Richtiger Umgang mit cholerischem Vater

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Fairness
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Beitrag Mi., 31.07.2019, 18:52

Theory, ich denke, wenn du ihn schonst, wird er kaum mitbekommen, wie es dir geht. Du musst auch nicht "alles" auf ihn rauslassen, aber darfst mal auch "zickig" sein, denke ich. Er ist doch das Beste Vorbild dafür. Ich denke, den Ärger mal auszuleben ist gute Erfahrung, obwohl dann vermutlich nicht eine dauerhafte Lösung. Wenn man die Gesundheit achten will.
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

Grief is just love with no place to go. (Jamie Anderson)

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Krebsmann79
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Beitrag Fr., 09.08.2019, 12:33

Hallo Theory, ich würde zu dem Familientreffen fahren wenn Du Dich stabil genug fühlst. Wenn du da bist mach dir bewusst das du eine erwachsene mutige Frau bist mit der niemand so umgehen schon gar nicht Dein Vater.
Du hast Dein eigenes Leben lebst aus gutem Grund weiter weg von deinem Vater.
Ein guter Trick den ich Mal gehört habe von einer Freundin die ebenfalls einen cholerischen Vater hatte ist das sie sich vor den Spiegel gestellt hat und sich Mut zugesprochen hat. Damit könnte sie ihrem Vater mutiger entgegen treten.
Wie reagiert denn eigentlich Deine Mutter darauf ? Hast Du das mit ihr Mal besprochen also das du den Kontakt zu ihr nicht missen willst aber Probleme hast wegen dem Vater?
Hinsichtlich der Wut kann ich Dir empfehlen einen Selbstverteidigungskurs zu machen oder mal in ein Kissen zu hauen wenn die Wut zu gross wird.
Das hat mir geholfen den Gedanken loszuwerden angegriffen worden zu sein und hilflos gewesen zu sein( jemand hat mich im Zustand der Verwirrtheit gewürgt bis ich keine Luft mehr bekam) und mich mutiger zu fühlen. Es gibt auch sanfte Technicken so wie Tai Chi wo man lernt zu Atmen . Vielleicht kann Dir das bei der Wut helfen.Ich wünsche Dir viel Glück

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Theory
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Beitrag Mo., 04.11.2019, 13:02

Hallo zusammen, vielen dank für eure Antworten.

Ich habe es dann so gemacht, dass ich den Aufenthalt auf ein Minimum gekürzt habe. Sie beide (mein Vater und meine Mutter) haben sich sehr bemüht und „normal“ verhalten. Als einmal die Situation wieder zu kippen drohte, sind mein Freund und ich einfach ins Hotel gefahren.

Dadurch ging es.

Am vergangenen Wochenende war ich dann das erste mal seit August wieder da, also 3 Monate später. Diesmal war ich alleine und blieb 2 Nächte. Eigentlich war bis zu meiner Abreise alles gut, aber danach ist es am Telefon leider eskaliert. Mein Vater hat mich vor Monaten gebeten, etwas für ihn zu erledigen und dieses Anliegen nun für immer zu übernehmen, weil er sich nicht mehr darum kümmern kann/will. Nun habe ich ihn heute nach etwas gefragt und er hat alles zurück gezogen. Obwohl ich mich nun schon monatelang in das komplexe Thema eingearbeitet habe und nun alles durchblicke, nimmt er mir nun die Verantwortung dafür wieder weg. Ich bin so dermaßen wütend und aufgebracht, nach dem Telefonat mit ihm, hab ich in einem Anfall des Zorns mein Telefon kaputt gemacht. Ich will nun mit den beiden erstmal nichts mehr zu tun haben. Es reicht mir, das Maß ist voll. Meine Mutter habe ich informiert, wofür ich sie beide nun halte und dass sie mich zum letzten Mal gesehen haben.

Ich kann nicht mehr. Mein Vater macht mich damit fertig, dass er nicht an mich glaubt, mir Dinge nicht zutraut. Und auch meine Mutter meinte am Wochenende, dass ich zu schwach sei für meinen Job, nur weil ich dieses Jahr von meinem Chef gemobbt und grundlos gekündigt wurde (sie hat keine Vorstellung und kennt die Details nicht). Ich habe nun wirklich ein für alle mal die Nase voll, aber von beiden mittlerweile, weil ich einfach nicht den Eindruck habe, dass sie mich je als Erwachsene Frau ernst genommen und respektiert haben. Mir reichts und ich will wirklich nichts mehr mit den beiden zu tun haben. Sollten sie morgen sterben, dann würde ich nichtmal zum Begräbnis gehen. Es reicht.

