Geschlecht des Therapeuten

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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hummmel
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Beitrag Do., 10.11.2016, 10:28

Meine Kliniktherapeutin ist auch erst 36. Sie konnte aber mehr bewirken als andere, ältere, erfahrene. Und sie war die Einzige, die kein Schiss hatte sich richtig und ehrlich für mich einzusetzen, sich gegen alle zu stellen, als ich in der Klinik von einer Pflegerin Privatnachrichten bekam. Es kommt vielleicht auf darauf an, wie sich jemand gibt und was er schon alles erlebt und durchgemacht hat. Die Kliniktherapeutin war vorher Kriminalkommissarin. Und sir hatte selber eine schwere Kindheit und kann dadurch auch viel erkennen. Mit einem "Therapeutinnenmäuschen" fänd ich das auch ziemlich lächerlich.

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saffiatou
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Beitrag Do., 10.11.2016, 13:24

ich bin da bei StatueOfFreedom,

ich könnte auch nicht mit einer Thera die jünger als ich ist. Ihr fehlt die Erfahrung, die es mit sich bringt wenn man älter ist. Wie soll ich mit so einer über das Alter reden??
hummmel hat geschrieben:Und sir hatte selber eine schwere Kindheit und kann dadurch auch viel erkennen. Mit einem "Therapeutinnenmäuschen" fänd ich das auch ziemlich lächerlich.
OHHH so einen Thera hatte ich auch und der war Mr Hyde, der mir klar machte, daß er viel schwerer traumatisiert sei und bei mir alles nicht so schlimm! ganz schrecklich, wenn die ihre Traumenn nicht bearbeitet haben!
never know better than the natives. Kofi Annan

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hummmel
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Beitrag Do., 10.11.2016, 13:49

Das glaube ich Dir saffiatou. Sie hat Ihre Traumen bearbeitet. Das Mr. Hyde Deine Traumen (ab)wertete geht gar nicht und da kann ich Dich gut verstehen. Ich kann auch verstehen, dass gewisse Themen und Erfahrungen nur mit Älteren Therapeuten bearbeitet werden können.

Ich schätze die Erfahrungen der ambulanten älteren Therapeutin auch, fühlte mich jedoch auch bei der "jungen", noch nicht sehr erfahrenen Therapeutin gut aufgehoben, so dass das Alter und die Erfahrung für mich in dieser Zeit nicht so einen hohen Stellenwert hatte, wie alles andere. Kann mir aber auch vorstellen, dass es für mich nicht gestimmt hätte, wäre ich viel älter als sie.

Lg hummmel

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stern
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:03

Wenn ich eine eigene Traumatisierung des Therapeuten in Erfahrung bringen würde, wäre ich mittlerweile schnell weg (und zwar egal, ob diese bearbeitet ist oder nicht... und wie sehr ich den Eindruck hätte, dass diese überwunden ist oder mir das versichert werden würde). Vielleicht würde ich demjenigen damit unrecht tun, aber ich würde meine Zweifel nicht ausreichend gut ablegen können, ob dieser Therapeut wirklich ausreichend Abstand zu sich selbst herstellen kann. Bei ausreichendem Abstand wäre es nämlich gar nicht nötig, dass das in meiner Therapie Einklang findet, in irgendeiner Form.

Auch in einer Probetherapie habe ich mal erlebt, mit den eigenen Traumatisierungen einer Therapeutin konfrontiert zu werden. Wtf. Weder hatte das sehr viel mit mir zu tun... das hat in meiner Therapie nichts zu suchen... und auch wie sie mit mir kommunizierte ging stellenweise gar nicht (dem ich damals nicht wirklich gut etwas entgegensetzen konnte). Und: Warum nimmt ein Therapeut dann ausgerechnet den Patienten in Therapie. Das kann ja auch einen Grund haben, den man als Patient nicht unbedingt blicken kann... normal gibt es ja eine deutliche Asymmetrie.
Liebe Grüße
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StatueOfFreedom
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:10

