Die Krankheit Depression

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lisbeth
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 07:36

Liebe Sandrin,

ein spannendes Thema...

Meine frühere Therapeutin (VT) hat es mir damals mit ständigen Wiederholungen wirklich in den Kopf gehämmert, dass Depressionen eine Krankheit sind und dass ich mich dann auch entsprechend verhalten müsste, damit es mir gut gehen kann (schließt sich nicht aus, das hat sie auch immer wieder betont).
Zum Beispiel darauf Rücksicht nehmen, dass ich in bestimmten Phasen einfach nicht so belastbar bin. Dass ich vielleicht grundsätzlich nicht so belastbar bin (das hängt dann auch sehr mit eigenen Ansprüchen und Erwartungen zusammen) Immer wieder ganz gezielt: Meine Ressourcen aktivieren. Für die Grundbedürfnisse sorgen, Schlaf, gesundes Essen, Bewegung, soziale Kontakte.
Ich hab immer wieder innerlich mit den Augen gerollt, wenn sie davon anfing. Aber inzwischen denke ich, sie hat Recht.
Eins ihrer Lieblingsbeispiele: Wenn jemand zB Rheuma hat, dann muss derjenige sich auch in seinem Verhalten nach der Krankheit richten: Ernährung, Bewegung, Medikamente. Einschränkungen in Schubphasen hinnehmen. Sich nicht überlasten. usw usw. Es kann vorkommen, dass man alles "richtig" macht und es einem trotzdem schlecht geht - das gehört leider auch dazu. Da ist es wichtig, sich nicht selbst die Schuld zuzuschieben, sondern es als ein Teil des Krankheitsverlaufs zu betrachten.

Vor zwei Jahren war ich länger krankgeschrieben und auch in einer Klinik. Mein Umfeld reagiert immer wieder erstaunt, wenn sie hören, dass ich immer noch ADs nehme und auch eine ambulante Therapie mache. "Es geht dir doch wieder gut, oder??!" Naja... Ich glaube, da steckt auch ganz viel Angst dahinter, Unsicherheit. Ich weiß ja selbst oft nicht wie ich mit mir umgehen soll. Da bin ich mittlerweile auch offensiv geworden. Sage Freunden, dass sie bitte immer wieder bei mir anrufen sollen und fragen sollen ob ich mitkomme ins Kino, ein Bier trinken, zum Spaziergang - auch wenn ich mich immer wieder nicht zurückmelde. Wenn jemand das mit den Depressionen so umgangssprachlich hinschmeißt so nach dem Motto, ich war am Wochenende mal wieder voll depressiv... das nervt. Ob ich was sage, mache ich von der Situation abhängig und wie ich drauf bin. Manchmal mach ich einen Spruch so nach dem Motto, kannst gern mal meine Depressionen haben - den Durchhänger am Wochenende nehme ich im Austausch liebend gerne!

Ich sehe die Depression bei mir als chronische Krankheit, mit der ich einen Umgang finden muss. Das ist immer wieder auch ein Kampf und ein RIngen. Vor allem mit mir selbst. Mit meinen Erwartungen und Ansprüchen an mich selbst. Mit den verinnerlichten Kritikern, die mir eins aufs Dach geben, nach dem Motto: Stell dich nicht so an! Es gibt gute Phasen und weniger gute Phasen. Und ich werde wohl auch immer wieder auf Unterstützung angewiesen sein. Medikamente und/oder Therapie oder beides. Das ist so und das muss ich akzeptieren. Ich habe auch gemerkt, wenn ich das akzeptieren kann und mich auch entsprechend verhalte und mir selbst mit Mitgefühl begegne, dann geht es mir insgesamt besser (dh ich bin stabiler, belastbarer, weniger weinerlich...).
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― Anne Lamott

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Miss_Understood
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 13:34

siehst sandrin - DAS bemerke ich auch immer wieder - man wird heute digital förmlich gezwungen immer schneller und schneller zu antworten. Gleichzeitig so flexibel zu sein wie nie. Lass dich bitte NICHT hetzen!
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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lisbeth
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 13:43

