Eigenverantwortung?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag So., 05.05.2019, 20:31

Na ja, nur weil etwas in der Realität vorkommt heisst dass ja noch lange nicht dass es therapeutisch ok oder Einwandfrei ist. Es gibt ja auch "schlechte Therapeuten" bis hin zu missbräuchlichen.

Ich hab es auf alle Fälle nie erlebt dass meine Therapeutin versucht hätte mich zu etwas zu zwingen. Wenn dann hat sie mir Vorschläge gemacht und Möglichkeiten genannt (einmal zB. auch ein Medikament) aber wenn ich dass nicht wollte war das dann auch ok. Ich wäre wahrscheinlich auch gegangen wenn sie mich da zu etwas hätte zwingen wollen. Sie ist ja Gott sei Dank nicht die einzige Therapeutin auf dieser Welt. ;-)

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mio
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Beitrag So., 05.05.2019, 20:39

stern hat geschrieben: So., 05.05.2019, 20:18 Therapeut sieht ungutes Umfeld (das der Patient nicht aufgeben will) oder befürwortet Gewichtszunahme oder -abnahme, etc. ... um seinem Verständnis von therapeutischer Verantwortung gerecht zu werden.
Und nur weil ein Therapeut etwas befürworten würde bedeutet das ja noch lange nicht dass man es auch machen muss.

Wenn sich aber jemand vor meinen Augen zu Tode hungern würde dann würde ich als Therapeut schon zu sehen, dass die Person Hilfe erhält. Da geht es dann ja zB. klar um Leben oder Tod, das ist für mich noch mal was ganz anderes als eine simple Bevormundung. Kommt halt immer auf die Verhältnismässigkeit an.

Und jemandem zu sagen dass es ihm wahrscheinlich gesundheitlich oder psychisch gut tun würde das und das zu ändern ist ja jetzt nicht übergriffig sondern hat in den von Dir genannten Fällen ja durchaus auch eine Berechtigung, nur VORSCHREIBEN (also zur Bedingung machen) sollte einem ein Therapeut sowas nicht, es sei denn es gibt einen wirklich triftigen Grund dafür wie zB. eine Selbst- oder Fremdgefährdung.

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amarok
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Beitrag So., 05.05.2019, 21:10

Hallo Stern

Interessante Frage. Also mein Therapeut ist sehr darauf aus, dass ich Eigenverantwortung übernehme und selbstbestimmter werde, eben in dem Sinn wie mein Leitspruch, der übrigens von ihm ist: „bleib bei Dir“. Aber während der Therapie ist es ein geschützter Raum, wo vor allem der Therapeut viel Verantwortung gegenüber dem Klienten hat. Und erst mit der Zeit lernt der Klient, nach und nach wieder selber Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.

Habe auf der Homepage eines Therapeuten im Internet diese Beschreibung gefunden, die ich sehr treffend formuliert finde:

„Um Eigenverantwortung zu lernen, musst du bereit sein hinter deine Fassade zu schauen und deine Prägungen, Konditionierungen und Traumatisierungen aufzudecken. Du wirst dort deiner Einsamkeit, deinem Schmerz, deiner Trauer, deiner Angst und deiner Wut begegnen. Du musst dich selbst, deine Familie und die Gesellschaft in Frage stellen und es aushalten von anderen belächelt, gemieden oder sogar ausgestossen zu werden. Es ist ein langer und oft schwieriger Prozess, aber am Ende wartet das wertvollste Geschenk, dass dieses Leben für dich bereit hält – DU SELBST – selbstbewusst, lebendig, frei und selbstbestimmt!“

Ich denke, dass Dein Zitat meint, dass der Therapeut nicht seine Ziele und seine Vorstellungen von Autonomie dem Klienten aufdrücken darf. Sondern er muss mit seiner Meinung zurück stehen und die Autonomie der Klienten fördern, auch wenn es nicht ganz seiner Überzeugung entspricht. Er kann versuchen, dem Klienten eine Richtung vorzugeben, aber wenn er merkt, dass das nicht passt, dann muss er stoppen.

