Tiefenpsychologische oder analytische Therapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Miesel
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Beitrag So., 03.01.2016, 08:45

peppermint patty hat geschrieben:Hilfreich sind für mich die Zugeständnisse (Karten in Urlaubs- oder Klinikzeiten, Mails, Telefonate, Kuscheltiere,...) meiner aktuellen Therapeutin, die in der Regel in Analysen nicht üblich sind. Ich finde diese Therapieform ermöglicht mehr "Spielraum" für mich und meine kleinen Anteile.
Es gibt seitens meiner Therapeutin (TfP) keinerlei Zugeständnisse dieser Art, was mich anfangs ziemlich eifersüchtig gemacht hat, wenn ich hier davon las, worüber ich heute aber sehr, sehr froh und dankbar bin.
Für mich war es wichtiger, die Sehnsucht danach zu erkennen und zu bearbeiten, anstatt sie erfüllt zu bekommen, wodurch sie nicht weniger wird und nicht bearbeitet werden kann.
Hätte sie mir das erfüllt, hätte mich das in der Abhängigkeit gehalten.

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peppermint patty
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Beitrag So., 03.01.2016, 09:51

Ja Miesel, es gab hier mal einen Thread darüber was Abhängigkeit fördert. Dort stand dies bei einigen so, dass diese Art von Zuwendung Abhängigkeit unterstützt. Dort habe ich auch geschrieben dass es bei mir genau das Gegenteil bewirkt. Durchgearbeitet wird auch in meiner Therapie auch alles, worüber ich froh bin.

Was ich meinte TfPs sind häufig nicht so abstinent wie Analysen (so auch meine Erfahrung), aber eben nicht immer. Allerdings äußert sich Abstinenz nicht nur an der Art og Zuwendungen, sondern auch sich selbst als Person authentisch einzubringen und die Therapie mehr auf Augenhöhe zu führen (gedeutet wird bei mir nie). Und diese Punkte sind mir beide sehr wichtig.

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stern
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Beitrag So., 03.01.2016, 10:09

Es ist ein und diesselbe Therapeutin... da kann ich mir schlichtweg nicht vorstellen, dass es sooo deutliche Unterschiede in der Beziehungsgestaltung vorherrschen. Abstinenz wie in der klassischen Analyse gibt es doch praktisch kaum mehr... in modifizierten Analyse noch weniger, weil man hier tendenziell ebenfalls weniger über die Übertragungsbeziehungen arbeitet - was nicht heißt, dass jeder Patient mit einem Kuscheltier eingedeckt wird (was auch nicht jeder Patient braucht oder will). Und ein unauthentischer Therapeut verbietet sich von selbst.

Wenn du mit der Person grds. klar kommst, so würde ich höchstens etwas abstecken, welche Unterschiede sie jeweils sieht. Ich denke tatsächlich, mit solchen (teilweise auch) Klischees, wie sie manchmal in Foren gezeichnet werden, solltest du echt vorsichtig sein und direkt mit ihr sprechen.
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Tannenbaum
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Beitrag So., 03.01.2016, 10:11

Ich glaube wirklich nicht, dass man das pauschal so sagen kann. Ich finde, es kommt extrem auf die Therapeutin an, wie abstinent sie ist, wie authentisch sie sich einbringt (ob überhaupt) und ob sie deutet oder nicht. Das werden Therapeuten auch von Patient zu Patient unterschiedlich handhaben. Insofern denke ich nicht, dass ein und dieselbe Therapeutin vollkommen anders sein wird, ob sie nun TfP oder Analyse macht. Aber das müsste man natürlich mit ihr selber besprechen.

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leberblümchen
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Beitrag So., 03.01.2016, 10:17

Und noch mal die Anmerkung: Es ist womöglich nur auf den ersten Blick schön, sich vorzustellen, der Therapeut sei ein ganz toller authentischer Kumpel, der einen verwöhnt. Erst recht, wenn man dem dann jemanden gegenüberstellt, der distanziert ist und kalt. So viel zur Phantasie.