Hm, verstehe ich nicht ganz. Mein Therapeut erzählt mir hin und wieder auch von seinen Eltern, mit denen er Ähnliches erlebt hat. Aber ich finde das ganz heilsam, denn er hat Wege gefunden, damit umzugehen und versucht mir, diese Kompetenz weiterzugeben. Er macht mir auch keine Illusionen, dass irgendwann wieder alles gut wird, denn er weiß, wie lang der Weg sein kann. Ich denke, dass die meisten Psychotherapeuten selbst schwierige Dinge erlebt haben und deshalb so ein Interesse an diesem Beruf haben. Nicht umsonst müssen unzählige Selbsterfahrungsstunden während der Ausbildung abgeleistet werden, bei denen die eigenen Probleme bearbeitet werden.


isabe
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:20

Ich denke auch, dass das Erlebthaben eines "gewissen Traumagrades" eher hilfreich denn hinderlich ist. Ich würde natürlich nicht zu einem Psychotiker gehen! Aber zu wissen oder anzunehmen, dass der Mensch, dem ich alles anvertrauen soll, all das nur aus dem Lehrbuch kennt und ansonsten in einer heilen Welt aufgewachsen ist, würde mich definitiv abschrecken.

Das muss auch gar nicht ausgesprochen werden, aber es sollte eben auch nichts verschwiegen werden müssen, von wegen: "Hoffentlich merkt der Patient nicht, dass ich auch gelitten habe".

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Nico
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:39

Ich hätte bei meiner Entziehungskur mit einer jungen Thera arbeiten sollen, zu der hab ich gesagt sie soll einmal 5 Jahre ordentlich saufen dann kann sie sich mit mir über Alkoholismus unterhalten, ein paar Büchln lesen reicht da nicht. Daraufhin hatte ich dort keine " Gespräche" mit Theras mehr.
Nach der Kur bin ich dann zu einem Thera gegangen der selbst trockener Alkoholiker war, da ging dann vieles ganz einfach.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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hummmel
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:42

Sehe ich auch so StatueofFreedom und Isabe, mir hilft beides zu wissen. Kenne aber auch das völlig abstinente meiner ambulanten Therapeutin, über sie weiß ich nichts.

Und eigentlich wollte ich doch nur sagen, dass das Alter für mich nicht in jedem Fall gleich bedeutend ist.

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StatueOfFreedom
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:48

Und es ist auch völlig richtig, jungen Therapeuten eine Chance zu geben. Sie haben eine lange, sehr lange und intensive Ausbildung hinter sich, die absolut nicht nur theoretisch ist oder aus Büchern besteht. Dennoch bin ich da wohl zu voreingenommen, um einem jungen Therapeuten vertrauen zu können. Oder mir fehlt da irgendwie die Weisheit, die ich von meinen Eltern nicht bekommen habe und die ich mir nun versuche zurückzuholen, wer weiß. Man sollte sich nur nicht selbst belügen, indem man zB jemand junges sucht, weil man sich irgendwie so etwas wie Freundschaft erhofft.

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Nico
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:51

Es ist halt so wie beim Chirurgen, der muß auch bei jemandem lernen und Erfahrung machen, aber bei mir nicht unbedingt.
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isabe
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Beitrag Do., 10.11.2016, 14:54

Zu Alter und Geschlecht allgemein:

Das Übertragen funktioniert relativ (!) unabhängig davon. Jeder Mann kann zur Mutter werden, wenn der Patient ihn dazu macht und er sich dazu machen lässt (ich habe Busen und Gebärmutter meines Therapeuten regelrecht gespürt, und er hat mir das "gegeben"). Und auch ein junger Mensch kann zu einem werden, zu dem man aufsieht und den man sich irgendwie "weise" konstruiert; vorausgesetzt, der Rest stimmt, also das, was man "Chemie" nennt.

Manchmal hab ich im Netz Photos von Analytikern gesehen, und wenn die jung UND unerfahren ausgesehen haben, wie jemand, der gerade von zu Hause ausgezogen ist, dann wäre das nichts für mich. Es gibt grundsätzlich aber bestimmt auch junge Therapeuten, die Ruhe und Geborgenheit und Klarheit ausstrahlen.


Speechless
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Beitrag Do., 10.11.2016, 15:29

Ich würde auch niemanden wollen, der mein Alter hat, da ich auch schon viel von der Lebenserfahrung meiner Thera profitiert habe.
Ich glaube aber auch nicht, dass man die gleichen Störungen oder Probleme wie die Patienten gehabt haben muss, um helfen zu können. Manchmal muss das Lehrbuch schon reichen, sonst müssten die Theras ja alle die ganze Palette an psychischen Problemen durchhaben.

