Wie empfinden Geschwister ihr behindertes Geschwister?
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Ja, das ist sicher für alle sehr schwierig.
Für das behinderte Kind, für das Geschwister und auch für die Eltern.
Für das behinderte Kind, für das Geschwister und auch für die Eltern.
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Nö, ich glaub, bei Kimba&Blacky geht es wirklich darum, ihre aktuellen Probleme irgendwem aufzuhalsen. Eltern, Schicksal, und jetzt halt die Geschwister.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]
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Es geht hauptsächlich um die Geschwister von Autisten/Aspergern. Ich höre es immer wieder, dass diese von ihren nicht-behinderten Geschwistern in der Jugendzeit nicht gut behandelt wurden. Ich frage mich: Warum?
Und warum schämen sie sich dafür?
Ich meine, Behinderte haben es in der Regel eh schon schwer genug, da muss es doch nicht von den eigenen Familienangehörigen noch schwerer gemacht werden.
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Ich würde gerne Erfahrungen von Geschwistern behinderter Kinder hören, bisher war nur Eine dabei, von Krümmelmonster.
Gibt es etwas, was das behinderte Kind tun kann, um ein besseres Verhältnis zu seinem Geschwister zu bekommen?
Wenn die Scham stark vorhanden ist: Ist es besser, wenn sixh das behinderte Kind zurückzieht?
Kennt vielleicht jemand ein Forum, wo es um dieses Thema geht?
Gibt es etwas, was das behinderte Kind tun kann, um ein besseres Verhältnis zu seinem Geschwister zu bekommen?
Wenn die Scham stark vorhanden ist: Ist es besser, wenn sixh das behinderte Kind zurückzieht?
Kennt vielleicht jemand ein Forum, wo es um dieses Thema geht?
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Du unterscheidest nicht zwischen Gefühl und Verhalten.
Wenn das Schamgefühl da ist, dann kann das wie hier mehrfach beschrieben viele Ursachen haben.
Wenn die Geschwisterkinder das behinderte Kind nicht gut behandeln dann ist es Aufgabe der Eltern sich zu zu kümmern woran es liegen könnte.
Das Geschwister was das behinderte Kind nicht gut behandelt, handelt aus einer inneren Not heraus.
Wenn das Schamgefühl da ist, dann kann das wie hier mehrfach beschrieben viele Ursachen haben.
Wenn die Geschwisterkinder das behinderte Kind nicht gut behandeln dann ist es Aufgabe der Eltern sich zu zu kümmern woran es liegen könnte.
Das Geschwister was das behinderte Kind nicht gut behandelt, handelt aus einer inneren Not heraus.
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Weil Autisten Probleme damit habe, mit anderen in einen emotionalen Kontakt zu kommen, und dieses Verhalten auf andere leicht "abweisend" wirken kann. Kinder verstehen das noch nicht und reagieren intuitiv gekränkt auf das "ablehnende" Verhalten des Geschwisters und aus der Kränkung heraus kann es dazu kommen, dass sie sich "rächen" wollen, indem sie sich ebenfalls ablehnend verhalten. Außerdem ist Geschwisterrivalität schon bei gesunden Geschwistern ein großes Thema, dass zu ernsthaften Konflikten führen kann. Ein autistisches Kind braucht viel Förderung, was von dem Geschwister als "Bevorzugung" interpretiert werden kann und für Neid sorgt, der teilweise bis ins Erwachsenenalter reicht.Kimba&Blacky hat geschrieben: ↑So., 24.06.2018, 21:36 Es geht hauptsächlich um die Geschwister von Autisten/Aspergern. Ich höre es immer wieder, dass diese von ihren nicht-behinderten Geschwistern in der Jugendzeit nicht gut behandelt wurden. Ich frage mich: Warum?
Weil Autisten sozial "auffallen" und anecken. Die Geschwister haben Angst, auch ausgegrenzt zu werden, wenn sie mit ihnen gesehen werden.
