Angst vor weiterem Erstgespräch und erneuter Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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saffiatou
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Beitrag Do., 19.07.2018, 15:02

Danke Euch für die Erklärungen!

Entschuldige BunteSeele, daß ich gerade bei Dir OT schreibe....
isabe hat geschrieben: Do., 19.07.2018, 11:09 Wenn man an der Stelle verharrt: "Du bist schuld" und nicht die Dynamik und damit auch sich selbst einbezieht, dann kann man sich ja kaum verändern, weil man immer nur im Anderen das Problem (das zweifellos vorhanden ist) sieht. Das nützt aber niemandem was, wenn man von einem Missbraucher zum nächsten "wandert", einfach, weil man selbst sich immer wieder als das arme kleine Opfer inszeniert, das auf Wiedergutmachung hofft.
aber ich gehe immer davon aus, dass der Täter Schuld hat - ohne wenn und aber. Mit der Dynamik meinst Du, woher es kommt, daß ich immer wieder Opfer /wurde/werde? Das ist ja eine Frage die ich mir stelle, das Gefühl einen Stempel auf der Stirn zu tragen, trotzdem sehe ich die Schuld beim Täter (das war ein weiter Weg und den lasse ich mir nicht ausreden), was ich zu lernen habe ist, rechtzeitig zu erkennen, daß da jemand Täter wird (auf welche Weise auch immer) und mich zu schützen. gehört das auch zu den Dynamiken die Du ebschreibst?

Saffia
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saffiatou
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Beitrag Do., 19.07.2018, 15:09

männliche vs. weibliche Thera:

ich habe bewußt einen männlichen Thera gesucht und bin damit gut klargekommen, trotz Missbrauch, habe mit Frauen oft Probleme (Mutter, die extrem gewalttätig war, mobbende Mitschülerinnen, Kolleginnen, missbrauchende Ärztinnen). Mein Thera meinte auch, daß ich trotzdem mal mit einer Therapeutin arbeiten soll, meine Therapie bei ihm ist ja zu Ende und ich werde seinen Rat auch beherzigen.

Ich bin aber der Meinung, daß es in erster Linie es darauf ankommt, wie man mit dem Thera klarkommt - ob die sogenannte Chemie stimmt und ich vertrauen kann und manchmal geht es nicht mit Frauen, habe da eine Sperre. Bei zwei mich behandelnde Ärztinnen war die nicht da, da werde ich super behandelt, das war vom ersten Momet klar,

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montagne
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Beitrag Do., 19.07.2018, 15:45

Der Täter ist Schuld, ja. Aber was nützt es einem, selbst dann, wenn der Täter strafrechtlich schuldig gesprochen wird?
Besser ist doch, garnicht erst Opfer von Mobbing, seelischen oder körperlichen Übergriffe oder gar Vergewaltigung zu werden.

Und als Erwachsene haben wir da viel in der Hand. Wir können längst nicht alles kontrollieren, aber viel.
Das unterscheidet uns von uns als Kind damals. Wir sind nicht mehr hilflos und vom "Wohlwollen" eines potentiellen Täters abhängig.

Aus der kindlichen, hilflosen Rolle raus kommen....
amor fati

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saffiatou
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Beitrag Do., 19.07.2018, 16:07

Du hast absolut Recht, Montagne! Ich glaube ich hänge zu oft im kindlichen Wesen und Denken fest.

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Solage
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Beitrag Do., 19.07.2018, 21:30

Ich habe eine sehr übergriffige Therapie hinter mir. Wehre mich immer noch juristisch.
Ich habe danach Therapeutinnen und Therapeuten aufgesucht. Wollte eigentlich lieber zu einer Frau.
Angenommen gefühlt habe ich mich bei einem männlichen Therapeuten, der deutlich Stellung bezog und nichts bagatellisierte.
Ich fühlte mich sehr schuldig, an dem was passierte.
Sehe ich jetzt mittlerweile so, dass das so eine Allmachtsfantasie von mir war, um mich nicht als Opfer zu sehen.

Jetzt kann man spekulativ sagen, das war der Wiederholungszwang , der aus früheren Missbrauchserfahrungen gespeist wurde. Das entlastet dann beide und dadurch bleibt diese ungute Beziehung leider bestehen. Ich musste mich unterwerfen, weil.... der Therapeut hat seine eigene Problematik, weil....In dieser gegenseitigen Unbegrenztheit sind dann schräge Sachen passiert.

