Gluehbirne90 hat geschrieben:
Es ist so gestartet, dass der Psychologe mich gefragt hat, was es bei mir so neues gibt. Ich habe ihm direkt gesagt, dass es mir schwer fällt, über das Thema zu reden und dass diese Diagnose bei meiner Mutter gestellt wurde. Ich sollte ihm von meinem worst case szenario erzählen. Ich habe ihm davon erzählt, dass ich Angst habe, dass sie das nicht schaffen wird. Seine erste Reaktion war dann „Reicht die Liebe etwa nicht, die Sie als Kind von ihrer Mutter bekommen haben? Brauchen Sie davon unbedingt noch mehr?“ Als ich ihm gesagt habe, dass ich die Frage sehr provokativ finde, hat er nicht locker gelassen und meinte, dass ich doch jetzt erwachsen bin und die Zeit der elterlichen Unterstützung doch jetzt vorbei sei. Dann noch, dass ich offensichtlich nicht alleine klar komme und meine Eltern bestimmt auch erleichtert wären, wenn sie wüssten, dass ich und meine Geschwister auch ohne sie im Leben klar kämen. Naja, ich bin ein Familienmensch und diese bedeutet mir alles. Ich hatte richtig das Gefühl, dass ich mich dafür rechtfertigen muss. Also habe ich ihm offen gesagt, dass ich nicht seiner Meinung bin. Meine Geschwister haben alle Studiert und sehr gute Abschlüsse erreicht. Er dann: Der akademische Abschluss sagt nichts über die Lebenstüchtigkeit aus. Es gibt auch Doktoren, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen. Quasi Fachidioten. Er war der Meinung, dass ich mir eine eigene Familie aufbauen soll, Freund und Kinder und so weiter. Als ich ihm gesagt habe, dass ich daran grade kein Interesse habe, war seine Antwort nur „das sollten Sie aber!“.
Irgendwie habe ich mich richtig in die Ecke gedrängt gefühlt, als Fachidiot, der sein Leben nicht auf die Rehe bekommt. Er hat meine Argumente nicht gelten lassen, dass ich bereits einen Nebenjob habe, mit dem ich Geld verdiene und schon wohl lebensfähig bin. Er erzählt mir dann immer von Leuten, die er behandelt hat und wie sich das bei denen entwickelt hat. Das gibt mir allerdings (da er mich ja erst diese 2 Gesprächsstunden kennen lernen konnte) das Gefühl, dass er mich einfach in Schubladen steckt. Wenn ich ihm sage, dass ich anderer Meinung bin, ist sein Totschlagargument, dass man das ja nicht bewusst macht, dass man sich nicht von den Eltern lösen möchte. Er sagt mir also etwas über meine angeblichen tiefen inneren Konflikte, dabei kann ich nicht sagen, dass ich mich ihm überhaupt richtig geöffnet habe.
Dieses Verhalten kann doch nicht normal sein, oder? Ich habe dann irgendwann nichts mehr gesagt, weil er meine Aussagen nicht gelten lassen wollte. Nach dem Gespräch war ich am Boden zerstört und es ging mir extrem viel schlechter als vorher. Darf ein Psychologe einem sagen, dass man eine eigene Familie aufbauen „muss“ bzw. was für ein Lebenskonzept man da haben darf und was nicht? Ich weiß nicht, ob ich diesem Mann jetzt noch vertrauen kann und von meinem tiefen inneren Unsicherheiten berichten kann, nachdem er mich dafür so fertig gemacht hat, dass ich an meiner Familie hänge und ich traurig darüber bin, dass Meine Mutter diese schlimme Krebsdiagnose bekommen hat. Grade in so einer Situation, wo man sowieso schon extrem angespannt ist. Nach der Stunde wollte ich am liebsten alles hinschmeißen. Aber ich wollte mir hier noch ein Mal eine Meinung einholen, ob so ein Verhalten wirklich normal sein kann?
Der einzige Grund den ich mir denken kann, wann das Verhalten des Psychotherapeuten Sinn macht ist, das dein geschildertes worst case Szenario darin bestand, das Du dich durch den Tod deiner Mutter verlassen, nicht lebensfähig fühlen würdest, oder dein Lebensinhalt verloren gehen würde und du dich da hineingesteigert hast. Wenn Du ihm das gesagt oder angedeutest hast, dann ist die Reaktion den Psychotherapeuten vollkommen angebracht gewesen.
Er hat dich dann nämlich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Und auch klargestellt woran gearbeitet werden muss.
... und meine Eltern bestimmt auch erleichtert wären, wenn sie wüssten, dass ich und meine Geschwister auch ohne sie im Leben klar kämen.
Das ist mit Sicherheit so. Und wenn Du tatsächlich nicht in der Lage bist ohne deine Eltern klar zu kommen, ist das gerade in der Situation in der Deine Mutter steckt eine immens große Belastung für sie.
Wenn dein Problem aber "nur" darin besteht ,den geliebten Menschen, der dich groß gezogen hat und dem Du viel zu verdanken hast, zu verlieren, dann hat dein Psychotherapeut unrecht. Denn das ist ein ganz normales Problem das jeder Menschen hat/haben sollte und das nur Mitgefühl erfordert.