Narzisstische Persönlichkeitsstörung, neuer Hype?

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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Solage
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Beitrag Fr., 22.06.2018, 22:39

Broken Wing hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 22:23 @ Solage: Und was genau ist daran verkehrt, dass wer sich gesund fühlt, nicht zum Arzt geht?
Da ist nichts verkehrt .Der geht ja nicht zum Arzt.
Geh mal raus und erzähl dem nächstbesten, er sei krank und müsse zum Psychiater.
Würde ich nicht tun.
Von außen ist das so eine Sache. Das kommt nur, wenn und solange jemand sich oder andere gefährdet. Ansonsten darf jeder gestört sein nach Gutdünken. Die Übergänge in diesem Bereich sind wirklich unklar, jedenfalls ist es mit den Checklisten und Handlungsanweisungen im Netz nicht getan.
Schlechte Menschen können übrigens auch psychisch erkranken.
Was ist ein schlechter Mensch?

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spirit-cologne
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Beitrag Fr., 22.06.2018, 22:44

Ich versteh' nicht wie man auf eine Diagnose so abgehen kann... :kopfschuettel:
Unseriöse Artikel über sämtliche psychologischen Themen gab's schon immer, früher in den Zeitschriften, heute halt im Internet. Warum lest ihr das denn, wenn es euch so aufregt? :confused:

"Narzissmus" ist kein neuer Begriff, sondern uralter Bestandteil psychodynamischer Diagnostik. Ist eine mögliche Persönlichkeitsstruktur neben vielen anderen (Histrionisch, schizoid, depressiv usw.) Der dazugehörige Grundkonflikt nach OPD ist der Selbstwertkonflikt.

Eine Persönlichkeitsstruktur hat jeder, das ist soweit noch nix pathologisches, sondern beschreibt lediglich auf welche Art eine Person bevorzugt (nicht ausschließlich!)auf Probleme reagiert. Man kann auch mehrere Schwerpunkte haben (z.B. depressiv-dependent usw.). Insofern besagt das Wort "narzisstisch" nicht, dass der so bezeichnete Mensch "krank" sei. An dieser Stelle möchte ich zur Sicherheit nochmal mit dem Gerücht aufräumen, Narzissten wären selbstbewusst, sind sie eben gerade nicht. Sie haben ein derart schwaches Selbstwertgefühl, dass sie es nicht aushalten können und daher ein falsches Größenselbst aufbauen, das nur durch ständige narzisstische Zufuhr von außen aufrechterhalten werden kann (durch ständige Bestätigung und bewundert werden). Daher reagieren sie auch so extrem gekränkt, wenn jemand aus diesem aufgeblasenen Ballon die Luft rauszulassen droht. Es ist übrigens nicht jeder Narzisst "erfolgreich", die Grandiosität kann auch im Scheitern liegen (so schlecht wir mir geht es sonst keinem...). Normalerweise ist die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen flexibel genug, um sich an die jeweilige Situation anzupassen. Ist diese Flexibilität eingeschränkt, spricht man von einer Persönlichkeitsakzentuierung. Das bedeutet, dass durch die starre Reaktionsweise bereits Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion auftreten. Ist die Struktur so erstarrt, dass fast keine anderen Verhaltensweisen mehr möglich sind und dadurch erhebliche Probleme in allen Lebensbereichen auftreten (neben einigen andern Kriterien), spricht man dann von einer Persönlichkeitsstörung, hier also der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Ist also kein Hype sondern eigentlich ein ziemlich alter Hut...

Dass dieses Persönlichkeitsspektrum heute vielleicht mehr Aufmerksamkeit bekommt als früher, hängt vielleicht damit zusammen, dass unsere Gesellschaft zunehmend narzisstischer wird und dadurch natürlich auch vermehrt narzisstische Persönlichkeiten hervorbringt (so wie die prüde wilhelminische Gesellschaft viele Histrioniker hervorgebracht hat).
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Solage
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Beitrag Fr., 22.06.2018, 23:31

Jetzt wurde ja erklärt, dass narzisstische Persönlichkeiten eigentlich schwach sind, weil kränkbar.
In der Wirtschaft seien sie angeblich wohl sehr erfolgreich, weil nicht so empathisch in Objektbeziehungen.
Ist doch wurscht, wie die so sind.
Ebenso ist die Antwort auf solche Personen auch nicht krankhaft, sondern die Erkenntnis hinkt noch etwas hinterher.

