Gedemütigt wegen Menschlichkeit?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.

isabe
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Beitrag Di., 27.09.2016, 20:16

Hallo, Jupiter,

"Menschlichkeit" ist eher so was wie eine Tugend. Also, Leute, die sich für andere einsetzen, symbolisieren "Menschlichkeit". Du meinst so was wie "Menschsein" - und das beinhaltet auch Schwächen. Alle Menschen sind "menschlich", nicht nur biologisch, sondern auch sozial - will sagen: Sie haben Schwächen. In Beziehungen geht es darum, dass die Leute, die miteinander zu tun haben, sich irgendwie so organisieren, dass das Zusammenleben oder -arbeiten für alle im Idealfall einigermaßen erträglich ist.

Zwei Dinge erleichtern dies:
Erstens: Toleranz im Umgang mit den Schwächen der Anderen.
Zweitens: Akzeptanz der eigenen Bedürfnisse.

Beides kann SO nur jeder für sich selbst erreichen: DU kannst nicht erreichen, dass Andere dir gegenüber tolerant sind. Und DU kannst auch nicht erreichen, dass andere an deiner Stelle deine Bedürfnisse akzeptieren. Du kannst hoffen, dass das so ist - aber du kannst nichts dafür tun, dass das geschieht. Es ist sozusagen dein Auftrag an dich selbst, wenn du dir über das "gute Zusammenleben" Gedanken machst, dass du schaust: "Was ist mir wichtig?" (Schlaf, Pausen, Entspannung, aber auch Engagement, Fleiß, Ausdauer...?) - und dass du schaust: "Wie gehe ich damit um, wenn Andere meine Bedürfnisse verlachen oder nicht ernst nehmen?" - Es bringt dir nichts, wenn du dich sozusagen bei Anderen beklagst, denn hier kann niemand was für dich tun, wenn du im Job Stress hast. Das kannst du nur alleine für dich übernehmen. Du brauchst also einen Standpunkt, der dir allein gehört und von dem aus du dein Leben gestaltest.

Umgekehrt wird vieles leichter, wenn auch du tolerant bist in Bezug auf die Schwächen der Anderen, die vielleicht nicht so sind wie du und die andere Bedürfnisse haben (vielleicht braucht dein Chef schnell eine fertige Arbeit? Oder die Kolllegen wollen nicht deine Arbeit mitmachen, wenn du zu erschöpft bist?) - am besten ist es also, möglichst offen miteiander zu reden, von wegen: "Ich bin zwar langsamer als ihr und ich brauche öfter Pausen. Aber dafür habe ich mich im letzten Jahr nie krank gemeldet / dafür bleibe ich abends auch mal eine halbe Stunde länger / dafür kann ich die Bürokaffeemaschine reparieren" usw.

Niemand kann immer nur geben und niemand kann immer nur nehmen. Gut kann es nur laufen, wenn jeder mal gibt und mal nimmt. Dass es so ist, dass du sozusagen der "Gute" bist und die Anderen die "Bösen", das erscheint mir ein bisschen zu einfach (kann ich aber natürlich nicht beurteilen).

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Jupiter732
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Beitrag Di., 27.09.2016, 20:41

Hey isabe,

ich denke was hier falsch verstanden wird, ist das Wort "Menschlichkeit".
Das ist mir leider erst durch deine Antwort aufgefallen.

Mir fiel nur leider kein anderer Begriff ein.
Ich würde es vielleicht "natürliche physiologische Bedürfnisse eines Menschen nennen".
Grundbedürfnisse der Menschlichkeit? Oder grundsätzliche physiologische Bedürfnisse?

Ich habe dieses ursprüngliche Beispiel weggelassen, da ich es für zu übertrieben hielt, aber vielleicht hilft es besser zu verstehen, was ich meine:

Stell dir vor, man lacht einen Menschen dafür aus, dass er zBsp oft auf's WC muss, weil er eine schwache Blase hat oder ein Blasenleiden.
Oder er wird dafür eben bei den Kollegen verspottet, weil er halt öfter auf's WC muss, und dafür öfter "Pause" macht.

Oder das man einen alten Menschen dafür verspottet, dass er halt sich schwer tut beim Aufstehen und dabei wegen Kreuzschmerzen immer etwas "jammert".

Deswegen dann auch die Frage: Was passiert dann mit diesem Menschen?

