Auf Ecstasy zur Sitzung gehen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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stern
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Beitrag Fr., 16.06.2017, 12:49

Also in der Klinik (Süchte wurden nicht behandelt, Psychosomatik) habe ich mitbekommen, dass eine Patientin bei meinem Thera wegen Alk geflogen ist. Ich hatte mich mit der Patientin unterhalten, die meinte, das ihr mitgeteilt wurde, sie möge zunächst ihr Alkoholproblem in den Griff bekommen, das aus ihrer Sicht in keiner Weise bestand. Ich kann es nicht beurteilen (sie wirkte aber glaubwürdig auf mich), hatte aber den Eindruck, dass mein Therapeut keinen Spaß versteht, was Alk angeht (das wurde auch eingangs sehr genau hinterfragt, obwohl ich eigentlich fast nichts trinke). Bei den Leuten mit entsprechender Vorgeschichte, gab es auch Kontrollen (sowohl Alk als auch bei Drogenkonsum). Hintergrund ist wohl, ob eine Behandlung auch auf Süchte ausgerichtet ist... bzw. (so mein Eindruck), dass es eben auch Patienten gibt, die deswegen hier sind, weil sie unter Leute litten, die tranken (und man auch für diese Leute Verantwortung hat bzw. man auch nicht unterstützen möchte, dass jemand auch so eine Karriere einschlägt). Von einer anderen Therapeutin habe ich auch schon gehört, dass bekiffte Patienten geflogen sind. Ob gleich beim ersten Mal, weiß ich nicht. Aber generell ist Offenheit angesagt... also wie es mit Suchtmitteln aussieht, wird eigentlich (so kenne ich das) routinemäßig erfragt. Und das macht vielleicht auch nochmals etwas aus, wie ehrlich das beantwortet wurde (ich denke, Behandler wissen auch, das besonders Süchte gerne verheimlicht werden... auch Selbstverletzung, etc.). Das ist das, was ich so am Rande mitbekommen habe... also dass damit wirklich nicht unbedingt zimperlich umgegangen wird.
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Scars
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Beitrag Fr., 16.06.2017, 15:36

Vor dem Hintergrund Sucht und in Kliniken kann ich es absolut verstehen - aber wenn glaubwürdig dargelegt wird, dass es dieses eine Mal aus "guten" Gründen wäre und es auch wirklich bei diesem einen Mal bleibt, fände ich es schon hart. Da frage ich mich, ob ich diesbezüglich zu locker bin oder die Behandler einfach sehr streng. Ob sich eine Sucht (wieder-)entwickelt hat, merkt der Therapeut ja dann vermutlich und das wäre definitiv der Punkt um an andere Stelle zu verweisen (es sei denn, man behandelt dies selbst). Nichtsdestotrotz bin ich auch absolut gegen Drogen in den Sitzungen. Spannend, eigentlich müsste man sich mal fragen, wieviele Leute diesen Wunsch hegen.
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mio
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Beitrag Fr., 16.06.2017, 19:45

Scars hat geschrieben: Fr., 16.06.2017, 15:36 Spannend, eigentlich müsste man sich mal fragen, wieviele Leute diesen Wunsch hegen.
Es gibt sogar Therapieformen, die das gezielt "einsetzen". Schematherapie zum Beispiel. Ich hab mal gelesen, dass es da durchaus "möglich" ist, denn Patienten aufzufordern Abends oder Nachts unter Alkoholeinfluss mails zu schreiben und so um an "Themen" ranzukommen, an die "des Tags" und "nüchtern" so nicht ranzukommen ist. :)

Ganz so "ab" ist der "Wunsch" also nicht meiner Meinung nach, allerdings verhindern Drogen im Zweifel den "direkten" Kontakt zu sich selbst (im Kontakt mit dem Thera, Stichwort: Wahrnehmung). Von daher nur mässig sinnvoll bzw. in der Stunde nur mässig sinnvoll.


shesmovedon
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Beitrag Fr., 16.06.2017, 19:51

Es ist halt so, dass unter Extasy alles intensiver wahrgenommen wird. Man kann da in einen Redeschwall verfallen und nimmt eben Erinnerungen etc. wesentlich extremer war, als es im Grunde war. Das ist in meinen Augen keine Basis für eine Therapie.
Genauso wie manche unter Alkoholeinfluss melancholisch werden und im nüchternen Zustand alles wieder gut ist. Unter Drogeneinfluss spiegelt sich selten die Realität wirklich wider.

Ich würde eher mit der Therapeutin über dieses Bedürfnis, unter Drogeneinfluss zur Therapie zu gehen, reden.