@Miss_Understood

Aber liebe Miss_Understood, niemand zwingt hier Sandrin zu irgendwas oder quengelt rum, wo denn eine Antwort bleibt?!
Das sind doch ganz oft die eigenen Erwartungen, die man an sich selbst hat. Wie man "funktionieren" oder reagieren sollte oder müsste.
Ist jedenfalls meine Erfahrung, dass der eigene Druck und auch der eigene Sklaventreiber im Inneren da viel wirksamer sind. Und wenn ich dann mal innehalte und einen Realitätscheck mache, stelle ich fest, dass die Erwartungen von außen meist gar nicht so massiv sind, wie ich es mir immer wieder einreden will...

Das spielt bei meinen depressiven Phasen dann auch eine ganz große Rolle - die realen und vermeintlichen Erwartungen und was sie mit mir machen, welche Ängste sie auslösen und wie ich mich dann im Hamsterrad verheddere, um diesem ganzen "Erwartungsknäuel" gerecht zu werden. Anstatt mal innezuhalten und mich zu fragen, was ich eigentlich will, was meine Wünsche und meine Bedürfnisse sind...

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Thread-EröffnerIn
sandrin
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 18:51

Soooo, komme gerade erst von der Arbeit und habe mich mal kurz eingelesen, bevor es etwas zu essen gibt (siehe , Grundbedürfnisse ).

Ich bin echt froh, diesen Thread eröffnet zu haben, und habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass es doch auch bei vielen anderen ein Thema ist. Was mir auffällt - es scheint tatsächlich einen großen Unterschied zu machen, ob man in einer VT oder in einer eher tiefenpsychologisch fundierten Therapie ist. Mir geht es da so wie einer meiner Vorschreiberinnen (war es kaja?). Ich würde NIE hören, dass ich krank bin. Das wäre völlig undenkbar. Gerade vorhin habe ich noch mit einer Bekannten, die ebenfalls in Behandlung ist, gesprochen, dass ich einfach finde, dass es ein himmelweiter Unterschied ist, ob man eine chronische Depression (wie sie auch bei mir diagnostiziert ist) hat oder eine Lebenskrise.

Ich empfinde es bei mir nämlich genauso, dass mein vorrangiges Ziel sein muss, einen Umgang mit der Krankheit zu finden. Und dazu gehört, mich als krank zu akzeptieren, mir die nötige Fürsorge zu geben (was immer das auch heißen mag) und mich von schädlichen und zusätzlich schwächenden Einflüssen zu schützen. Ufff... Eine Lebensaufgabe.

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Lockenkopf
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 21:10

sandrin hat geschrieben:Doch, doch. Ich arbeite schon noch, weil mir das zumindest noch Struktur gibt, wobei es schon inzwischen sehr schwer ist. Was Medikamente anbelangt, müsste ich nochmal schauen. Muss mir erst einen Psychiater suchen oder eben mal den Hausarzt fragen. In der Therapie ist das kein Thema.
Struktur hin oder her, wer schwer depressiv ist, kann nicht arbeiten weil er sich nicht angemessen bewegen kann, nur das Tempo einer Schnecke zu Wege bringt, keine Konzentration hat, selbst das denken und sprechen fällt schwer. Einem schwer Depressiven fällt die Seife in der Dusche aus der Hand, weil sie ihm zu schwer ist.
Du bist sicher depressiv, aber sicherlich nicht schwer depressiv im Sinn der Diagnose f 32.2.

Du bist in der Lage fehlerfreie Texte über mehrere Din A4 Seiten zu formulieren. Für einen schwer Depressiven nahezu unmöglich.
Eine Mittelgradige Episode passt besser, nach dem was Du hier geschrieben hast.

Übrigens eine Chronische Depression ist die Dysthmie oder Dythymia, hast die vielleicht?
Liebe Grüße
Lockenkopf

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lisbeth
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 21:23

Entschuldigung, Lockenkopf aber das ist in dieser Absolutheit totaler Quatsch. Nicht jede Depression äußert sich identisch. Die Antriebslosigkeit und die Konzentrationsstörungen *können* Symptom sein - müssen aber nicht.

