Therapie mit einem Narzissten

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.

isabe
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 08:46

Diagnosen haben einen verwaltungstechnischen Aspekt, keinen zwischenmenschlichen.

Wer im Anderen nur dessen Diagnose sieht, sieht gar keine Menschen, sondern nur das, was er in ihnen sehen will - und DASS er das will, hat mehr mit ihm zu tun.

Schon der Titel des Threads ist ja sehr aufschlussreich. Und er reiht sich ein in andere Threads mit ähnlichem Titel: Offenbar besteht die Menschheit vor allem aus Opfern von Narzissten. Mit dem Satz "mein Gegenüber (Ehemann, Therapeut, Chef, Mutter, Nachbar, Kollege usw.) ist ein Narzisst" sagt man immer auch mit: "Ich finde mich vollkommen unnarzisstisch und sympathisch", nur spricht man es nicht aus. Es ist aber die Botschaft, die man sendet.

Das Ganze "funktioniert" aber in der Öffentlichkeit (wenn man sich also bei Dritten über den vermeintlichen oder tatsächlichen Narzissten beschwert) nur deshalb, weil das so eine "schöne" Diagnose ist, mit der man sich nämlich gleichzeitig mit der Beschimpfung und Stigmatisierung des Anderen als Opfer inszenieren kann. Bei anderen psychischen Krankheiten funktioniert das weniger gut.

"Mein Partner hat eine ängstliche Persönlichkeitsstörung" klingt eher danach, dass der Partner selbst Fürsorge benötigt (ich weiß, wie Gegenübertragungen funktionieren...); "mein Partner ist Borderliner" hat immer auch eine sexuelle Konnotation und man könnte sich "vorwerfen" lassen, der Anziehungskraft des Borderliners zu unterliegen. Das könnte man mit allen Diagnosen "durchspielen"; es ist bekannt, dass bestimmte Diagnosen bestimmte Assoziationen hervorrufen - und damit meine ich nicht explizit die Wirkung einer Störung auf Partner, Kollegen, Kinder usw. - sondern explizit die Assoziationen, die bei Unbeteiligten hervorgerufen werden, wenn sie "erfahren", dass jemand unter einem Narzissten leidet.

Das ist dasselbe Prinzip wie "Mein Kind ist hochbegabt".

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isabe
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 08:48

Es gibt übrigens ein ganz einfaches Mittel, sich von einem narzisstischen Mitbewohner zu trennen: Man zieht einfach aus. Dazu muss man - wenn man nicht etwas ganz anderes erreichen möchte... - keine Diskussion mit Fremden (!), die den "Narzissten" gar nicht kennen, führen.


isabe
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 09:10

Stern:
Wieso sollte ich mich dadurch auf den Schlips getreten fühlen, wenn jemand (bzw. viele Leute) darüber schreiben, wie sehr sie unter einem Narzissten leidet (bzw. leiden)? Ich bin keiner, falls du darauf anspielen wolltest.

Es ist nicht nur das "Zauberwort" selbst, sondern auch die Art, wie darüber geschrieben wird bzw. sich ausgelassen wird. Und die ist immer ähnlich: Reihenweise werden dessen Fehltritte aufgelistet und die gravierenden Auswirkungen auf den "Betroffenen". Das ist vor allem dann auffällig, wenn der Betoffene gar nicht emotional abhängig ist vom "Narzissten", wie das bei Kindern der Fall ist.

Es scheint eher darum zu gehen, Unbeteiligte auf die eigene Seite zu ziehen, und das klappt ja auch ganz wunderbar, wie man sieht...

Und dass man Andere auf die eigene Seite ziehen möchte, ist auffällig.

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stern
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 09:41

Nee, von Ferndiagnosen halte ich auch nichts, wobei ich Narzissmus nicht als Synonym für narzisstische PS halte. Ich fand es despektierlich, was nicht plausibel ist. außer wenn man sich selbst in irgendeiner Form (!) angesprochen fühlt.

Denn das
man selbst hat halt ein bisschen Angst und ist ganz doll schüchtern...
ist etwas anderes als folgendes. Schon allein die Formulierung.
Dafür muss ich etwas ausholen:
Ich lebe im Moment in einer therapeutischen WG, da ich unter sozialen Ängsten und schweren Depressionen leide. Das Ziel ist es, durch den ständigen Kontakt mit anderen Menschen gepaart mit einer Therapie meine Sozialphobie zu verbessern.
zumal Leute ja meist nicht umsonst in einer stärker betreuten Einrichtung sind.

Und es ist eine offizielle Diagnose. Als psychisch Kranker leider man doch besonders unter den Verletzungen, die Bezugspersonen zufügten und die sich später wiederholen... da liest man im Forum aber noch ganz andere Empfindlichkeiten als Reaktionen auf Wutanfälle, Psychosen, Lügen, usw. Das ist kein Pappenstiel. Man mag hier nicht emotional abhängig sein, aber aufgrund der Zwangsgemeinschaft kann man sich nur eingeschränkt entziehen... Ich kenne nur eine Klinik, aber das kann echt heftig sein, weil manche offensichtlich eine Störung vor sich hertragen und nicht jeder Kontakt vermeidbar ist. Und eigene Anfälligkeiten wurden ja auch benannt.

