Angst vor dem Erstgespräch

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Pustekuchenxc
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Beitrag Mo., 03.06.2019, 20:09

Ich habe heute einige ruhige Minuten genutzt, um Ordnung in meine Gedanken zu bekommen.
Dabei sind mir eine Menge, großteils organisatorisch Fragen gekommen. Ich würde sie gerne hier stellen, vielleicht kann ja jemand Licht ins Dunkel bringen. Ich hab das Internet zwar bemüht, werde aber nur bedingt schlau daraus.

Ich hatte 2012 bis ca. 2014 (glaube ich) eine ambulante Verhaltenstherapie über keine Ahnung wie viele Stunden. Hab sie auf jeden Fall abgebrochen, müsste aber noch Stunden gehabt haben. 2013 war ich stationär in einer geschlossenen KiJu-Psychiatrie.
Steht mir überhaupt Therapie zu? Auch der volle Stundenumfang? Oder wird mir was gekürzt, weil ich quasi schonmal eine Therapie hatte?

Muss ich im Zuge einer neuen Therapie Berichte aus der letzten vorlegen oder darf ich, vor allem nach den Jahren, neu beginnen?

Wenn ich jetzt auf eine Warteliste komme. Bekomme ich die 5 probatorischen Sitzungen trotzdem angerechnet oder verfallen die mit Therapiebeginn, wann auch immer der ist, weil bis dato schon ein Antrag raus ist?
Oder bekomm ich vor dem Antrag doch nochmal Zeit, sie etwas kennen zu lernen und dann entscheiden wir uns erst für oder gegen Therapie?

Wie läuft so ein Antrag ab? Kann der echt abgelehnt werden oder ist das eher unwahrscheinlich? Wodurch würde das begünstigt werden?

Es handelt sich bei mir vermutlich (wieder) um eine VT. 80 Stunden soll wohl der Höchstsatz sein. Hab ich danach irgendwelche Möglichkeiten? Oder stehe ich wirklich 2 Jahre (2 Jahres Grenze?) gänzlich ohne Hilfe da, solang ich mich nicht selbst einweise?

Sollte ich mich nach Ende der Therapie selbst einweisen.. Stehe ich nach Ende des Aufenthalts trotzdem allein da oder gibt es da extra Regelungen?

Wie ist das, wenn ich in Betracht ziehe, während oder nach der Therapie die Therapieform zu ändern? Bspw weil ich umziehe und sowieso einen anderen Therapeuten brauche oder mich letztlich im Anschluss für eine "intensivere" Therapie entscheide?
Hab ich dann auch zwei Jahre Sperre?

Fragen über Fragen. :roll:
Vielleicht findet wer die eine oder andere Antwort. Ich danke euch.
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Fighter1993
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Beitrag Mo., 03.06.2019, 20:40

