Gesetzentwurf: 'Zuweisung' von Therapieform und Therapeut geplant

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stern
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 13:20

Jenny Doe hat geschrieben: Mo., 26.11.2018, 12:36 Wenn Klienten sofort der richtigen Behandlung zugeführt werden, dann entfallen deren Mehrfachtherapien, die nötig werden, weil man die falsche Therapie gemacht hat und diese nicht hilfreich war.
Was voraussetzen würde, dass ein Gutachterguru das besser kann als zB ausgebildete Fachärzte mit dem Patienten. Das halte ich für sehr gewagt und das soll lediglich vedecken, dass die Politik damit den Weg bahnt, Psychotherapie weiter zu rationieren. Kliniken machen es schon vor. Und dagegen, dass Patient und Therapeut persönlich nicht passen, ist auch ein Gutachter machtlos. Auch Ärzte können und dürfen keinen Heilungserfolg garantieren, weil das von sehr verschiedenen Faktoren abhängt. Je weniger Wahlmöglichkeiten es gibt (und man den nächstbesten nehmen muss), desto größer vllt. sogar die Gefahr, dass es nicht passt.
Sicher ist auch das einer der Gründe. Aber auch ich kann nicht mehr ausgeben als ich auf meinem Konto verfügbar habe.
Der Staat schon... und wie Mittel aufgeteilt werden (auch zwischen verschiedenen Ressorts) ist ferner eine politische Enscheidung... bzw. das IST Politik. Die schwarze Null ist ein konservatives Credo (das volkswirtschaflich natürlich nicht unumstritten ist... aber auch eine vertiefte Diskussion zu Staatsausgaben, -schulden, Multiplikatoreffekten und Pipapo würde hier zu weit führen). Bedenklich finde ich in dem Zisammenhang eher, dass die SPD das wiederum unterstützt und sich immer noch wundert, warum Umfragwerte zunehmend in den Keller gehen.
Der Bedarf an Psychotherapie steigt immer weiter, die Einnahmen der Krankenkassen hingegen nicht. Es muss somit überlegt werden, wie man das Problem löst.
Ja, es braucht eine Lösung... im Moment ist es eine auf Kosten von Kranken. Im Grundgesetz ist der Sozialstaat festgeschrieben. Betriebswirtschaftliche Grundsätze kann man nur eingeschränkt anwenden. Nichtsdestotrotz macht man es zunehmend in der Gesundheitspolitik. Sicherlich wäre die Notschlachtung mitunter ökonomischer, aber...
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Jenny Doe
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 13:35

Hallo Stern
Was voraussetzen würde, dass ein Gutachterguru das besser kann als zB ausgebildete Fachärzte mit dem Patient.
Natürlich das vorausgesetzt. Aber bei dem Streit, der zwischen PA und VT besteht plädiere ich für einen neutralen Entscheider. Ich bezweifle, dass derzeit wirklich jeder VT und jeder PA so fair ist zu sagen "Gehen Sie bitte zur "Konkurrenz", die kann ihnen besser helfen als ich".
Der Staat schon... und wie Mittel aufgeteilt werden (auch zwischen verschiedenen Ressorts) ist ferner eine politische Enscheidung... bzw. das IST Politik.
Da stimmt derzeit von Vorne bis hinten nichts. Alle wollen und brauchen mehr Geld, die Armuts-Kinder, die Armut-Rentner, die Armuts-Arbeitslosen, die Psychotherapiebedürftigen, die Günstig-Wohnraum-Suchenden, ... Und das alles soll und muss von Steuereinnahmen bzw. Beitragszahlungen wie Krankenkasse, Rentenversicherung, ... finanziert werden. Der Unmut in der deutschen Bevölkerung ist anhand der Wahlergebnisse deutlich zu erkennen.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 17:14

Ein interessanter Text von der Bundes Psychotherapeuten Kammer:

Ein Jahr nach der Reform der Psychotherapie‐Richtlinie
https://www.bptk.de/uploads/media/20180 ... n_2018.pdf
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stern
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 17:49

