Mutter verzeihen oder Kontaktabbruch

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Beitrag Do., 01.02.2018, 10:22

Philosophia hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 08:45 Hey und guten Morgen. Die Ambivalenz kenn ich durchaus auch...aber ich weiß, warum meine Mutter das gemacht hat: um mich wieder an sich zu binden. Nicht etwa, weil sie wirklich stolz ist. Kannst du etwas in ihren Worten fühlen, wenn sie das sagt? Hast du den Eindruck, dass das ehrlich ist? Oder ist es vielmehr ein Ausdruck der Verzweiflung à la geh nicht usw.?
Schwierig. Aber ich muss sagen, dass sie es wirklich ernst meint. Sie ist wirklich stolz, dass ich studiere, weil sie immer wieder sagt, dass sie ihr Leben verhunzt hat, weil sie kein Studium gemacht hat. Und sie will mich auch immer umarmen und abknutschen, wenn wir uns sehen, was ich überhaupt nicht leiden kann, ich gebs zu. Vielleicht liegt das an der Vergangenheit, vielleicht aber auch einfach am Alter. Mein Freund will sich auch nicht mehr abknutschen und umarmen lassen von der Mutter und sie respektiert das. Aber sie meint es schon ernst, wenn sie das alles sagt. Was es für mich umso schwerer macht, weil ich das nicht (ehrlich) zurück sagen kann.
Ich habe da auch gestern nochmal darüber reflektiert. Meine Mutter ist in allem extrem. Extrem wütend, wenn sie betrunken ist. Extrem fürsorglich, wenn ich auf Urlaub fahr oder einen Tag lang nicht erreichbar bin. Und diese extremen Gegensätze führen wirklich dazu, dass ich sie jedes mal hasse, wenn sie sich wieder so extremst Sorgen macht, weil ich mir denke, warum sie mich dann mitten in Nacht auf der anderen Seite wo rauswerfen kann ohne Probleme, etc.. Also alles, was sie macht, macht sie wirklich ohne jegliche Hintergrundgedanken, sie meint das schon ernst.
Sie liebt mich schon, sieht aber einfach nicht ein, dass sie falsch gehandelt hat in meiner Jugend mit dem ganzen Schlagen.

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Haithabu
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Beitrag Do., 01.02.2018, 10:24

Ich kann deine Ambivalenz auch nachvollziehen, für mich war aber letztlich ausschlaggebend, dass meine Mutter niemals meinen (unausgesprochenen) Erwartungen gerecht werden kann. Unsere Beziehung ist aufgrund vergangener Geschehnisse so nachhaltig gestört, dass ich etwas wirklich Gutes von ihr gar nicht annehmen könnte. Aber ein Teil von mir hat sich natürlich trotzdem nach einer "richtigen" Mutter gesehnt, so dass jedes Zusammentreffen hinterher für ein emotionales Durcheinander sorgte.
Seit dem Kontaktabbruch geht es mir damit deutlich besser. Wer nicht da ist, kann auch keine Hoffnung säen und enttäuschen auf so vielfältige Weise.

Ihre eigene Geschichte zu berücksichtigen habe ich versucht, aber dennoch fehlte mir in all der Auseinandersetzung damit auch die nötige Selbstreflexion ihrerseits.
Und später - als ich selbst Mutter wurde - war auch deutlich, dass es immer Wege gibt, anders zu agieren.