Liebe Pustekuchen,
ich möchte dir gerne antworten, kann aber nicht auf all deine Fragen eine Antwort geben bzw beantworte sie dir mal nach Gefühl, daher auch keine Garantie für 100% Richtigkeit. Aber viellicht hilft dir eben schonmal ein bisschen was.
Pustekuchenxc hat geschrieben: Mo., 03.06.2019, 20:09 Steht mir überhaupt Therapie zu? Auch der volle Stundenumfang? Oder wird mir was gekürzt, weil ich quasi schonmal eine Therapie hatte?
Dass du schonmal in Therapie warst, hat keinen Einfluss auf das neue Kontigent, zumal ja auch schon einige Zeit rum ist. Also dir steht die Therapie zu, auch der volle Stundenumfang - kann nur sein dass die Stunden in mehreren Etappen beantragt werden bzw. dürfen glaube ich auch erstmal nur eine gewisse Anzahl beantragt werden und dann im Verlängerungsantrag der Rest.
Pustekuchenxc hat geschrieben: Mo., 03.06.2019, 20:09 Muss ich im Zuge einer neuen Therapie Berichte aus der letzten vorlegen oder darf ich, vor allem nach den Jahren, neu beginnen?
Du darfst neu beginnen. Es ist deine Entscheidung ob und in welchem Maße du in einer neuen Therapie alte Berichte vorlegst. Manchmal kann es hilfreich sein, wenn eben schon ein bisschen was vorliegt, es kann aber auch gut sein eben völligst unvorbelastet da rein zu gehen und dem neuen Therapeuten die Möglichkeit des Kennenlernen und selbst beurteilen zu geben.
Pustekuchenxc hat geschrieben: Mo., 03.06.2019, 20:09 Wenn ich jetzt auf eine Warteliste komme. Bekomme ich die 5 probatorischen Sitzungen trotzdem angerechnet oder verfallen die mit Therapiebeginn, wann auch immer der ist, weil bis dato schon ein Antrag raus ist?
Oder bekomm ich vor dem Antrag doch nochmal Zeit, sie etwas kennen zu lernen und dann entscheiden wir uns erst für oder gegen Therapie?
Theoretisch gehst du jetzt ja erstmal in eine Sprechstunde. Wenn du dann auf die Warteliste kommst und du dann in ein paar Wochen/Monaten Bescheid bekommst, fangt ihr mit den probatorischen Sitzungen an. Eventuell - und das würde ich beim ersten Termin nachfragen - kann es sein dass die probatorischen Sitzungen auch schon während der Wartezeit gemacht werden, wenn bspw. Ausfallstunden bei der Therapeutin sind. Aber das handhabt jeder wohl anders und deswegen: nachfragen.
Pustekuchenxc hat geschrieben: Mo., 03.06.2019, 20:09 Wie läuft so ein Antrag ab? Kann der echt abgelehnt werden oder ist das eher unwahrscheinlich? Wodurch würde das begünstigt werden?
Der Antrag ist so, dass du vom Hausarzt nen Konsiliarbericht beim Therapeuten abgeben musst, damit ausgeschlossen wird, dass die Beschwerden organische Ursachen haben. Den Vordruck wird dir die Therapeutin dann geben. Sie wird dann wenn du dich für die Therapie entscheidest einen Bericht schreiben und den mit dem Antrag (ich musste im Grunde nur unterschreiben, den Rest hat die Therapeutin gemacht) an die KK schicken. Klar kann der abgelehnt werden, aber ich glaube das ist eher selten der Fall beim Erstantrag, es kann da durchaus auch möglich sein, dass nicht sofort die beantragten Stunden genehmigt werden, bei mir wurden bspw. 160 beantragt und 140 wurden bewilligt (mache Analyse). Die Therapeuten wissen in der Regel, wie sie den Bericht schreiben müssen, damit er durchgeht. Also da würde ich mir keine großen Gedanken machen.
Pustekuchenxc hat geschrieben: Mo., 03.06.2019, 20:09 Hab ich danach irgendwelche Möglichkeiten? Oder stehe ich wirklich 2 Jahre (2 Jahres Grenze?) gänzlich ohne Hilfe da, solang ich mich nicht selbst einweise? Sollte ich mich nach Ende der Therapie selbst einweisen.. Stehe ich nach Ende des Aufenthalts trotzdem allein da oder gibt es da extra Regelungen?
Dazu weiß ich jetzt nichts genaues, meine aber dass es durchaus Möglichkeiten gibt. Aber wie gesagt, da bin ich selbst unsicher und kann dir nichts genaues sagen.
Pustekuchenxc hat geschrieben: Mo., 03.06.2019, 20:09 Wie ist das, wenn ich in Betracht ziehe, während oder nach der Therapie die Therapieform zu ändern? Bspw weil ich umziehe und sowieso einen anderen Therapeuten brauche oder mich letztlich im Anschluss für eine "intensivere" Therapie entscheide?
Hab ich dann auch zwei Jahre Sperre?
Wenn du umziehst oder den Therapeuten wechselst und innerhalb des genehmigten Verfahren bleibst, dann nimmst du quasi die noch ungenutzten Stunden mit. Wechselst du das Verfahren, muss ein komplett neuer Antrag gestellt werden und da gelten die 2Jahre Sperre nicht. Du könntest also direkt im Anschluss nach der Verhaltenstherapie eine Analyse oder tiefenpsychologische Therapie beginnen.


