Autonomie fördern (bei Langzeittherapien)?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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sandrin
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Beitrag Do., 05.01.2017, 16:37

Sehr, sehr interessanter Thread. Zunächst einmal: Isabe, ich kann verstehen, was du meinst, weil es mir im Grunde genauso geht. Wenn man sich die "Strategie" so anhört, dann ist es ja echt so, dass davon ausgegangen wird, dass der Patient früher oder später emotional autonom wird (ich glaube, das ist auch etwas ganz anders als autark zu sein), weil er durch eine heilsame Beziehungserfahrung Defizite aufarbeiten konnte und nachreifen konnte. So weit , so gut. Aber was ist eigentlich, wenn das nicht so automatisch passiert? In meinen Ohren klingt das recht idealtypisch. Ich bin hin und her gerissen, weil sich das natürlich verlockend anhört, nur glaube ich halt auch, dass es so einfach nicht ist.

In einer Familie ist es ja auch die Aufgabe der Eltern, die Autonomie der Kinder zu fördern. Das geschieht natürlich nur im Rahmen der jeweiligen entwicklungsbedingten Möglichkeiten. Wenn das Kind beispielsweise 18 ist und hat immer noch Probleme, einigermaßen eigenständig klarzukomen, würde man sagen, dass es da wirklich an der Zeit ist, das zu forcieren. So stelle ich mir das in einer Therapie auch vor. Man weiß ja, dass eine Therapie begrenzt angelegt ist, und deshalb sollte man den Aspekt Autonomie auch aktiv immer im Blick haben. Bei mir ist das zum Glück auch so, zumindest im Hinblick darauf, dass ich immer ermutigt werde, auf mein Innerstes zu hören und nicht zu allem Ja und Amen sagen soll. Die Angst, mich zu stark zu binden, ist aber trozdem da. Und das ist schon irgendwo ein Dilemma: Es geht nicht ohne eine gewisse emotionale Abhängigkeit, gleichzeitig weiß man aber auch um die gefährlichen Seiten.

Und noch eins: Ich glaube, dass die Stunden auch etwas sind, was, wie soll ich das sagen, ja völlig von "da draußen" abgespalten ist - wie ein Schutzraum, in den man immer wieder zurückkehren kann, etwas was einen beschützt. Ich z. B. möchte das im Außen gar nicht teilen, weil mir das zu speziell ist, irgendwie etwas, was ich vorm Außen beschützen möchte. Ach, schwierig ... Vielleicht wäre es ein Weg, konsequent darauf zu achten, Therapie und Alltag gut miteinander zu verknüpfen, vielleicht würde das helfen.

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CrazyChild
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Beitrag Do., 05.01.2017, 16:40

Kurze Zwischenfrage, Isabe - was verstehst Du unter "Autonomie" ? Ist denn zwingend jeder Patient in einer Langzeittherapie automatisch nicht autonom ? Oder meinst Du Abhängigkeit ? Ich bin absolut selbständig (autonom) und trotzdem schon ewig in Therapie. Ich glaube, Autonomie im herkömmlichen Sinn muss nicht zwingend in einer Langzeittherapie gefördert werden, da das eine das andere nicht unbedingt ausschließt.

Jedoch denke ich, daß man nur neben der Couch / Therapie am Leben teilnehmen kann, wenn man in gewisser Weise autonom ist. Ist man nicht autonom, bzw. abhängig vom Therapeuten, ist es sowohl für den Patienten als auch den Therapeuten ein sehr, sehr schmaler und schwieriger Weg die richtige Mischung aus Autnomie fördern/ gesunde Abhängigkeit zulassen, zu finden.
LG, CrazyChild

***stay strong***


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isabe
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Beitrag Do., 05.01.2017, 16:52

Ich meine mit "Autonomie" tatsächlich die Lust am Leben und die Vorstellung, mit dem Therapeuten nicht innig verbunden zu sein, sondern ihn als temporären Begleiter zu sehen. Dabei aber auch tiefe Gefühle entwickeln, aber ziemlich gut "oszillieren" können zwischen Couch und Welt. Zu wissen: der Therapeut IST nicht meine Welt.

Und ich denke, da muss ein Therapeut gut aufpassen, weil viele Patienten damit überfordert sind.