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Philosophia
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Beitrag Do., 01.02.2018, 10:28

Na ja... aber dann müsste sie auch merken, dass du dich nicht wohl fühlst mit dem Abgeknutsche. Und wenn sie auf dein Studium stolz ist, weil sie das nicht gepackt hat... toller Grund... nee...
Klingt im Übrigen alles sehr nach meiner Mutter...die würde mich immer noch vor lauter Liebe *hüstel* zerdrücken, wenn ich sie ließe... meine bildet sich im übrigen auch ein, mich über alles zu lieben... ich fühle nichts, ich fühle nur ihr Begehren... Liebe ist etwas völlig anderes in meinen Augen. Das hab ich schon immer gefühlt, und seit ich echte Liebe fühlen dürfte, weiß ich, dass extreme Fürsorglichkeit, Anklammern und dergleichen nix mit Liebe zu tun hat.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Beitrag Do., 01.02.2018, 10:55

Haithabu hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 10:24 Ich kann deine Ambivalenz auch nachvollziehen, für mich war aber letztlich ausschlaggebend, dass meine Mutter niemals meinen (unausgesprochenen) Erwartungen gerecht werden kann. Unsere Beziehung ist aufgrund vergangener Geschehnisse so nachhaltig gestört, dass ich etwas wirklich Gutes von ihr gar nicht annehmen könnte. Aber ein Teil von mir hat sich natürlich trotzdem nach einer "richtigen" Mutter gesehnt, so dass jedes Zusammentreffen hinterher für ein emotionales Durcheinander sorgte.
Seit dem Kontaktabbruch geht es mir damit deutlich besser. Wer nicht da ist, kann auch keine Hoffnung säen und enttäuschen auf so vielfältige Weise.
Das freut mich für dich, dass du den großen Sprung des Kontaktabburchs gewagt hast und es dir nun dadurch besser geht! Mir geht es wirklich auch genauso. Jedes Treffen ist so emotional aufwühlend, vor Allem weil es ihr in letzter Zeit so schlecht geht. Sie hat sich wirklich so vieles im Leben verbaut und hat nichts und niemanden mehr, weshalb das schlechte Gewissen sie allein zu lassen mich hauptsächlich an meiner Mutter bindet.
Haithabu hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 10:24 Ihre eigene Geschichte zu berücksichtigen habe ich versucht, aber dennoch fehlte mir in all der Auseinandersetzung damit auch die nötige Selbstreflexion ihrerseits.
Und später - als ich selbst Mutter wurde - war auch deutlich, dass es immer Wege gibt, anders zu agieren.
Dem kann ich auch nur zustimmen. Sie hat auch sehr schlimme Erfahrungen machen müssen und hat diese an mir wiederholt. Aber ich muss mir glaube ich auch selber sagen, dass das eigentlich kein Grund ist so zu handeln. Sie sagt rückwirkend immer, dass alle ihre Entscheidungen, wie die 15 Umzüge etc., nur wegen mir waren. Aber in Wahrheit hat sie glaube ich nur sich selbst im Kopf gehabt. Sonst hätte sie ihre Tochter nicht 2 Monate den ganzen Tag allein in nem Wohnwagen ohne alles gelassen zum Beispiel... Und das sind auch so Geschichten, wo ich denke, ich würde das meinem Kind niemals antun. Und man realisiert das dann noch mehr, wenn man wirklich selber Mutter ist und sieht, dass man selber ganz anders handelt.

Philosophia hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 10:28 Klingt im Übrigen alles sehr nach meiner Mutter...die würde mich immer noch vor lauter Liebe *hüstel* zerdrücken, wenn ich sie ließe... meine bildet sich im übrigen auch ein, mich über alles zu lieben... ich fühle nichts, ich fühle nur ihr Begehren... Liebe ist etwas völlig anderes in meinen Augen. Das hab ich schon immer gefühlt, und seit ich echte Liebe fühlen dürfte, weiß ich, dass extreme Fürsorglichkeit, Anklammern und dergleichen nix mit Liebe zu tun hat.
Ja, da hast du eigentlich recht. Diese extreme Fürsorglichkeit ist vielleicht gar kein Zeichen von Liebe in dem Sinne, sondern vielmehr vielleicht ein Zeichen von Verlassensängsten, o. Ä. ::? Ich fühle auch nichts, zumindestens nichts Positives, und habe deshalb immer ein schlechtes Gewissen gehabt. So nach dem Motto: Wie kann man seine eigene Mutter nicht lieben, noch dazu wo sie dir doch so offen zeigt, dass sie dich liebt? Aber vielleicht ist das so eine Art von emotionaler Abkoppelung aus Selbstschutz und Enttäuschung, weil man schon so oft von der Person, die einen eigentlich schützen sollte, verletzt wurde und nicht will, dass das diese Person das nochmal macht. Trotzdem wenn wir uns streiten, weil ich die Vergangenheit schon oft mit ihr besprechen wollte, trifft sie mich immer wieder. Ich bin danach immer so fertig und aufgewühlt.