Für mich hat das Ganze sehr viel mit Souveränität zu tun. Das ist jemand, der sich sehr gut kennt, seine Stärken genau so wie seine Schwächen. So kann er auch zu seinen Schwächen stehen und um Hilfe bitten. Er lernt aus Fehlern und schämt sich nicht dafür. Er nimmt andere Meinungen ernst, bildet sich aber dann seine eigene Meinung. Und es verunsichert ihn nicht, wenn jemand ihn angreift, sondern er lässt die Verantwortung für das Verhalten des Anderen bei ihm selber.

Wenn ein Therapeut immer wieder versucht, den Klienten zu etwas zu drängen, was er nicht will oder nicht kann, dann ist das für mich kein empathischer Therapeut.
:-) bleib bei Dir :cool:

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stern
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Beitrag So., 05.05.2019, 22:06

Hmm, meines Wissens ist eine klassische Therapiebedingung z.B. in der Traumatherapie: Kein Täterkontakt. Oder in stationären PT gab es für Magersüchtige anspruchsvolle Gewichtsziele (die in dem Maße nicht immer im Sinne der Patienten waren). Vllt. täusche ich mich, aber ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass harmonischer Einklang der Regelfall ist... bzw. solche oder ähnliche Dinge ein höchstens ein Angebot sind. Hängt aber sicherlich vom Therapeuten ab.

Zum Verhältnis von Autonomie und Verantwortung:
Autonomie und Verantwortung sehe ich für meinen Teil zumindest nicht als unabhängig an. Denn wie will man Selbstverantwortung für etwas übernehmen, für das die Möglichkeit gar nicht bestünde, zuvor eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Und auch umgekehrt: Autonome Entscheidungen zu treffen, für die ein anderer dienVerantwortung übernehmen müsste , wäre relativ leicht (und verstünde nicht jeder unter Autonomie). Oder einfacher formuliert: Eigenverantwortung ohne Selbstbestimmung ist mMn kaum möglich.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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mio
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Beitrag So., 05.05.2019, 22:29

stern hat geschrieben: So., 05.05.2019, 22:06 Eigenverantwortung ohne Selbstbestimmung ist mMn kaum möglich.
Ja, aber wenn Du jetzt zB. wieder das Beispiel mit den Therapiebedingungen nimmst, dann wird ja nicht die Eigenverantwortung im Sinne "Therapie ja oder nein" (also will ich etwas ändern oder nicht?) eingeschränkt sondern es werden nur Bedingungen gestellt die für notwendig angesehen werden, es wird also ein Stück weit "fremdbestimmt". Du kannst ja niemanden "mal eben so" zu einer Therapie zwingen, ebensowenig kannst Du aber Therapeuten dazu zwingen jedes Verhalten des Patienten "einfach so" mitzutragen.

Dh. der Patient kann selbst entscheiden ob er eine Therapie will oder nicht, er kann nur nicht über jede Modalität dieser Therapie bestimmen. Er handelt also sehr wohl eigenverantwortlich wenn er sich auf den teils fremdbestimmten Deal einlässt weil er sich so eine Verbesserung erhofft.

Wenn ich mich entscheide einen Job anzunehmen dann entscheide ich mich auch immer - frei - dafür bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Dh. ich handele eigenverantwortlich, bin aber nicht mehr komplett selbstbestimmt weil ich einem Vertrag unterliege den ich abgeschlossen habe. Man kann also auch eigenverantwortlich einen Teil seiner Selbstbestimmung aufgeben zu Gunsten von etwas was man möchte oder braucht. Das entbindet einen aber nicht von der Eigenverantwortung, sondern man legt eigenverantwortlich fest: Ja, ich bin bereit diese Teile meiner Selbstbestimmung zu Gunsten von XYZ aufzugeben. Ergo: Man trifft eine freie Entscheidung für die man auch verantwortlich ist.