Autismus ist eine Störung, die schon von Erwachsenen schwer zu begreifen ist. Meinst du nicht, dass das von einem Kind ein wenig viel erwartet ist? Die "Behinderung" ist für das Geschwister nicht "sichtbar", sie bekommen nur mit, dass der Autist sich "komisch" verhält. Bei einer "sichtbaren" Behinderung, wie z.B. eine Körperbehinderung, können das Kinder vielleicht noch verstehen, warum es das behinderte Kind schwerer hat und Rücksichtnahme verdient, aber bei einem autistischen Geschwister stelle ich mir das sehr schwierig vor.Kimba&Blacky hat geschrieben: ↑So., 24.06.2018, 21:36 Ich meine, Behinderte haben es in der Regel eh schon schwer genug, da muss es doch nicht von den eigenen Familienangehörigen noch schwerer gemacht werden.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...
Wie gesagt: Ich denke, es kommt auf die Behinderung an, wie man aufgewachsen ist, etc. . Autismus ist auch nicht gleich Autismus und grade wenn es noch nicht diagnostiziert ist (und das wird nicht jeder), ist es schwerer zu greifen, was eigentlich los ist. Grade für Kinder... .
...und was das behinderte Kind tun kann,... . Nun, in erster Linie können die Erwachsenen etwas tun, die am ehesten noch begreifen und verstehen können, was da grade anders ist.
...und was das behinderte Kind tun kann,... . Nun, in erster Linie können die Erwachsenen etwas tun, die am ehesten noch begreifen und verstehen können, was da grade anders ist.
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Was kann denn das behinderte Kind tun, wenn es sich schon sehr von seinem Geschwister zurückzieht (um es nicht noch mehr mit seiner Behinderung zu verletzen/beleidigen), das Geschwisterkind aber ständig unerlaubt in sein Zimmer kommt und es beleidigt, schlägt, beklaut, usw.?
Und das damit begründet, dass es sich dafür rächen muss, dass es von seinen Klassenkameraden gemobbt wird, weil diese leider mitbekommen haben, dass es eine behinderte Schwester / einen behinderten Bruder hat?
Und die Freunde des Geschwister auch noch mitmachen und das behinderte Geschwister als "eklig", "peinlich" usw. beschimpfen?
Mehr als zurückziehen kann sich doch das behinderte Geschwister nicht.
Oder sollte es von sich aus sagen, dass es die Familie verlassen möchte?
Die Eltern wollen davon übrigens nichts wissen und glauben das nicht.
Und das damit begründet, dass es sich dafür rächen muss, dass es von seinen Klassenkameraden gemobbt wird, weil diese leider mitbekommen haben, dass es eine behinderte Schwester / einen behinderten Bruder hat?
Und die Freunde des Geschwister auch noch mitmachen und das behinderte Geschwister als "eklig", "peinlich" usw. beschimpfen?
Mehr als zurückziehen kann sich doch das behinderte Geschwister nicht.
Oder sollte es von sich aus sagen, dass es die Familie verlassen möchte?
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Es sollte sich dann Hilfe bei anderen Erwachsenen suchen: Verwandte, Lehrer, Nachbar, Sporttrainer, Kinderschutzbund, Jugendamt, wo immer es genung Vertrauen hat, sich zu öffnen. Ein Kind allein ist damit überfordert.Kimba&Blacky hat geschrieben: ↑Mo., 25.06.2018, 10:54 Was kann denn das behinderte Kind tun, wenn es sich schon sehr von seinem Geschwister zurückzieht (um es nicht noch mehr mit seiner Behinderung zu verletzen/beleidigen), das Geschwisterkind aber ständig unerlaubt in sein Zimmer kommt und es beleidigt, schlägt, beklaut, usw.?
Und das damit begründet, dass es sich dafür rächen muss, dass es von seinen Klassenkameraden gemobbt wird, weil diese leider mitbekommen haben, dass es eine behinderte Schwester / einen behinderten Bruder hat?
Und die Freunde des Geschwister auch noch mitmachen und das behinderte Geschwister als "eklig", "peinlich" usw. beschimpfen?
Mehr als zurückziehen kann sich doch das behinderte Geschwister nicht.
Oder sollte es von sich aus sagen, dass es die Familie verlassen möchte?
Die Eltern wollen davon übrigens nichts wissen und glauben das nicht.
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Es gibt auch das Kinder- und Jugendtelefon und wenn es behindert ist, hat es sicher auch Therapeuten oder spezielle Begleitung in Schulen oder Freizeit, wo es die Möglichkeit geben könnte, sich denen anzuvertrauen.