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Theory
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Beitrag Mo., 06.09.2021, 07:40

Hallo zusammen,

Ich habe mich vor einer Weile bereits an das Forum gewendet mit diesem Thema, damals habe ich meinen Vater noch nicht als Narzissten erkannt.
In der Zwischenzeit war ich ein Jahr lang wöchentlich in einer Therapie und eine Zeit lang normalisierte sich das Verhältnis zu meinem Vater - indem ich mich nur mehr über Banalitäten unterhielt und weil es mir auch besonders gut ging (wenig Stress im eigenen Leben).

Dazu ist zu sagen, dass ich längst sehr weit weg wohne, mein Vater 75 ist und mit meiner Mutter alleine lebt (die sich ganz klassisch co-abhängig Verhält).

In der Therapie haben wir nicht ihn behandelt, sondern meinen Umgang damit und meine emotionale Unabhängigkeit gestärkt.

Nun hatte ich leider eine Phase von großem Stress, mein liebstes Haustier ist gestorben und ich suchte einen Ort, um meinen Liebling zu beerdigen. Da ich aktell kein Grundstück besitze, habe ich meinen Liebling auf dem Grundstück meiner Eltern begraben.

Bei dem Besuch (ich blieb nur eine Nacht) ging es mir natürlich nicht so gut - entsprechend konnte ich mich nicht zusammenreißen und bin nicht oberflächlich und banal geblieben, sondern habe mich „aus Versehen“ auf eine Diskussion eingelassen, was selbstverständlich zu einem riesen Drama geführt hat, bei dem ich am Ende als „deppert“ beschimpft wurde.

Es hat mich wieder so verletzt und getroffen … dass ich nun tatsächlich nicht mehr weiß, ob ich überhaupt nochmal auf Besuch komme.

Wie sind eure Erfahrungen mit eurem narzisstischen Elternteil? Ist es besser, den Kontakt komplett abzubrechen? Wie kann man sich vor solchen Abwertungen schützen, ohne den Kontakt abzubrechen? War das nun lediglich meiner Sensibilität in der letzten Zeit geschuldet? Wieso tut es so unheimlich weh, wenn er mich so beschimpft, obwohl ich bereits eine Therapie hinter mir habe? Soll ich die Therapie wieder aufnehmen? Hilft Hypnose?

Vielen Dank für eure Sichtweisen!

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Waldschratin
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Beitrag Mo., 06.09.2021, 09:02

Hallo theory,
ich seh das so: Du hast das jetzt in der Therapie gut bearbeitet und bist mit dem Besuch zuhause in sowas wie einen "Realitätscheck" gegangen. Denn in der Therapie war dein Vater zwar mit dabei, aber es ging ja um dich und um dein Handwerkszeug, wie du mit dem vergangenen Verhalten deines Vaters zurecht kommen kannst und dieses Handwerkszeug auch für die Zukunft anwenden könntest, tritt der "Ernstfall" ein.

An sich passt also alles, du hast halt mal den "Freiflug" ausprobiert. Da kannst du dir erstmal anerkennend auf die Schulter klopfen! :ja:

Ich kenns aus eigener Erfahrung (Bei mir wars die Mutter), dass das nie unholprig verläuft, solche Kontakte vor Ort.
Erstmal sind diese Elternteile ja sowas von kundig und "spürig", wie sie einen am besten wieder in ihre Richtung bugsiert bekommen. Dann trägt man ja Jahrzehnte "Training" in sich, auf das Drücken der "Knöpfe" auch entsprechend zu reagieren, das geht schneller, als man es merkt. Da muss man mit der Zeit reinwachsen und seinen Weg damit finden.

Du möchtest weiterhin Kontakt haben können, so lese ich dich.
Aber nicht mehr verletzt werden (können) von deinem Vater.
Das wird nicht klappen, er wird sich nicht ändern, auch wenn du das nach wie vor hoffen/erwarten/wünschen solltest.

Was jetzt richtiger Umgang wäre für dich, kommt ganz darauf an, was du "einzusetzen" bereit bist, dir zutraust und andererseits nicht mehr haben möchtest in deinem Leben. Pauschale Vorgehensweisen gibt es da halt nicht.