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sandrin
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Beitrag Do., 05.01.2017, 17:07

Mir ist das beispielsweise in einer früheren Therapie (das war eine Analyse) mal passiert. Da hatte die Therapeutin eine emotional tiefe Beziehung forciert (was bei mir zum Glück so einfach nicht ist). Gegen Ende der langen Zeit hat sie dann gemerkt, dass sie das nicht mehr auflösen kann. Es war richtig spürbar, dass ihr selber Angst wurde und unsicher wurde. Sie hat dann eine ganz andere Gangart gewählt, vieles von dem, was lange als sehr belastend in meinem Leben galt, war dann auf einmal gar nicht mehr so schlimm, für sie, sie war total verändert. Ich habe das kommen sehen, so dass ich glücklicherweise nicht in ein Loch gefallen bin. Mir hat das aber auch noch einmal eindringlich gezeigt, dass Therapeuten schon sehr erfahren und kompetent sein müssen, um das, was sie da am Anfang anbahnen (und was sich für eine geschundene Seele so wohltuend anfühlt), auch noch steuern zu können, ohne dass es ihnen gegen Ende um die Ohren fliegt. Das muss keine Absicht sein, aber die emotionalen Qualen bleiben beim Patienten. Das wäre zum Glück in meiner jetzigen Therapie nicht mehr so. Darüber bin ich sehr froh, auch wenn ich trotzdem noch sehr vorsichtig bin und versuche, emotional weitgehend autonom zu bleiben, z. B. wenn es darum geht, dass ich nicht auf Biegen und Brechen die Stunden einhalte, wenn es sich abzeichnet, dass es halt mal nicht geht.

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mio
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Beitrag Do., 05.01.2017, 17:11

isabe hat geschrieben:Und ich denke, da muss ein Therapeut gut aufpassen, weil viele Patienten damit überfordert sind.
Ich denke nicht, dass es eine "Überforderung" der Patienten ist, die dafür verantwortlich ist, sondern eine Angst und eine gefühlte Bedürftigkeit/Abhängigkeit.

Von daher ist es wichtig, dass ein Therapeut erkennt, wenn es sich um ein überzogenes "Abhängigkeitsgesuch" (kümmere Dich um mich, allein kann ich das nicht...eben das "gelernte") handelt und nicht um "Vertrauen und Nähe". Da zu unterscheiden dürfte sehr wichtig sein, um nicht von vornherein in eine falsche Richtung zu steuern (also das Problem anstatt es zu verringern noch zu verstärken und noch fester zu zementieren).

Letzten Endes handelt es sich ja um eine "Fehlüberzeugung" des Patienten, wenn er denkt, dass er "alleine" gar nicht lebensfähig ist oder das Konflikte nicht einvernehmlich gelöst werden können. Denn das widerspricht der erwachsenen Realiät und den Fähigkeiten die jeder (insgesamt eigentlich gesunde) Erwachsene hat.

Das was immer so gerne "Abhängigkeit" genannt wird meint ja letztlich nichts als eine stabile sichere therapeutische Bindung. Also dass der Thera beim kleinsten "Nichtgefallen" oder "Konflikt" nicht ausgetauscht wird gegen einen "besseren" oder eben "gar keinen". Und das was "Autonomie" genannt wird, meint letzten Endes ja, dass auch in der therapeutischen Beziehung eine "Abweichung" akzeptabel ist und dass der Patient dies erkennen kann. Was natürlich voraussetzt, dass ein Therapeut sich da auch entsprechend verhält wenn es zu Konflikten oder Manipulationsversuchen kommt.


MariJane
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Beitrag Do., 05.01.2017, 17:14

isabe hat geschrieben:Ich meine mit "Autonomie" tatsächlich die Lust am Leben und die Vorstellung, mit dem Therapeuten nicht innig verbunden zu sein, sondern ihn als temporären Begleiter zu sehen. Dabei aber auch tiefe Gefühle entwickeln, aber ziemlich gut "oszillieren" können zwischen Couch und Welt. Zu wissen: der Therapeut IST nicht meine Welt.

Und ich denke, da muss ein Therapeut gut aufpassen, weil viele Patienten damit überfordert sind.
Aber genau das schafft man eben, indem man den Patienten ermuntert sich ein für ihn genehmes Leben aufzubauen. Denke ich. Nur so kann eine absolute Abhängigkeit verhindert werden, meines Erachtens nach. Und vielleicht kommt das in manchen Therapien eben erst später, wenn der Therapeut genug Fürsorge gegeben hat und seinen Patienten langsam ins richtige Leben stupst. Da muss der Patient dann natürlich mitspielen... Und da sind wir wieder bei deiner Frage: Was wenn der Klient abhängig/ krank bleiben will? Tja... dann funktioniert wohl nur noch Provokation. Und wenn das nicht funktioniert, dann ist die Therapie wohl irgendwie dumm gelaufen...