Außerdem bist Du ja erwachsen und scheinst Dich sehr für das Kind zu interessieren. Da könntest Du vielleicht auch ein Gesprächspartner bzw. Anhaltspunkt sein.
Außerdem bist Du ja erwachsen und scheinst Dich sehr für das Kind zu interessieren. Da könntest Du vielleicht auch ein Gesprächspartner bzw. Anhaltspunkt sein.
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Ja, das sind gute Möglichkeiten.
Allerdings versucht das Kind immer, ihr nicht-behindertes Geschwister zu verstehen und sorgt sich um es, will ihm helfen. Es gibt aber kein richtiges rankommen mehr. Nur Aggressionen seitens des nicht-behinderten Geschwister.
Ein paar Monate zuvor war die Beziehung übrigens noch gut.
Allerdings versucht das Kind immer, ihr nicht-behindertes Geschwister zu verstehen und sorgt sich um es, will ihm helfen. Es gibt aber kein richtiges rankommen mehr. Nur Aggressionen seitens des nicht-behinderten Geschwister.
Ein paar Monate zuvor war die Beziehung übrigens noch gut.
Wieso denn "allerdings"? Wenn ein behindertes Kind versucht, ein nicht behindertes Kind zu verstehen, dass ihm Aggressionen entgegen bringt, schließt das doch nicht aus, dass es sich trotzdem Hilfe bzw. einen Gesprächspartner holen kann. Hilfreich sind da sicher auch Gruppen, die es auch für Geschwisterkinder gibt. Je nach Behinderung, Krankheit, o.Ä. .
...und wenn es vorher okay war, dann ist es ja gar nicht so generell, wie der Thread am Anfang vermuten ließ. Also wenn die Beziehung vorher gut war, kann man versuchen rauszufinden, warum das jetzt nicht mehr so ist. Da Du nun beide Kinder kennst, wäre es eine Möglichkeit, das mitrauszubekommen oder dem behinderten Kind raten, erstmal auf Abstand zu gehen, bis sich die Sache beruhigt hat.
Von hier aus kann man da vermutlich nicht mehr viel machen. Mal abgesehen davon, dass dieses Verhalten sicher nicht nur etwas ist, was zu der Mischung "Behindert/Nicht-Behindert" gehört.
Soweit von mir hier mal. Ich glaube, ich hab alles gesagt, was es von meiner Seite aus zu sagen (schreiben) gibt.
...und wenn es vorher okay war, dann ist es ja gar nicht so generell, wie der Thread am Anfang vermuten ließ. Also wenn die Beziehung vorher gut war, kann man versuchen rauszufinden, warum das jetzt nicht mehr so ist. Da Du nun beide Kinder kennst, wäre es eine Möglichkeit, das mitrauszubekommen oder dem behinderten Kind raten, erstmal auf Abstand zu gehen, bis sich die Sache beruhigt hat.
Von hier aus kann man da vermutlich nicht mehr viel machen. Mal abgesehen davon, dass dieses Verhalten sicher nicht nur etwas ist, was zu der Mischung "Behindert/Nicht-Behindert" gehört.
Soweit von mir hier mal. Ich glaube, ich hab alles gesagt, was es von meiner Seite aus zu sagen (schreiben) gibt.
Kinder sind soziale Monster und Kinder wissen das! Deshalb ist es für so so wichtig dazuzugehören, normal zu ein. Verstärkt wird es, wenn Kinder Vorurteile ihrer Eltern spiegeln.
Behinderte KInder werden leider häufiger misshandelt, als nicht behinderte KInder.
Mal davon ausgehend, dass nicht die Eltern schon die Misshandlung vorleben, muss geschaut werden, warum es zu aggressiven handlungen kommt, wie Ena sagt. Wobei ausufernde Geschwisterkonflikte meist ihren Ursprung in einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung haben, IMO. Gibt Therapeutinnen, die speziell Gespräche für Menschen mit Behinderung und ihre Familien anbieten.
Also ja, ungewöhnlich ist es nicht, dass behinderte KInder ausgeschlossen, misshandelt werden. Aber deshalb ist es ja nicht richtig. Und deshlab tut es nicht weniger weh.