Der Knackpunkt ist glaube ich wirklich, dass ich nur will, dass sie versteht, was sie mir angetan hat. Dass sie einsieht, dass ihr Handeln in vielerlei Hinsicht falsch war, nüchtern wie auch betrunken. Und dass sie deshalb auch versteht, warum ich genervt bin, wenn sie wieder eine auf überfürsorglich und klammernd machen muss.

Und das werde ich glaube ich niemals von ihr kriegen, weshalb ich da selber schauen muss, dass ich dieses Thema abschließe. Und ich befürchte, dass das nur mittels einer Therapie, also erst in 2 Jahren, möglich ist. :/

Und so hart es auch klingt, aber sie hat meine Jugend verbaut und sich dadurch unsere Zukunft verbaut, so wie es gerade ist. Ich glaube wirklich, dass in dieser Zeit ein Kontaktabbruch das Gescheiteste wäre, da alles Andere mich emotional immer wieder aufs Neue zu sehr belastet. Und ich möchte mein Leben genießen und mich nicht immer wieder aufregen müssen, ohne dass sich irgendwas ändert.

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Philosophia
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Beitrag Do., 01.02.2018, 11:05

Darauf lief vorhin meine Frage hinaus mit dem "Was fühlst du"... nicht, was sie dir weismachen will, was da alles so tolles ist... sondern... was du schriebst...dass du da nichts fühlst... und das ist nicht deine Schuld
Ob sie das verstehen wird ist fraglich... ich empfehle jedenfalls dir hierzu zwei gute Bücher "Wenn Mütter nicht lieben" und "Vergiftete Kindheit" von Susann Forward - da steht auch, wie das mit dem Abstand halten und zur Not Kontakt abbrechen gut geht... mir hat das damals sehr geholfen... es tut mir schrecklich Leid, dass du das durchmachen musst... das ist wirklich ziemlich furchtbar... und aber ein Leben ohne Grusel und Gift ist tatsächlich ein besseres - der Schmerz bleibt - so oder so...
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Beitrag Do., 01.02.2018, 11:27

HelloItsMe hat geschrieben:Also da zeigt sie dann wieder die total andere extreme Seite, wo sie überfürsorglich ist wie kaum ein anderer.
Das ist keine Fürsorge.
HelloItsMe hat geschrieben:Bloß, dass sie schon immer wieder sagt und auch zeigt, dass sie mich liebt (…)
Das ist keine Liebe.
saffiatou hat geschrieben:Ich habe meinen Eltern damals geschrieben, daß ich keinen Kontakt mehr will und auch warum nicht. SIe haben das vollkommen ignoriert und riefen immer wieder an, sagten ihnen sei langweilig und ich sollte sie besuchen, da habe ich erkannt, daß ich nur ein Lückefüller bin und ich habe, seit ich den Brief schrieb, alle Anrufe abgelehnt und auf den AB laufen lassen, dannkonnte ich sie anhören, wenn ich wollte oder löschen.