Naja, ich find diese Idee von Abhängigkeit ohnehin etwas schwierig. Aber ich glaube schon daran, dass Menschen autonom/ erwachsen werden wollen. Wie sonst soll man es erklären, dass doch ein Großteil der Studenten erstmal in ne eigene Bude zieht, dafür ggf. arbeiten geht. Einfach weil sie eben auf eigenen Beinen stehen wollen. Das ist mein Menschenbild. Und vor dem Hintergrund verstehe ich es eben so, dass solch eine Therapie schon funktionieren kann, wenn sie den Menschen gesunden lässt.

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Solage
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Beitrag Do., 05.01.2017, 19:53

Mein Therapeut hat angeboten, dass ich so lange kommen kann wie ich es brauche.
Das hat auch den Hintergrund, dass wir leider lange Zeit dafür verwendeten, die alte Therapie aufzuarbeiten.
Fehlt mir doch jetzt Zeit, die eigentlichen Beweggründe, die mich damals erstmalig in Therapie führten zu bearbeiten. Da ist dann die Kassenfinanzierung u. U. nicht ausreichend.

Dies macht mich tatsächlich freier und nicht abhängiger.
Ich entscheide ohne Druck von außen und weiß, dass ich wenn es an der Zeit ist, gehen werde.

Er arbeitet sehr auf Augenhöhe und betont, dass ich erwachsen BIN. Ich wachse nicht an ihm, ich bin erwachsen.
Das hat mir bis jetzt sehr geholfen und ich erkenne nach und nach was in meinen Außenbeziehungen nicht passte. Ich stehe viel selbstbewusster für meine Belange ein.

Die Bindung an ihn ist so, dass ich jetzt auch sehr schmerzvolle Themen bearbeiten kann.
Die Bindung ist nicht so, dass ich ihn als Person immer brauchen werde. Dafür sorgt er schon mit seiner Arbeitsweise. Er konfrontiert mich jetzt, nachdem eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut wurde, zunehmend mit dem was weh tut.

Von Anfang an hat er sich als mein Begleiter vorgestellt. So erlebe ich es auch.
Er begleitet mich ein Stück weit, stößt mich auf Dinge, verhilft mir zu Erkenntnissen.
Ich fühle mich nicht innig mit ihm verbunden, das wäre dann eher eine Wiederholung von mir schadenden symbiotischen Beziehungen.
ICH bin ICH und ER ist ER.
Da ist durchaus Trennung und die ist mir sehr angenehm geworden. Ein neues sehr freies Gefühl übrigens.
Wir streiten auch mal und wenn es einen Konflikt gibt fliehe ich nicht mehr so wie früher.

Genauso haben sich meine Außenbeziehungen verändert, beruflich wie privat.

Mein Ängste habe ich leider noch nicht im Griff. Da möchte ich noch daran arbeiten.
Deshalb bin ich froh, dass es keinen festen Termin gibt, an dem ich fertig sein muss.

Der Therapeut IST NICHT meine Welt; er begleitet mich nur ein Stück weit auf meinem Weg.
Mag auch daran liegen, dass ich einen Mann, Kinder, Freunde und einen Job habe.
Da stecke in meine meiste Energie rein und diese Menschen sind mir auch am wichtigsten.

Die Therapie bleibt aber auch wichtig für MICH.


montagne
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Beitrag Do., 05.01.2017, 20:33

Ich erlebe es bei mir schon so, dass ich "automatisch" richtig Lust aufs Leben kriege und richtig Lust darauf was anzupacken. Klar ist nicht konstant so, aber es gibt solche Phasen und sie werden länger und deutlicher ausgeprägt.
Na ja ganz automatisch auch nicht. Wäre zu lang es zu beschreiben. Erlebe es aber so, dass meine Therapeutin Autonomie und Geborgenheit gleichzeitig fördert und irgendwie wird beides mehr und wenn das eine stagniert, stagniert auch das andere.

Doch ich glaube schon, dass der KOnflikt um Autonomie und Abhängigkeit sich für jeden Menschen stellt. Ich weiß nicht, ob der wirklich lösbar ist, im Sinne von nicht mehr vorhanden. Ich denke er wird spürbar bleiben. Ich kann mir vorstelen, dass es gesund ist, beide bestrebungen in sich zu spüren, sowohl in Bezug auf die Therapeutin, als auch in Bezug auf andere Personen und Beziehungen. Und wenn man beides spürt und keines von beiden mehr extreme Angst verursacht (sodass es vielleicht sogar weggeschoben werden muss), dann ist man doch auch frei zu entscheiden.
amor fati


mio
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Beitrag Do., 05.01.2017, 20:42