Behinderte KInder werden leider häufiger misshandelt, als nicht behinderte KInder.
Mal davon ausgehend, dass nicht die Eltern schon die Misshandlung vorleben, muss geschaut werden, warum es zu aggressiven handlungen kommt, wie Ena sagt. Wobei ausufernde Geschwisterkonflikte meist ihren Ursprung in einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung haben, IMO. Gibt Therapeutinnen, die speziell Gespräche für Menschen mit Behinderung und ihre Familien anbieten.
Also ja, ungewöhnlich ist es nicht, dass behinderte KInder ausgeschlossen, misshandelt werden. Aber deshalb ist es ja nicht richtig. Und deshlab tut es nicht weniger weh.
amor fati
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Hallo zusammen,
ich lese seit zwei Monaten im Forum sehr interessiert mit und habe mich jetzt angemeldet, um zu dem Thema mal meine Sicht der Dinge beizusteuern. Es ist zu kurz gesprungen, nur die Geschwister zu sehen. Man muss das ganze Familiensystem betrachten, wenn man diese Situation beurteilen will.
Ich bin 40 und habe einen fünf Jahre älteren, geistig behinderten (80%) Bruder und sonst keine Geschwister. Jede Familienkonstellation ist ja einzigartig, aber bei uns kam es irgendwie knüppeldick: meine Mutter vaterlos aufgewachsen und durch viele Schicksalsschläge seelisch krank durch die Mühlen der DDR-Psychiatrie gegangen, mein Vater nüchtern und zwanghaft, und dann kam mein Bruder behindert zur Welt - durch einen völlig unnötigen Fehler der Hebammen während der Geburt. Es war eine beispiellose, fürchterliche und mich bis heute aufs Höchste aufwühlende Entbindung, die meine arme Mutter da durchmachen musste. Meine Eltern haben eine wahre Odysee von zuständigen Stellen durch, und zu DDR-Zeiten war das eine besondere Herausforderung für sie. Diese Behinderung ist für meine Eltern wie für mich traumatisch. Deshalb reagiere ich allergisch, wenn Außenstehende sich anmaßen zu urteilen, was "Aufgabe der Eltern" ist.
Mein Bruder hat's im Vergleich noch "gut" getroffen und kann lesen, schreiben und ein bisschen rechnen, aber er hat ein Gemüt wie ein Fünfjähriger.
Ich bin damit ganz natürlich aufgewachsen und empfinde ihm gegenüber sehr viel Wärme und Liebe. Wir teilen viele schöne Erinnerungen. Er wohnt noch immer bei meinen Eltern zu Hause, die ihn einfach nicht loslassen wollten bzw. konnten. Dass sie ihm kein selbstbestimmtes Leben in einer Wohnform ermöglichten, beschäftigt mich seit ich 18 Jahre alt bin - es macht mich rasend! Mein Bruder kann seine Bedürfnisse wegen Auszug usw. nicht artikulieren, aber die Diakonie wird ihm dabei helfen. In den vorher zermürbenden Diskussionen mit meinen Eltern zu diesem Thema habe ich immer wieder erlebt, wie unverarbeitet dieses Trauma bei ihnen und auch bei mir ist. Wie sehr meine Mutter sich an ihn klammert, weil sie sich damals geschworen hatte, ihn nicht mehr von sich zu lassen. Meine Mutter hat vermutlich Borderline, sie hatte Suizidversuche, bei denen ich z.T. sehr nah dran war und droht auch heute manchmal noch damit, wenn sie in die Enge getrieben wird. Insofern habe ich eine kleine emotionale Hölle durch. Ich selbst war schon in der Kindergartenzeit ein Außenseiter und habe mich