Ich bin aber auch froh, dass ich ihre dunklen Erfahrungen nicht kenne, das würde mich viel zu sehr belasten. Damit könnte ich nicht umgehen, aber ich gehe davon aus das weiß sie auch und daher erfahre ich eh nichts.

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stern
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Beitrag Do., 10.11.2016, 17:33

Ich wollte keine Mutter (bzw. Vater) und habe sie mir daher auch nicht gesucht... und finde auch nicht, dass mir etwas fehlt. Therapeutisch "fürsorglich" (oder wie auch immer man das nennen mag) kann man in jedem Alter sein... bzw. natürlich auch alle möglichen anderen Merkmale, die einem wichtig erscheinen. Das hängt mMn eher davon ab, was für ein Typ Mensch der Therapeut ist bzw. von dessen Persönlichkeit. Und übertragen kann man tatsächlich so oder so... ich sah es für meinen Teil eher nicht so nutzbringend (für mich) an, das auch noch "heranzuzüchten". Und klar, jeder ist anders... "früher" hätte/hatte ich mir (auch) schwer damit getan, wenn ein Thera ein unbeschriebenes Blatt ist (wobei "unbeschrieben" relativ zu sehen ist... es geht gar nicht, dass man gar nichts mitbekommt). Mittlerweile finde ich das viel stimmiger. Denn es tut nichts zur Sache, wie ein Thera ist, solange ich mit ihm bzw. ihr einigermaßen klar kommen. Denn es geht um mich... und Erfahrung kann ein Therapeut auch einbringen ohne dass er von sich selbst spricht. Ist auch ein gewisser "Luxus" im Vergleich zum RL, wenn es wirklich hauptsächlich um den Patienten geht. Gut, auf ein paar Persönlichkeitseigenschaften versuche ich zu achten (soweit das ersehen kann). Denn mit ein paar Dingen könnte ich Schwierigkeiten bekommen... aber hier habe ich mir auch schon die Freiheit genommen, das anzusprechen. Klar, bei den Erfahrungswerten kann es Unterschiede geben... aber ich habe bisher immer geschaut, wie jemand damit umgeht, was ich erzähle. Auch Erfahrung ist etwas, was ja nicht nur vom Alter abhängt... auch mit 50 J. muss jemand nicht zwangsweise viel erlebt haben. Aber psychische Erkrankung oder Trauma in der Vorgeschichte ginge für mich tatsächlich nicht (allerhöchstens, wenn es mal eine leichtere Störung gewesen ist. die überwunden ist). Hier habe ich tatsächlich manche Sichtweisen geändert.
Liebe Grüße
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Lockenkopf
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Beitrag Do., 10.11.2016, 17:47

Ich hatte schon eine ganz junge Psychotherapeutin (PIA), jünger als meine Kinder. Und danach einen gemessen an meinem Alter ca. 10-15 Jahren älteren Psychotherapeuten und mein aktueller Psychotherapeut ist noch mal einige Jahre älter.
Alter und Geschlecht sind für mich nicht wichtig.

Und mein aktueller Psychotherapeut sagt von sich, das es in seine gesamte Kindheit nichts schönes gab. Er folglich einen psychische Schaden davon getragen haben muss.
Wichtig bei der Sache ist mir, das mein Psychotherapeut seine psychischen Schwierigkeiten nicht an mir auslebt. Und das tut er definitiv nicht, denn dafür habe ich mittlerweile eine sehr feine Nase, dank entsprechender Erfahrungen mit diversen Mitmenschen.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Solage
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Beitrag Do., 10.11.2016, 20:54

Lockenkopf hat geschrieben:Und mein aktueller Psychotherapeut sagt von sich, das es in seine gesamte Kindheit nichts schönes gab. Er folglich einen psychische Schaden davon getragen haben muss.
Wichtig bei der Sache ist mir, das mein Psychotherapeut seine psychischen Schwierigkeiten nicht an mir auslebt. Und das tut er definitiv nicht, denn dafür habe ich mittlerweile eine sehr feine Nase, dank entsprechender Erfahrungen mit diversen Mitmenschen.
Und genau da muss ich rülpsen, aufstoßen.
Gerade wenn er Dir sagt, dass....
Kümmere Dich bitte um ihn!

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