Ich muss mich verbessern: Es sind aktuell nicht 2 Stellen, die die Indikation prüfen: Es sind evtl. sogar 3 oder mehr. Der Gutachter hat das letzte Wort. Der Behandler prüft die Indikation und in der Sprechstunde gibt es Empfehlungen. Und wenn man Probesitzungen bei verschiedenen Therapeuten nehmen würden, würden die auch nochmals schauen, obw es passt. Es geht auch nicht um einen Methodenstreit oder dass kritisiert wird, dass zu viele PA gemacht werden. Die Krankenkassen ist bei Krankheit eh in der Leistungspflicht und alle 3 Methoden werden als wirksam für eigentlich fast alle psychischen Störungen anerkannt. Die systemische Th. kommt vllt. noch hinzu. Dazu hatte ich kürzlich einen Thread gestartet. Und Studien dürften bekannt sein, dass psychoanalytische Therapien den kleinsten Teil davon ausmachen.

Es geht darum, dass Kassen und Politik beharrlich negieren, dass man die Kapazitäten ausweiten müsste... sowohl in der Körpermedizin: Hausarztmangel auf dem Land und Fachärzte. Als auch in der PT. Und der neueste Clou ist, dass man die freie Arztwahl aushölt. ~~~ beschrieb das treffend.
Da stimmt derzeit von Vorne bis hinten nichts. Alle wollen und brauchen mehr Geld, die Armuts-Kinder, die Armut-Rentner, die Armuts-Arbeitslosen, die Psychotherapiebedürftigen, die Günstig-Wohnraum-Suchenden, ...
Und warum? D ist kein Land, das am Hungertuch nagt. Das ist eher eine Frage der Verteilung von Ressourcen. Wir haben eben eine sozialdemokratische Partei in der Regierung, die schwarze Politik macht bzw. zumindest mitträgt. Und wenn ein Herr Merz, der 2 Flugzeuge besitzt und Einkommensmillionär ist, dann auch noch stottert, er sei Mittelschicht, dann fragt man sich schon, ob manche den Bezug zur Wirklichkeit verloren haben. Ich meine den Herr Merz, von dem man sagt, dass er 2008 einen Hartz-Regelsatz von 132 Euro als angemessen erachtete, und der mit seiner Bierdeckel-Steuer nach oben umverteilen wollte. Will heißen: Alles eine Sache der Verteilung. Wenn man gutheißt, wie zunehmend Patientenrechte beschnitte werden, ist ratsam, wenn man auf der richtigen Seite der Nahrungskette ist. Es geht hier nicht um Methodenstreits, sondern struktrelle Versorgungsfragen und die freie Arztwahl. Siehe auch den Pflege-Azubi, der Merkel (im Wahlkampf) zerpflügte. Das ist eben nicht oben auf der Agenda gewesen...
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Jenny Doe
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 18:26

Hallo Stern,
Das ist eher eine Frage der Verteilung von Ressourcen.
Genau das schrieb ich in meinem Posting. Was man dem einem gibt muss man dem anderen wegnehmen.
Das bedeutet in der Konsequenz auch, dass auch Psychotherapieklienten nicht all das kriegen können was sie brauchen, ... ohne, dass dies zu Lasten anderer geht.