abgesondert, weil die anderen Kindern wie von einer anderen Welt waren. Ich habe mich automatisch als Sonderling entwickelt, war ernst und flüchtete mich früh in Wissen. Ich war gut in der Schule, habe später promoviert und habilitiert. Mit Menschen habe ich stets meine Probleme gehabt, denn ich kann sie nicht "lesen" und bin immer isoliert gewesen. Ich habe um mich herum eine dicke Backsteinmauer gebaut, mit einer Vormauer dazu, zur Sicherheit, damit niemand an mich herankommt und mich nochmal verletzen kann. Ich erlebte Mobbing vom Feinsten in der Schule, drei Jahre lang (christliches Gymnasium!) und auch jetzt wieder auf Arbeit, einfach aufgrund meiner Unfähigkeit, mich offen zu zeigen und den Menschen zu vertrauen. Einsamkeit ist mein Hauptgefühl. Erst mit 18 Jahren hatte ich mal eine Freundin und hab das erste Mal das Gefühl einer Freundschaft empfunden. Durch eine Therapie gelang es mir, mich soweit zu öffnen, dass ich meinen jetztigen Mann kennenlernte und zwei Kinder kriegen konnte. Mit meinem Bruder habe ich seit dem Auszug weniger Kontakt. Mit seiner kindlichen Naivität komme ich klar, und ich freue mich, dass er mit meinen Söhnen ausgezeichnet klarkommt - er wird von beiden geliebt, und für meinen Älteren war es auch kein Problem, als er mit acht Jahren den Grund für das komische Verhalten des Onkels erfuhr. Nur kann ich ihn nie mit ihnen allein lassen, weil er von sowas total überfordert wäre. Ich muss ihm auch immer wieder mal helfen. Aggression ihm gegenüber habe ich als Kind nie empfunden, aber Wut, wenn ich für das Abi lernte und er sich zwischen den Fernsehsendungen langweilte und seufzend am Fenster stand. Ich spüre jetzt in meiner zweiten Therapie auch, dass das Thema für mich hochemotional besetzt ist und ich noch ein paar heftige Sitzungen dazu erwarten kann.
ich lese seit zwei Monaten im Forum sehr interessiert mit und habe mich jetzt angemeldet, um zu dem Thema mal meine Sicht der Dinge beizusteuern. Es ist zu kurz gesprungen, nur die Geschwister zu sehen. Man muss das ganze Familiensystem betrachten, wenn man diese Situation beurteilen will.
Ich bin 40 und habe einen fünf Jahre älteren, geistig behinderten (80%) Bruder und sonst keine Geschwister. Jede Familienkonstellation ist ja einzigartig, aber bei uns kam es irgendwie knüppeldick: meine Mutter vaterlos aufgewachsen und durch viele Schicksalsschläge seelisch krank durch die Mühlen der DDR-Psychiatrie gegangen, mein Vater nüchtern und zwanghaft, und dann kam mein Bruder behindert zur Welt - durch einen völlig unnötigen Fehler der Hebammen während der Geburt. Es war eine beispiellose, fürchterliche und mich bis heute aufs Höchste aufwühlende Entbindung, die meine arme Mutter da durchmachen musste. Meine Eltern haben eine wahre Odysee von zuständigen Stellen durch, und zu DDR-Zeiten war das eine besondere Herausforderung für sie. Diese Behinderung ist für meine Eltern wie für mich traumatisch. Deshalb reagiere ich allergisch, wenn Außenstehende sich anmaßen zu urteilen, was "Aufgabe der Eltern" ist.
Mein Bruder hat's im Vergleich noch "gut" getroffen und kann lesen, schreiben und ein bisschen rechnen, aber er hat ein Gemüt wie ein Fünfjähriger.