Ich war in meinen schwerst depressiven Zeiten körperlich so fit wie lange vorher nicht. (Und seitdem leider auch nicht mehr...). Konzentration war eins meiner kleinsten Probleme in diesen Zeiten. Und ja, das war eine schwere Episode, von mehreren Ärzten unabhängig voneinander diagnostiziert. Ich war über lange Phasen auch noch in der Lage zu arbeiten - ob das gut oder richtig war steht auf einem anderen Blatt...

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lisbeth
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 21:27

Ich glaube außerdem, dass bei etlichen Menschen, die schon (fast) ihr ganzes Leben mit Depressionen kämpfen, das Repertoire an Bewältigungsstrategien oft auch ziemlich umfangreich ist. Das heißt, sie sind es "gewohnt" oder haben es auch lernen müssen, trotz der Depressionen irgendwie zu funktionieren.... Das heißt nicht, dass es Spaß macht so zu leben, oder dass kein Leidensdruck da ist...
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Lockenkopf
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 22:23

Hinweis Admin: Komplett - Copy&Paste eines Fremdtextes ohne Quellenangabe entfernt.
Nächstes Mal erfolgt eine Verwarnung - bitte lesen Sie die Netiquette und die Benutzungsregeln dieses Forums.


Der ICD-10 ist auch auf dieser Website als Volltext verfügbar - im Bedarfsfall genügt einfach ein Link auf die betr. Seite:
https://www.psychotherapiepraxis.at/art ... .phtml#f32
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Fundevogel
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 23:09

Hallo sandrin,

ich glaube, es sind zwei verschiedene Dinge, einen Umgang mit der Depression für sich selbst und mit anderen zu finden.

Für mich selbst kenne ich Depression als Gestalt mit verschiedenen Gesichtern: Sogar schwere Depression habe ich einer Phase so erlebt, dass ich wochenlang kaum aufstehen konnte und in einer anderen Phase hochfunktional. In Wahrheit war beides gleichermaßen gefährlich, aber in der funktionalen Phase ungleich schwerer zu erkennen. Und ich habe es auch nicht erkannt. So gesehen - gut, dass es bei dir diagnostiziert wurde und du nun versuchst, einen Umgang mit all dem Leid und Schweren zu finden.

Verständnis und Hilfe von außen zu erwarten war und ist schwierig. Ich glaube einfach, dass niemand in Wahrheit mit der Hilflosigkeit umgehen kann, die Depression bedeutet. Denn wie kann man jemandem mit Depressionen helfen? Schwierig. Ich kenne auch beide Perspektiven, als Angehörige und Betroffene. Man kann nichts tun, nichts machen, selbst Gefühle werden verschluckt.

Von daher würde ich immer auch gut überlegen, ob und an wen man das überhaupt kommuniziert, ob man Depressionen hat und wie es einem damit geht. Zu ähnlich sind die Symptome normalen Beeinträchtigungen, die jeder Mensch mal hat und schwierig ein Phänomen zu verstehen, das man oft als selbst Betroffener nichtmal richtig versteht. Ist zumindest mir immer so ergangen, dass ich immer erst im Nachhhinein ein wenig erkennen konnte, was eigentlich mit mir los war.
Fundevogel

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lisbeth
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Beitrag Mo., 05.12.2016, 23:09

Den ICD kenn ich und ich kann lesen:

F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome

Eine depressive Episode mit mehreren oben angegebenen, quälenden Symptomen. -- Quelle: viewtopic.php?p=902810#p902810

Mehrere heißt nicht alle. Und das war auch nicht die Frage von Sandrin, was nun im ICD steht. Also immer schön beim Thema bleiben
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sandrin
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Beitrag Di., 06.12.2016, 06:11

Bevor ich jetzt in die Arbeit gehe. Liebe Lockenkopf, bei allem Respekt. Aber ich vertraue auf die Diagnose meines Artzes, ich glaube eher nicht, dass du das wirklich beurteilen kannst. Ich finde auch nicht, dass es Sinn und Zweck dieses Forums ist, gestellte Diagnosen anzuzweifeln. Im Übrigen kann man auch beide deiner angesprochenen Krankheitsbilder gleichzeitig haben. Darüber findet man im Interet viele Informationen.