Hoffe das hilft ein bisschen und vielleichthat ja jemand noch aussagekräftigere Antworten.
LG

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spirit-cologne
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Beitrag Mo., 03.06.2019, 21:30

Eine 2-Jahres-Sperre in dem Sinne gibt es nicht, egal ob Verfahrenswechsel oder nicht. Es kann lediglich innerhalb von 2 Jahren kein gutachterfreier Antrag gestellt werden. Normalerweise sind ja die Kurzzeitanträge gutachterfrei. Daher werden die meisten Therapeuten erst die Kurzzeittherapie 1 und 2 (jeweils 12 Stunden) ohne Gutachter beantragen und sich dann überlegen ob eine Umwandlung in eine Langzeittherapie beantragt werden soll (dann im Gutachterverfahren). Ob die Therapeuten das tun oder nicht, hängt von der Schwere der Erkrankung und dem bisherigen Therapieverlauf ab.

Es kann auch nach Ende der Therapie noch mal ein Antrag gestellt werden, auch wenn noch keine 2 Jahre rum sind, sowohl im gleichen, wie auch in einem anderen Verfahren. Dann muss man aber in jedem Fall sofort, also auch bei Kurzzeittherapie ins Gutachterverfahren(wo die meisten Therapeuten aber keine Lust drauf haben). Allerdings muss man da gut begründen, warum die bisherige Therapie nicht ausgereicht hat und warum man glaubt, dass diese Therapie dann den Erfolg bringt, den die alte Therapie nicht erbracht hat. Da schauen die Gutachter schon genau hin. Die Begründung ist natürlich im gleichen Verfahren noch mal schwieriger, als bei einem Verfahrenswechsel, aber wenn es gute Gründe gibt (z.B. neue Schwellensituation, "missglückte" Ersttherapie) kann man auch im gleichen Verfahren einen Antrag durchbekommen.

Was ich mich allerdings frage, ist warum du schon jetzt davon ausgehst, dass dir das "normale" Therapiekontingent nicht reichen wird? Klar, das kann in ungünstigen Fällen so sein, aber ich finde es schwierig, schon vor Beginn der Therapie so eine Art "Endlostherapie" zu planen...
Vertraue doch erst mal drauf, dass die Therapeutin ihren Job gut macht und das Kontingent reicht. Wenn nicht, kannst du immer noch weitersehen...
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

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Pustekuchenxc
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Beitrag Di., 04.06.2019, 03:46

spirit-cologne hat geschrieben: Mo., 03.06.2019, 21:30 Was ich mich allerdings frage, ist warum du schon jetzt davon ausgehst, dass dir das "normale" Therapiekontingent nicht reichen wird? Klar, das kann in ungünstigen Fällen so sein, aber ich finde es schwierig, schon vor Beginn der Therapie so eine Art "Endlostherapie" zu planen...
Vertraue doch erst mal drauf, dass die Therapeutin ihren Job gut macht und das Kontingent reicht. Wenn nicht, kannst du immer noch weitersehen...
Oh jeh, da hab ich mich falsch ausgedrückt.
Eine Endlostherapie plane ich gewiss nicht. Das ist eher, was ich absolut umgehen will und weshalb ich diesmal gewillt bin, alles zu tun, um diese Chance für mich zu nutzen.
Viele meiner Fragen sind grad auch wenig auf mich selbst bezogen, sondern mir einfach beim Nachdenken gekommen. Ich fände es sonst auch schwierig, 2 Jahre in die Zukunft zu denken.

Der einzige Gedanke, den ich bisher hatte, war, dass eine VT evtl. nicht die ganz richtige Form von Therapie für mich wäre.
Davon hab ich aber keine Ahnung. Ich kann nur von der VT sprechen, die ich bereits hatte - da ist wohl aber auch einiges schief gelaufen.
Deshalb bin ich jetzt einfach einmal mutig, geh da hin und lasse mich überraschen. Danach sehen wir weiter!