Wenn andere Threads stören, wäre es vllt. besser den Unmut dort zu platzieren oder einen allgemeinen zu wählen. Ich fühle mich nicht auf eine Seite gezogen. Halte nur nichts davon, andere kranke Menschen als Übungsobjekt zu benutzen. Eine therapeutische Beratung dient genau der Reflexion... zumal ein Umzug immer eine größere Entscheidung ist. Warum nicht.
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stern
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 10:10

Ich sehe auch keine Opferinszenierung, wenn man sagt, ich brauche einen anderen Weg, so schnell wie möglich. Sondern Selbstfürsorge.

Gibt halt auch solche Kandidaten in betreuten Einrichtungen:

"DSDS" 2018: "Kandidat Diego soll Vater niedergestochen haben"
https://m.focus.de/kultur/kino_tv/dsds- ... 86880.html

Gewalttätig wurde der Narzisst angeblich noch nie... aber kann man das immer garantieren, wenn jemand stärker auszuckt, hmm. Es geht hier nicht um Bagatellen, die beschrieben sind.
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Broken Wing
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 10:23

Ich finde solche Einrichtungen an sich kontraproduktiv, wie ich weiter oben geschrieben habe. Ansonsten muss ich Isabe insoweit zustimmen, als sie Recht darin hat, dass nur ein Aus- bzw. Umzug hilft. Ausziehen würde ich nicht, wenn mir die WG hilft, aber die Verantwortlichen auf seine Unzumutbarkeit für mich hinweisen und selbige zur Einschreitung veranlassen. Mit so jemandem pflegt schließlich auch ein Otto Normalbürger keinen Umgang geschweige denn ein depressiv-ängstlicher.

Was meine Zimmernachbarin in der Klinik hatte, weiß ich nicht. Sie war aber sehr selbstbezogen, forderte äußersten Respekt ein, den sie selbst nicht an den Tag anderen Gegenüber legte und der ihr vor allem so nicht zugestanden hat. Weil ich selbst aber auch nicht unter dem Helfersyndrom leide, war es mir schnurzegal, wie sie morgens von mir aufgeweckt werden wollte und dass sie wegen ausbleibens des Morgengrußes zu spät zu ihrer Therapie kam. Sie konnte sich auch sicher sein, dass ich ihren Drogenkonsum nicht auffliegen ließ.

Aber trotzdem hatte Sie Tage, wo sie mich mal ganz toll fand, mir essen brachte und mir bei der Bewältigung alltäglicher Arbeit half. Und an anderen fand sie mich lästig, wollte von mir weg u.u. Habe ich natürlich nicht in mich hineingefressen. Und das hat auch geholfen: Ein kurzes Gespräch unter 4 Augen mit der Leitung.

Und wenn sich eine Besserung ergibt, kann man sich darüber freuen, in meinem Fall war es auch so. Sie sagte mir rechtzeitig, wenn sie ihre Ruhe haben wollte und bat mich sogar darum. Zuvor herrschte eher der Befehlston vor.

Und ja, die Diagnose sollte man als Außenstehende unberücksichtigt lassen und sich tatsächlich nur auf die Dinge beschränken, die einen Stören. In einer Einrichtung für Kranke muss man selbstverständlich toleranter sein. Man wird ja nicht zum Aufenthalt gezwungen und hat keinen Anspruch auf eine schöne Zeit mit gesunden und glücklichen Menschen. Wenn man damit nicht kann, muss man wirklich gehen. Aber ein grenzüberschreitendes Verhalten, wenn der Kranke etwa klaut, schlägt oder einen verbal wirklich verletzt, muss diagnosenunabhängig nicht toleriert werden. Es kommt auf das Ausmaß an. Wenn es das übliche Niveau ist, mit dem jeder Mensch umgehen können muss, und nur die Depression den Umgang unerträglich macht, muss der Depressive an sich selbst arbeiten.

Kontraproduktiv sind definitiv Anleitungen aus einem Forum, wie man mit selbstdiagnostizierten oder tatsächlichen Narzissten umzugehen habe. Jeder Mensch möchte primär als solcher wahrgenommen werden und nicht als Narzisst, Schwarzer, Behinderter u.u.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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stern
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 10:44

isabe hat geschrieben: Fr., 06.07.2018, 08:46
Das Ganze "funktioniert" aber in der Öffentlichkeit (wenn man sich also bei Dritten über den vermeintlichen oder tatsächlichen Narzissten beschwert) nur deshalb, weil das so eine "schöne" Diagnose ist, mit der man sich nämlich gleichzeitig mit der Beschimpfung und Stigmatisierung des Anderen als Opfer inszenieren kann. Bei anderen psychischen Krankheiten funktioniert das weniger gut.