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Sinarellas
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Beitrag Fr., 16.06.2017, 19:52

Treotzdem ist das was man unter Droge wahrgenommen wird durchaus beearbeitungswürdig oder nicht schlendrian?
..:..


shesmovedon
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Beitrag Fr., 16.06.2017, 20:40

Mh, ich weiß nicht.
Ich sehe einen Drogenrausch ähnlich einer Psychose. Ich kenne beides. Und ich weiß, dass es da oft zu überwertigen Ideen und Phantastereien kommt. Zu extremen Gefühlen, die man so ohne Drogen nicht in dem Maße hat. Plötzlich tangieren einen Sachen, die einen normal überhaupt nicht tangieren.
Ich denke zwar grundsätzlich, dass hinter jeder Psychose ein Funken Wahrheit steckt.
So steckt sicher auch hinter Empfindungen im Drogenrausch ein Fünkchen Wahrheit. Aber das Erleben kann im Alltag völlig relativiert sein. Gerade Extasy bringt die Sinneswahrnehmungen komplett durcheinander.
Ich würde diese Wahrnehmungen nicht als DIE Wahrheit nehmen. Es ist ja nicht so, dass unter Drogen die WAHREN Gefühle aus einem herausbrechen. Sondern sie werden intensiviert. Das ist in meinen Augen etwas völlig anderes. Aber für den, der Drogen nimmt, kann es sich so anfühlen, als fühlte er da die wahren Gefühle und hätte die wahrsten Wahrnehmungen. In meinen Augen ein Trugschluss. Das denkt man auch genauso während der Psychose. Man selbst ist erleuchtet.
Wenn ich auf Antipsychotika bin, dann weiß ich auch, dass meine Psychosen auf etwas gründem, aber es würde doch keiner sagen, dass meine Wahrnehmung während der Psychose die Wahrhaftige ist und DESHALB therapiewürdig ist.

Drogenrausch oder Besoffenheit schließen eine Therapie aus, genauso wie akute Psychosen. Und das in meinen Augen zurecht.


mio
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Beitrag Fr., 16.06.2017, 21:02

Schlendrian hat geschrieben: Fr., 16.06.2017, 20:40 Drogenrausch oder Besoffenheit schließen eine Therapie aus, genauso wie akute Psychosen. Und das in meinen Augen zurecht.
Sie schließen vor allem den direkten wahrhaftigen Kontakt zu andereren Menschen aus. Und deshalb auch einen therapeutischen. Der "Film" kann trotzdem individuell wahr und bedeutsam sein, nur die zwischenmenschliche Abklärung (der echte Kontakt zwischen zwei unterschiedlichen Individuen die in einen Abgleich treten) wird erschwert bis verunmöglicht durch die "psychotische oder drogeninduzierte Reduktion" auf die (eigene) Innenschau.

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stern
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 07:21

mio hat geschrieben: Fr., 16.06.2017, 19:45Es gibt sogar Therapieformen, die das gezielt "einsetzen". Schematherapie zum Beispiel. Ich hab mal gelesen, dass es da durchaus "möglich" ist, denn Patienten aufzufordern Abends oder Nachts unter Alkoholeinfluss mails zu schreiben und so um an "Themen" ranzukommen, an die "des Tags" und "nüchtern" so nicht ranzukommen ist. :)
Fragt sich nur, wo du das gelesen hast. Hast du eine Beispielsquelle? Denn normal gehört das nicht Teil des Konzepts.
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stern
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 07:40

Scars hat geschrieben: Fr., 16.06.2017, 15:36 - aber wenn glaubwürdig dargelegt wird, dass es dieses eine Mal aus "guten" Gründen wäre und es auch wirklich bei diesem einen Mal bleibt, fände ich es schon hart.
Was wären denn gute Gründe für Drogen und Alk? Ich glaube, die haben viele, die Alk trinken oder Drogen nehmen...? Es heißt dann doch nicht unbedingt: ich tue das, um mir bewusst zu schädigen (selbst wenn schon eine Sucht feststellbar ist, wird das dann immer noch heruntergespielt). Und gerade wer ecstasy nimmt: Auf so eine Idee kommt doch niemand, der noch nie etwas genommen hat... ist doch nicht naheliegend. Zumal die Pillen auch nicht einfach so erhältlich sind wie Alkohol oder Zigaretten. Man muss also auch Bezugsquellen kennen. Ich denke kaum, dass ein seriöser Therapeut den Konsum auch noch unterstützen würde. Ich denke, es kommt auf die Gesamtsituation an, ob jemand fliegt. Der Therapeut hat ja auch eine Verantwortung. Ich weiß nicht, inwieweit z.B. der Therapeut haften würden, wenn z.B. auf dem Heimweg etwas passieren würde (und er Kenntnis davon hatte). Der normale Weg ist tatsächlich, dass man das anspricht, was man am liebsten tun würde. Und dann kann man eine weniger selbstdestruktive Lösung suchen. Für mich würde sich ein Therapeut als Therapeut disqualifizieren, der sagt, na dann machen sie mal. Normal sind Alkohol- oder Drogensucht eher eine Kontraindikation für eine Therapie (weil sich das eben nicht verträgt). Also bei wirklich abhängigen, wäre erst diese Problematik in den Griff zu kriegen. Weil man so nicht wirklich erfolgreich Therapie machen kann. Und hier wird es dargestellt als etwas, womit man besser Therapie machen kann, hmmm.
Ob sich eine Sucht (wieder-)entwickelt hat, merkt der Therapeut ja dann vermutlich
nicht unbedingt.