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Kellerkind
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Beitrag Fr., 22.06.2018, 23:35

Wie können nur so viele Leute aneinander vorbeireden? Hat denn jemand behauptet, dass "Persönlichkeitsstörungen" ein Hype oder etwas Neues seien? Nein!

So wie ich Broken Wing verstand und um es in deinen Worten zu übersetzen: der Hype scheint darin zu bestehen, dass ganz normale Persönlichkeitsstrukturen, maximal Akzentuierungen, wenn überhaupt, mit den Persönlichkeitsstörungen in einen Hut geworfen werden. Wann immer man irgendwo einen...(nun wieder in meiner Worten)... unliebsamen Charakterzug entdeckt, wird er sofort pathologisiert. Quasi aus einer Mücke einen Elefanten gemacht.

Und nein, ich glaube nicht, dass das "früher", vor den Internetzeiten und bevor Psychotherapie halbwegs gesellschaftsfähig wurde, auch so extrem war. Meiner Meinung nach tut man ... (die Leserschaft solcher Artikel und solches Halbwissens)... nichts Gutes, wenn man dadurch überall Gespenster sieht. Ich glaube auch nicht, dass eine Persönlichkeitsstörung dasselbe ist wie ein gewöhnliches A****loch.

Wieso es wichtig ist, ob PS sich selbst als krank empfinden oder freiwillig zum Arzt gehen oder nicht, verstehe in diesem Kontext nicht.
Ich dachte, es ginge ja eher darum, dass viele ín der Regel meist unselbstbewusste Menschen sich durch die Medienpräsenz und der Verwässerung der Begriffe/Diagnosen nur allzu leicht und bereitwillig in eine Opferrolle begeben und auf den Zug aufspringen. Na ja, vielleicht sind das dann ja die sog. CO-Narzissten. Über den Begriff bin ich vor Jahren auch schon mal gestolpert.

Was Begrifflichkeiten angeht: ich für mich verwende den Begriff "narzisstisch" umgangssprachlich als ein Synonym für sich selbstliebend bis hin zu selbstverliebt, und dabei gehe ich von "echten" Selbstbewusstsein auf. Wobei ich den Unterschied zu dem "unechten übertrieben Selbstbewusstsein", das wie eine Blase platzt, wie von dir beschrieben, durchaus kenne. Es gibt aber auch Menschen, die einfach NUR selbstverliebt sind. Punkt. Ohne dass dahinter ein pathologisches Problem steht und ohne dass sie es von Bewunderung von außen abhängig machen.

Ja, es mag sein, dass es a) gesellschaftlich negativ assoziiert ist, und b) mit fachlichen Begriff in der Psychotherapie anders definiert ist, ist aber im Endeffekt auch wieder nur eine weiteres Indiz für die Verwässerung. Was der Laie unter einem Begriff versteht und was der Experte in seinem Fachjargon meint, sind nicht selten zwei paar Schuhe. So wird aus einst echten Wissen nur noch gefährliches Halbwissen!
Zumindest mir kommt es recht deutlich so vor, dass Selbstliebe im eigentlichen Sinne wegen des "Narzissten-Hype"... (= des inflatösen Gebrauchs dieses Begriffs in unsachlicher Weise) noch mehr verpönt ist als ohnehin schon. Ganz besonders in jenen Kreisen, an die sich solche populärwissenschaftliche Artikel richten.
Sehr überspitzt gesagt: es kam ja noch nie gut an, wenn man in einer Gruppe eher chronisch Depressiven reinplatzt und ihnen erzählt: "Also ich, ICH find mich toll! Ich mag mich, ich hab kein Problem mit mir.", aber heutzutage gilt so etwas eben gleich als Persönlichkeitsstörung.