In der Therapie hast du gelernt, ganz bei dir selber zu bleiben. Das ist schon mal die Hauptsache und sowas wie der Boden, auf den du dich stellen solltest.
Reflektieren und dir eingestehen, was du noch "haben" möchtest oder erwartest von deinem Vater, hilft ungemein, sich auf die eigenen "Untiefen" gefasst zu machen, die Triggerpunkte klar zu haben, an denen der Elternteil einen wieder voll erwischen kann.

Wenn du dir einen Umgang, ein Vorgehen, erarbeiten kannst, wie du den evtl. worst case angehen könntest, da wieder rauskommen könntest, mit Enttäuschungen bis zu Retraumatisierungen umgehen kannst und entsprechende Strategien für dich schon parat hast, kann auch weiterhin Kontakt gelingen. Vielleicht sogar in gewisser Weise eine "Änderung" deines Vaters im Umgang mit dir.

Aber es wird dich (Dich!) die ganze Arbeit und Rumschlagerei kosten.
Er hat keinen für sich plausiblen Grund, irgendetwas ändern zu sollen.

Du warst jetzt ein Mal zu einem kurzen Besuch dort, noch dazu emotional "angeschlagen". Also sei "nachsichtig" mit dir, dass dich das jetzt so ankann. Du hast gleichzeitig schon viel dir erarbeitet, das kann dir die Angst davor nehmen, wieder ganz im emotionalen Erleben des Damals zu versinken.

Verbuch es am besten als "Erfahrung". Einer von vielen, aus der du dich weiterentwickeln kannst.

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Takli
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Beitrag Mo., 06.09.2021, 12:00

Hallo Theory!

Ich habe es bei meinem Vater so gehalten, wie du es auch praktiziert hast: nur oberflächliche Themen, auf keinen Fall was persönliches erzählen und wenige kurze Besuche, keine Übernachtungen. Als hilfreich empfand ich auch die Begleitung durch meinen Mann. Außerdem habe ich peinlich genau darauf geachtet nichts von ihm zu erwarten, dafür habe ich mir das Recht herausgenommen nur insoweit auf Wünsche einzugehen, wie es für mich ok war. Meinem Vater hat dieses distanzierte Verhalten natürlich nicht gefallen. Ich bin aber konsequent geblieben und habe sein Drängen immer wieder freundlich abgelehnt. Für mich war dieser Weg einfacher als den Kontakt ganz abzubrechen, aber das mag individuell unterschiedlich sein.

Ich würde aus deiner derzeitigen Erfahrung den Schluß ziehen, nicht mehr deine Eltern zu besuchen, wenn es dir nicht gut geht und auch nicht länger da zu bleiben, wie du innerlich Kraft hast, dich nicht in alte Muster ziehen zu lassen. Aus Erfahrung kann man ja nur lernen. Wenn deine Strategie vorher ganz gut funktioniert hat, dann würde ich sie, mit entsprechender Modifikation, so beibehalten.

Alles Gute!

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Theory
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Beitrag So., 12.09.2021, 07:55

Lieben Dank für eure Antworten, @Waldschratin und @Takli, die mir übrigens sehr geholfen haben dabei, meine innere Aufregung darüber zu mindern.
Es ist nun wieder eine Woche vergangen und ich merke, wie noch immer starke Gefühle der Trauer über den Verlust meines geliebten Katers über mich kommen. Zwischendurch habe ich mich einem Shopping Exzess hingegeben, aber gemerkt, dass ich damit „nur eine Lücke füllen möchte“ und in Wahrheit nichts diese Lücke füllen kann.
Der Ärger über meinen Vater und die Situation damals wird auch kleiner, je weiter der Tag entfernt ist. Nichts desto trotz habe ich mich entschieden, kommende Woche mit einem (neuen) Therapeuten darüber zu sprechen und mit ihm an der emotionalen Unabhängigkeit weiter zu arbeiten.
Eine Freundin meinte darauf hin, ob ich vielleicht „süchtig“ nach Coaching und Therapie geworden sei, weil ich schon unheimlich viel „an mir arbeite“ und ob es vielleicht sein kann, dass ich „nur glaube, Hilfe von außen zu brauchen“ und ich in Wirklichkeit damit nur die Verantwortung abgebe…
Eine interessante Sichtweise - denn, ist es nicht in Wahrheit so, dass, wenn ich sage, dass „mein Vater narzisstisch ist“ ich die Verantwortung über meine Gefühle (und die Macht darüber) damit an ihn abgebe? Und ist es nicht so, dass ich nun zum nächsten Menschen (dem Therapeuten) gehe, um diesen „um Erlösung“ von diesen schrecklichen Gefühlen zu bitten?