Ansonsten bin ich dankbar, dass ich jetzt ein wenig mehr Klarheit habe. Ich danke euch.
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Pustekuchenxc
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Beitrag Sa., 08.06.2019, 20:28

Später als geplant.. Aber hier nun doch ein Fazit von dem Termin:

Das Gespräch lief ganz anders als gedacht. Wir haben total offen gesprochen, auch über ganz tiefgreifende Dinge. Hauptsächlich ging es um mein Trauma und alles, was so drum rum passiert ist. Und tatsächlich hab ich mich sehr geöffnet und ihr viel erzählt. Die Liste brauchte ich gar nicht. Letztlich erleichtert es mich aber auch, dass sie nicht gleich alles weiß.
Das hatte irgendjemand angemerkt.. Ich glaube, diese Person hatte sehr recht und ich bin froh, dass es so kam, wie es gekommen ist.

Irgendwie fühl ich mich bei ihr gut aufgehoben. Sie hat teilweise so menschlich reagiert. Damit hab ich so gar nicht gerechnet. Zwischendurch sagte sie einfach aus dem Bauch heraus, was das alles für eine "elende Scheiße" wäre, die mir da passiert ist. Aber die ganze Zeit so einfühlsam und empathisch, dass ich mich irgendwie verstanden fühlte. Das tat mir richtig gut.
Sie sprach auch wirklich ruhig mit mir und gar nicht fordernd. Als ich mich schwer tat, gab sie immer Hilfestellung.
Da war gar kein Druck. Kein erwartender Blick. Nichts. Sie schien einfach nur sehr bewegt, aber dennoch professionell.

In 2 Wochen will sie mich wieder sehen. Also wirklich sie - meinen Einwand, dass sie sowieso schon so viel zu tun hat, tat sie mit "es liegt mir aber am Herzen, dass sie, sie sind noch so jung, jetzt nicht schlimmstenfalls ein halbes Jahr leidend warten, bis ich endlich Zeit für sie habe" ab. Sie macht dafür sogar extra einen Termin möglich.
Sie sagte, sie kann mir diesen Sommer nichts mehr anbieten. Aber sie möchte mich stabilisieren, damit ich die Wartezeit nicht nur "aushalte", sondern recht gut überstehe. Das fand ich sehr herzlich.

Was die Wartezeit betrifft, sagte sie, dass sie eigentlich bis oben hin voll ist. Vor allem, weil ich nur nachmittags kann.
Aber sie möchte gern mit mir arbeiten. Deswegen versucht sie es zum Herbst hin schon möglich zu machen, möglich, dass es aber auch erst zum Winter was wird. Andere warten wohl noch länger. Vielleicht hat sie meine Geschichte berührt?

Ich habe echt sehr distanziert gesprochen. Als würde es mir gar nicht nahe gehen. Das passiert mir oft. Aber ich denke, sie hat gesehen, dass es wirklich auf mir drückt.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie einfach alles verstanden hat.. Auch wortlos. Sie gab so viel richtig wieder, was ich gar nicht ausgesprochen habe. Mir fehlten zu oft die richtigen Worte und sie fand sie dann, als sie wiederholte was ich sagte.

Zum Schluss sagte sie noch, dass sie viel Mitarbeit erwartet. Quasi 90 Prozent ich, 10 Prozent sie. Das hat mich ein wenig unter Druck gesetzt. Ich weiß noch nicht, ob ich das so schaffe. Aber ich tue es ja für mich. Ich hoffe sehr, dass sie mich da langsam hin führt und nicht gleich ab der ersten Stunde einen gewaltigen Redefluss erwartet. Sie weiß, dass ich dazu neige, zu mauern. Das hab ich ihr gesagt. Auch, dass meine letzte Therapie fast ausschließlich aus Schweigen bestand.
Vielleicht lasse ich mich auch wieder zu stark von meiner Angst leiten. Das Gespräch gestern war so gut.. Ich denke, wir schaffen das zusammen.

Den Tip mit "sei dir am besten 90 Prozent sicher" hab ich mir zu Herzen genommen.
Bei ihr sind es sogar, trotz aller Skepsis, mehr als 90 Prozent.
Sie wäre ok, wenn ich andere Therapeuten versuche. Aber das möchte ich nicht. Ich fühle mich so gut angenommen von ihr, dass ich gern mit ihr an mir arbeiten würde.