Aber gut, ich habe für mich was draus gelernt. Ich streiche das Wort Narzisst aus meinen aktivem Wortschatz wegen der Verwechslungsgefahr durch den all zu unterschiedlichen Deutungsweisen, wovon so gut wie jede (!) negativ ist. Ich werde dennoch weiterhin Selbstliebe gutheißen, auch wenn man das nicht zu laut sagen darf, und werde auch weiterhin ein gewisses Maß an "Selbstverliebtheit"... (die Dosis macht das Gift)... inspirierend finden. Was natürlich auch auf alles andere übertragbar ist. JEDE auch noch so vermeintliche negative Charakatereigenschaft hat auch ihre guten Seiten. In dem Punkt stimme ich auch eindeutig zu: es kommt nur darauf an, wie flexibel oder starr man in seinen Strukturen ist. Ob es einen gewöhnlich Charakterzug ist, ob es ein sehr ausgeprägter Charakterzug ist oder einen eine Störung im pathologische Sinne. EBEN DRUM. Und genau diese Unterscheidung geht derzeit verloren, weil jeder sich nach dem Lesen zwei, drei Google-Artikel für einen Experten hält und genau definieren kann, - man habe es ja schon immer geahnt! - ... dass der Partner sich wegen einer Jüngeren trennte ganz klar ein eindeutiges Indiz für Geisteskrankheit ist.
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spirit-cologne
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 00:11

Kellerkind hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 23:35 Ich glaube auch nicht, dass eine Persönlichkeitsstörung dasselbe ist wie ein gewöhnliches A****loch.
A***loch ist ein rein wertender, kein beschreibender Begriff (im Gegensatz zu "Narzisst"). Du kannst jemanden, der sich nicht bei dir meldet genauso als **** bezeichnen, wie jemanden, der dich belästigt. Daher finde ich es unsinnig, diese Begriffe miteinander in Verbindung zu bringen.
Kellerkind hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 23:35 Ich dachte, es ginge ja eher darum, dass viele ín der Regel meist unselbstbewusste Menschen sich durch die Medienpräsenz und der Verwässerung der Begriffe/Diagnosen nur allzu leicht und bereitwillig in eine Opferrolle begeben und auf den Zug aufspringen.
Die "Opferrolle" ist nicht auf den Kontext "Narzissmus" abonniert, es gibt ebenso Menschen, die sich als Opfer fühlen, weil der Partner gefühlskalt ist, depressiv ist, pedantisch oder whatever, hat also mit der "Narzissmusdebatte" gar nix zu tun.
Kellerkind hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 23:35 Was Begrifflichkeiten angeht: ich für mich verwende den Begriff "narzisstisch" umgangssprachlich als ein Synonym für sich selbstliebend bis hin zu selbstverliebt, und dabei gehe ich von "echten" Selbstbewusstsein auf.
Natürlich gibt es Menschen die sich "echt" toll finden, aber die sind eben nicht narzisstisch sondern selbstverliebt.
Kellerkind hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 23:35 Sehr überspitzt gesagt: es kam ja noch nie gut an, wenn man in einer Gruppe eher chronisch Depressiven reinplatzt und ihnen erzählt: "Also ich, ICH find mich toll! Ich mag mich, ich hab kein Problem mit mir.", aber heutzutage gilt so etwas eben gleich als Persönlichkeitsstörung.
Da frage ich mich, wo du diese Erfahrungen gemacht hast. Die Depressiven, die ich kenne, wünschen sich, genau das von sich sagen zu können und beneiden solche Menschen eher...(sofern das Statement "echt" wirkt)
Kellerkind hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 23:35 Ich werde dennoch weiterhin Selbstliebe gutheißen, auch wenn man das nicht zu laut sagen darf, und werde auch weiterhin ein gewisses Maß an "Selbstverliebtheit"... (die Dosis macht das Gift)... inspirierend finden.
Selbstliebe hat weder was mit Narzissmus noch mit "Selbstverliebtheit" zu tun. Wenn ich "liebe" dann meine ich die Person (also in diesem Fall mich) mit allen Stärken und Schwächen (also das "wahre Selbst"). Wenn ich "verliebt bin", dann bezieht sich das nicht auf die reale Person, sondern auf die idealisierte Vorstellung, die ich von dieser Person (also in diesem Fall von mir) habe (also das "falsche Selbst" das Größenselbst). Selbstliebe ist gut und wichtig, Selbstverliebtheit eher gefährlich.
Kellerkind hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 23:35 Und genau diese Unterscheidung geht derzeit verloren, weil jeder sich nach dem Lesen zwei, drei Google-Artikel für einen Experten hält und genau definieren kann, - man habe es ja schon immer geahnt! - ... dass der Partner sich wegen einer Jüngeren trennte ganz klar ein eindeutiges Indiz für Geisteskrankheit ist.
Wenn das jemand so tut, ist das selbstverständlich "banane", aber ich halte es doch für arg abenteuerlich und nicht belegbar, dass das ein "allgemeiner Trend" sein soll. Mir ist sowas jedenfalls noch nicht häufiger begegnet. Ist vielleicht eine Frage der selektiven Wahrnehmung?
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Broken Wing
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 00:17