Überlege mal, ob es Deiner Mutter darum geht, daß es Dir gut geht, oder eher um sie selbst. Du darfst egoistisch sein, sie hat niemals die Verantwortung übernommen, die sie eigentlich hatte und nun bist Du für Dich verantwortlich und musst gut für Dich sorgen.
Ich unterstreiche das mal ganz subtil.
HelloItsMe hat geschrieben:Ich bin da so hin und her gerissen. Auf der einen Seite weiß ich, dass sie selber ein sehr schweres Leben hatte und eine depperte Familie.
So wie Du. Wie oft hast Du denn schon Kindern (oder anderen Schutzbefohlenen) Platzwunden zugefügt? Die Haare ausgerissen? Oder Zigaretten auf ihrer Haut ausgedrückt? Wie oft hast Du Lebewesen vorsätzlich gequält und verletzt? Liegt es denn wirklich an der "depperten Familie" – oder ist das nicht vielmehr eine Ausrede, ein Feigenblatt für etwas viel dunkleres?

Eine andere Frage, HelloItsMe: Würdest Du mit dieser Person Kontakt haben wollen, auch, wenn sie nicht mit Dir biologisch verwandt wäre? Bereichert diese Person Dein Leben? Also auf positive Art und Weise? Oder ist Dir biologische Verwandtschaft wichtiger als Dinge wie Verständnis, Mitgefühl, Wohlwollen, Freundschaft, ja – Liebe?

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Beitrag Do., 01.02.2018, 11:53

Hart, aber so wahr, Eremit...
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Beitrag Do., 01.02.2018, 12:37

Philosophia hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 11:05 Darauf lief vorhin meine Frage hinaus mit dem "Was fühlst du"... nicht, was sie dir weismachen will, was da alles so tolles ist... sondern... was du schriebst...dass du da nichts fühlst... und das ist nicht deine Schuld
Ob sie das verstehen wird ist fraglich... ich empfehle jedenfalls dir hierzu zwei gute Bücher "Wenn Mütter nicht lieben" und "Vergiftete Kindheit" von Susann Forward - da steht auch, wie das mit dem Abstand halten und zur Not Kontakt abbrechen gut geht... mir hat das damals sehr geholfen... es tut mir schrecklich Leid, dass du das durchmachen musst... das ist wirklich ziemlich furchtbar... und aber ein Leben ohne Grusel und Gift ist tatsächlich ein besseres - der Schmerz bleibt - so oder so...
Ich habe mir die beiden Bücher gleich mal bestellt, weil ich bereits in den Inhaltsverzeichnissen einige zutreffende Punkte gefunden habe... Und danke! Es tut mir auch so Leid, dass dir auch so etwas widerfahren musste :( Das sind wirklich Erfahrungen, die einen prägen. Aber es hilft wirklich mit Menschen darüber reden zu können, die wissen, wie es einem geht und diese Ambivalenz auch erfahren mussten. Das ist glaube ich für Außenstehende etwas schwer zu verstehen. Es ist irgendwie so ein emotionales Chaos von Gefühlen. :kopfschuettel: Ich fühle leider wirklich nur negative Emotionen gegenüber meine Mutter. Hass, Enttäuschung, Wut, Verzweiflung, Gewissensbisse...
Obwohl die Gewissensbisse wirklich weniger werden durch Eure Hilfe, muss ich sagen. Sicher so etwas geht nicht von heute auf morgen, aber es hilft mir gerade wirklich zu erkennen, dass ich nicht falsch handele, wenn ich für mich einen Schlussstrich ziehe. Entschuldigen wird sie sich niemals und selbst wenn, weiß ich noch nicht einmal ob ich ihr verzeihen werde können oder ob ich das überhaupt sollte.
Eremit hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 11:27 Wie oft hast Du denn schon Kindern (oder anderen Schutzbefohlenen) Platzwunden zugefügt? Die Haare ausgerissen? Oder Zigaretten auf ihrer Haut ausgedrückt? Wie oft hast Du Lebewesen vorsätzlich gequält und verletzt? Liegt es denn wirklich an der "depperten Familie" – oder ist das nicht vielmehr eine Ausrede, ein Feigenblatt für etwas viel dunkleres?
Ja, wenn mans so hart betrachtet: Es stimmt, ich würde trotz meiner Hintergrundgeschichte so etwas niemals machen. Und deshalb kann ich so ein Handeln auch nicht vergessen und einfach für gut befinden, was sie getan hat und so tun als wäre nichts gewesen. So was macht man einfach nicht, egal bei wem. Wenn man eine Wut in sich spürt, und das war bei ihr wohl der Fall, dann sollte man das nicht an seinen Mitmenschen und noch weniger an sein Kind auslassen...
Eremit hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 11:27 Eine andere Frage, HelloItsMe: Würdest Du mit dieser Person Kontakt haben wollen, auch, wenn sie nicht mit Dir biologisch verwandt wäre? Bereichert diese Person Dein Leben? Also auf positive Art und Weise? Oder ist Dir biologische Verwandtschaft wichtiger als Dinge wie Verständnis, Mitgefühl, Wohlwollen, Freundschaft, ja – Liebe?
Und auch wenn man es so betrachtet: Definitiv nein. Sie bereichert mein Leben nur in negativer Art und Weise. Den Kontakt erhalte ich nur aufrecht, eben weil sie meine Mutter ist. Wenn sie eine Freundin o. Ä. wäre, wäre der Kontakt schon längst abgebrochen.
Das ist schon ein guter Ansatzpunkt und bringt mich gerade echt zum Grübeln. :!!:

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Beitrag Do., 01.02.2018, 13:20

Ja es tut gut damit nicht allein sein zu müssen...ich hadere zuweilen sogar jetzt noch mit mir und muss mir diese Punkte immer wieder vor Augen halten. Ich schicke dir viel Kraft.
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Beitrag Do., 01.02.2018, 14:03

HelloItsMe hat geschrieben:Entschuldigen wird sie sich niemals und selbst wenn, weiß ich noch nicht einmal ob ich ihr verzeihen werde können oder ob ich das überhaupt sollte.
Bedenke: Was verziehen wird, wird toleriert, somit legitimiert – und wiederholt sich.

Stelle Dir mal vor, Du hast ein Kind. Und Deine Mutter macht mit Deinem Kind ähnliche Sachen wie mit Dir. Wenn Du Deiner Mutter verzeihst, was sie Dir angetan hat, müsstest Du ihr auch verzeihen, was sie Deinem Kind antut, sonst würdest Du nicht nach einem Prinzip handeln, sondern rein willkürlich (wie Deine Mutter).
HelloItsMe hat geschrieben:Wenn man eine Wut in sich spürt, und das war bei ihr wohl der Fall, dann sollte man das nicht an seinen Mitmenschen und noch weniger an sein Kind auslassen...
Wut ist nicht der einzige Grund dafür, Kinder so zu behandeln, es kann sich dabei auch "nur" um "reinen" Sadismus handeln, der Lust, Andere zu quälen, auch Mischformen sind möglich. Das meinte ich damit, dass sich vielleicht etwas dunkleres hinter einem solchen Verhalten verbergen könnte. Das Zigarettenausdrücken ist ein recht starkes Indiz für Sadismus, sowas macht man nicht im Affekt (wie die "ausrutschende" Hand), da muss man aufpassen, dass die Zigarette ihr Ziel nicht verfehlt, nicht runterfällt, nicht abbricht, nicht ausgeht, dafür braucht es schon die zielgerichtete, bewusste Absicht, dem Gegenüber auch wirklich Schaden zuzufügen.

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Beitrag Do., 01.02.2018, 15:24

Philosophia hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 13:20 Ja es tut gut damit nicht allein sein zu müssen...ich hadere zuweilen sogar jetzt noch mit mir und muss mir diese Punkte immer wieder vor Augen halten. Ich schicke dir viel Kraft.
Vielen, lieben Dank, Philosophia! Und vielen Dank für deine Hilfe, es hilft mir wirklich sehr. Ich glaube so eine Trennung von einer ursprünglich so wichtigen Bindungsperson ist ein so gravierender Schritt im Leben, da hat man dann bestimmt oft Momente, wo man an der Entscheidung zweifelt. Deshalb wünsche Dir, dass der Schmerz hoffentlich ertragbar weniger wird mit der Zeit!