Im Zuge der Trauer ist mir aufgefallen, wie schwer es mir (eigentlich schon immer) fiel, meinen Gefühlen wirklich Ausdruck zu verleihen und diese „auszuhalten“. Ich lerne jetzt denke ich zum ersten Mal, wie ich Trauer wirklich aushalten kann… und es tut wirklich weh.
In der ersten Therapie ist aufgefallen, dass ich Gefühle kaum benennen kann - ich sollte positive und negative Gefühle aufzählen, nach 5 Worten war da schnell bei mir Schluß….ich denke, das „Zwischenmenschliche“ lag mir noch nie so richtig… und wenn ich an meine Jugend denke, so habe ich sehr oft darüber nachgedacht und analysiert, wie sich andere Verhalten, wie sie isch bewegen, sprechen und mir so „mein eigenes Verhalten geschneidert“. Ich war schon immer mehr in meinem Kopf und fühlte mich oft außen vor.

Ich denke, dass es jetzt ein wesentlicher Schritt ist, dass ich alleine mit dieser Traurigkeit klar komme und sie auch ausdrücke und auslebe und so immer mehr lerne, mit meinem Gefühlen besser umzugehen und mit ihnen zu Leben lerne (auch mit den nicht so guten).

Wenn überhaupt, dann ist das wohl das wichtigste Learning und das wichtigste Entwicklungsfeld, das ich bei mir aktuell erkenne: „mit meinem Gefühlen besser umgehen lernen“.

Vielen Dank für diesen Austausch, er hilft mir sehr - denn ich habe sonst niemanden um wirklich darüber zu sprechen.
Einen schönen Sonntag euch!

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Marsianerin
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Beitrag So., 12.09.2021, 08:43

Theory hat geschrieben: Mo., 06.09.2021, 07:40 bei dem ich am Ende als „deppert“ beschimpft wurde.
Nur? Hätte ich auch gern.
Du hast mit 38 das Recht, die Eltern zu verlassen. Aber wie kommst du drauf, dass der Vater ein Narzisst und die Mutter klassisch koabhängig ist? Selbst wenn. Auch das ist ziemlich übergriffig und anmaßend, wenn du sie nicht als Psychologe/Psychotherapeut untersucht hast.
Es ist doch egal, was sie haben. Du findest ihr Verhalten nicht in Ordnung. Punkt. Zum Begraben des Katers sind sie ja noch gut genug. Hätte ich als narzisstisches Loch nicht zugelassen, wenn ich eines wäre.
Theory hat geschrieben: Mo., 06.09.2021, 07:40 Wieso tut es so unheimlich weh, wenn er mich so beschimpft, obwohl ich bereits eine Therapie hinter mir habe? Soll ich die Therapie wieder aufnehmen? Hilft Hypnose?
Du kannst noch so viele Therapien und Selbstbehauptungskurse machen, eine Auseinandersetzung ist zunächst nie angenehm und tut weh. Es gilt herauszufinden, was ihn so aufregt. Da du erwachsen bist, musst du selbstverständlich auch seine Grenzen respektieren, in seinem Haus gilt sein Hausrecht. Wenn er unberechenbar sein sollte oder du seinen Vorstellungen nicht entsprechen kannst, musst du den Kontakt tatsächlich reduzieren oder abbrechen.
Ich bin eher freundschaftlich mit meinen Eltern verbunden, kann aufgrund der gewaltvollen Vergangenheit nicht mehr vertrauen und ändern können wir die Vergangenheit auch nicht mehr. Wir verstehen uns gut mit dem Sicherheitsabstand.

Ich würde auch über die Meinung der Freundin nachdenken. Arbeitest du wirklich selbst an deiner Persönlichkeit oder bist du nur damit beschäftigt, dich von deinen mehr oder weniger großen Schuldgefühlen deinen Eltern gegenüber freizusprechen? Kommt mir irgendwie so vor.


Anm.Mod.Für den ständig aggressiven Ton bekommst Du vier Wochen Verschnaufpause vom Forum. Pauline

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Theory
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Beitrag So., 12.09.2021, 09:47

Marsianwein, vielen Dank für deine Perspektive.