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Pianolullaby
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Beitrag So., 05.05.2019, 23:08

Nun, ich denke schon, dass jeder eine Eigenverantwortung hat,
in dem er nicht erwartet dass andere ihn "gesund machen" Ist nicht möglich.
Ein anderer kann nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. Oder Verantwortung übernehmen,
in dem ich nicht andere in eine Situation bringe, in der er für mich reagieren muss, bsp. einen RTW rufen muss,
weil ich mit Sui drohe. Aber auch Verantwortung zu tragen und mich selber beim Thera / Klinik melde,
wenn ich merke ich bin in einer kritischen Situation.
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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stern
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Beitrag So., 05.05.2019, 23:27

Du kannst ja niemanden "mal eben so" zu einer Therapie zwingen, ebensowenig kannst Du aber Therapeuten dazu zwingen jedes Verhalten des Patienten "einfach so" mitzutragen.
Hier kann ich mitgehen... aber mit dem folgenden nicht so ganz:
Ja, aber wenn Du jetzt zB. wieder das Beispiel mit den Therapiebedingungen nimmst, dann wird ja nicht die Eigenverantwortung im Sinne "Therapie ja oder nein" (also will ich etwas ändern oder nicht?) eingeschränkt sondern es werden nur Bedingungen gestellt die für notwendig angesehen werden, es wird also ein Stück weit "fremdbestimmt".
Denn wie will ich mich für etwas selbstverantwortlich fühlen für etwas, das ich nicht selbst entschieden habe (und auch nicht wollte), wie z.B. eine (nicht lebensnotwendige) Einnahme von Antidepressiva (oder ein anderes Beispiel, das beliebt)? Zumal ja auch nicht in jedem Fall auf der Hand liegt oder objektivierbar ist, was die bessere Alternative ist. Und wo fängt es an, dass man sich abhängig macht, wenn ein Therapeut sagt, das ist aus therapeutischer Sicht notwendig, man selbst aber Bedenken hat? Bzw. wer entscheidet, was das Beste für den Patienten ist?

Das finde ich schon ziemlich schwer. Denn sich andererseits die Chance auf Verbesserung zu nehmen, wäre auch unklug.
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mio
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Beitrag So., 05.05.2019, 23:37

Stern, ich verstehe Deinen inneren Konflikt nicht so richtig?

Du kannst mitgehen bei der Feststellung dass jeder frei entscheidet worauf - also auf welche Form von Therapie/HIlfe - er sich einlässt aber im gleichen Atemzug störst Du Dich an den Vorgaben die diese "freie Entscheidung" im Einzelfall mit sich bringt.

Alles geht halt nicht immer. Ich finde eher dass schon ziemlich viel geht heutzutage. Aber ein Wunschkonzert ist halt noch immer nix und wird es auch nie sein.

Vielleicht hatte ich ja "nur Glück" oder aber ich habe halt "gut und ausdauernd genug" gesucht, keine Ahnung, aber mir ist dieser Konflikt so noch nie begegnet. Also dass ich das Gefühl gehabt hätte mich zwischen "Teufel und Beelzebub" entscheiden zu müssen um Hilfe zu bekommen.

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Beitrag Mo., 06.05.2019, 00:20

stern hat geschrieben: So., 05.05.2019, 23:27 Denn wie will ich mich für etwas selbstverantwortlich fühlen für etwas, das ich nicht selbst entschieden habe (und auch nicht wollte), wie z.B. eine (nicht lebensnotwendige) Einnahme von Antidepressiva (oder ein anderes Beispiel, das beliebt)? Zumal ja auch nicht in jedem Fall auf der Hand liegt oder objektivierbar ist, was die bessere Alternative ist. Und wo fängt es an, dass man sich abhängig macht, wenn ein Therapeut sagt, das ist aus therapeutischer Sicht notwendig, man selbst aber Bedenken hat? Bzw. wer entscheidet, was das Beste für den Patienten ist?
Ich habe mich trotz ärztlichen Rat gegen Antidepressiva und für eine Therapie entschieden. So what. Wenn mir ein Therapeut sagt, dass er das oder das richtig findet, aber man selbst bedenken hat, sollte man das äußern. Ich habe noch nie erlebt, dass das dann einfach übergangen wird. Und falls doch hat man immer noch die Freiheit einen anderen Therapeuten aufzusuchen.
Klar, ich man weiß auch nicht, ob das jetzt die richtige Entscheidung ist. Sie ist ja aber auch nicht unumkehrbar. Aber wenn sich etwas nicht richtig anfühlt im "Kern" dann würde ich es nicht tun und auch gegen ärztlichen Rat handeln. Wenn ich eins gelernt habe durch Klinikaufenthalte und Therapien.... Auch Ärzte und Therapeuten haben nicht immer recht und man sollte seinen eigenen Verstand nicht ausschalten.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Philosophia
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Beitrag Mo., 06.05.2019, 05:41