@ Kellerkind: Danke dafür. Du hast den Kritikpunkt verstanden und gut zusammengefasst. Ich habe die abschreckenden Eigenschaften nur deshalb genannt um verständlich zu machen, dass ich selbst Grausamkeit für normal halte. Ein Verbrecher entkommt der Psychoschine heutzutage eh nicht, zumindestens wenns ein prominenter Fall ist.

Ich habe bei den kleineren Streitereien gedacht, dass die Lächerlichkeit des Narzismusvorwurfs offensichtlich ist. Der Vater, der was mit seiner Arbeitskollegin hat, jammert seiner Familie die Ohren wegen vieler Überstunden voll? Dann muss er ein Narzisst sein. Ein gesunder würde natürlich rechtzeitig anrufen und seiner frau mitteilen, heute wegen der anstehenden Nachtschicht mit der Kollegin nicht kommen zu können. Oder er käme doch, um alle Karten offen auf den Tisch zu legen und sich zu trennen, selbstverständlich ganz ohne Streit. Die Frau würde ihn nicht hassen oder jedenfalls nicht die Kinder instrumentalisieren, er würde brav allen Geldforderungen nachkommen usw. Wie es halt normalerweise der Fall wäre.
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 00:45

Und woher kommt dann die Behauptung, dass die Gesellschaft narzisstischer werde, wenn es andererseits doch keinen Trend in die Richtung geben soll? Ist genauso wahrscheinlich, dass die mal früher alle hysterisch gewesen sein sollen.

Wenn Narzissten keinen Leidensdruck verspüren und sich nicht behandeln lassen wollen, sind sie nicht krank. Unauffällige Narzissten kann es nicht geben, weil ohne Symptome, die sich nach Außen auswirken, ohne Einsicht und Leidensdruck, da fehlen jegliche Anhaltspunkte. Es ist dann nichts weiter als eine Meinung, die hier im Forum auch oft vertreten wird.
Krank ist wohl eher der Partner, der sich nicht anpassen oder trennen kann. Oder eben das erwachsene Kind, dass emotional und in vielen Fällen auch räumlich noch von den angeblich narzisstischen Eltern abhängig ist.

Wenn ich darüber schreiben würde, worauf ich alles noch abfahre, käme ich zu keiner einzigen, zusammenhängenden Äußerung mehr. In diesem Thread habe ich lediglich meinen Eindruck zum Thema Narzissmus geschildert. Damit habe ich jetzt auch unmittelbar im RL zu tun.
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 01:04

spirit-cologne hat geschrieben: Sa., 23.06.2018, 00:11 Die "Opferrolle" ist nicht auf den Kontext "Narzissmus" abonniert, es gibt ebenso Menschen, die sich als Opfer fühlen, weil der Partner gefühlskalt ist, depressiv ist, pedantisch oder whatever, hat also mit der "Narzissmusdebatte" gar nix zu tun.
Ich sehe diesen "Hype" auch nicht auf den Narzismus beschränkt. Wie in meinen ersten Post geschrieben: für mich scheint wie Astrologie und Sternzeichen. Jeder, der möchte, kann sich dort wiederfinde, wo er sich wiederfinden will. Im Moment scheint es auch mir der Narzissmus und der Psychopath zu sein, die ganz oben stehen. Aber das Phänomen ist darauf nicht begrenzt. Nächstes Jahr ist dann mal wieder die Hypersensiblität, etcpp. Das wechselt eben.

Wegen Begrifflichkeiten sagte ich ja schon: ich bleibe bei meinen herkömmlichen Begriffen und streiche den geisteswissenschaftlichen "Narzissten" aus dem aktiven Wortschatz.
Natürlich gibt es Menschen die sich "echt" toll finden, aber die sind eben nicht narzisstisch sondern selbstverliebt.
Genau das meine ich.