Sie lehrt mich einiges. Zum Beispiel
- mein Leben, meine Stimmung und meine Gefühlswelt sind nicht abhängig davon, was irgenjemand über meine Worte denkt
- Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, dann sage nichts.
- Wenn du dennoch den Drang verspürst, der anderen Person etwas zu sagen, das sie eventuell aufwühlen/verletzen oder übergriffig sein könnte, dann hat dieser Drang etwas mit dir zu tun.

Diese Learnings nehme ich auch sehr gerne mit.

So schön, das wir alle verschieden sind und jeder seine eigene Perspektive haben darf.

Alles Gute dir!


Waldschratin
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Beitrag So., 12.09.2021, 10:29

Theory hat geschrieben:Eine Freundin meinte darauf hin, ob ich vielleicht „süchtig“ nach Coaching und Therapie geworden sei, weil ich schon unheimlich viel „an mir arbeite“ und ob es vielleicht sein kann, dass ich „nur glaube, Hilfe von außen zu brauchen“ und ich in Wirklichkeit damit nur die Verantwortung abgebe…
Ist halt ihre Sicht, liebe Theory.
Und insofern haben ihre Gedanken schon eine Berechtigung, dass es ja tatsächlich gut ist, sich immer wieder klar zu machen, aus welchen Gründen man sich therap. Begleitung wünscht bzw. Bedenken dagegen hat.

Ich muss z.B. immer noch lernen, dass nicht nur "das absolut Überlebensnotwendigste" an Begleitung mir "zusteht", sondern ich das so nutzen darf, wie es mir gut tut.
Das Maß dafür setze ich selber, Bedenken und Nachdenklichkeiten von anderen sind mir willkommen, "dreinreden" lasse ich mir da aber nicht. Bin eh schon mehr als streng mit mir selber. ;-)

Selbst wenn du deine Verantwortung mal eine Zeit lang abgibst, kann auch das ein guter Lerneffekt sein. :ja:

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Theory
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Beitrag So., 10.10.2021, 06:04

Hallo zusammen,

Ich hatte inzwischen eine erste Einheit mit einer Therapeutin, die ganz nett war und mir auch beim Zulassen der Trauer geholfen hat. Leider ist der nächste Termin erst in einigen Wochen.

Es ist knapp 6 Wochen her, seit mein liebes Haustier gehen musste und ich kann nun schon deutlich besser mit der Trauer umgehen. Ich weiß, dass er noch da ist, aber in anderer Form. So spreche ich täglich noch in Gedanken zu ihm und schicke ihm Liebe Grüße oder einen Kuss dahin wo er gerade ist.

Mit dem Alltag habe ich noch meine Probleme - ich fühle mich verloren so völlig ohne Struktur. Meine Routinen wieder aufzunehmen fällt noch etwas schwer, auch, weil ich gerade in beruflicher Veränderung bin.

Und langsam kommen diese Gedanken an meine Eltern hoch. Nach einer Phase, in der ich mich sehr gut mit ihnen verstand und alles wirklich besser zu werden schien - als hätte ich ihnen verziehen und sie mir und wir würden neu starten - ist seit dem letzten Besuch eine Eiszeit eingekehrt. Hauptsächlich von mir aus. Hin und wieder schreibt meine Mutter und will wissen, wie es mir geht.

Aber um ehrlich zu sein, interessiert es mich nicht mehr, wie es ihnen geht. Ich habe ein tiefes Schmerz- und Trennungsgefühl in mir und ich möchte auch keine Besuche und keinen weiteren Kontakt mehr mit und zu meinen Eltern.
Ich halte einfach keine einzige Situation des Streits mit ihnen mehr aus - es ist, als wenn meine Ressourcen für Hässlichkeit, Abwertung, Schreiereien und Streit durch meinen Vater für immer aufgebraucht wären. Natürlich belastet mich diese Situation, aber ich sehe gerade keinen anderen Weg. Meine Mutter schützt ihn und sieht es nicht, auch wenn ich ihr schon x-mal sagte, dass ich nicht verstehe, warum sie mit ihm zusammen ist.

Ich habe auch eine Nulltoleranz für Disharmonie in meiner Beziehung entwickelt. Und tatsächlich ist mein Partner (neben meiner Katze) meine einizge enge Beziehung. Ich denke, ich habe mich aufgrund dieser "sozialen Erschöpfung" aus allen möglichen Beziehungen zurück gezogen. Freunde: es gibt noch eine Hand voll, aber der Kontakt ist recht spärlich.
Geschwister: diese sind selbst so traumatisiert, dass wir zwar sehr nett und rücksichtsvoll miteinander umgehen, weil auch bei ihnen die Ressourcen für cholerische Eskapaden aufgebraucht sind und dies keiner von uns will. Aber sie sind teils selbst noch mitten in einer schmerzvollen Phase (Burnout, Verausgabung bis zur physischen Erschöpfung stehen auch dort an der Tagesordnung).