montagne hat geschrieben:Ich kann mir vorstelen, dass es gesund ist, beide bestrebungen in sich zu spüren, sowohl in Bezug auf die Therapeutin, als auch in Bezug auf andere Personen und Beziehungen. Und wenn man beides spürt und keines von beiden mehr extreme Angst verursacht (sodass es vielleicht sogar weggeschoben werden muss), dann ist man doch auch frei zu entscheiden.
Das sehe ich auch so. Sowohl Bindung/Bezogenheit/Sicherheit als auch Unabhängigkeit/Selbstverwirklichung/Freiheit sind elementare menschliche Bedürfnisse und nichts anderes besagt "Abhängigkeit-Autonomie". Der Konflikt ist so gesehen gar kein wirklicher Konflikt sondern es handelt sich um zwei Grundbedürfnisse die im Einklang miteinander befriedigt werden wollen. Und zu wissen: "Ja, das kann ich, das geht" macht frei.

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sandrin
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Beitrag Do., 05.01.2017, 20:57

Ich glaube auch, dass sich der Konflikt generell besteht.

Nur denke ich, dass es sich im Falle einer therapeutischen Beziehung um eine andere Dimension handelt. Beziehungen im Alltag haben ja in der Regel ganz andere Rahmenbedingungen. Wenn ich z. B. einen Partner habe, dann sehe ich den nicht nur stundenweise ein oder mehrmals pro Woche, ich kann ihn anrufen, wenn mir danach ist, kann mich mit ihm treffen. Ich beabsichtige, eine unbegrenzte Beziehung mit ihm zu führen (das ist zumindest der Plan). Seine Nähe ist mir zunächst einmal gewiss, zumindest gehe ich davon aus, alles andere würde ja keinen Sinn ergeben. Wenn alles gut läuft, dann werde ich mich diesem Menschen auch in zehn Jahren mit meinem Elend anvertrauen können. Das ist halt in einer Therapie nicht so. Abhängigkeiten (auch gesunde) machen für mich immer da Sinn, wo ich eine längere/nicht begrenzt angelegte emotionale Bindung eingehe. Damit möchte ich nicht sagen, dass ich in meiner Therapie keine Beziehung besteht, aber - und da kann ich nur für mich sprechen - ich fände es gefährlich, mich zu sehr an jemanden zu binden, den ich bald schon wieder hergeben musst.

Mir gefällt die Idee, dass das eben ein Mensch ist, der einen ein Stück auf dem Lebensweg begleitet, dass die Therapie einen Zweck haben soll und eben kein Selbstzweck ist. Ich mache eine Therapie, ich "gehe nicht zu einem Therapeuten".


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isabe
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Beitrag Do., 05.01.2017, 22:29

Hm, ich will mal versuchen, meine Gedanken zu dieser Fragestellung anders zu formulieren: Ich denke, dass sich alle einig darüber sind, wie es theoretisch aussehen sollte mit der Balance zwischen Autonomie und Abhängigkeit, auch in der Therapie. Aber ich glaube und meine, das regelmäßig hier zu lesen (und mir selbst ist es auch nicht unbekannt), dass der Unterschied zwischen Theorie und Praxis hier besonders groß ist: Auf einmal ist der Therapeut doch gar nicht mehr so wichtig, weil man ja schließlich außerhalb funktionierende Beziehungen und Hobbys hat. Aber wie ist das dann mit der Bindungsstörung?

Und dann sind wir uns alle einig darüber, dass ein Therapeut das Autonomiestreben unterstützen sollte. Und trotzdem liest sich hier immer wieder, dass eigentlich das als besonders wertvoll betrachtet wird, was mit Liebe und Fürsorge assoziiert ist; ich kann mich nicht erinnern (könnte man sich mal genauer ansehen, aber mir fehlt die Zeit), dass im "Wertvolle-Zitate-Thread" mal jemand geschrieben hätte, dass der Therapeut etwas Hilfreiches gesagt hätte, was die Autonomie fördert. Also, mir fällt das zumindest auf, dass "man" es offenbar wertvoller findet, wenn es Nähe herstellt und keine Autonomie. Fällt das nur mir auf?

Also, es geht hier um Menschen mit Beziehungsstörungen, und sehr viele von denen machen eine lange Therapie und haben warmherzige Gefühle für den Therapeuten und sich an ihn gebunden. Mich interessiert einfach, ob und wie das Thema "Autonomie" in diesen Therapien untergebracht wird. Ich kann mir sozusagen nicht vorstellen, dass Konzepte wie "Zuneigung", "Nähe", "Liebe", "Geborgenheit" usw. explizit gemeinsam "erarbeitet" und dann durchgearbeitet werden - während die Autonomie sich quasi von selbst eintsellen soll? Es GIBT nun mal auch Kinder, die anhänglicher sind usw.