Eremit hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 14:03 Stelle Dir mal vor, Du hast ein Kind. Und Deine Mutter macht mit Deinem Kind ähnliche Sachen wie mit Dir. Wenn Du Deiner Mutter verzeihst, was sie Dir angetan hat, müsstest Du ihr auch verzeihen, was sie Deinem Kind antut, sonst würdest Du nicht nach einem Prinzip handeln, sondern rein willkürlich (wie Deine Mutter).
Stimmt, das wäre dann wieder eine Handlung, die ich ihr niemals verzeihen könnte. Deine Ansätze helfen mir auch wirklich, dass alles ein bisschen emotional distanzierter zu betrachten. Wenn ich jetzt generell als Außenstehender die Situation sehen würde, würde ich auch sofort sagen, dass ein Kontaktabbruch der beste Weg wäre.

Eremit hat geschrieben: Do., 01.02.2018, 14:03 Wut ist nicht der einzige Grund dafür, Kinder so zu behandeln, es kann sich dabei auch "nur" um "reinen" Sadismus handeln, der Lust, Andere zu quälen, auch Mischformen sind möglich. Das meinte ich damit, dass sich vielleicht etwas dunkleres hinter einem solchen Verhalten verbergen könnte. Das Zigarettenausdrücken ist ein recht starkes Indiz für Sadismus, sowas macht man nicht im Affekt (wie die "ausrutschende" Hand), da muss man aufpassen, dass die Zigarette ihr Ziel nicht verfehlt, nicht runterfällt, nicht abbricht, nicht ausgeht, dafür braucht es schon die zielgerichtete, bewusste Absicht, dem Gegenüber auch wirklich Schaden zuzufügen.
So habe ich es auch noch gar nicht betrachtet. Ich habe ihre Ausraster immer nur zurück geführt auf mehrere Faktoren: Überforderung, Alkohol, der fehlenden 'positiven' Erziehung ihrerseits und der Tatsache, dass ich die Einzige war, an der sie alles auslassen konnte. Aber im Nachhinein betrachtet hat sie auch nie aufgehört, auch wenn ich schon gebettelt und geweint habe... Irgendeine psychische Störung hat sie denke ich mal schon, weil sie einige Charakteristiken aufzeigt, die nicht der 'Norm' entsprechen. Aber nachdem sie nie eine Therapie machen will, wird es immer ein Geheimnis bleiben, ob sie überhaupt eine psychische Störung hat und wenn ja, was. Ich habe oft schon online rumgesucht, weil ich die Gründe für ihr Verhalten verstehen wollte und oft gedacht, dass sie eine narzistische Persönlichkeitsstörung hat, aber da zeigen sich zu viele Widersprüche und zu viele fehlende Parallelen. Und irgendwann habe ich es auch aufgegeben zu verstehen, weil ma als Laie eh keine Diagnose stellen kann. Aber auf Sadismus wäre ich niemals gekommen, muss ich gestehen. Das hört sich auch irgendwie so brutal an, wenn ich denke, dass wir eine Mutter-Kind-Beziehung hatten. Und zu bedenken, dass sie bei mir möglicherweise ihre sadistischen Züge ausgelebt hat, ist gerade schwer in Erwägung zu ziehen, bzw. zu verarbeiten. :-( Schwierig.
Aber im Grund ist es egal, was sie haben könnte. Das ist etwas ganz Wichtiges, was ich hier gelernt habe bisher. Nichts rechtfertigt ihre damaligen Taten. Kein Alkohol, keine psychischen Probleme, etc.. Nichts rechtfertigt das Schlagen eines Kindes.