Kann man in die Zufriedenheit und Heilung kommen, auch wenn man keinen Kontakt mehr zu den Eltern möchte?
Wenn man den Kontakt einfach nicht "aushält", da es meist zu so schmerzhaften (verbalen) Angriffen kommt, die immer schlimmer werden, und man sich einfach emotional "abkapselt"? Ich merke, dass ich das gerade tue... ich empfinde keine Liebe mehr und es wäre mir auch recht egal, wenn ihnen was passieren würde. Ich will einfach gar nichts mehr wissen von ihnen....

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Theory
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Beitrag So., 10.10.2021, 08:14

Ich muss z.B. immer noch lernen, dass nicht nur "das absolut Überlebensnotwendigste" an Begleitung mir "zusteht", sondern ich das so nutzen darf, wie es mir gut tut.
Das Maß dafür setze ich selber, Bedenken und Nachdenklichkeiten von anderen sind mir willkommen, "dreinreden" lasse ich mir da aber nicht. Bin eh schon mehr als streng mit mir selber. ;-)
Danke dir auch für diesen Einblick. Tatsächlich musste ich auch erst lernen, Raum für mich selbst und meine Bedürfnisse zu beanspruchen. Ich habe erst vor wenigen Jahren gelernt, dass ich es "wert" bin, dass ich auf meine eigenen Bedürfnisse höre. Eine durch diese Erkenntnis und die damalige Therapie überwundene schwere chronische Erkrankung, die mich 10 Jahre begleitete, waren die beste Bestätigung dafür, dass ich nicht nur "darf" sondern mich auch um mich und mein Wohlbefinden und meine eigenen Bedürfnisse kümmern soll.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich aus Schuldgefühlen meiner Eltern gegenüber in einem ständigen Kampf zwischen meiner Arbeit, meinem Leben und "dass man ständig die Eltern besuchen muss". Als ich umzog, hat mir damals mein Vater sogar gedroht und bis heute "versteht er nicht, was ich in der Stadt XY mache" und ist der Meinung, ich müsse für ihn und meine Mutter da sein. Lange glaubte ich auch, dass es meine Pflicht als Kind wäre, dass sich mein Leben um das meiner Eltern kreiste. Selbst, als ich mit 28 Jahren endlich mein erstes, eigenes Auto kaufte, hat mein Vater meine Entscheidung dafür in Frage gestellt und mich als "deppert" bezeichnet (es ist "normal" von ihm beschimpft zu werden, wenn man etwas entgegen seiner Vorstellung tut).

Ich habe das Gefühl, dass ich fast mein ganzes Leben bis ca 38 Jahren damit zubrachte, meine Entscheidungen in allen Lebensbereichen abhängig von der Meinung und Gunst meiner Eltern/meines Vaters machte, aus Angst vor seinen Verurteilungen und Reaktionen. Erst jetzt lerne ich ganz ganz langsam, mich selbst in den Mittelpunkt meines Lebens zu stellen. Ich erlerne ganz langsam, auf mich selbst zu hören und stelle fest, dass ich viele meiner ureigenen Anteile vergessen und verleugnet habe, einfach um ihm zu gefallen.

Ich kehre langsam zu einem Selbst zurück, dass mehr mir entspricht und weniger getrieben ist von dem, was ich glaubte, das er gerne sehen und als "toll" loben würde. Entsprechend heftig fallen die Reaktionen auf das "neue Ich" aus, wenn ich auf Besuch bin. Zum ersten Mal in meinem Leben, wage ich, gegenüber meinen Eltern auch Einstellungen und Meinungen auszusprechen, die ganz eindeutig NICHT deren überzeugungen entsprechen. Diese werden "nicht verstanden" bis hin zu Beschimpfungen. Meine Mutter spielt dabei stets die Rolle der beschwichtigenden Frau, die den Kindern und dem Vater ein schlechtes Gewissen macht, um "die Beziehung wieder zu kitten" nach den Eskapaden. So hatte sie mir beispielsweise wieder beim letzten Besuch, nach einem Streit mit ihm, ein schlechtes Gewissen gemacht, dass ich ohne ein Wort des Abschieds zu meinem Vater "ja nicht abreisen könne" entsprechend lief ich (wiedermal) ins offene Messer und holte mir eine verbale Watsche ab, die gesessen hat. Ich erhole mich bis heute nicht von den zutiefst verletztenden und herabwürdigenden, ablehnenden Worten meines Vaters, die meiner Ansicht nach unsere Beziehung nachhaltig (vielleicht für immer) zerstörten.