Ich melde mich später!

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stern
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Beitrag Di., 06.12.2016, 07:38

Besonders bei chronischen Depressionen würde ich beachten, ob diese nicht "nur" Symptom einer anderen Störung (meinetwegen mit eigener Diagnose) ist oder eine begleitende Störung sein könnte. In der Klinik schilderten Patienten öfters, dass zu der eigentliche Störung oft noch eine Depression diagnostiziert wurde. Oder selbst manche Therapeuten unken, dass in manchen Kliniken jeder Patient mit einer Depression entlassen wird. Will heißen: Doch ich glaube auch, dass Depressionen sich in irgendeiner Form bei vielen psychische Kranken finden lassen. Aber wenn die wesentliche Problematik nicht zugänglich ist, so bin ich der Überzeugung, dass dann ein Grund sein kann, warum die Depression aufrecht bleibt. Ebenso wenn es einer Diagnose braucht, um für angemessene Belastung zur Sorgen. Bei schweren Depressionen ist "normal" die Bedeutung der medikamentösen Therapie relativ hoch (dafür auch effektiver als bei leichten oder mittleren). Und wo die Grenzen zwischen leicht-mittel-schwer gezogen wird scheint tatsächlich je nach Arzt nicht einheitlich zu sein. Bin da zwar auch manchmal verwundert, aber sei es drum. Manche sehen es tatsächlich so, dass bei einer schweren Depression die Lebensführung (nicht nur Arbeit, sondern auch der Alltag) nicht mehr ohne Hilfe aufrecht erhalten kann. Ich persönlich konnte nicht zu allen Zeiten Symptome nicht so kaschieren, dass es nicht aufgefallen wäre. Im privaten sowieso nicht, sondern auch bei flüchtigen Kontakten sprang entgegen, was Sache ist. Dafür war das in der Form bisher keine Dauereinrichtung. Kurzum: Selbst wenn Diagnosen ieS oder weiteren Sinne passen: Menschen sind zu individuell, um sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen (was auch nicht Sinn einer Diagnose ist).
Zuletzt geändert von stern am Di., 06.12.2016, 07:45, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
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(alte Weisheit)

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lisbeth
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Beitrag Di., 06.12.2016, 07:41

sandrin hat geschrieben: Was mir auffällt - es scheint tatsächlich einen großen Unterschied zu machen, ob man in einer VT oder in einer eher tiefenpsychologisch fundierten Therapie ist. Mir geht es da so wie einer meiner Vorschreiberinnen (war es kaja?). Ich würde NIE hören, dass ich krank bin. Das wäre völlig undenkbar.
Interessanter Aspekt, aber macht auch Sinn, wenn man sich die unterschiedlichen Erklärungsmodelle vor Augen hält.
Meine aktuelle Therapeutin (TfP) betont zwar auch immer wieder, dass die Aufgabe eine lebenslängliche ist (Umgang mit den Depressionen finden), aber sie würde nie diesen Vergleich zu einer Krankheit wie Rheuma ziehen.

Ich kann beides nachvollziehen und finde auch in beiden Ansätzen wertvollen Goldstaub für mich:
Der Krankheitsvergleich in der VT war für mich auch erstmal eine Entlastung. Damit war klar: So wie man sich ins Bett legt, wenn man eine Grippe hat, muss ich mich jetzt so verhalten, wie meine Krankheit Depression es erfordert. Da hinkt dann aber auch der Vergleich. Bei einer Grippe ist relativ klar, was zu tun und zu lassen ist. Bei einer Depression muss ich selbst herausfinden, was mir gut tut und was nicht. Und manches tut gut, aber ist mit extremen inneren Widerständen verbunden, die man erstmal überwinden muss. Und was mir heute gut tut, kann morgen schon nicht so gut sein.