Ich bin damit ganz natürlich aufgewachsen und empfinde ihm gegenüber sehr viel Wärme und Liebe. Wir teilen viele schöne Erinnerungen. Er wohnt noch immer bei meinen Eltern zu Hause, die ihn einfach nicht loslassen wollten bzw. konnten. Dass sie ihm kein selbstbestimmtes Leben in einer Wohnform ermöglichten, beschäftigt mich seit ich 18 Jahre alt bin - es macht mich rasend! Mein Bruder kann seine Bedürfnisse wegen Auszug usw. nicht artikulieren, aber die Diakonie wird ihm dabei helfen. In den vorher zermürbenden Diskussionen mit meinen Eltern zu diesem Thema habe ich immer wieder erlebt, wie unverarbeitet dieses Trauma bei ihnen und auch bei mir ist. Wie sehr meine Mutter sich an ihn klammert, weil sie sich damals geschworen hatte, ihn nicht mehr von sich zu lassen. Meine Mutter hat vermutlich Borderline, sie hatte Suizidversuche, bei denen ich z.T. sehr nah dran war und droht auch heute manchmal noch damit, wenn sie in die Enge getrieben wird. Insofern habe ich eine kleine emotionale Hölle durch. Ich selbst war schon in der Kindergartenzeit ein Außenseiter und habe mich abgesondert, weil die anderen Kindern wie von einer anderen Welt waren. Ich habe mich automatisch als Sonderling entwickelt, war ernst und flüchtete mich früh in Wissen. Ich war gut in der Schule, habe später promoviert und habilitiert. Mit Menschen habe ich stets meine Probleme gehabt, denn ich kann sie nicht "lesen" und bin immer isoliert gewesen. Ich habe um mich herum eine dicke Backsteinmauer gebaut, mit einer Vormauer dazu, zur Sicherheit, damit niemand an mich herankommt und mich nochmal verletzen kann. Ich erlebte Mobbing vom Feinsten in der Schule, drei Jahre lang (christliches Gymnasium!) und auch jetzt wieder auf Arbeit, einfach aufgrund meiner Unfähigkeit, mich offen zu zeigen und den Menschen zu vertrauen. Einsamkeit ist mein Hauptgefühl. Erst mit 18 Jahren hatte ich mal eine Freundin und hab das erste Mal das Gefühl einer Freundschaft empfunden. Durch eine Therapie gelang es mir, mich soweit zu öffnen, dass ich meinen jetztigen Mann kennenlernte und zwei Kinder kriegen konnte. Mit meinem Bruder habe ich seit dem Auszug weniger Kontakt. Mit seiner kindlichen Naivität komme ich klar, und ich freue mich, dass er mit meinen Söhnen ausgezeichnet klarkommt - er wird von beiden geliebt, und für meinen Älteren war es auch kein Problem, als er mit acht Jahren den Grund für das komische Verhalten des Onkels erfuhr. Nur kann ich ihn nie mit ihnen allein lassen, weil er von sowas total überfordert wäre. Ich muss ihm auch immer wieder mal helfen. Aggression ihm gegenüber habe ich als Kind nie empfunden, aber Wut, wenn ich für das Abi lernte und er sich zwischen den Fernsehsendungen langweilte und seufzend am Fenster stand. Ich spüre jetzt in meiner zweiten Therapie auch, dass das Thema für mich hochemotional besetzt ist und ich noch ein paar heftige Sitzungen dazu erwarten kann.
Zuletzt geändert von Filousmere am Fr., 17.05.2019, 00:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Die Behinderung meines Bruders fordert mich immer wieder heraus, bei jeder Begegnung mit ihm.
Im Übrigen habe ich vor ein paar Jahren erfahren, dass meine Mutter nach mir noch ein Kind abgetrieben hat. Ich hätte mir so sehr ein zweites Geschwisterkind gewünscht, damit ich nicht mehr so einsam bin, aber meine Eltern hatten zuviel Angst, dass nochmal so etwas passiert. Auch als ich meinen ersten Sohn gebar, ist meine Mutter quasi durchgedreht, weil bei ihr alles hochkam. Und jetzt, gerade heute, habe ich mit meinem Mann gesprochen, weil es wieder so ein Erlebnis mit meinem Bruder gab, wo seine Hilflosigkeit deutlich wurde. Und uns ist u.a. klar geworden, dass mein Mann auch darunter leidet, mit seinem Schwager keine richtige Beziehung aufbauen zu können, weil er einen Erwachsenen vor sich sieht, mit dem er wie mit einem kleinen Kind reden muss. Und mein Bruder hat so wenig Intellekt, dass man sich schwer mit ihm unterhalten kann, und er hat ein Inselwissen, das leider auch schon wieder so speziell ist, dass man sich auch darüber schwer unterhalten kann. und weil mein Mann von seiner Gedankenstruktur und seinem beruflichen Alltag her sehr komplex ist, bekommt er es einfach nicht hin, sich darauf einzulassen. So ist also auch die erweiterte Familie von der Behinderung emotional betroffen. Mich macht es traurig, dass keiner so richtig nah an meinen Bruder ran kann, außer seine ihm etwas ähnlichen Freunde, mit denen er sich auf irgendeiner Ebene trifft - es gibt da eine "Weltsprache", die alle Behinderten verstehen: Humor. Wenn die lachen, nimmt das dem Thema oft die Schwere für uns draußen.
