Selbsthass/Selbstsabotage?

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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Plastiksackerl
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Beitrag So., 25.11.2018, 09:53

Kaonashi hat geschrieben: Fr., 23.11.2018, 13:49 Mir fiel noch ein, dass manche Leute auch besser lernen, wenn sie in Bewegung sind. Wie ist das bei dir?
Dann bräuchtest du den Lernstoff nicht zum Lesen, sondern zum Hören, und könntest beim Hören rumlaufen oder sogar draußen joggen (mit MP3-Player). Ob da kreativ was machbar wäre?

Was anderes, was mir manchmal hilft, ist wenn ich mir etwas für einen Tag vornehme, dass ich mich am Tag davor schon daran erinnere, so als eine Art mentale Vorbereitung ("morgen aufräumen"). Aber funktioniert auch nicht immer.
Lernen + Sport ist eine Kombination, über die ich schon des Öfteren nachgedacht habe, aber leider hat sich bisher keine Möglichkeit ergeben.
Mir fällt einzig ein, dass ich mir eventuell Fragen und deren Antworten aufnehme und dann anhöre - das könnte vielleicht sogar funktionieren :)

Zwecks dem Erinnern setze ich mir gerne eine Notification auf meinem Handy. Sieht dann bei mir so ähnlich aus als hätte ich eine Nachricht bekommen, das ist ganz praktisch...

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cinikus
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Beitrag Mo., 03.12.2018, 14:06

Du könntest Schrittweise an die Sache rangehen.

Erstens: Du nimmst dir einen festen Zeitrahmen vor, nicht zu umfangreich. Nicht hinsetzen und open-end lernen. Sondern sagen wir mal, du nimmst dir vor, diese Woche jeden Tag zehn Minuten mit dem Lerntext zu verbringen. Zehn Minuten, in denen du NICHTS anderes machen darfst. Hast du diese zehn Minuten geschafft, belohne dich. Belohne dich aber wirklich, sonst bist du dir selbst nicht mehr vertrauenswürdig.

Zehn Minuten sind zu wenig? Nun. In einer Woche sind das über eine Stunde. Eine Stunde mehr als nichts. Zudem kannst du ja den Zeitrahmen ausdehnen. Aber nicht einfach so. Nimm dir wirklich erst mal so wenig vor, wie du für schaffbar hältst. Egal wie kurz das ist. Und das mache dann einige Tage so. Nicht mit dem Gedanken hinsetzen, dass das jetzt dieser und jener Umfang an Seiten sein muss, oder "solange lernen, wie geht" oder so. Sondern stelle dir einen Timer. Da fängst du an. Da hörst du auf. Punkt. Belohnung. Fertig für den Tag. Fühlst du dich mächtig unterfordert, dann nimm dir für den nächsten Tag fünf Minuten mehr vor. Bist du überfordert, nimm dir weniger vor. Der zeitliche Umfang muss zu deiner Konzentrationsfähigkeit passen.

Du erreichst damit zwei Dinge: Erstens wird Lernen kein irgendwie großes übermächtiges Wischiwaschiprojekt, eine Art ungreifbarer Dämon. Sondern etwas sehr Handfestes, ein in konkrete Minuteneinheiten gepresstes, handliches Ding. Dann, durch die Belohnung hinterher, verknüpfst du das Ding, das du von einem Schrecken zu einem kleinen Chiuaha geschrumpft hast, mit etwas Positivem. Das hilft gegen Prokrastination. Und du kriegst bei dem Training auch gleich noch den Inhalt des Lernstoffs mit. Schau nach einer Woche zurück und sei stolz auf die Einheiten, die du geschafft hast. Jetzt weißt du mehr als vorher. Tolle Sache.

Übrigens ein heißer Tipp: Ausreichend Schlaf hilft sehr bei der Bewältigung von Lernstoff. Also mindestens sieben, besser acht Stunden schlafen. Ein Versuch wäre auch, dir den Lernstoff kurz vor dem Schlafengehen ins Gedächtnis zu holen und dann wieder am nächsten Morgen. Bringt aber nur was, wenn du wirklich ausreichend schläfst. Schlafmangel verschlechtert die Leistung erheblich, wohingegen guter Schlaf sie extrem verbessern kann. (Ich erinnere mich an so unglaubliche Werte wie 30% -- in beide Richtungen.)
Auch der Anblick des Schlechten kann eine Schulung für das Gute sein! Niccolò Tommaseo

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Beitrag Sa., 08.12.2018, 13:25

Kokette Krokette hat geschrieben: Mo., 03.12.2018, 14:06 Du könntest Schrittweise an die Sache rangehen.

Erstens: Du nimmst dir einen festen Zeitrahmen vor, nicht zu umfangreich. Nicht hinsetzen und open-end lernen. Sondern sagen wir mal, du nimmst dir vor, diese Woche jeden Tag zehn Minuten mit dem Lerntext zu verbringen. Zehn Minuten, in denen du NICHTS anderes machen darfst. Hast du diese zehn Minuten geschafft, belohne dich. Belohne dich aber wirklich, sonst bist du dir selbst nicht mehr vertrauenswürdig.