Ganz genau, ich habe bislang jegliche Art der Medikation abgelehnt. Einmal hieß es auf einer Station vom Chefarzt: Ich behandle Sie nicht, wenn Sie kein Antidepressivum nehmen! - Ich nahm nie eins. Sie brachten mich dann auf ne Essgestörtenstation, wo es natürlich diese Gewichtszunahmeregelungen gab - ich entschied mich, auch wenn ich das für Unsinn für mich hielt, es zu probieren, Lerneffekt: Das bringt mir echt null. Bei der Analytikerin war das nie wirklich groß Thema, ich hatte absolut freie Hand und Verstand sozusagen, und dann nahm ich zu. Aber wie mio sagte, ich entschied für mich, wo ich hingehe, und was ich mitmach - und dass ich die Essgestörtenprogrammsache für mich zu lang mitmachte, war in erster Linie meine Entscheidung, weil ich eben doch hoffte, dass das klappt - aber der Hoffnung nachgeben und dem schlechten Gefühl den Stinkefinger zeigen, war meine Entscheidung.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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stern
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Beitrag Mo., 06.05.2019, 08:24

Was heißt innerer Konflikt. Das soll einfach ein Thread sein, in dem die vielzitierte "Eigenverantwortung" von verschiedenen Seiten aus beleuchtet werden kann. :)

Was die AD angeht, hatte ich diese damals (auch) abgelehnt oder maximal kurz getestet. Ich brauche seit Jahren keine mehr. Allerdings habe ich es bisher teilweise schon so erlebt, dass Bedingungen/Voraussetzungen formuliert werden. Liest man ja auch im Forum immer wieder Mal. Und das beißt sich für mich etwas mit Eigenverantwortung, die ich für meinen Teil kaum für etwas übernehmen könnte, das ich zuvor nicht entschieden hätte.

Fehlt es dann an Eigenverantwortung, wenn man etwas nicht ablehnen kann, das der Therapeut andenkt? Was Amarok schrieb, gefällt mir ganz gut:
Habe auf der Homepage eines Therapeuten im Internet diese Beschreibung gefunden, die ich sehr treffend formuliert finde:

„Um Eigenverantwortung zu lernen, musst du bereit sein hinter deine Fassade zu schauen und deine Prägungen, Konditionierungen und Traumatisierungen aufzudecken. Du wirst dort deiner Einsamkeit, deinem Schmerz, deiner Trauer, deiner Angst und deiner Wut begegnen.
Quelle: Siehe oben. Also vielleicht erkennt man vielmehr nicht, was einem gut tut (oder vieles mehr)... und man "müsste" vielmehr dazu befähigt werden... und wenn das möglich ist, ergibt sich das mit der Eigenverantwortung mehr oder weniger automatisch? So wie es bei einem Essgestörten uU auch nicht damit getan ist zu sagen: Du musst mehr/weniger essen... sondern vielmehr kleinschrittiger geschaut und erarbeutet wird, wwodurch das verhindert ist?

Meines Wissens gibt es sogar Selbstmanagementansätze. Besteht nicht auch die Gefahr, dass sich so jemand (auch eine Institution, Klinik, der Staat) seiner Verantwortung (ein Stück weit) entzieht? Also so eine Gruppe kommt vllt. auch manchen Personalengpässen in Kliniken eher entgegen als der obige Weg.
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Montana
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Beitrag Mo., 06.05.2019, 10:36

Das Wort Eigenverantwortung ist durch die Politik schon ziemlich mit negativen Emotionen belastet, zumindest für mich. Denn in dem Kontext heißt es ja immer: mehr zahlen. Man zahlt sein ganzes Berufsleben lang in die gesetzliche Rentenkasse ein und dann heißt es: "na, JETZT müssen die Bürger aber mal Eigenverantwortung übernehmen und eine private Rente aufbauen." Äh, bitte was?
Darum mag ich das Wort nicht.
Genauso mag ich nicht, wenn ein erwachsener Mensch, der sich selbstständig einen ambulanten Therapeuten gesucht hat, dort plötzlich lernen soll, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Was für Menschen sind das denn? Wie haben die bisher gelebt? Bei mir war das so: ich habe meinen Lebensunterhalt selber verdient und meinen Haushalt selber geführt. Keine Drogen, kein Alkohol, keine Kriminalität, keine Schulden. Ich HABE also die Verantwortung für mein Leben getragen und ich denke, das habe ich ganz gut hingekriegt. Und das dürfte doch für die Mehrheit gelten?