Seither habe ich einfach gar keine Lust mehr, mich den beiden zu nähern. Sehr gerne würde ich den Rest der Familie besuchen, oder auch alte Freunde. Aber einen Besuch meiner Eltern würde ich ab nun vermeiden wollen. Denn jeder Besuch, der mit Schmerz und Leid und Streit und Kritik verbunden ist, ist einer zu viel...es sind mir in meinem Leben schon zu viele Schmerzen entstanden durch das rücksichtslose Verhalten meines Vaters. Die fast 35 Jahre lange "Gehirnwäsche", dass ich ihnen für alles "dankbar" sein müsse und sie "die besten Eltern der Welt waren, da sie so gut finanziell für uns sorgten und immer alles gemacht haben für uns" ist für mich mittlerweile eine Farce. Meine Ressourcen, mich weiter diesem unehrlichen Spiel, ohne je ehrlich auszusprechen, was ich über das Verhalten meines Vaters denke, auszusetzen, sind erschöpft. Die Angst vor seiner Reaktion, wenn ich ihn damit konfrontieren würde, ist einfach zu groß, also keine Option. Es würde auch nichts bringen, weil sie mir nur wieder ein schlechtes Gewissen machen würden, "du sollst Vater und Mutter bedingungslos ehren".

:kopfschuettel:

Ich frage mich, wie ich meinen Frieden finden kann, auch wenn ich den Kontakt abbreche (und vielleicht nur mehr zum Begräbnis komme?). Ich will so gerne endlich "MEIN LEBEN" Leben. Und ich sehe sie in diesem Leben aktuell nicht mehr. Mir geht es deutlich besser, wenn ich den Kontakt abbreche.


Waldschratin
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Beitrag So., 10.10.2021, 09:21

Theory hat geschrieben:Kann man in die Zufriedenheit und Heilung kommen, auch wenn man keinen Kontakt mehr zu den Eltern möchte?
Bei dem, was du da beschreibst, ist es wohl eher erstmal unbedingt nötig, ganz aus dem Kontakt zu gehen.
Um dich überhaupt mal in Ruhe selber entdecken und mit dir anfreunden zu können.

Heißt ja nicht, dass nicht vielleicht irgendwann mal wieder ein Wunsch nach Kontakt mit ihnen in dir aufkommt.
Dann kannst du ja wieder neu dir angucken, wie du dann am liebsten damit umgehen möchtest.
Oder auch "nicht umgehen". ;-)

Theory hat geschrieben:Ich erhole mich bis heute nicht von den zutiefst verletztenden und herabwürdigenden, ablehnenden Worten meines Vaters, die meiner Ansicht nach unsere Beziehung nachhaltig (vielleicht für immer) zerstörten.
Darf ich mal ganz graderaus-direkt fragen : Welche Beziehung denn?

Du hast eine zu ihm, aber hatte er je eine zu dir?
Hat er je unterscheiden können zwischen sich und dir als Person?
Bist du nicht eher sowas wie ein "Außenbereich" von ihm selber/sein "Besitz", in den er legen kann, was er von sich selber nicht nah in sich haben will - und dann an dir bekämpfen, zurechtbringen etc. möchte?

Die Schuldgefühle, die man hat, wenn man sich dann tatsächlich mal ganz abnabelt von solchen Eltern, kenn ich ja selber auch nur zu gut.
Da wurde man gut drauf konditioniert, das war ja deren Sinn dahinter.
Das ist schwer, das durchzustehen und nicht gegen sich selber zu gehen dabei.
Aber es ist möglich, sich da nach und nach rauszuarbeiten. :ja:
Ich wünsch dir, dass deine neue Thera dir da entsprechend gut zur Seite steht und dich dabei gut begleitet! :hugs:

Theory hat geschrieben: Es würde auch nichts bringen, weil sie mir nur wieder ein schlechtes Gewissen machen würden, "du sollst Vater und Mutter bedingungslos ehren".
Achja, wenn nix mehr geht, kommen sie mit der guten alten Bibel... :roll:
War bei meinen auch so, obwohl beide an sich mit Glauben und Gott nix am Hut hatten.
Ich dagegen schon. Deshalb hab ich mich entsprechend damit auseinandergesetzt.