Übrigens ein heißer Tipp: Ausreichend Schlaf hilft sehr bei der Bewältigung von Lernstoff. Also mindestens sieben, besser acht Stunden schlafen. Ein Versuch wäre auch, dir den Lernstoff kurz vor dem Schlafengehen ins Gedächtnis zu holen und dann wieder am nächsten Morgen. Bringt aber nur was, wenn du wirklich ausreichend schläfst. Schlafmangel verschlechtert die Leistung erheblich, wohingegen guter Schlaf sie extrem verbessern kann. (Ich erinnere mich an so unglaubliche Werte wie 30% -- in beide Richtungen.)
Oberflächlich betrachtet mag dein Vorschlag irgendwie "selbstverständlich" wirken, also im Sinne dass es doch jedem auf diese Art einfallen könnte.
Aber ich muss sagen, dass ich einen derartigen, konstruktiven Vorschlag wirklich zu schätzen weiß.
Die Angelegenheit mit dem Belohnen habe ich mir in den letzten Tagen sehr zu Herzen genommen. Ich belohne mich meistens, indem ich mir nach dem Lernen "erlaube" Sport zu machen. Ich finde, dass die Kombination aus geistiger und körperlicher Anstrengung wirklich hilfreich ist in Sachen Schlaf.
Die Sache mit dem Schlaf ist bei mir in den letzten Jahren schlichtweg erschreckend geworden - ich kann nicht abschalten und habe manchmal das Gefühl, mein Kortisol im Blutkreislauf regelrecht zu spüren, wenn ich versuche einzuschlafen. Ich habe es bereits mit verschiedensten "Hilfsmitteln" versucht, habe aber bisher von wirklichen Medikamenten zurückgeschreckt. Mir wurde beispielsweise von meinem Arzt Trittico angeboten, aber auf Derartigens greife ich wirklich ungerne zurück.

Meine aktuelle Theorie ist ja, dass meine ADS-Diagnose ein Bisschen ein Griff ins Klo ist. Die Medikation hat nur eingeschränkt geholfen und die Nebenwirkungen haben überwogen, sodass ich schlichtweg aufgehört habe Medikamente einzunehmen. Es kommt mir erneut so vor, als wären die Schwierigkeiten eher Symptomatik, und nicht ursächliche Erkrankung oder sonst etwas. Das eigentliche Problem ist schlichtweg, dass ich im Laufe meines Lebens aufgrund von meinem familiären Hintergrund keine Lernkompetenz erlangt habe und viel Selbsthass entstanden ist, weil mir das schlichtweg eingeimpft wurde und meine unmittelbaren Verwandten sich immerzu in einer Opferrolle sehen und diese mir als Kind nie beigebracht haben "stark" zu sein, da sie das schlichtweg selbst nicht kennen. Ich bin der jüngste Sprössling und vermutlich wohl derjenige, der diesen Teufelskreis der Dysfunktionalität zu erkennen scheint.

Wie dysfunktional meine Familie wirklich ist merke ich, indem ich meine Familie mit der Familie meiner Freundin vergleiche. Meine Freundin hat vor kurzem mit einem Studium begonnen, welches sie immens ernst nimmt - so ernst, dass sie kaum Zeit für mich hat, was ich zunächst persönlich genommen habe.
Jedoch habe ich erkannt, dass ein Streben in ihrem Gedankengut verankert ist, das ich nie auf diese Art erfahren habe.
Und ich möchte... Ebenso auf persönlicher Ebene Erfolge feiern - in erster Linie für mich, nicht um ihr etwas zu beweisen. Ich habe aber auch eingesehen, dass ein Partner welcher auf der Stelle tanzt schlichtweg kein Partner sondern ein Klotz am Bein ist.

Und nun gilt es, negatives Gedankengut welches beinahe zwei Jahrzehnte sein Unwesen getrieben hat "umzuprogrammieren", was sich als schwieriger als gedacht herausstellt ...


cinikus
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Beitrag Di., 11.12.2018, 19:07