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stern
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Beitrag Mo., 06.05.2019, 11:41

~~~ hat geschrieben: Mo., 06.05.2019, 00:20 Auch Ärzte und Therapeuten haben nicht immer recht und man sollte seinen eigenen Verstand nicht ausschalten.
Dem ersten Teilsatz würde ich zustimmen. Beim zweiten überlege ich: Ist das also eine Frage des Verstandes?

Z.B. Wenn ein Therapeut sagt: Bei ihrer Problematik empfehle ich EMDR... dass sie sich auf die Couch legen... Arbeit mit dem Inneren Kind... Kontaktabbruch zu Tätern... Medikamente... Jobwechsel... eine Aufenthalt in der Psychiatrie... oder was man sich sonst vorstellen kann.

O.k., wenn man letztlich zustimmt, kann man das evtl. für sich so sehen, dass das die eigene Entscheidung war. Aber auch hier kommt mir in den Sinn: Hat man einen ausreichenden Kenntnisstand oder Gefühl für sich, um Folgen abzusehen, um wirklich mit Überzeugung "ja" dazu sagen zu können. Ich meine so etwas, das mitunter als "informed consent" bezeichnet wird. Bzw. inwieweit ist jemand überhaupt einwilligungsfähig, dem man nicht zutraut, eigenverantwortlichen handeln zu können?

So kann man sicherlich die Einwilligung zu meinetwegen EMDR oder Medikamenten notfalls wieder zurücknehmen... aber nicht das, was u.U. bereits nach hinten losging (und eh ich als Patient ausbaden muss). Und muss man sich dann entgegenhalten lassen: Na, härteste mal deinen Verstand nicht an der Haustüre abgegeben?

Und wann spricht man von Abhängigkeit, wenn man Empfehlungen von Ärzten Folge leistet?

Das finde ich tatsächlich nicht so leicht abzuwägen.

Wobei ich für meinen Teil weniger die Frage nach der Verantwortung Stelle (ist das eine eigene oder fremde), sondern eh Konsequenzen von verschiedenen Möglichkeiten ansehe...
Liebe Grüße
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mio
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Beitrag Mo., 06.05.2019, 12:52

stern hat geschrieben: Mo., 06.05.2019, 11:41 Bzw. inwieweit ist jemand überhaupt einwilligungsfähig, dem man nicht zutraut, eigenverantwortlichen handeln zu können?
Jemand dem man das nicht zu traut wird in der Regel entmündigt (oder ist noch nicht mündig, wie zB. Kinder).

Natürlich lässt sich nicht jede Konsequenz jeder Behandlung immer zu 100% absehen, weder vom Patienten noch vom Behandler, aber wenn man überhaupt behandelt werden/behandeln will dann muss man dieses Risiko eben in Kauf nehmen.

Je weniger informiert man dann selbst ist bzw. je schlechter das eigene Gefühl für sich selbst ist desto abhängiger ist man natürlich von der Einschätzung des Fachmanns/dem Fachmann.

Dh. da hilft dann im Zweifel nur sich informieren und vergleichen, nicht nur einen Behandler fragen sondern mehrere, unabhängige Beratung hinzu ziehen etc. pp..

Oder halt sich entmündigen lassen dann trifft jemand anders die Entscheidung für einen...nur ob diese Entscheidung dann wirklich besser ist? ;-)

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Scars
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Beitrag Mo., 06.05.2019, 13:09

Für mich bedeutet Eigenverantwortung ganz einfach, eigene Entscheidungen für mich zu treffen und die Konsequenzen dessen zu tragen.
Remember to leave pawprints on hearts.

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