Jetzt geht es mir so, dass ich mit dem Ganzen am liebsten nur noch abschließen möchte, es loslassen. Dass da gar keine Bindung mehr besteht.
Hätte ich mich allerdings nicht gewehrt, dann hätte ich mir das vielleicht später vorgeworfen.

Daraus habe ich gelernt, allerdings mit Hilfe und Beistand eines Therapeuten, dass so etwas jedem passieren kann; unabhängig wie gesund oder gestört man ist. Sekten rekrutieren ihre Anhänger ja auch, wenn sie sich geschwächt und bedürftig fühlen.
Ich muss mich dafür nicht verurteilen, aber ich achte in Zukunft darauf, dass mir so etwas nicht mehr passiert!

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diesoderdas
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Beitrag Fr., 20.07.2018, 00:49

Also, das mit dem reinszenieren sehe ich auch anders (oder vielleicht seht ihr es genauso und es kam nur etwas anders bei mir an). Mal angenommen eine Frau gerät immer wieder in Beziehungen, in denen sie geschlagen wird, dann kommt doch kaum jemand auf die Idee zu sagen: „Die Frau hat den armen Kerl bestimmt nur provoziert sie grün und blau zu schlagen, sie kennt das ja schon aus ihrer Kindheit, außerdem gehören immer zwei dazu.“
Für mich heißt das nur: die schlagenden Männer sind eben eines – nämlich Schläger; und sie werden nicht durch die Frau zum Schläger gemacht. Die Schuld an der Handlung Schlagen trägt komplett und ganz allein der Schläger. Ein Mensch wird nicht einfach so mal zum schlagen animiert werden, sondern die Persönlichkeit dazu wird schon vorhanden sein.
Die Frage einer Dynamik - was die Handlung an sich angeht – stellt sich nicht, finde ich.
Sondern es geht lediglich darum, sich dann zu fragen, warum sucht diese Frau sich immer wieder Männer aus, die zu Handgreiflichkeiten neigen. Und warum lässt sie das mit sich machen anstatt sie in den Wind zu schießen. Und nur DAS allein sehe ich als Part oder Verantwortung der Frau. Die Handlung an sich, das Verbotene, hat aber der Täter GETAN (und wird es wohl schon mit mehreren Frauen so getan haben und auch wieder tun).

Wenn ein Therapeut mit einer Patientin anbandelt, ist das nunmal Missbrauch und er ganz allein trägt die Verantwortung dafür. Er hat den Job gelernt und wird bezahlt dafür, es ist ihm verboten, er weiß, dass es oft zu Verliebtheit usw kommen kann, er darf nicht darauf einsteigen. Und darauf sollte man auch vertrauen können, auch dann wenn Verliebtheit tatsächlich passiert und angesprochen wird.
In einer Therapie sollte man doch eh darauf vertrauen können, dass alles, was ein Klient mit rein bringt, erlaubt ist und angeschaut werden kann. In dem Vertrauen, dass es nicht ausgenutzt wird. Und ohne dass dann missbräuchliches Verhalten bagatellisiert wird, indem dem Klienten die (Mit-) Verantwortung hingeschupst wird.


isabe
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Beitrag Fr., 20.07.2018, 08:49

diesoderdas:
Es ist schlicht eine vollkommen andere Betrachtungsebene, und ich merke, dass es schwierig bis unmöglich ist, jemandem diese andere Ebene "vorzustellen", wenn er dafür nicht bereit ist. Beim Begriff "Ebene" geht es gar nicht um "schlimm" vs. "weniger schlimm" oder "richtig" vs. "falsch". Und auch nicht darum, dass die eine Ebene die andere ersetzen soll!

Dieser "selbst-schuld-bestimmt-provoziert"-Diskurs wird von einigen Tätern und ihren Verteidigern, vielleicht auch von Teilen der öffentlichen Meinung, durchaus propagiert. Das Problem ist nur, dass du z. B. dasselbe machst: Du bedienst dich derselben Gedankenschleifen und Kategorisierungen - und bleibst so ein Gefangener dieser Ebene.

Eine Psycho(!)therapie ist jedoch überhaupt nicht der Ort, diesen Diskurs zu verhandeln. Das ist, als wenn dir dein Friseur die Haare verhunzt hat und du dann zum Bäcker gehst und ihn anflehst, er möge doch erkennen und wiedergutmachen, was der Friseur getan hat... Ein Therapeut ist kein Richter und kein Verteidiger.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, vom Therapeuten auch als "Opfer" gesehen zu werden (und auch zu hören, was der "Täter" einem angetan hat), aber das ist nur EIN Aspekt der gemeinsamen Arbeit. Überleg mal, was dir alles entgeht an Entfaltungsmöglichkeiten, wenn du dort stehenbleibst!