So wie mit dem Arbeiten. Ich bin meistens trotz schwerer depressiver Episoden noch in der Lage meinen Job zu erledigen. Und das ist auch erstmal gut - Struktur und so weiter. Aber gleichzeitig kippt das bei mir dann auch irgendwann. Weil ich gerade wenn es mir schlecht geht zum Arbeitsmonster mutieren kann. Da wird das Arbeiten dann zu einer Ersatzbefriedigung. Um die Leere zu füllen und die Verzweiflung nicht zu spüren. Das bringt dann neue Probleme mit sich...

In meiner tiefenpsychologischen Therapie geht es aktuell auch ganz viel um Bedürfnisse. Die da sind, die nie erfüllt wurden, die ich selbst deshalb nicht wahrnehmen kann/darf/will... Und mich langsam - Schritt für Schritt - diesen Bedürfnissen zu stellen. Und die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Und auch zu erleben: in dem Maß wie ich das mache, verändert sich dann auch langsam mein Blick auf die Welt, auf mich selbst.

Das heißt dann auch wieder: Verantwortung für mich selbst und meine Handeln übernehmen. Also auch: Für mich sorgen. Mir selbst mit Mitgefühl begegnen. Verständnis für mich selbst aufbringen.
Da ist dann auch schon wieder die lebenslange Aufgabe...
Weil das mit dem Verständnis und Mitgefühl für mich kein Automatismus ist und vielleicht auch nie sein wird. Das ist immer wieder der bewusste Entschluss, mir selbst so zu begegnen. Und nicht mich selbst noch runter zu machen. Denn das ist im Grunde auch eine Form von SVV (Auch mal wieder ein Vergleich meiner Verhaltenstherapeutin, aber im Grunde hatte sie auch damit Recht).
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sandrin
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Beitrag Di., 06.12.2016, 10:57

Nur eine kurze Anmerkung, weil ich nur kurz Pause habe. Es geht mir hier nicht um eine Diskussion über meine Diagnose - die steht und ist von Fachleuten getroffen worden, die sich schon auskennen.. Mir geht's darum, wie ihr den Krankheitsaspekt seht bzw. in eurem Alltag berücksichtigt. Dabei ist der Schweregrad eh nicht unbedingt maßgeblich.
Ausführlich dann später

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sandrin
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Beitrag Di., 06.12.2016, 15:00

lisbeth hat geschrieben: Interessanter Aspekt, aber macht auch Sinn, wenn man sich die unterschiedlichen Erklärungsmodelle vor Augen hält.
Meine aktuelle Therapeutin (TfP) betont zwar auch immer wieder, dass die Aufgabe eine lebenslängliche ist (Umgang mit den Depressionen finden), aber sie würde nie diesen Vergleich zu einer Krankheit wie Rheuma ziehen.

Ich kann beides nachvollziehen und finde auch in beiden Ansätzen wertvollen Goldstaub für mich:

Ja, das geht mir eigentlich auch so. Ich finde es schade, aber es täte mir halt schon gut, wenn das extreme Bedürfnis nach Ruhe einer Krankheit geschuldet ist und weniger einer allgemeinen Schwäche (ein nicht Grippekranker schläft ja auch nicht so viel wie ein Gesunder). Verstehst du? Es macht das Ganze einfach auch erklärbarer. Aber ich sehe schon auch, dass es wichtig ist, sich mit Bedürfnissen auseinanderzusetzen, wobei ich nicht so ganz weiß, ob das in einer akuten Depression überhaupt möglich ist oder ob man da nicht einfach auch die nötige Basis braucht.

Was ich auch nur unterschreiben kann ist die Tatsache, dass es einfach auch so unterschiedlich ist, was wann hilft. Es ist immer wieder ein Ausbalancieren. Wobei das bei manch anderer Krankheit vielleicht auch so ist (z. B. Rückenschmerzen oder andere Schmerzen im Bewegungsapparat oder auch die Frage "Kühlen" oder "Wärme"). Das macht es für mich auch so furchtbar anstrengend. Es ist eine tägliche Qual. Ich fühle mich manchmal wie so ein unleidiges Kind, dem man es einfach nie recht machen kann. Und dann kommt das von dir angesprochenen Mitgefühl wieder ins Spiel. Das kann ich mir halt leichter geben, wenn ich weiß, dass es eine Krankheit ist, die dahintersteckt.

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