Ich bin sehr froh, dass es so lief. Auch, wenn mir das Gespräch wirklich nachhängt und ich merke, dass mich Dinge sehr leicht triggern. Vor allem vernarbte Arme von anderen Menschen. Davon habe ich mehr als genug gesehen, besonders heute auf dem CSD. Mir ist sowas vorher nie aufgefallen.. Jetzt schon. Und ich musste oft tief durchatmen.
Lange, intensive Gespräche mit der Freundin, bei der ich gestern direkt nach dem Gespräch war, halfen mir da etwas raus. Ich bin froh, dass sie da war.
Hoffentlich tut es bald etwas weniger weh.
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Lebenswanderin
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Beitrag So., 09.06.2019, 12:30

Liebe Pustekuchen,

ich freue mich wie ein Keks, dass es so gut gelaufen ist und Du so viel Vertrauen finden konntest. So ein Fortschritt! Feier ihn!

Während der Wartezeit hast Du ja hier die Möglichkeit zu schreiben. Ich werde es lesen!
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"Verletzlichkeit ist unsere wahre Natur und der Zugang zur inneren Heilung."


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Beitrag So., 09.06.2019, 19:33

Auch von mir Glückwunsch zu diesem Erlebnis! Bewahre es dir gut auf, es ist wertvoll!

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Pustekuchenxc
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 14:46

Heute stehe ich irgendwie neben mir. Es ist, als stünde ich am Fuße eines gewaltigen Berges, aber finde gar keinen Zugang. Vielleicht steh ich aber auch einfach genau davor und seh ihn einfach nicht.

Alles überfordert mich. Restlos alles. Ich mag nicht sprechen, ich mag nicht aufstehen, ich mag nicht essen, ganz zu schweigen davon meinen Haushalt zu machen. Mir ist nicht nach rausgehen. Mir ist nichtmal danach, einer Vertrauensperson zu schreiben, sie vielleicht um ne Umarmung zu bitten. Das, was sonst immer irgendwie hilft, wenn nichts mehr geht. Mir ist einfach nach überhaupt gar nichts.

Der Gedanke an die Arbeit morgen macht mich völligst fertig. Ich weiß nicht, wie ich dem Druck in mir drin und dem Druck von außen standhalten soll. Es ist, als würde es mich von beiden Seiten erdrücken und ich weiß gar nicht, ob ich zuerst implodiere oder explodiere. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht weiß, was davon besser wäre. Wahrscheinlich beides blöd. Das eine verletzt mich selbst, das andere alle um mich herum.

Mein ganzes Dasein fühlt sich grad schon wieder an, als würde ich morgen früh mal wieder unter Tränen im Bett liegen und mich keinen Millimeter bewegen können, obwohl ich eigentlich zur Arbeit muss. Das ist so oft passiert in den letzten Monaten und es macht mir solche Angst. Ich will das auf gar keinen Fall.
Ich mein, es ändert doch nichts. Dann sitz ich wieder beim Arzt und heul ihm eins vor, von wegen, dass ich mit mir selbst überfordert bin und rein gar nichts mehr packe. Und er wird mich wieder mitleidig anschauen, mir seine Hand auf die Schulter legen und versuchen, mich in die Klinik zu schicken. Er wird wieder fragen, wie er es immer tut, ob ich überhaupt noch leben möchte. Und ich werde mir wieder mit meinem "ja, tut nur grad ein bisschen weh" selbst was vormachen. Hauptsache keiner merkt, wie furchtbar es ist. Nur nicht verwundbar machen und keinem mehr die Macht geben, über mich entscheiden zu dürfen.
Ich werde wieder sagen, dass ne Klinik grad nicht geht. Und, dass ich auf gar keinen Fall länger als bis Mittwoch fehlen darf. Wie immer.
Dann werd ich wieder gehen und weiter verzweifeln, weil es mit zwei Tagen Ruhe einfach nicht getan ist.
Mein Kopf ist so voll.

Alles in mir kämpft, dass ich es morgen irgendwie zur Arbeit schaffen muss. Dass ich okay genug sein muss, um mir nichts anmerken zu lassen. Son schlechten Tag hat doch jeder Mal, oder? Hab ich halt ein paar mehr davon.
Ich frag mich echt, wie vielen das schon aufgefallen sein muss.

Jetzt steh ich schon auf so ner blöden Warteliste, bin der Hilfe so nah, wie ich es nie zuvor war.. Und jetzt, genau jetzt, bricht alles so hart zusammen.
Nie tat das so weh, wie jetzt grad. Und nie hab ich mich so verdammt hilflos gefühlt..