Die Depressiven, die ich kenne, wünschen sich, genau das von sich sagen zu können und beneiden solche Menschen eher...(sofern das Statement "echt" wirkt.
Da frage ich mich umgekehrt, wo du denn "positive" Erfahrung mit dem besagten Neid gemacht hast?

Na ja, erstens, schrieb ich ja vorweg, dass dies ein überzogenes Beispiel sei. Und zweitens, ja, doch, eindeutig, diese Tendenz war bisher sehr eindeutig. Kann man auch hier im Forum oft erleben.
Selbstliebe ist gut und wichtig, Selbstverliebtheit eher gefährlich.
Verliebt-Sein ist übrigens auch gefährlich. Komisch, dass einen davor so selten jemand warnt.

Ich sagte bereits: Die Dosis macht das Gift.
Lässt sich auf alles übertragen.
Aggressionen sind auch gefährlich. Gar keine auszuleben und sie unterdrücken ebenfalls. Der gesunde Umgang damit ist gefragt.
Egoismus ist auch gefährlich. Gesunder Egoismus gilt hingegen als gute Eigenschaft.
Und so weiter. Wie gesagt, lässt sich auf alles übertragen.
Ist für mich daher kein Argument, Selbstverliebtheit in gesunden Maßen zu verteufeln.
aber ich halte es doch für arg abenteuerlich und nicht belegbar, dass das ein "allgemeiner Trend" sein soll. Mir ist sowas jedenfalls noch nicht häufiger begegnet. Ist vielleicht eine Frage der selektiven Wahrnehmung?
Na, dann bleib halt mal ein wenig länger hier im Forum. So über die Monate und Jahre hinweg sieht man da schon eindeutige Tendenzen. Auch in den Zeitschriften. Und dem ganzen Online-Links, die überall aufploppen. Oder geh doch mal in einen Buchladen in die Ratgeber-Abteilung. Oder suche mal einen x-beliebigen Selbsthilfe-Ratgeber auf Amazon und schau dir an, was du danach für Buchvorschläge kriegst. Oder. Oder. Oder.

Mir dünkt, du gehört nicht zu der Zielgruppe diesen gefährlichen Schmiertexten, vielleicht geht das unter deinem Radar durch. Ich frage mal umgekehrt: kannst du denn widerlegen, dass es nicht so sei?

Aber wenn du damit meinst, dass wir unseren subjektiven Eindruck nicht empirisch mit einer Studio untermauern können: ja, da magst du recht haben. Aber das zu verlangen in einem Rahmen/Forum wie diese, das fände ich dann wiederum einen sehr abenteuerlichen Anspruch. Für mich klingt das eher nach Diskutieren rein um des Diskutieren und Recht habens willens, und steht mir nicht der Sinn danach.
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spirit-cologne
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 02:08

Broken Wing hat geschrieben: Sa., 23.06.2018, 00:45 Und woher kommt dann die Behauptung, dass die Gesellschaft narzisstischer werde, wenn es andererseits doch keinen Trend in die Richtung geben soll?
Die Gesellschaft wird narzisstischer, weil wir in einer individualistischen Leistungsgesellschaft leben, in der das "ich" wichtiger ist als das "wir" (abnehmendes gesellschaftliches und politisches Engagement der jüngeren Generationen, sinkende Bereitschaft zur Solidarität, wachsende Schere zwischen Arm und Reich, abgehobene Managergehälter etc., Mediengesellschaft mit mehr Schein als Sein). Das heißt ebenfalls noch nicht unbedingt, dass die Gesellschaft "krank" ist, aber sie begünstigt die Entwicklung narzisstischer Strukturen und führt zu einer "echten" Häufung auch von narzisstischen Persönlichkeiten. Ein "Hype" dagegen ist ein künstliches Aufblähen eines Tatbestandes, für das es keine "echte" Grundlage gibt.(z.B. die neueste Abnehmpille, die aber in der Realität gar nix bringt). Es gibt in sofern schon einen "Trend" zum Narzissmus, aber in meinen Augen nicht unbedingt einen "Trend" in Richtung "Banalitäten werden grundlos narzisstisch fehlgedeutet".(Das war ja deine These, wenn ich dich richtig verstanden habe)
Broken Wing hat geschrieben: Sa., 23.06.2018, 00:45 Wenn Narzissten keinen Leidensdruck verspüren und sich nicht behandeln lassen wollen, sind sie nicht krank. Unauffällige Narzissten kann es nicht geben, weil ohne Symptome, die sich nach Außen auswirken, ohne Einsicht und Leidensdruck, da fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Das stimmt so nicht. Nach deiner These wäre ja dann auch ein Computerspielsüchtiger Jugendlicher nicht "krank" weil er ja selbst keinen Leidensdruck hat und sich selbst nicht als "krank" empfindet. Es ist ja gerade das besondere Kennzeichen von Persönlichkeitsstörungen, dass sie "ichsynton" sind, also nicht direkt als störend empfunden werden (In Behandlung kommen Persönlichkeitsgestörte meist, weil sie unter den interpersonellen Konflikten leiden, die daraus entstehenm und nicht unter der Persönlichkeitsstörung selbst)
In den Kriterien für Persönlichkeitsstörungen steht explizit (Zitat aus dem DSM) " Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht." …" Das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen". Es reicht also aus, wenn z.B. erhebliche Beziehungsprobleme bestehen.
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 02:36