Außerdem: Es wurden ja mehr Psychotherapeuten zugelassen:
Die sinkenden Wartezeiten auf einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz sind auf eine Zunahme der Behandlungsplätze zurückzuführen. Ende 2010 hatten 22.728 Psychotherapeuten gesetzlich Krankenversicherte versorgt (KBV, 2016).
(...)
Bis Ende 2016 waren rund 7.000 Psychotherapeuten zusätzlich zugelassen, somit insgesamt 29.850 Psychotherapeuten
Das konnte das Problem jedoch nicht beheben, aus dem Grund, den mir auch meine Therapeutin erklärt hatte:
Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich dadurch die Zahl der Praxen erhöht hat, jedenfalls nicht die Zahl der sogenannten ganzen Praxissitze, mit denen die Bedarfsplanung rechnet. Vielmehr haben sich mehr Psychotherapeuten als früher einen ganzen Praxissitz geteilt. Der Anteil der Psychotherapeuten mit einem halben Kassensitz stieg bis Ende 2016 auf 34,1 Prozent bei den Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder‐ und Jugedlichenpsychotherapeuten und auf 28,3 Prozent bei den ärztlichen Psychotherapeuten. Der Anteil der Psychotherapeuten mit einem ganzen Kassensitz ist dementsprechend auf 61,4 Prozent bei den Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapeuten und auf 67,4 Prozent bei den ärztlichen Psychotherapeuten gesunken.
Das Problem ist nicht nur, dass es zu wenige zugelassene Therapeuten gibt. Die Zahl der zugelassenen Therapeuten wurde erhöht. Das Problem liegt auch darin, dass es zwar 7.000 neue Psychotherapeuten gibt, aber der Anteil der Psychotherapeuten mit einem ganzen Kassensitz ist gesunken. Wenn die 7000 neuen Therapeuten hingehen und sich eine ganze Stelle mit anderen Therapeuten teilen, dann entsteht logischerweise keine Verbesserung für für die Klienten. Das Problem ist somit nicht nur unsere Politik, sondern auch das Verhalten der Therapeuten.

https://www.bptk.de/uploads/media/20180 ... n_2018.pdf
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 19:04

Jenny Doe hat geschrieben: Mo., 26.11.2018, 18:26
Was man dem einem gibt muss man dem anderen wegnehmen.
Das bedeutet in der Konsequenz auch, dass auch Psychotherapieklienten nicht all das kriegen können was sie brauchen, ... ohne, dass dies zu Lasten anderer geht.
Jein, das teilte ich ja nicht nicht ganz... zum einen könnte ein Staat sogar notfalls die Staatsverschuldung erhöhen. Oder die Einahmen könnten gestiegen sein, etc. Und bei Krankheit besteht ja grds. eine Leistungspflicht... für jeden. Das kann man nicht verweigern. Mit Verteilung meine ich eher, welche Priorität man zB der Gesundheitspolitik bzw. Sozialpolitik im Vergleich zu anderen Politikbereichen einräumt. Der Haushalt wird ja jedes Mal neu verteilt. Unsere sozialdemokratische Partei glänzt eben dadurch, dass sie schwarze Politik macht (schon Schröder rückte mit seiner Agenda von links in die Mitte und von einer sozialdemokratischen Politik ab, was die Wähler bis heute nicht verziehen haben... während Merkel und die CDU es sich nicht nehmen lassen, Schröder dafür zu loben). Die Kassen häufen sogar zunehmend Überschüße an:

"Finanzreserven der Krankenkassen wachsen weiter auf fast 20 Milliarden Euro"

https://www.bundesgesundheitsministeriu ... assen.html

Und mit angemessen Kapazitäten (anstelle zunehmender Ökonomisierung und Kosteneinsparungen) meine ich Nettokapazitäten. Auf die Anzahl der Therapeuten kommt es in der Tat weniger an, sondern welche Kapazitäten effektiv zur Behandlung zur Verfügung stehen.. und so müsste das dann in Planungen berücksichtigt werden. Die aktuelle Bedarfsplanung ist eh umstritten und reformbedürftig. Die tatsächlichen Kapazitäten werden immer noch als zu gering angesehen. Daher werden in deinem Link ja weitere zusätzliche Sitze gefordert. Während der Sprechzeit, die vorzuhalten ist, ist auch keine Therapie möglich... das geht auch zu Lasten der Zeit, die für Therapien zur Verfügung steht. Über eine Verlängerung von Arbeitszeiten (die auch endlich sind) kann man einen fehlenden Bedarf nicht alleine ausgleichen, höchstens etwas... Aber das ist das übliche Argument der Kassen: Die Ärzte arbeiten zu wenig.
Zuletzt geändert von stern am Mo., 26.11.2018, 19:53, insgesamt 3-mal geändert.
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stern
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 19:31