Und solche Ansätze gelten eigentlich als unseriös... aber schwarze Schafe gibt es überall:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... sch-berlin
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Kaonashi
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 09:01

Ich habe neulich den Anfang einer Dokumentation über Cary Grant gesehen, und bei ihm war es so, dass er eine Psychotherapie machte, wo der Therapeut ihn aufforderte, LSD zu konsumieren. Damals war das wohl nicht so unüblich, aber es ist schon ewig lange her.


mio
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 09:14

stern hat geschrieben: Sa., 17.06.2017, 07:21 Fragt sich nur, wo du das gelesen hast. Hast du eine Beispielsquelle? Denn normal gehört das nicht Teil des Konzepts.
Google ist Dein Freund Stern. :) :anonym: :!!:

(Aber gut: Ich will mal nicht so sein, hat nur 2 Sekunden gedauert das rauszufinden:

"Man kann die Patienten auffordern, besonders auch nachts E-Mails an den Therapeuten zu schreiben, denn nachts (evtl. sogar unter Alkoholeinfluss) ist der Distanzierte Beschützer schwächer! Die Mails können dann selbstwertschonend nachbesprochen werden."

((Quelle: https://www.schematherapie-roediger.de/ ... uetzer.pdf))

Nächstes mal suchst Du aber selbst, gelle... ;-) )


isabe
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 09:39

Lesekompetenz lernt man in der Grundschule.

Deine Quelle besagt nicht, dass der Patient aufgefordert wird, unter Alkoholeinfluss zu schreiben, sondern dass der Patient ermutigt werden kann, nachts zu schreiben, u.U. auch unter Alkoholeinfluss (Übersetzung: Alkohol ist hier kein Ausschlusskriterium). Entscheidend ist hier das Wort "nachts"!


mio
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 09:43

isabe hat geschrieben: Sa., 17.06.2017, 09:39 Lesekompetenz lernt man in der Grundschule.

...und Sozialkompetenz lernt so mancher wohl nie. :anonym:

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Scars
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 10:44

Stern, "gute" Gründe wären für mich Neugier auf die Selbsterfahrung, seine Gefühle, die man sonst nicht trifft. Solange es bei dieser Ausnahme bleibt! Dient dann aber eben nur indirekt der Therapie, weshalb man sich seine Erfahrung darüber eher in der Freizeit sammeln und dann in der Therapie auf Offenheit arbeiten sollte.

Ansonsten sehe ich es auch so wie Schlendrian beziehungsweise mio (Zitat in Zitat hat nicht funktioniert...), weshalb Sucht/Substanzmissbrauch eben auch die Kontraindikationen zu "normaler" Therapie darstellen. Die Sucht aka Selbst-Therapie gibt ja auch viel zu viel, als dass man ernsthaft und aufrichtig Therapie machen könnte, solange man sie aufrecht erhält. Nicht selten ersetzt sie, denke ich, sogar den "wahrhaftigen Kontakt" und Bindung.

Nichtsdestotrotz kann die 'bewusstseinserweiternde Erfahrung' ein (mehr oder weniger) bedeutsames Erlebnis sein. Kommt wahrscheinlich auf den induviduellen Hang zur Esoterik und die darausfolgene (Be-)Deutung an. Gibt auch heute noch Trips unter Aufsicht von Haus aus "professioneller" Schulmediziner. ;-)
LG scars
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stern
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Beitrag Sa., 17.06.2017, 11:08

eben. Wenn es heißen würde "evtl. sogar bei Selbstverletzung", so ist das auch keine Aufforderung sich am besten selbst zu verletzen. Ich kann nach wie vor nicht entnehmen, dass das Teil der Therapie ist, sondern eher Teil des sog. distanzierten Beschützermodus.
Dabei stehen manche Symptome praktisch immer mit demselben Modus im Zusammenhang, z.B. lassen sich Alkoholkonsum oder Dissoziation praktisch immer dem Modus des distanzierten Beschützers zuordnen. Andere Symptome können bei unterschiedlichen Patienten auch unterschiedlichen Modi zugeordnet sein – so ist es möglich, dass sich eine Patientin selbst verletzt, um sich zu bestrafen (strafender Elternmodus), oder um durch die körperlichen Schmerzen die psychischen Schmerzen weniger zu spüren (distanzierter Beschützermodus). Zu Beginn der Therapie finden Patient und Therapeut gemeinsam heraus, welche Modi mit welchen Symptomen oder Problemen in Verbindung stehen. Danach kann in der Behandlung auf den betreffenden Modus fokussiert werden.
http://www.dgvt-fortbildung.de/interakt ... sstoerung/
Auch Selbstverletzung ordnet man dem zu.

Persönlich halte ich nichts davon, selbstschädigende Möglichkeiten als LÖSUNG zu implementieren. Wenn es dazu kommt, so ist das evtl. nicht immer vermeidbar. Aber wenn man es sogar als Lösung ansehen würde, wird es umso unwahrscheinlicher, dass es bei Einmaligkeit bleibt. Man könnte dann sagen, o.k. es sollte die und die Funktion erfüllen... aber letztlich geht es dann schon um Erlernen anderer Möglichkeiten, um davon wegzukommen.
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