Kellerkind hat geschrieben: Sa., 23.06.2018, 01:04 Da frage ich mich umgekehrt, wo du denn "positive" Erfahrung mit dem besagten Neid gemacht hast?
Da wo ich sie getroffen habe, also z.B. in der ambulanten Gruppentherapie, Tagesklinik, Rehaklinik...
Kellerkind hat geschrieben: Sa., 23.06.2018, 01:04 Verliebt-Sein ist übrigens auch gefährlich. Komisch, dass einen davor so selten jemand warnt.
Wie recht du hast :-D
Kellerkind hat geschrieben: Sa., 23.06.2018, 01:04 Na, dann bleib halt mal ein wenig länger hier im Forum. So über die Monate und Jahre hinweg sieht man da schon eindeutige Tendenzen. Auch in den Zeitschriften. Und dem ganzen Online-Links, die überall aufploppen. Oder geh doch mal in einen Buchladen in die Ratgeber-Abteilung. Oder suche mal einen x-beliebigen Selbsthilfe-Ratgeber auf Amazon und schau dir an, was du danach für Buchvorschläge kriegst. Oder. Oder. Oder.

Mir dünkt, du gehört nicht zu der Zielgruppe diesen gefährlichen Schmiertexten, vielleicht geht das unter deinem Radar durch.
Da hast du wieder Recht. Ich bin da so gar nicht Zielgruppe. Und ich werde ganz bestimmt mich nicht in Ratgeber-Abteilungen umsehen, deshalb nervt es mich ja auch nicht. :-D Und hier im Forum: ich bin zwar noch nicht lange dabei, aber entweder schreib ich, wenn ich finde das jemand Quark schreibt, und wenn's mich zu sehr nervt oder ich denke, dass es einer eh' nicht kapiert, scroll ich halt weiter. Ich werde ja nicht gezwungen, mir jeden Blödsinn reinzuziehen und ich mache auch nicht den Fehler zu glauben, das irgendwas, das hier jemand postet, stellvertretend oder typisch für irgendjemand anders ist, nicht für die Allgemeinheit, ja nicht mal für die (meist still mitlesende) community hier.
Kellerkind hat geschrieben: Sa., 23.06.2018, 01:04 Aber wenn du damit meinst, dass wir unseren subjektiven Eindruck nicht empirisch mit einer Studio untermauern können: ja, da magst du recht haben. Aber das zu verlangen in einem Rahmen/Forum wie diese, das fände ich dann wiederum einen sehr abenteuerlichen Anspruch. Für mich klingt das eher nach Diskutieren rein um des Diskutieren und Recht habens willens, und steht mir nicht der Sinn danach.
Nein, natürlich erwarte ich keine Studie :roll: ich glaube halt nur, dass man, wenn man regelmäßig hier liest, wahrscheinlich immer wieder auf nervige Threads von (meist immer den selben) nervigen Usern trifft, die sich standhaft weigern auch nur den geringsten eigenen Anteil an ihrer Situation zu erkennen und dass man dann davon irgendwann selbst so genervt ist, dass das u.U. zu Wahrnehmungsverzerrungen führt insofern, als man die Häufigkeit solcher Exemplare überschätzt...

