wenn diese Wünsche nach Nähe und Geborgenheit und Gesehen werden in der Therapie auftauchen, rufen sie ein abgrundtiefes Misstrauen auf den Plan...bei mir zumindest ist das so.

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Montana
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Beitrag Do., 22.10.2020, 07:13

Bei mir auch, aber wenn in Therapie darauf keine Verletzung erfolgt, dann ist das zwar gut, aber nicht auf andere Situationen übertragbar.
Ich war erst gestern in einem KH zu einem ambulanten Termin, habe geheult ohne Ende, mich für alles entschuldigt und eine Gyn-Untersuchung verweigert. Der Tag war gelaufen. Kurz: es hat sich nichts geändert, gar nichts.


montagne
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Beitrag Do., 22.10.2020, 07:48

Montana hat geschrieben: Do., 22.10.2020, 06:50 Aber ist das Vertrauen, das man in einer Therapie aufbauen kann, nicht sehr partiell? Also auf Therapiedinge bezogen? Und andere Lebensbereiche davon ausgenommen?
Hm, ich finde schwer ein Beispiel. Aber ich nehme einfach an, dass ich nur einen seeehr kleinen Teil des Therapeuten jemals kennenlerne.
Ich erlebe es so, dass mein Vertrauen sich allgemein verbessert, in andere Mensch, ins Leben und vor allem in mich selbst, Zutrauen in die eigene Wirksamkeit, in die eigene Leistung, mich selbst annehmen können, mit meinen Schwächen.
Es ist natürlich ein gradueller Prozess. Es passiert nicht von heute auf morgen. Und sicherlich schwankt es auch noch. Manchmal habe ich Phasen, da kann ich mich nicht so gut annehmen und dann hapert es auch mit dem Vertrauen in andere und in meine eigenen Fähigkeiten.
Alles in allem geht es aber in die richtige Richtung.

Es ist schon, wie Sadako sagt. Das grundlegende Misstrauen zeigt sich in der Therapie, durch die Wünsche, die entstehen. War bei mir auch so. Aber dadurch, dass ich in der Therapie drum gerungen habe und letztlich begriffen habe, dass es auch noch was anderes gibt, als Menschen, die mir Schaden zufügen, wenn ich auf sie angewiesen bin, ist ein grundlegendes Vertrauen entstanden, wenn auch wie gesagt noch wacklig.
Denn die Kämpfe waren für mich real in der Therapie.
amor fati


Waldschratin
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Beitrag Do., 22.10.2020, 08:13

Liebe Montana,
ich hab jetzt nur die letzten paar Beiträge gelsen und bezieh mich auch nur da drauf, nur zur Info.

Ich hab in gewisser Weise schon "Vertrauen" aufbauen können in meiner Kindheit und Jugend.
Es war recht berechenbar, dass mich übern Tisch ziehen zuverlässig das Ziel war, mich dranzukriegen und mich als "die Böse" abzustempeln und mir das so nachhaltig permanent zu "beweisen", dass ich es selber komplett glauben "musste".

Insofern seh ich mein Misstrauen in andere Menschen auf einer Seite auch als "Vertrauen", das ich durch diese Erfahrungen aufgebaut hab.

In der Therapie kam mir das natürlich reichlich in den Weg.
Ich habe auch nie diese Erfahrung haben wollen, einem anderen Menschen "komplett und absolut" vertrauen zu können, weil meine Erfahrungen mit der Welt mir diese "rosarote Brille" schon genommen hatte : Das gibt es nicht und ist lediglich ne Art Sinnestäuschung, die einen in Zeit der Kindheit davor bewahrt, am Ausgeliefertsein und der eigenen Hilflosigkeit durchzudrehen.

Kommt ja auch in der ganz normalen Entwicklung dann die Pubertät, in der man "plötzlich" begreift, dass Papa nicht der Ritter in der rostigen Rüstung auf dem schimmligen Pferd ist, sondern auch nur ein normaler Mensch mit Fehlern, Versagen und und und. :-)

Was ich in der Therapie entwickeln konnte, ist eben diese korrigierende Erfahrung, die montagne schon beschrieben hat :
Alternativen wahrnehmen lernen, dieses "Absolute", das ich drauf hatte, mal zu hinterfragen und auszuprobieren, ob es Bestand hat, dass es "solche und solche" gibt da draußen.
Letztlich v.a., dass es an mir selber liegt, wie gut ich es wage mich kennenzulernen, wie ich bin (und nicht wie ich sein möchte oder sollte oder oder...), inwieweit ich einem anderen Menschen dann zu vertrauen wage.
Das geht für mich Hand in Hand.

Und es bedeutet, dass ich gar nicht mehr erst mein Gegenüber "in Gänze komplett" kennen muss, bevor ich mich zu öffnen wage. Also auch den Thera nicht, den ich ja nie anders als nur in seiner Rolle kennenlerne.
Das nimmt mir persönlich ganz viel Druck, "Kontrollierenmüssenkönnen"-Druck nämlich.

Ich schau in erster Linie, ob ich selber es verantworten kann, im Fall der Fälle auch den worst case aufgefangen zu bekommen, wenn sich das jeweilige Gegenüber in der Situation dann doch nicht "bewähren" sollte.

Und da hab ich inzwischen ne gute Stabilität in meinem Vertrauen anderen Menschen gegenüber gefunden.
Weil diese Haltung mir weitaus mehr Offenheit und Bereitschaft dem Anderen gegenüber erlaubt, da ich nicht mehr auf dessen "Wohlverhalten" alleine angewiesen bin.

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