Ich selbst habe also auf mehreren Ebenen unter der Behinderung meines Bruders gelitten - aber nicht nur. Und das alles ist noch nicht abgeschlossen, denn es ist (m)eine Lebensaufgabe. Ich kann ihm gegenüber totale Liebe empfinden und dennoch unterschwellig eine irre Wut auf diese unnötige Behinderung, weil ich in meinem Leben sehr stark behindert wurde. Ich habe mich aber NIE für ihn geschämt! Mein Bruder wurde auch nicht ausgeschlossen, sondern ist im Familienverband integriert, bei Feiern sitzt er meistens mittendrin, aber man kann sich nur kurz mit ihm unterhalten, weil dann nichts mehr von ihm kommt außer Schulterzucken. Aber er feiert gern mit und ist in der Familie beliebt, weil er oft (an den falschen Stellen) lacht - das kann auch manchmal etwas nervig werden. Aber so etwas gibt es auch in den "Normalen" Familien
Übrigens habe ich in der erweiterten Familie noch zwei weitere Schwerbehinderte (Down-Syndrom und Schwerstmehrfachbehinderte) mit ihren Geschwistern großwerden sehen und habe durch die Schulzeit und Werkstattarbeit meines Bruders sowie mein Freiwilliges Soziales Jahr wohl hunderte Geistig Behinderte kennengelernt.
Dass Geschwisterkinder ihre behinderten Geschwister aggressiv angehen, kann ich nachvollziehen, ist m.E. aber selten. Ich habe sehr, sehr viele Geschwister getroffen, die wie ich emotional verbunden und fürsorglich sind. Man bekommt das Helfergen quasi in die Wiege gelegt und fühlt sich dem Bruder/der Schwester irgendwie verpflichtet. Fast alle Eltern haben es hinbekommen, beiden Kindern gerecht zu werden, so dass sich das "gesunde" Kind nicht hintenangesetzt fühlte. Es ist ein Mythos anzunehmen, dass alle Behinderten Therapien brauchen/bekommen und die Eltern nur auf dieses Kind schauen und das andere vernachlässigen. Zwar haben meine Eltern auch gemeint, ich wäre "nebenbei großgeworden", aber ich habe es nicht so empfunden, sondern denke, sie haben ihre Liebe sehr gerecht aufgeteilt. Mit "nebenbei" meinten sie wahrscheinlich, dass ich mich selbst zurückgenommen habe, um ihnen nicht noch mehr Sorgen zu machen. Geschwisterkinder machen sich selbst unsichtbar, glaube ich. Folgendes haben wir Geschwisterkinder alle: wir mussten sehr früh sehr reif sein und haben kein Verständnis für Oberflächlichkeiten, wir sind sehr sensibel und leidensfähig. Das ist das Thema, an dem ich mich nun abarbeite, um im Alter von 40 nochmal den Sprung zu einem gesellschaftsfähigen Menschen zu packen. Die zweite Therapie habe ich mir tatsächlich zum 40. Geburtstag geschenkt, um mal meine Traumata aufzuarbeiten und meine Sozialphobie zu überwinden. Mein Bruder hat gelacht: "Manches war traurig in unserer Kindheit? Achso?" Ich liebe ihn!