O.k., ich geb's ja zu, ich diskutiere gerne und habe auch ganz gerne Recht... :red: Aber wer hat das hier im Forum nicht? Oder ist das etwa narzisstisch von mir? ;)
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mio
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 19:50

Solage hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 23:31 Objektbeziehungen
Na ja, für einen Menschen ohne Mitgefühl ist das SUBJEKT des Gegenübers ja auch einfach nur OBJEKT, also "Mittel zum Zweck". Dh. der Partner, die Firma, die Mitarbeiter etc. DIENEN einzig und allein der Verwirklichung und Umsetzung eigener Bedürfnisse. Wenn ich also nach einem Hochrisikogeschäft das gesamte Vermögen der Bank für die ich arbeite in den Sand gesetzt habe und für die Entlassung hunderter Mitarbeiter verantwortlich bin dann ist das für mich (als NPSler) nur in sofern ein "Beinbruch" als dass meine "Größenphantasien" fehlgeschlagen sind. Das Schicksal anderer Menschen interessiert doch nicht...sind ja nur "Mittel zum Zweck". Und dass DER gescheitert ist ist das eigentliche "Problem", nicht das Leid verursacht wurde. Kann man auch auf Beziehungen übertragen.

Narzissten leben in einer gestörten Subjekt-Objekt Vorstellung. Sie sind Subjekt. Und der andere ist "Selbstobjekt" (und nicht ebenfalls ein eigenständiges Subjekt), kann also nach belieben benutzt werden.

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stern
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 21:24

In den USA, dem mächtigsten Land der Welt ist der Prototyp eines Narzissten an der Macht... und entsprechend ist auch die Politik... bzw. das färbt sich auch auf die nationale und internationale Politik ab. Aber warum sollte man sich Gedanken machen... :lol:
Liebe Grüße
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mio
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 21:29

Und in Russland herrscht der Psychopath als Gegenspieler...geile Kombi für den Weltfrieden.

ich fürchte nur dass Putin schlauer ist als Trump, weil weniger emotional angreifbar.

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Beitrag Sa., 23.06.2018, 21:34

Tut mir leid, aber ich sehe das als den Normalfall an. Die Angestellten habe ich nicht persönlich erworben, ich will nur ihre Arbeitskraft und wenn diese nicht mehr gebraucht wird, bestelle ich die Ware wieder ab. Nicht die Ware Mensch, sondern die Ware Arbeitskraft. Ob mir der Mensch dahinter Leid tut oder nicht, davon hätte der Arbeitnehmer sowieso nichts, also kann ich es mir auch gleich sparen. Meistens wäre es sowieso nur getue, mit den Angestellten würde mich nur wenig verbinden und mit den Partnern wäre ich möglicherweise schon zerstritten. Wenn nicht, so wird gesagt, weiß sich ein Narzisst sozial angemessen zu bewegen, weil er zwar egoistisch, aber nicht dumm sei. Dann passt es doch. Die meisten sind sich zunächst auch der Nächste. Ob jemand aus moralischen oder taktischen Gründen sich sozialverträglich, hilfsbereit u.ä. verhält und sich zurücknimmt, ist unbedeutend. Für mich zählt das Ergebnis.

Berühmte Therapeuten sind sich nicht zu blöd, um Politiker, Terroristen, Amokläufer und Serienmörder fernzudiagnostizieren.

Mist, Deutschland hat gewonnen. Gleich beginnt die Reichskristallnacht 2.0. Ich bring mich schnell mal in Sicherheit.
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Beitrag Sa., 23.06.2018, 21:35

spirit-cologne hat geschrieben: Fr., 22.06.2018, 22:44 "Narzissmus" ist kein neuer Begriff, sondern uralter Bestandteil psychodynamischer Diagnostik.
Sogar zurüxkreichend in die griechische Mythologie... jedenfalls ist damit nicht unbedingt eine diagnostische Aussage getroffen.
Eine Persönlichkeitsstruktur hat jeder, das ist soweit noch nix pathologisches, sondern beschreibt lediglich auf welche Art eine Person bevorzugt (nicht ausschließlich!)auf Probleme reagiert. Man kann auch mehrere Schwerpunkte haben (z.B. depressiv-dependent usw.). Insofern besagt das Wort "narzisstisch" nicht, dass der so bezeichnete Mensch "krank" sei.
Exakt.

Einen Hype sehe ich nicht, sondern eher, dass man das sieht, wohin man schaut.
Liebe Grüße
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