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Beitrag Do., 01.02.2018, 17:37

HelloItsMe hat geschrieben:Ich glaube so eine Trennung von einer ursprünglich so wichtigen Bindungsperson ist ein so gravierender Schritt im Leben, da hat man dann bestimmt oft Momente, wo man an der Entscheidung zweifelt.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, welches den bekannten Schmerz dem unbekannten Glück vorzieht, denn vor nichts hat der Mensch mehr Angst als vor dem Unbekannten. Das macht solche Schritte auch so schwer. Aber es ist möglich, das zeigen ja schon solche Diskussionen, wie sie hier stattfinden, diese sind bereits Teil des Prozesses.
HelloItsMe hat geschrieben:Wenn ich jetzt generell als Außenstehender die Situation sehen würde, würde ich auch sofort sagen, dass ein Kontaktabbruch der beste Weg wäre.
Na ja, es kommt darauf an. Die Ansicht, dass Kinder ihren Eltern, egal, wie sich diese ihnen gegenüber verhalten, gefälligst die Stange zu halten haben, ist doch recht weit verbreitet. Allerdings sind solche Kinder dann auch nur die Abziehbildchen ihrer Eltern, sie machen am Ende genau die selben Fehler, um dann das "dunkle Erbe" wieder an die nächste Generation weiterzureichen. Wenn man nicht die Courage hat, um "Stopp!" zu sagen, ist man nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems …
HelloItsMe hat geschrieben:Überforderung, Alkohol (…)
Die Sache mit dem Alkohol ist die: Alkohol baut Hemmungen ab und zeigt, aus welchem Holz ein Mensch geschnitzt ist ("In vino veritas"). Gerade dann, wenn Menschen in alkoholisierten Zustand solche Dinge machen wie Deine Mutter, sollte ein großes rotes Warnsignal anspringen.
HelloItsMe hat geschrieben:Irgendeine psychische Störung hat sie denke ich mal schon, weil sie einige Charakteristiken aufzeigt, die nicht der 'Norm' entsprechen.
Davon ist auszugehen, nach allem, was Du geschrieben hast. Wahrscheinlich dürfte es in die Richtung emotional-instabile Persönlichkeitsstörung gehen, andere sind ebenso denkbar. Gesund ist sie definitiv nicht, das erkennt auch ein Laie.
HelloItsMe hat geschrieben:Aber im Grund ist es egal, was sie haben könnte. Das ist etwas ganz Wichtiges, was ich hier gelernt habe bisher. Nichts rechtfertigt ihre damaligen Taten. Kein Alkohol, keine psychischen Probleme, etc.. Nichts rechtfertigt das Schlagen eines Kindes.
So ist es.

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Krümmelmonster
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Beitrag Do., 01.02.2018, 21:57

Deine Mutter ist krank!

du kannst dir jetzt ein neues Leben aufbauen und vieles anders machen.
Nicht so wie deine Mutter.
Veränderungen anders zu machen kostet sehr viel Kraft und Energie und eine neue Wahrnehmung aufzubauen.
Wo war dein Vater? war der nicht da?

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Haithabu
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Beitrag Fr., 02.02.2018, 00:45

Ich denke in deinem Post stecken ja auch zwei Fragen. Zuerst einmal, willst du diesen Kontakt überhaupt noch. Und wenn ja, wie soll er sich gestalten. Dass das jetzt gerade so läuft, wie es läuft, halte ich nämlich erst einmal für sekundär. Wenn du dich, aus welchen Gründen auch immer, doch dafür entscheidest, mit deiner Mutter weiterhin Kontakt haben zu wollen, kannst du die angemessenen Rahmenbedingungen dafür ja immer noch ausloten.

Von außen klingt es immer klar und vergleichsweise leicht, aber auch wenn ich dir geschrieben habe, dass es sich gut und stimmig anfühlt. Ich brauchte auch zwei Versuche :) Ich habe zwar zum Einen für mich eingesehen, dass jede Begegnung nur eine Enttäuschung sein kann, aber ich gebe ja auch damit ein komplettes Bild von etwas auf. Nämlich dass es doch noch irgendwie "gut" werden kann, dass ich nicht mehr allein bin. Dass das jemand wäre, der sich um mich kümmert, wie es eben nur Eltern tun können.