Im Übrigen habe ich vor ein paar Jahren erfahren, dass meine Mutter nach mir noch ein Kind abgetrieben hat. Ich hätte mir so sehr ein zweites Geschwisterkind gewünscht, damit ich nicht mehr so einsam bin, aber meine Eltern hatten zuviel Angst, dass nochmal so etwas passiert. Auch als ich meinen ersten Sohn gebar, ist meine Mutter quasi durchgedreht, weil bei ihr alles hochkam. Und jetzt, gerade heute, habe ich mit meinem Mann gesprochen, weil es wieder so ein Erlebnis mit meinem Bruder gab, wo seine Hilflosigkeit deutlich wurde. Und uns ist u.a. klar geworden, dass mein Mann auch darunter leidet, mit seinem Schwager keine richtige Beziehung aufbauen zu können, weil er einen Erwachsenen vor sich sieht, mit dem er wie mit einem kleinen Kind reden muss. Und mein Bruder hat so wenig Intellekt, dass man sich schwer mit ihm unterhalten kann, und er hat ein Inselwissen, das leider auch schon wieder so speziell ist, dass man sich auch darüber schwer unterhalten kann. und weil mein Mann von seiner Gedankenstruktur und seinem beruflichen Alltag her sehr komplex ist, bekommt er es einfach nicht hin, sich darauf einzulassen. So ist also auch die erweiterte Familie von der Behinderung emotional betroffen. Mich macht es traurig, dass keiner so richtig nah an meinen Bruder ran kann, außer seine ihm etwas ähnlichen Freunde, mit denen er sich auf irgendeiner Ebene trifft - es gibt da eine "Weltsprache", die alle Behinderten verstehen: Humor. Wenn die lachen, nimmt das dem Thema oft die Schwere für uns draußen.
Ich selbst habe also auf mehreren Ebenen unter der Behinderung meines Bruders gelitten - aber nicht nur. Und das alles ist noch nicht abgeschlossen, denn es ist (m)eine Lebensaufgabe. Ich kann ihm gegenüber totale Liebe empfinden und dennoch unterschwellig eine irre Wut auf diese unnötige Behinderung, weil ich in meinem Leben sehr stark behindert wurde. Ich habe mich aber NIE für ihn geschämt! Mein Bruder wurde auch nicht ausgeschlossen, sondern ist im Familienverband integriert, bei Feiern sitzt er meistens mittendrin, aber man kann sich nur kurz mit ihm unterhalten, weil dann nichts mehr von ihm kommt außer Schulterzucken. Aber er feiert gern mit und ist in der Familie beliebt, weil er oft (an den falschen Stellen) lacht - das kann auch manchmal etwas nervig werden. Aber so etwas gibt es auch in den "Normalen" Familien
Übrigens habe ich in der erweiterten Familie noch zwei weitere Schwerbehinderte (Down-Syndrom und Schwerstmehrfachbehinderte) mit ihren Geschwistern großwerden sehen und habe durch die Schulzeit und Werkstattarbeit meines Bruders sowie mein Freiwilliges Soziales Jahr wohl hunderte Geistig Behinderte kennengelernt.
Dass Geschwisterkinder ihre behinderten Geschwister aggressiv angehen, kann ich nachvollziehen, ist m.E. aber selten. Ich habe sehr, sehr viele Geschwister getroffen, die wie ich emotional verbunden und fürsorglich sind. Man bekommt das Helfergen quasi in die Wiege gelegt und fühlt sich dem Bruder/der Schwester irgendwie verpflichtet. Fast alle Eltern haben es hinbekommen, beiden Kindern gerecht zu werden, so dass sich das "gesunde" Kind nicht hintenangesetzt fühlte. Es ist ein Mythos anzunehmen, dass alle Behinderten Therapien brauchen/bekommen und die Eltern nur auf dieses Kind schauen und das andere vernachlässigen. Zwar haben meine Eltern auch gemeint, ich wäre "nebenbei großgeworden", aber ich habe es nicht so empfunden, sondern denke, sie haben ihre Liebe sehr gerecht aufgeteilt. Mit "nebenbei" meinten sie wahrscheinlich, dass ich mich selbst zurückgenommen habe, um ihnen nicht noch mehr Sorgen zu machen. Geschwisterkinder machen sich selbst unsichtbar, glaube ich. Folgendes haben wir Geschwisterkinder alle: wir mussten sehr früh sehr reif sein und haben kein Verständnis für Oberflächlichkeiten, wir sind sehr sensibel und leidensfähig. Das ist das Thema, an dem ich mich nun abarbeite, um im Alter von 40 nochmal den Sprung zu einem gesellschaftsfähigen Menschen zu packen. Die zweite Therapie habe ich mir tatsächlich zum 40. Geburtstag geschenkt, um mal meine Traumata aufzuarbeiten und meine Sozialphobie zu überwinden. Mein Bruder hat gelacht: "Manches war traurig in unserer Kindheit? Achso?" Ich liebe ihn!
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