Ehren kann ich meine Eltern. Sind Menschen, also kann ich ihnen ihre Würde lassen und muss da nicht mit gleicher Münze zurückagieren.

"Lieben" muss ich sie aber nicht.

Und mal andersrum betrachtet : Haben sie dich denn jemals "geehrt"?
Dich wahrgenommen als die, die du bist, und dich darin bestätigt und bestärkt?
Steht nämlich auch in der Bibel, dass Eltern achtsam und mit Respekt mit ihren Kindern umzugehen haben.

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Theory
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Beitrag Di., 19.10.2021, 11:55

Vielen lieben Dank für deine Antwort.

Mich kostet das Thema sehr viel Kraft, daher habe ich es erstmal sacken gelassen.

Ich habe die letzten Wochen, also ich mit dem Gedanken spielte, sie eine Zeit lang nicht mehr regelmäßig anzurufen und zu besuchen, gemerkt, wie gut mir dieser Fokus auf mich selbst tat.

Und tatsächlich, wenn die beiden mich fragen würden, was ich mir zu Weihnachten wünschte, dann wären das
- Respekt
- Toleranz
- Wertschätzung
- Untersützung
- Der Glaube an mich/ihr Kind
- Vertrauen in meine Fähigkeiten

Und tatsächlich erarbeite ich mir im Moment, diese Dinge mir selbst zu schenken.
Ich arbeite fast jeden Tag mittels Satzstämmen an meiner Bewusstheit und es wird immer klarer, wie viel besser es mir geht, wenn ich mich mehr und mehr um mich und mein Wohlergehen kümmere und dieses bedingungslos in den Mittelpunkt meines Lebens stelle (oh welch Wunder auch ;))

Aktuell tut sich bei mir auch beruflich sehr viel. Ich habe ein Unternehmen verlassen, ein tolles Team, aber die „Wertschätzung“ durch das Leadership Team fehlte mir und ich war auch nicht richtig in der Organisation positioniert.
Nun bin ich einige Wochen im neuen Unternehmen, und fühle das selbe. Eine Unzufriedenheit, und ich merke, wie „das alte“ ich durch „ein neues Ich“ ersetzt wurde, das aber mit den „alten Strukturen/alter Arbeitsmodelle“ nicht mehr glücklich ist.

Die Frage ist dann nur - nachdem sich die recht hohe Miete in der Stadt nicht von selbst bezahlt, wie ich hier weitermache…
Was für Schritte kann ich setzen, um ein „neues Arbeiten“ zu entwickeln… welche Dinge kann ich tun, um „mein Unternehmen“ zu formen… ja, ich denke, dass ich mich selbständig machen kann und ich habe das Gefühl, dass das, was ich anbiete und kann, dass ich das nicht wirklich wo „lernen“ kann…. Aber so richtig definiert ist es auch noch nicht…. Ein bißchen wie ein Vakuum zwischen alter und neuer Welt…

Hat die persönliche Entwicklung bei dir auch eine berufliche Veränderung hervorgerufen?

Viele Grüße


Waldschratin
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Beitrag Di., 19.10.2021, 15:23

Theory hat geschrieben:Hat die persönliche Entwicklung bei dir auch eine berufliche Veränderung hervorgerufen?
Hätte sie wahrscheinlich, wären mir nicht diverse körperlichen Krankheiten dazwischengefunkt. Erblich bedingte größtenteils, trotz derer ich in meinem Beruf als Krankenschwester dennoch ne mittelprächtige Karriere hingekriegt hab.
Und grade, als es so richtig gut für mich lief beruflich, hats mich aus den Latschen gekippt, wortwörtlich.
Ich musste dann nahtlos von der Krankschreibung in die EU-Rente übergehen.

Ich kann aber schon nachvollziehen, was du da grade an Aufbruchsstimmung und neuer Ideenvielfalt und der inneren Freiheit dazu, dich auch an Umsetzung zu wagen erlebst.
Und warum solltest du da nicht dran rumbasteln?
Klar, so ne innere Veränderung/Befreiung ist ein Prozess, der geht nicht hauruck und dann ist alles gut etc.
Aber er wirkt sich aus, also wirkt er sich auf alle Bereiche deines Lebens aus, und der Beruf ist da ja ein recht großer davon. :ja:

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