Ich weiß nicht, was ich tun soll und ich hab absolut keine Ahnung, wohin mit diesem Berg aus Gefühlen..
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Montana
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 15:27

Es tut mir sehr leid, das zu lesen. Bestimmt ist schon vielen aufgefallen, dass es dir schlecht geht. Aber nur wirklich nahestehende Personen trauen sich, einem zu sagen: "Du siehst heute aber wirklich sch* aus." Als es mir besser ging, da sagten viele: "Du siehst viel besser aus. Bis vor Kurzem sahst du extrem schlecht aus, aber das wollte ich dir lieber nicht sagen." Und ich hatte gedacht, es würde keiner sehen. So ein Unsinn.
Auch wenn du dir das jetzt gar nicht vorstellen kannst: es kann wieder besser werden. Es kann sogar richtig gut werden. Aber das passiert nicht von heute auf morgen. Und du kannst das nicht beschleunigen, indem du dich zu etwas zwingst. Hausarbeit ist auch nicht so wichtig. Wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Ich hab echt meinem Therapeuten vorgejammert, dass ich so schlecht bin, weil meine Wohnung dreckig war. Da hat er gemeint: "Ist doch egal. Das ist nicht schlimm und das ändert sich auch wieder. Jetzt ist es erstmal so." Das hat mir geholfen, mich deswegen nicht selber fertig zu machen.

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Pianolullaby
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 16:59

Und wieso gehst Du nicht freiwillig in die Klinik, dann hat keiner Macht über Dich, denn Du hast es entschieden.
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 17:08

Ich kann im Moment nicht viel mehr sagen, als dass es mir unendlich Leid tut, nach Deiner so schönen Erfahrung. Ich weiß noch nicht, was ich antworten kann, alles, was ich denke fühlt sich verkehrt an.

Ich bin nach guten erfahrungen auch immer erstmal abgestürzt, als wenn die Ängst ihr Herrschaftsgebiet nicht so ohne Weiteres hergeben wollen. Deine Angst spürt, dass Du ihr an den Kragen gehen willst, mir Hilfe der Therapie. Vielleicht hilft Dir dieser Gedanke ein wenig. Mir hat er immer sehr geholfen, einzuordnen, was gerade geschieht.
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Pustekuchenxc
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 17:27

Montana hat geschrieben: Mo., 10.06.2019, 15:27 Hausarbeit ist auch nicht so wichtig. Wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Ich hab echt meinem Therapeuten vorgejammert, dass ich so schlecht bin, weil meine Wohnung dreckig war. Da hat er gemeint: "Ist doch egal. Das ist nicht schlimm und das ändert sich auch wieder. Jetzt ist es erstmal so." Das hat mir geholfen, mich deswegen nicht selber fertig zu machen.
Das hilft mir sehr, danke.
Man hat halt selbst so nen riesen Druck auf sich. Ich fühl mich häufig wie ein Versager. Hab mich vor nem Jahr, mit 17, dazu entschieden von zuhause wegzugehen. Ich dachte, es wird leichter, wenn man sich distanziert.
Jetzt sitze ich hier, bin völlig auf mich allein gestellt und krieg gefühlt nichts gebacken.

So erwachsen, wie ich sein müsste, bin ich einfach nicht. Ich sehne mich so wahnsinnig nach Nestwärme. Aber die könnte ich "Zuhause" auch nicht erwarten.
Pianolullaby hat geschrieben: Mo., 10.06.2019, 16:59 Und wieso gehst Du nicht freiwillig in die Klinik, dann hat keiner Macht über Dich, denn Du hast es entschieden.
Weil es mir immer noch wahnsinnige Angst macht. Freiwillige setze ich da keinen Fuß mehr rein. Außerdem lässt es sich mit meiner Arbeit nicht vereinbaren.
Klinik geht grad einfach nicht.