Die kranke Rechnung

Die Berechnung der Ärztezahlen geht seit Jahren an der Realität vorbei: Die Analyse von BR Data zeigt, warum Landstriche auf dem Papier überversorgt sind, in Wahrheit aber Ärztemangel herrscht.
http://web.br.de/interaktiv/aerzteplanung/
Zuletzt geändert von stern am Mo., 26.11.2018, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Eremit
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Beitrag Mo., 26.11.2018, 19:38

Rosie47 hat geschrieben:Ausgerechnet jenen Menschen, die über oft enorme, hoch schambesetzte und intime seelische Belastungen sprechen müssen, wird ein Hürdenlauf zur Psychotherapie aufgebürdet.
Na ja, Patienten, die die bisherigen (verwaltungstechnischen) Hürden zu nehmen imstande waren/sind werden auch diese zusätzliche überwinden, alle anderen Patienten scheitern ohnehin schon an der ersten Hürde. Strukturell ändert sich so gesehen nichts, außer, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

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spirit-cologne
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Beitrag Di., 27.11.2018, 02:47

Jenny Doe hat geschrieben: Mo., 26.11.2018, 18:26 Das Problem ist nicht nur, dass es zu wenige zugelassene Therapeuten gibt. Die Zahl der zugelassenen Therapeuten wurde erhöht. Das Problem liegt auch darin, dass es zwar 7.000 neue Psychotherapeuten gibt, aber der Anteil der Psychotherapeuten mit einem ganzen Kassensitz ist gesunken. Wenn die 7000 neuen Therapeuten hingehen und sich eine ganze Stelle mit anderen Therapeuten teilen, dann entsteht logischerweise keine Verbesserung für für die Klienten. Das Problem ist somit nicht nur unsere Politik, sondern auch das Verhalten der Therapeuten.
Das Verhalten der Therapeuten? Was meinst du damit? Die Teilung von Kassensitzen hat 2 Gründe: Erstens der sog. "Strukturzuschlag", der erst ab einer hohen Auslastung von Kassensitzen gezahlt wird. D.h. ab einer gewissen Auslastung bekommen Therapeuten einen höheren Stundensatz. Das führt dazu dass ein Therapeut, der 40 oder 50 Stunden pro Woche arbeiten will, lieber einen halben Kassensitz hat und diesen maximal auslastet und dann ggf. noch ein paar Privatpatienten dazu nimmt, als einen ganzen Kassensitz, den er nicht voll auslastet. Um bei einem ganzen Kassensitz den Strukturzuschlag zu erhalten, müsste ein Therapeut mind. 60-70 Stunden pro Woche arbeiten (es fallen ja nicht nur die Patientenstunden an, sondern auch Vor- und Nachbereitung, Dokumentation, Qualitätsmanagement, Anträge schreiben, Inter- oder Supervisionen und Weiterbildung). Ich kann kein Fehlverhalten von Therapeuten sehen, wenn sie das nicht wollen und ich würde als Patientin auch einen derart "ausgelasteten" Therapeuten nicht vor mir sitzen haben wollen....Der zweite Grund ist der, dass es einfach mehr Bedarf an Kassensitzen gibt, als alte Therapeuten Sitze abgeben können/wollen. Dies führt dazu, dass viele Therapeuten ihren Kassensitz teilen und 2 halbe Sitze zur Nachfolge ausschreiben, weil sich damit mehr Ablöse kassieren lässt. Wohlgemerkt Ablöse für einen Kassensitz, für den sie selbst 0,0 € gezahlt haben. Wenn man diese Schacherei um Kassensitze abschaffen würde (in Ballungsgebieten werden für einen ganzen Kassensitz bis zu 100.000 € Ablöse fällig, das können sich viele junge Therapeuten gar nicht leisten) und der Strukturzuschlag abgeschafft bzw. das dafür gezahlte Geld gleichmäßig auf alle Behandlungsstunden verteilt würde, würden sicherlich auch mehr Therapeuten wieder einen ganzen Kassensitz übernehmen wollen. Ganz davon abgesehen finde ich es aber auch nicht verwerflich, wenn Therapeuten die Familie haben, sich tatsächlich einen Kassensitz so aufteilen, dass sie z.B. nur 20 Stunden arbeiten. Wird ja auch schon gemacht via Anstellung, Jobsharing oder durch MVZs, aber es wird in der Diskussion meist gar nicht berücksichtigt. Warum die Politik halbe Kassensitze nicht so gerne sieht, liegt einzig daran, dass 2 Therapeuten auf einen Kassensitz i.d.R. mehr Patienten behandeln, als ein Therapeut, der den Kassensitz allein betreut und somit einerseits mehr Strukturzuschlag gezahlt werden muss und andererseits faktisch mehr Patienten behandelt werden, was natürlich unerwünschte höhere Kosten für die Krankenkassen erzeugt. Es ist also kein Problem des Therapeutenverhaltens, sondern der politischen Steuerung. Die Patienten sollen mit so einer Argumentation mal wieder für blöd verkauft werden, die Hintergründe werden ja den Patienten bewusst verschwiegen.


