Das ist hier mal wieder so ein two-in-one-thread geworden, wo zwei vollkommen verschiedene Dinge/Forderungen so diskutiert werden, als würden sie zusammengehören - was sie aber nicht tun. Die Perfekte Voraussetzung um gekonnt an einander vorbei zu schreiben...
Das eine Thema - das eigentliche Thema des threads - ist die Frage eines wie auch immer gearteten "Elternführerscheins", das andere, wie lange ein Kind bei der Mutter bleiben bzw. ab wann es in die Krippe gehen dürfen sollte. Ich möchte zunächst mal festhalten, dass diese Themen nichts mit einander zu tun haben und daher auch getrennt diskutiert werden sollten.
Elternführerschein: Natürlich wäre es wünschenswert, wenn alle werdenden Eltern sich vor und während ihrer Elternschaft fortlaufend - nicht nur einmalig vorher - über die Entwicklung und Bedürfnisse ihrer Kinder und Erziehungsfragen informieren würden - keine Frage. Eine zwangsweise Umsetzung halte ich aber auch für weder praktisch noch rechtlich möglich und ehrlich gesagt auch nicht sinnvoll. Die organisatorischen/finanziellen Probleme währen zwar lösbar, wenn es einen echten politischen Willen dazu gäbe, aber wie will man die Eltern denn 1. dazu zwingen daran teilzunehmen (man kann ihnen ja nicht deshalb die Kinder wegnehmen, die Jugendämter kriegen ja derzeit nicht mal die Fälle gehandelt, wo es nachweislich Kindeswohlgefährdung gibt) und 2. sicherstellen, dass das gelernte dann auch umgesetzt wird? (hinter verschlossenen Türen ist ja keiner dabei...)
Weiterhin sehe ich wie Krokette das Problem der ideologischen Einflussnahme. Es gibt nicht die eine richtige Erziehung, über die sich alle Fachleute einig sind, es gibt allenfalls ein paar Eckpunkte, der Rest unterliegt stark der ideologischen Ausrichtung und dem Zeitgeist. Nicht zuletzt unterscheiden sich ja auch noch die Kinder von einander, was für das eine Kind gut funktioniert, muss für das andere noch lange nicht klappen, da können alle Eltern mit mehreren Kindern ein Lied von singen. Die tatsächliche Qualität der Erziehung hängt wesentlich stärker von der Persönlichkeit und Beziehungsfähigkeit der Eltern ab, als von Fachinformationen. Sonst müssten ja die Kinder von Lehrern oder Erziehern als pädagogische Fachkräfte alle eine tolle Kindheit haben und super erzogen sein....
Krippenalter: Auch hier hat in einer perfekten Welt die Mutter 2-3 Jahre Zeit (und auch die Nerven...) sich ganztägig selbst um ihr Kind zu kümmern. Hat aber mit der Realität noch nie viel zu tun gehabt.
Auch die Idee, früher sei alles besser gewesen, ist da eine Illusion. Die Frauen sind zwar vielleicht nicht Vollzeit arbeiten gegangen, aber wieviel liebvolle Zuwendung man als Kind vor 100 Jahren bekommen hat, wenn man als Kind einer Fabrikarbeiterin oder als 12. Kind in einer Bauernfamilie geboren wurde, dass kann jeder gerne in Geschichtsbüchern nachlesen. Selbst in der Nachkriegszeit - aus der dieses Idyll von der Mutter die sich 3 Jahre nur um ihr Kind kümmert, stammt - war das nicht ganz so idyllisch, wie das auf den ersten Blick aussah. Die Frauen waren zwar physisch zu Hause anwesend, aber wenn die mehrere Kinder hatten und einen Haushalt geführt hatten, wo es noch fast keine Elektrogeräte gab und vieles aus Kostengründen selbst gemacht werden musste (Windeln waschen, selbst nähen, Einkochen etc.), dann haben die auch keine Zeit gehabt, den ganzen Tag mit dem Kind zu spielen oder Gewehr bei Fuß zu stehen, wenn das Kind mal "piep" sagt. Wenn die Wäsche auf dem Herd stand, dann wurde das Kind halt auch mal brüllen gelassen...
Heute hat sich da die 'Einstellung zum Glück geändert und die Bedürfnisse der Kinder werden mehr beachtet, aber viele können eben finanziell nicht darauf verzichten, zu zweit arbeiten zu gehen, wenn sie nicht von Sozialleistungen leben wollen und das hat nicht immer was mit übersteigerten Konsumwünschen zu tun, sondern oft auch einfach damit, dass Miete und Essen sonst nicht bezahlt werden können...Die Welt ist und war halt nie perfekt - zu keiner Zeit.
Davon abgesehen glaube ich auch nicht, dass es für das Wohlergehen des Kindes zwingende Voraussetzung ist, dass es 2-3 bei der Mutter bleibt. Früher sind die Kinder ja auch in der Großfamilie aufgewachsen und häufig z.B. von den Großeltern betreut worden und haben durch die vielen Geschwister auch nicht sooo viel Aufmerksamkeit bekommen wie viele der Einzel oder 2er Kinder heute und dieser Situation kommt z.B. die Versorgung durch eine gute Tagesmutter schon sehr nahe. Wenn die Fremdbetreuung tatsächlich so schädlich wäre, müssten ja ganze Generationen von in der DDR aufgewachsenen Kinder alle psychisch auffällig sein - tatsächlich sind sie genauso oft psychisch krank wie die Kinder, die in der BRD zu Hause bei Mami aufgewachsen sind. Auch das Dasein als Einzelkind mit relativ wenig Kontakt zu anderen Kindern kann sich negativ auswirken.
Ist halt ein komplexes Thema, auf dass es nicht mal eben die eine, schnelle und richtige Antwort gibt.