Sandrin:
Die Erfahrung habe ich auch gemacht: Erst sollte alles ganz innig sein, und dann auf einmal hat er einen auf Zauberlehrling gemacht, und ich konnte sehen, wo ich bleibe.


Speechless
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Beitrag Do., 05.01.2017, 22:34

Isabe, wieso schließt du Nähe und Autonomie gleichzeitig aus? Kann nicht beides nebeneinander bestehen? Nur weil man - im Idealfall - selbstständiger wird während der Therapie muss doch die Zuneigung zwischen Therapeut und Patient nicht zwangsläufig weniger werden, oder?


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isabe
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Beitrag Do., 05.01.2017, 22:43

Speechless:
Das sage ich doch. Nur scheint mir der Autonomie-Aspekt i.a. zu kurz zu kommen. Die Nähe muss gar nicht weniger werden, aber trotzdem braucht es m.E. auch immer den Blick auf Grenzen, Endlichkeit, Trennung, Unerfülltes. Und die Arbeit an der Autonomie.

Ich brauchte das, dass mir der Therapeut das so sagt, und wenn ich am Anfang nicht so konfus gewesen wäre, hätte mich das womöglich stark verunsichert. So aber hab ich es erst mal teilnahmslos geschluckt und kann nun anfangen, die "Früchte" zu ernten, indem mir klar wird, dass Zuneigung und Getrenntsein tatsächlich zusammengehören.


Speechless
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Beitrag Do., 05.01.2017, 22:45

Zu deiner Frage..Autonomie als Schlagwort ist bei uns noch nicht gefallen..ich finde aber es geht auch alles so ein bisschen in eine Richtung wie du auch schreibst..Liebe, Selbstliebe, dann irgendwie automatisch..hoffe ich zumindest. Ich glaube auch, dass es bei Bindungsstörungen vllt wichtiger ist viel Nährendes zu bekommen und sich die Patienten darüber mehr freuen als über Autonomiesprüche. Ich denke der Therapeut muss da auch vorsichtig sein, dass dieses auch richtig verstanden wird und nicht so wie du es beschreibst als ein plötzliches aus dem Nest gestoßen werden. Ich wäre da wohl auch eher empfindlich und meine Thera müsste da sehr gute Worte finden, dass ich nicht denke, sie will mich loswerden. Nur damit ich meinem letzten Post nicht widerspreche: ich finde durchaus, dass große Nähe neben Autonomie bestehen kann, aber dass es ein schmaler Grat ist, bei dem der Therapeut besonders vorsichtig sein muss, was er sagt.

Wie hat dir dein Therapeut das denn gesagt?


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isabe
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Beitrag Do., 05.01.2017, 22:53

Na ja, ich bin ja zu ihm, nachdem ich gerade vom ersten Th. rausgeworfen wurde. Und da ging es mir so schlecht wie nie in meinem Leben; ich war ein Wrack (und kann das heute nicht mehr nachvollziehen). Ich ging ein paar Monate parallel zu beiden Th. (der 1. Th. hat den Rauswurf netterweise noch etwas gestreckt...), und immer wenn ich zum neuen Th. ging und ihm mein Leid klagte und ihm sagte, wie schlecht es mir ging und wie sehr ich den Kollegen geliebt hab, hat er ganz freundlich und sanft gesagt: "Sie machen doch keine Therapie, um den Therapeuten zu lieben", und ich hab immer brav genickt, aber immer auch gedacht: "...wenn du wüsstest". Er hat immer gesagt: "Es geht um SIE und nicht um den Kollegen". Er sagt - wie auch sein Kollege -, dass das Ankündigen von einer Art "Unendlichkeit" (nach dem Motto: "Kommen Sie einfach immer weiter") therapeutische Arbeit verunmöglichen würde, weil der Patient dann quasi automatisch reinrutscht in so eine Versorgtwerden-Mentalität.

Und anfangs blieb mir nichts übrig, als das hinzunehmen, aber da er gleichzeitig so sanft war, fühlte sich das dann auf einmal ganz stimmig an, dass er so abgegrenzt ist und dabei trotzdem so "lieb". Nur - also, ich glaub, ich schau wirklich mal im Thread nach - scheinen das Zitate zu sein, die kaum jemand als "wertvoll" empfindet. Jedenfalls wird darüber hier selten geschrieben.

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