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saffiatou
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Beitrag Fr., 20.07.2018, 12:15

Interessante Diskussion, die ich da losgeschossen habe.

Ich überlege noch und finde die Aussagen von Solage und Diesoderdas am ehesten nachvollziehbar und habe ich ja auch immer vertreten, nachdem ich endlich begriffen habe, wo die Verantwortung liegt.

Sicher soll das Opfer in der Therapie lernen, sich zu wehren, rechtzeitig erkennen, wo Gefahen liegen.... was noch?

Ich merke hier immer und auch in anderen Diskussionen, dass, oft das Wort “Opfer” als Vorwurf oder fast als Schimpfwort eingesetzt wird, geht es anderen auch so?

Interessant ist ein Radiounterveiw im DLF vom 15.7. mit Svenja Goltermann, deren neuestes Buch “ Opfer” betitelt wird, es geht da nicht nur um Kriegsopfer

https://www.deutschlandfunk.de/musik-un ... _id=419353

Saffia
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isabe
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Beitrag Fr., 20.07.2018, 14:20

Sicher soll das Opfer in der Therapie lernen, sich zu wehren, rechtzeitig erkennen, wo Gefahen liegen.... was noch?
Kommt vielleicht auf die Therapiemethode an. Ich mache ja eine analytische Therapie, und da hat die Deutung "Sie liefern sich aus" Berge bewegt. Das Sich-Ausliefern bezieht sich ja nicht nur auf die Frage "lasse ich mich von meinem Therapeuten missbrauchen", sondern auch auf kleinere Situationen. Als er das gesagt hat, ging es gerade um mein schlechtes Gewissen, weil ich jemandem eine Absage erteilen musste.

Und so ist dieses Mich-Ausliefern zu einem Schwerpunkt der Arbeit geworden.

Ich persönlich würde keine Therapie machen wollen, in der mir der Th. sagt: "Wenn einer das und das sagt, dann könnten Sie z.B. das und das antworten", aber klar, manchen helfen solche konkreten Szenen vielleicht wirklich mehr als so eine vergleichsweise "abstrakte" Deutung.

Ich konnte dann anfangen, mich zu wehren, als mir klar wurde, warum ich es vorher nicht konnte. Und das war dann von einem auf den anderen Tag vollkommen weg.

Kommt auch darauf an, was einen Patienten bewegt, eine Therapie zu machen. Will das gar nicht werten, aber Menschen haben halt andere Fragestellungen im Leben. So allgemein kann man ja unterscheiden zwischen "ich leide an mir selbst" und "ich leide an meiner Umwelt" (obwohl die äußeren Begebenheiten womöglich ähnlich sind, dass z.B. der Patient missbraucht wurde). Wer vielleicht mehr den Frieden mit sich selbst sucht, dem ist dann evtl. eher geholfen, wenn man sich mit ihm selbst beschäftigt als mit dem "Täter".

Wer das für sich so formuliert hat "mir ginge es wunderbar, wenn da nicht der Täter wäre", der braucht vielleicht v.a. diese Auseinandersetzung mit dem Dritten.

Aber wenn es dabei bleibt, dann ist es eben auch auf ein bestimmtes Thema ausgerichtet und weniger auf die "Reifung" der Person, die sich selbst wirklich verändern möchte und die ihre gesamte Sicht auf das Leben hinterfragen möchte.

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Solage
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Beitrag Sa., 21.07.2018, 20:45

Hallo BunteSeele,

Du hast Dich nicht mehr gemeldet.
Ich möchte Dir mitteilen, dass es nach dieser intimen Beziehung zum Therapeuten erst einmal darum geht, dass Dir in einer Folgetherapie geglaubt wird. Dass nichts bagetellisiert wird. Dass dabei aber auch Deine noch vorhandenen Liebesgefühle zum Ex-Therapeuten nicht weggemacht werden sollen. Dass die Ambivalenz ihren Platz hat: Da war er doch auch der gute Therapeut und dann tut er mir so weh... z. B.

Ich konnte das für mich in einer Folgetherapie tatsächlich bearbeiten. Beide Seiten durften sein.
Bis ich dann für mich frei entscheiden konnte, dass ich mich aus dieser Verbindung lösen möchte. VÖLLIG FREI!
Heißt allerdings nicht, dass es mir nicht mehr weh tut und es haut mich auch immer wieder um. Allerdings viel weniger!!!

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