Ich hab so lange ohne Therapie durchgehalten. Ich dachte, es ginge noch ewig so weiter. Jetzt sitz ich vor diesem möglichen halben Jahr Wartezeit und es scheint unüberwindbar.
Fühlt sich fürchterlich an.
Lebenswanderin hat geschrieben: Mo., 10.06.2019, 17:08 Ich bin nach guten erfahrungen auch immer erstmal abgestürzt, als wenn die Ängst ihr Herrschaftsgebiet nicht so ohne Weiteres hergeben wollen. Deine Angst spürt, dass Du ihr an den Kragen gehen willst, mir Hilfe der Therapie.
Das hast du super schön gesagt.. Danke.
Das Gespräch begleitet mich schon das ganze Wochenende. Das hatte ich eigentlich als okay verbucht, weil ich es letztlich nur am Gedankenkreisen und der erhöhten Triggergefahr gemerkt habe. Beides Dinge, mit denen ich zurecht komme.
Ob das hier jetzt damit zutun hat, weiß ich gar nicht. Ich habe es oft, dass nach guten Tagen ein heftiger Absturz kommt. Da ist er wohl mal wieder.
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 17:32

Vielleicht kann es Dir auch helfen, Dich in solchen Tagen an die schöne Begegnung mit der Therapeutin zu erinnern. Denn das ist eine neue Wirklichkeit. Und daran, dass es dort für Dich weiter gehen wird! Das ist doch eine gute Aussicht aus der Enge der Angst. Ein Weg!
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 17:48

Lebenswanderin hat geschrieben: Mo., 10.06.2019, 17:32 Vielleicht kann es Dir auch helfen, Dich in solchen Tagen an die schöne Begegnung mit der Therapeutin zu erinnern. Denn das ist eine neue Wirklichkeit. Und daran, dass es dort für Dich weiter gehen wird! Das ist doch eine gute Aussicht aus der Enge der Angst. Ein Weg!
In der Theorie klingt das total schön. Und ich will auch wirklich was verändern - vor allem nicht mehr alles hinterfragen oder kaputtdenken.
Aber es fällt mir noch schwer, dieses Treffen als so richtig positive Veränderung auf meinen Weg anzusehen. Das muss ich noch lernen.
Weil letztlich bin ja ich die, die arbeitet. Sie unterstützt mich nur. Und ich habe derweil nicht das nötige Vertrauen zu mir selbst, dass ich das echt schaffen kann.
Was ich ihr hoch anrechne, war ihre Menschlichkeit das ganze Gespräch über. Das mochte ich sehr. Und es tut mir gut, dass sie mich gesehen hat und auch die Dringlichkeit erkannte, obwohl ich alles gegeben habe, um meine Erlebnisse nicht "schlimm" wirken zu lassen.
Das zusammen macht mir schon irhendwie Mut. Aber der erscheint so klitzeklein im Vergleich zu den heutigen Gefühlsausbrüchen.
Vielleicht sollte ich einfach mal Geduld mit mir selbst lernen.
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Lebenswanderin
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Beitrag Mo., 10.06.2019, 17:59

Pustekuchenxc hat geschrieben: Mo., 10.06.2019, 17:48 In der Theorie klingt das total schön. Und ich will auch wirklich was verändern - vor allem nicht mehr alles hinterfragen oder kaputtdenken.
Aber es fällt mir noch schwer, dieses Treffen als so richtig positive Veränderung auf meinen Weg anzusehen.
Kaputtdenken, kommt mir bekannt vor :) das ist schon mal gut, dass Du das bei Dir sehen kannst.

Das Gespräch ist ja auch noch nicht wirklich eine Veränderung. Aber eine Erinnerung daran, dass es einen Weg geben wird, eine Aussicht. Klar musst Du die meiste Arbeit machen. Das Vertrauen kommt dann, wenn Du erste Schritte gehst und erste auch noch so kleine Erfolge sehen kannst. Versuche nicht schon jetzt Angst für die Zukunft aufzubauen.

Ja ja, die liebe Geduld. Die müssen wir wohl alle lernen. Ich auch. Damit bist Du also nicht alleine.

Ich hab ein sehr gutes Gefühl bei Dir, weil Du so entschlossen Veränderung willst. Und ann wirst Du es auch schaffen, aber es ist kein leichter und kurzer Weg. Besser man stellt sch darauf ein. Vielleicht kann es Deinen kleinen Mut etwas stärken.
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