Genau das ist auch die Absicht des neuen Gesetzesentwurfs: so zu tun, als wenn man die Versorgung verbessern wollte, faktisch aber den Zugang zu Psychotherapie zu erschweren. Für die Therapeuten wird sich bezüglich Selbstbestimmung nicht wirklich etwas ändern, es wird nach wie vor niemand einen Therapeuten zwingen können, einen Patienten zu behandeln, den er nicht behandeln will. Der Therapeut muss nur sagen, die Passung stimmt nicht, er kann nicht mit dem Patienten arbeiten und schon ist er raus. Ganz davon abgesehen, würde ich als Patientin nicht gerne von einem Therapeuten behandelt werden, der mich nicht behandeln will.
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Jenny Doe
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Beitrag Di., 27.11.2018, 05:29

spirit-cologne
Ich kann kein Fehlverhalten von Therapeuten sehen, wenn sie das nicht wollen und ich würde als Patientin auch einen derart "ausgelasteten" Therapeuten nicht vor mir sitzen haben wollen....
Ich auch nicht. Ich habe nichts von einem Fehlverhalten gesagt. Ich sprach von einem Problem, das sich für Klienten aus der Teilung von Kassensitzen ergib, nicht von einem Fehlerverhalten der Therapeuten.
Die von Dir genannten Gründe sind nicht die einzigen. Ich kenne eine ganze Menge Therapeuten, inklusiven meinen eigenen, die sagen "Ich kann mir nicht den ganzen Tag nur Probleme anhören, ich brauche einen Ausgleich, damit ich kein Burn Out kriege". Sie arbeiten als Halbzeittherapeuten und zusätzlich z.B. als Dozent an der Uni oder als Gutachter, ...
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Beitrag Di., 27.11.2018, 06:23

Jenny Doe hat geschrieben: Mo., 26.11.2018, 11:47 In Kliniken findest Du sie fast nur noch und dennoch kommen Klienten aus den Kliniken in einem verbesserten Zustand zurück. So schlecht können Gruppentherapien nicht sein.
Sushi muss total lecker schmecken. Das wird mir bestimmt fast jeder Besucher des Sushi-Restaurants bestätigen.......