Livlig hat das anscheinend richtig verstanden, aber war wohl eher ein Zufall.
Und das man dann mit der Zeit an sich selbst, an seinem Körper und schlussendlich schon fast an seiner Existenz zweifelt, war wirklich ein guter Einwand.

Hier könnte man vielleicht noch anknüpfen was den Zweifel überhaupt ist.
Aber mir genügt eigentlich vorerst um meine Gedanken fortzusetzen der Begriff "zweifeln".


isabe
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Beitrag Di., 27.09.2016, 20:52

Das Beispiel kenne ich aus meiner Schulzeit: Da hatte ich in der Tat (6. Klasse) einen Klassenkameraden der eine schwache Blase hatte und oft aufs Klo musste. Und in der Tat wurde er dafür von vielen Anderen verlacht, und wiederum andere haben geschwiegen. Ich erinnere mich noch, wie mich das geärgert hat und ich dann gesagt hab, sie sollen ihn in Ruhe lassen - und wie dann mein Lehrer mich für mein "gutes Herz" lobte.

Was ich sagen will: Ich glaube, das stimmt, dass viele Menschen so quasi nebenbei gemobbt werden, ohne dass die, die das tun, sich großartig was dabei denken würden. Ich glaube, die planen das nicht ein, von wegen: "Den Jupiter machen wir fertig!" - ich glaube, es ist in so einer Art "gesellschaftlichem Unbewussten" verankert, dass man mit schwachen Menschen so umgehen DARF - denn: "Die sind halt komisch". Und wenn jemand da nicht mitmacht und sich sogar dagegen ausspricht, dann gilt das als "Heldentat" - dabei sollte eigentlich DAS selbstverständlich sein und das Ausgrenzen sollte die Ausnahme sein.

Nur, so tickt unsere Gesellschaft nicht.

Andererseits: Man kann sich das auch so vorstellen, dass die, die dich verlachen, eigentlich die sind, die an sich selbst zweifeln: Wären sie sich ihres Lebens sicher, hätten sie das ja gar nicht nötig, dich als "Anderen" zu verspotten, nur wegen deines Andersseins.

Mit anderen Worten: Ich denke, die Leistungsgesellschaft ist so aufgebaut, dass es immer und für jeden Stress von oben gibt. Selbst ein Chef ist wiederum abhängig vom "Überchef" oder von Kunden usw. Und dieser Stress wird immer weitergegeben an den nächsten Untergebenen. Und ganz unten sind dann die sogenannten "Ausländer" - irgendeinen Sündenbock braucht's immer, wenn es mit dem EIGENEN Leben Schei.ße läuft.

Wenn du das erst mal erkannt hast, dass es also nicht um deine Blase oder deinen Rücken geht, sondern um den, der dich so behandelt, dann hört der Zweifel vermutlich nicht unbedingt auf, aber du kannst vieles von dem, was man dir an den Kopf schmeißt, getrost zurückschmeißen.

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blade
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Beitrag Mi., 28.09.2016, 16:51

Schlafentzug ist
Folter
Bewusstseins-verändernd
Psychosen induzierend
Mitgefühl wird nur mehr existieren, wenn es eine genuine Eigenschaft eines Menschen ist (eine Eigenschaft, die mit ihm stirbt --- und lebt)
....

kommt oft vor
zB im Gastgewerbe
dort
so sagte mir mal einer
gibt es keine Freunde, sondern allerhöchstens kollegiale Kollegen - meist aber sind es Konkurrenten
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Flowfalls
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Beiträge: 293

Beitrag Mi., 28.09.2016, 20:53

Hallo Jupiter, selbstverständlich darfst Du hier deine Sorgen u. Nöte kundtun.
Und unangenehme User auf Ignorliste setzen. Ich denke dafür ist das Forum da! Und man darf auch mal menschlich mit menschlichkeit verwechseln, denn es konnte geklärt werden. Also alles im grünen Bereich!
Was @Isabe schon ausführlich gut erklärt hat bzw. auf deinen Beitrag eingegangen ist, kann ich auch befürworten, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben. Und viele kein Verständnis haben für Abweichungen. Es fehlen Dir vielleicht Bekanntschaften in deinem Umfeld, die Dich Leistungsunabhängig bewerten, wie "nett", freundlich um ein Gegengewicht zu bilden?
So hoffe, konnte dir etwas helfen.
Grüße Flow

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Jupiter732
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Beitrag Mi., 28.09.2016, 21:01

Fehlten mir garantiert, Flowfalls. Aber macht ja nix

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