Meine Mutter war dann übrigens eine sehr gute Oma. Deshalb hat es auch ein Weilchen gedauert, bis ich für mich sagen konnte, dass es so trotzdem für mich nicht geht.
Menschen dürfen Fehler machen. Auch Mütter. Aber mir hat in all dem eine eindeutige Bekenntnis dazu gefehlt. Eine Stellungnahme, die mir sagt: Ja, ich habe sehr viel falsch gemacht. Ich weiß, dass es dich verletzt hat. Jetzt möchte ich für dich da sein und dich dabei unterstützen, damit es dir gut geht.
Keine Ahnung, ob ich das so oder so ähnlich hätte annehmen können. Wann ist ein Verhalten unentschuldbar? Wo sind die Grenzen des Verzeihens? Ich nehme an, da gibt es keine objektiven Antworten.

Aber ihre komplette Abwehr sich damit auseinanderzusetzen (und das, obwohl sie Fachfrau ist), konnte letztlich nur den "Absprung" aus der Beziehung erwirken.

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Räbin
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Beitrag Fr., 02.02.2018, 08:38

Wo sind die Grenzen des Verzeihens, schreibst Du, Haithabu.

Ich finde das gar nicht so subjektiv. Btw, ich finde Eremits Posts so wahr und tief durchdacht, er scheint zu wissen, wovon er spricht.

Die Grenzen des Verzeihens: ich kann nur jemandem verzeihen, der aufrichtig! bereut und sein Verhalten ändert. Ansonsten sehe ich es auch so - Verzeihen = Legitimation. Und dann hätte ich ihm auch nichts zu verzeihen, denn er hat ja anscheinend für sich selbst nichts falsch gemacht. Das Konstrukt des Verzeihens wäre dann ausschließlich in meinem Kopf, für den anderen ergibt sich ja (scheinbar) gar nicht die Notwendigkeit dessen. Er kann es einzig als Legitimation erleben. Will ich das? Will ich das mittragen?

Wenn ja, trage ich es also mit, dass jemand mir so sehr geschadet hat, ich mache mich zu seinem Komplizen gegen mich selbst. In diesem Falle kann ich niemals Heilung erlangen.

Selbst wenn ich Verständnis für seine Nöte, eigene Zerstörtheit etc. aufbringen kann, ich darf um meiner selbst Willen ein Vergehen an mir niemals mittragen. Ich kann nur unter einem Umstand verzeihen: wenn er die volle Verantwortung für seine Taten alleine übernimmt, wenn ER bereit ist, den schmerzlichen Prozess zu durchlaufen von Schuld und Reue. Ansonsten braucht es des Wortes "Verzeihen" nicht.

Nein, ich darf um meiner eigenen seelischen Gesundheit Willen nichts mittragen, was mir schadet/geschadet hat. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass jemand, der so verantwortungslos gegen mich handelte ganz plötzlich die eigene Feigheit überwindet und Verantwortung übernimmt. Sollte es so sein, könnte ich vielleicht verzeihen.

Meine eigene Bereitschaft, Verantwortung zu tragen oder nennen wir es "Menschlichkeit", diese Energie, kann ich in Kontakte stecken, die mir gut tun. Damit ich überhaupt erst die Chance bekomme zu heilen.

Das könntest Du Dir, liebe HelloItsMe, vielleicht vor Augen halten. Es ist absolut legitim, dass Du Dich Menschen zuwendest, die Dir Gutes tun. Was Dich bisher daran eventuell hindert ist Deine Menschlichkeit. Und vielleicht auch die nicht erfüllbare Hoffnung (so sieht es zumindest aus, da Deine Mutter so gar keine Verantwortung zu tragen bereit ist), dass es doch noch irgendwie gut wird.

Der Abschied von diesem Wunsch ist ein schmerzlicher Prozess, ohne Frage. Ich wünsche Dir ganz viel Mut, Dich für Dich zu entscheiden!

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