Die in Kliniken etablierten Gruppentherapien haben den Nachteil, dass vielen Patienten gar nicht dort hingehen, obwohl sie an sich dringend stationär aufgenommen werden sollten. Schade, wenn das dahin führt, dass viele sich lieber krank schreiben lassen und durch den Tag quälen, und vielleicht irgendwann zwangseingewiesen werden müssen. Immerhin kann niemand zur Zwangsteilnahme an den Therapien auf der Geschlossenen verpflichtet werden.
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Beitrag Di., 27.11.2018, 06:34

Die in Kliniken etablierten Gruppentherapien haben den Nachteil, dass vielen Patienten gar nicht dort hingehen
Dann ist eine Gruppentherapie halt für diese Klienten nicht das richtige. Deswegen ist sie aber nicht grundsätzlich schlecht. Es gibt auch viele Klienten, denen eine PA/VT nicht hilft. Diese müssen halt was anderes machen.
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Beitrag Di., 27.11.2018, 06:51

Ich bezog mich nur auf dein Argument, dass Gruppentherapien nicht so schlecht sein könnten, da Patienten in verbesserten Zuständen aus Kliniken kämen. Und wenn Gruppentherapie auch nicht für alle schlecht ist, ist der verbesserte Zustand von Klinikpatienten auch kein Beleg dafür, dass sie "nicht so schlecht sein kann." Wobei "schlecht" natürlich ein relativer Begriff ist.
Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass ambulante Gruppentherapien bis heute kaum angeboten werden. Die Nachfrage ist sehr gering. Und ich denke nicht, dass das daran liegt, das Patienten nicht in der Lage sind den "Nutzen" zu erkennen.
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Beitrag Di., 27.11.2018, 07:22

Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass ambulante Gruppentherapien bis heute kaum angeboten werden. Die Nachfrage ist sehr gering.
Ich denke schon, dass da Bedarf besteht und das Angbot auch genutzt werden würde, wenn es vorhanden wäre. Ich war in einigen Selbsthilfegruppen. In fast allen wurde bedauert, dass es so wenige therapeutisch angeleitete Selbsthilfegruppen bzw. ambulante Gruppentherapien gibt. Ich wäre so eine Klientin, die lieber eine ambulante Gruppentherapien machen würde als eine ambulante Einzeltherapie. Aber für meine Problematik gibt es solche Gruppen nicht. Ich habe tatsächlich in den letzten Tagen nach einer solchen Gruppe gesucht. Leider, denn der Austausch mit anderen Mitbetroffenen finde ich wertvoll. Von anderen kann ich eine Menge lernen, wie z.B. wie sie mit dem Problem umgehen. Und ich würde mich nicht mehr so alleine fühlen mit meiner Problematik.

In dem Link https://www.bptk.de/uploads/media/20180 ... n_2018.pdf steht auch einiges zu den Hürden von ambulanten Gruppentherapien
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Beitrag Di., 27.11.2018, 12:54

Jenny Doe hat geschrieben: Di., 27.11.2018, 07:22 Ich denke schon, dass da Bedarf besteht und das Angbot auch genutzt werden würde, wenn es vorhanden wäre.
Ich befürchte, dass viele sich dort hineindrängen lassen würden. Nun habe ich ja viele Menschen kennengelernt, die im Nachhinein feststellten, dass sie von Laien in der Therapiegruppe nicht mehr Anregungen bekamen, als von Kunden an der Käsetheke im Supermarkt. Bestenfalls sahen die anderen es als Zeitverschwendung an, andere litten sehr darunter, dass sie zu ihren eigenen Problemen, auch noch weitere zu hören bekamen. Zwar hörten sie natürlich nicht alleine mit Tinnitus (oder anderem) zu sein, stellten aber letztlich fest: Das nützt mir nichts. Zumal allgemein bekannt ist, dass diverse Krankheiten keine Ausnahmeerscheinung sind.

Nun könnte ich sicher sagen: Sie haben sich doch alle aus freien Stücken für die Gruppentherapie entschieden. Tatsache war jedoch, dass ihnen vermittelt wurde, dass sie mit der Therapiegruppe deutlich besser bedient wären. Nicht wenige wussten nach der späteren Einzeltherapie, dass es besser gewesen wäre sich die Gruppe zu ersparen - und auch in Betracht zu ziehen, dass man die wenig beliebten Gruppen füllen wollte. Alle bekamen flott einen Platz. Und Nachrücker gab es wesentlich häufiger als regulär vorgesehen war....
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