"Mein Partner hat eine ängstliche Persönlichkeitsstörung" klingt eher danach, dass der Partner selbst Fürsorge benötigt (ich weiß, wie Gegenübertragungen funktionieren...); "mein Partner ist Borderliner" hat immer auch eine sexuelle Konnotation und man könnte sich "vorwerfen" lassen, der Anziehungskraft des Borderliners zu unterliegen. Das könnte man mit allen Diagnosen "durchspielen"; es ist bekannt, dass bestimmte Diagnosen bestimmte Assoziationen hervorrufen - und damit meine ich nicht explizit die Wirkung einer Störung auf Partner, Kollegen, Kinder usw. - sondern explizit die Assoziationen, die bei Unbeteiligten hervorgerufen werden, wenn sie "erfahren", dass jemand unter einem Narzissten leidet.
Ich glaube, dass das eher deine Assoziationen sind. In Wirklichkeit kann auch jemand mit Ängsten oder Zwängen sein Umfeld ganz schön im Griff haben. Auch hier könnte ich Klinikerfahrungen berichten (Stat. PT). Ich hatte ferner eine Begegnung "Kontaminationszwang meets meine Störung". :lol: Jetzt kann sich darüber lachen, aber das war für uns beide sehr unbekömmlich. Hier wurde dann auch eine ungefähre Diagnose in den Raum gestellt zwecks Erklärung. Bei Licht betrachtet, hätte ich darauf auch kommen können, denn es lag auf der Hand. Im Grund waren beide Reaktionen (ihre und meine) bestenfalls nur unter Berücksichtigung der Störung verstehbar. Lt. amb. Therapie bringt dann jedoch ein Gespräch nichts. Ich würde auch eher die Leitung oder einen Therapeuten empfehlen (was bei Schwierigkeiten auch angeboten war). Kliniken mögen das anders sehen... aber ich sehe es eher so, dass hier aus Kapazitätsgründen manches zu kurz kommen kann... zB auch wenn auf viele Gruppenkonzepte statt Einzelsitzungen gesetzt wird, um möglichst viele Patienten versorgen zu können. Umso höher können dann die Reibungspunkte sein. Es geht dann halt nicht anders als auch auf andere Patienten zu treffen, wenn man teilnehmen möchte. Aber ich würde verzichten, wenn es nicht unbedingt sein muss oder sehr sinnvoll wäre. Also wen es sinnvoll ist und man wegen eines unbekömmlichen Patienten auf seine Therapie oder einen Wohnplatz verzichten muss, hat das auch einen Beigeschmack. Mit Zimmernachbarin oder frei gewählten Kontakte hatte ich hingegen viel Glück und eine schöne Zeit. Je intensiver das Angebot, desto schwerer die Störungen idR.
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montagne
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Beitrag Fr., 06.07.2018, 11:31

Es gibt viele psychologische Aspekte für und wider deines Bleibens in der WG.
Ein handfester Aspekt mag dies sein:
Es ist eine Unterstellung, aber ich habe die Vermutung, dass es ihnen mehr um das Geld als um mich geht - sie raten mir zu bleiben, damit der Platz belegt ist.
Ist nicht abwegig, kann ich dir als jemand sagen, der sich intern mit solchen und anderen Projekten und Trägern auskennt.
1. zahlen die Ämter und Kassen nicht für jeden, der überhaupt in eine WG will (und da sind auch bei den psychisch krnaken schon eher wenige). 2. Nehmen solche Projekte natürlich lieber pflegeleichte Klienten wie dich.. Ängste, Depression das ist auf eine Art anstrengend für die Betreuer und Therapeuten, aber nicht annähernd so anstrengend wie Aggressionen, agitierte Depression, massive Unruhe, querulatorisches oder aufsässiges Verhalten des Klienten.
3. Müssen sie die meiste Zeit oder immer voll belegt sein, damit das Personal wie es besteht bezahlbar ist.

Es kann sein, dass es allein was mit dir und deiner Geschichte zu tun hat, dass du meinst die WG will dich wegen des Geldes behalten. Es kann aber auch sein, das an deiner Wahrnehmung was dran ist.
amor fati

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Whale
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Beitrag Sa., 07.07.2018, 07:39

Einen Narzissten als Trainingspartner zu sehen und zu lernen ist eine Sache. Mit einem Narzissten zusammen zu Leben eine völlig andere. Es bedeutet, dass man sich sogar "zuhause" nie richtig entspannen kann. Man läuft sich ja zwangsläufig immer über den Weg und muss ständig auf der Hut sein, quasi Schwert und Schild dabeihaben, weil jederzeit die nächste Verletzung/Grenzüberschreitung daher kommen könnte.

Das kostet enorm viel Kraft. Für jemanden, der sich selbst erst richtig stabilisieren muss halte ich das für keine gute Idee.

Whale

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