Die Realität sieht so aus, dass hier die Therapeutin dieselbe ist, die nicht sagt: "Wenn Sie 2x kommen, bekommen Sie ein Kuscheltier". Zweitens hat man immer nur seine eigenen Erfahrungen und sollte diese nicht verallgemeinern. Ich hab auch schlechte Erfahrungen gemacht, sehe aber auch die Chancen einer analytischen Therapie, die die TfP so nicht hat - denn sonst gäbe es diese Unterschiede nicht.

Es ist weder so, dass alles dasselbe ist, noch ist es so, dass das Eine immer gut und das Andere immer schlecht ist. Es gibt Unterschiede zwischen beiden Therapieformen, und beide haben immer Vor- und Nachteile. Was letztlich entscheidend ist, ist die Indikation, weniger die Vorlieben, von wegen: "Magst du es gerne gemütlich oder streng?" - das ist Quatsch.

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Ephraim
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Beitrag So., 03.01.2016, 13:12

leberblümchen hat geschrieben: Ich hab auch schlechte Erfahrungen gemacht, sehe aber auch die Chancen einer analytischen Therapie, die die TfP so nicht hat - denn sonst gäbe es diese Unterschiede nicht.
Nur weil sich etwas unterscheidet, hat das andere nicht automatisch andersartige (positive) Möglichkeiten/Chancen. (blau ist anders als rot; Elektroschocks gibts nicht mehr)
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leberblümchen
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Beitrag So., 03.01.2016, 13:36

Gut, ich korrigiere: Man hat mit einer 300stündigen Therapie, die 3x die Woche stattfindet, nicht andere Möglichkeiten als mit einer einstündigen Therapie über 40 Stunden. Dass beides existiert, hat keinerlei Bedeutung.


kaja
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Beitrag So., 03.01.2016, 13:47

Die Maximalkontigente von VT und TFP liegen deutlich über 40 Stunden.
After all this time ? Always.


leberblümchen
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Beitrag So., 03.01.2016, 14:00

Stimmt, der Vergleich war falsch: Also, man hat mit 80h bzw. 100h nicht mehr Möglichkeiten als mit 300h. Spielt überhaupt keine Rolle.

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Tannenbaum
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Beitrag So., 03.01.2016, 14:02

Ephraim hat geschrieben:Nur weil sich etwas unterscheidet, hat das andere nicht automatisch andersartige (positive) Möglichkeiten/Chancen. (blau ist anders als rot; Elektroschocks gibts nicht mehr)
Natürlich gibt es noch Elektroschocks. Es wird heute etwas humaner angewendet, aber angewendet wird es noch: https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrokrampftherapie

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stern
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Beitrag So., 03.01.2016, 14:13

Am Zeitfaktor kann man nicht alles ausmachen... würde "wenige(r) Sitzungen" automatisch "unproduktiv" bedeuten, so dürfte es z.B. keine Klinikaufenthalte geben. Aber da dort sehr intensiv und fokussiert gearbeitet, kommt dabei schon einiges rum. Als ich danach wieder ambulant weitermachte, habe ich das fast entspannend wahrgenommen. Stationär kam es mir hingegen teilweise wie Schwerarbeit vor... war halt anders in mancher Hinsicht. Kling blöd... so als wäre die ambulante Therapie seicht gewesen, was nicht der Fall war. Aber Quantität ist nicht alles.
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leberblümchen
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Beitrag So., 03.01.2016, 14:21

Wenige Sitzungen sind keinesfalls unproduktiv (schrieb ich auch am Anfang), aber es ist eben kein Zufall, ob eine Therapie 300 oder 80 Stunden dauert. Mehr Quantität MUSS auch mehr Möglichkeiten ermöglichen, denn ansonsten wäre mehr Quantität völlig unökonomisch: Man macht ja nicht mehr von etwas, wenn man DASSELBE Ziel auch mit weniger erreichen kann.