Plastiksackerl hat geschrieben: Sa., 08.12.2018, 13:25 Oberflächlich betrachtet mag dein Vorschlag irgendwie "selbstverständlich" wirken, also im Sinne dass es doch jedem auf diese Art einfallen könnte.
Aber ich muss sagen, dass ich einen derartigen, konstruktiven Vorschlag wirklich zu schätzen weiß.
Oft sind die einfachsten Dinge die, an die man am Wenigsten denkt, und die dann doch am effektivsten sind. Manche Sprüche, wie "mal darüber schlafen" und so weiter, kommen nicht von ungefähr. Ich finde immer spannend, wenn scheinbar so banale, dahingesagte Sachen dann wissenschaftlich unterstützt werden.
Plastiksackerl hat geschrieben: Sa., 08.12.2018, 13:25 Meine aktuelle Theorie ist ja, dass meine ADS-Diagnose ein Bisschen ein Griff ins Klo ist.
Wäre nicht das erste Mal, dass so was passiert. Mit Diagnosen sind Ärzte oft recht schnell. Mich hat ja schon öfter verwundert, dass zweieinhalb Minuten bei einem Hausarzt oder zwanzig Minuten mit einem Psychiater ausreichen, um eine Diagnose zu stellen, körperlich wie psychisch. Der Mensch ist einfach mehr als ein Fragebogen, und es hängt so viel zusammen. Für mich immer wieder amüsant ist da, was Richard David Precht als Beispiel für Ärzte der Zukunft anbringt. Denn so, wie das aktuell läuft, läufts ja nicht mehr lange, jeder Patient kann sich mit ein wenig Recherche eine treffendere Diagnose und Behandlung zusammenstellen, mehr Experte werden in seinem persönlichen Problembereich, als ein Arzt, der ihn nur wenige Minuten alle paar Monate sieht. Jedenfalls meint er, dass Hausbesuche der (einzige) Grund für Ärzte sein wird. Und da kommt dann der Psychiater in die Wohnung und meint: Na, bei DEN Tapeten würde ich auch depressiv werden.
Ist natürlich jetzt ein blödes Beispiel, zeigt aber, dass bei Problemem soooo viele Parameter einbezogen werden müssen. Dann wird da jemand mit Tabletten gegen Depressionen behandelt, aber die Ursache ist, dass er beispielsweise nonstop so dermaßen mit Lärm bombardiert wird, dass sein ganzes System zu macht. Oder dass in seine Wohnung (oder seinem Lebensstil generell) so gut wie keine Sonne kommt, er also immer in der Dunkelheit, immer im Schatten verbringt. Oder dass er schlicht das Falsche isst, zur Falschen Zeit, kein richtiger Schlaf, Angewohnheiten entwickelt hat, die depressiv machen, und da sind ja dann noch gar nicht die möglichen RICHTIGEN Lebensprobleme dabei, die ja auch noch mitwirken, wie Todesfälle, Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Streit, Familie, weltpolitische Lage, philosophische Krisen, mangelnder Lebenssinn und so weiter. Eine Diagnose und Tabletten sind da schlicht ein Griff ins Klo und zementieren so jemanden eher in seiner Situation, weil er sie dann ja nicht mehr ändern "muss". Mal abgesehen, dass er vielleicht gar nicht weiß, dass er da vielleicht ganz viel ändern kann. Manchmal weiß man gar nicht, was man alles falsch macht, weil es einem so normal erscheint, weil man es nie anders kennengelernt hat, oder weil es einfach ein Lebensstil ist, der (für das Alter, die Gesellschaft) gängig ist, auch wenn er krank macht.
Ich beispielsweise glaube, dass viele psychische Krankheiten durch das Informationsbombardement ausgelöst werden, die durch die Digitalisierung möglich ist. Ich meine, wie viele Reize hat der Mensch über Jahrtausende gehabt, so pro Tag. Heute strömt das auf die meisten schon in den ersten fünf Minuten ein, die sie wach sind. Oder der Informationsinput auf der Arbeit. Was auf meine Kollegen in den siebzigern und achtzigern einströmte, strömt auf üblichen Kollegen heute in zwei Stunden ein. Was früher fünf Leute in drei Wochen gemacht haben, plus zwei Sekretärinnen, macht heute einer alleine an einem Vormittag, wobei er ganz nebenbei auch die Sekretärinnenjobs miterledigt. So was geht nicht spurlos an einem vorbei. Dass man irgendwann nichts mehr aufnehmen kann, Konzentrationsprobleme hat, bis hin zur (unbewussten) Flucht vor weiterem Input, halte ich eher sogar schon für gesund als krankhaft. Zumindest ist es eine logische Entwicklung, als ein echtes Krankheitsbild.
Ansetzen kann man da leider nur selbst. Das eigene Leben mal beobachten, schauen, wo der Hund begraben liegt, und nach und nach Verbesserungen durchführen. Klingt beknackt, aber ich habe sogar begonnen, diverse Verhaltensweisen und Gepflogenheiten aufzuschreiben und lasse sie mir grafisch am Computer darstellen. Da bin ich schon hinter so einige Korrelationen gekommen. Dann kann ich Kausalitäten testen, und wenn ich auf eine Wenn-Dann-Verknüpfung stoße, kann ich das ändern. Da man dazu neigt, zu verdrängen, zu beschönigen oder zu dramatisieren, wird einem das aber so in der reinen geistigen Rekapitulation gar nicht bewusst. Schwarz auf weiß steht es dann: dass man vielleicht in Wahrheit nur sechs Stunden schläft. Und so weiter.
Auch der Anblick des Schlechten kann eine Schulung für das Gute sein! Niccolò Tommaseo

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