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Entknoten
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Beitrag So., 03.01.2016, 14:30

Na ja, ich lese hier immer wieder von Menschen, die mehrere - und verschiedene - Therapien gemacht haben.

Daher sollte man Therapien tatsächlich nicht vergleichen - weder in Qualität noch in Quantität.
Es kommt wohl eher auf den Klienten, seine Ziele, seine Mitarbeit und auf eine stimmige Chemie zwischen Klient und Therapeut an.

Und falls mich nicht alles täuscht wird ja gerade die klassische Analyse deutlich hinterfragt, es ändern sich die Therapieformen und man nimmt immer mehr Abstand von der großen Analyse.
Dum spiro spero. Dum spero amo. Dum amo vivo.
Cicero

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Ephraim
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Beitrag So., 03.01.2016, 14:36

leberblümchen hat geschrieben:Stimmt, der Vergleich war falsch: Also, man hat mit 80h bzw. 100h nicht mehr Möglichkeiten als mit 300h. Spielt überhaupt keine Rolle.
Und es wären noch mehr Möglichkeiten mit ?h einer Elektrokrampftherapie aus den ´30er Jahren.
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mio
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Beitrag So., 03.01.2016, 14:47

leberblümchen hat geschrieben:aber es ist eben kein Zufall, ob eine Therapie 300 oder 80 Stunden dauert. Mehr Quantität MUSS auch mehr Möglichkeiten ermöglichen, denn ansonsten wäre mehr Quantität völlig unökonomisch: Man macht ja nicht mehr von etwas, wenn man DASSELBE Ziel auch mit weniger erreichen kann.
Da kommt eben die Frage ins Spiel WIE will und kann ich das, was ich erreichen will überhaupt erreichen?

So ist eine PfT ja wesentlich "kommunikativer" im Sinne eines aktiv kommunizierenden Therapeuten, das ist methodisch ja auch so gedacht. Eine Analyse wird wahrscheinlich auch in der modifizierten Form vielmehr "abwarten" und "es aus dem Patienten" kommen lassen. Bei bestimmten Störungen ist das sicher auch sehr sinnvoll, vor allem wenn generell der Zugang zu Gefühlen erschwert ist. Das braucht aber auch mehr Zeit für den Patienten, damit ihm überhaupt Zeit gelassen werden kann.

Bin ich aber eh dauernd geflutet von irgendwelchen unsortierten Gefühlen ist ein solches "aus mir herauskommen" lassen unter Umständen einfach nur eine zusätzliche Belastung. Da brauche ich dann den "aktiven" Therapeuten, der mir hilft mit all diesen Gefühlen umzugehen, sie auch mal methodisch ausbremst, mir Hilfe an die Hand gibt im Umgang damit, der für mich erreichbar ist, so nötig bei Krisen. Die "Rolle des Therapeuten" ist eine andere als die des "wartenden und begleitenden Zuhörers" der möglichst wenig Einfluss auf das eigene des Patienten zu nehmen versucht.

Für meine Begriffe sind das dann eben die Punkte wo geklärt werden muss: Was will und brauche ich? Wieviel halte ich aus?

Gegen die dreihundert Stunde hätte wohl niemand was einzuwenden...nur dass diese eben nur bei bestimmten Verfahren bewilligt werden und sie ein Therapeut bei korrekter Vorgehensweise dann wohl auch nur beantragen kann, wenn er dann zumindest "grob" nach diesem Verfahren arbeitet. Das sind ja einfach "Abrechnungsmodalitäten" die von der KK festgelegt werden und in deren Rahmen sich bewegt werden muss.

Würde die Thera sagen: Ach, wir beantragen einfach Richtung der 300h und arbeiten dann wie wir wollen und wie es passt würde sich die Frage nach "Wie wollen wir vorgehen" ja gar nicht erst stellen.

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