Identitätsstörung (ohne 'Dis')

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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lamedia
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 13:42

Hallo leberblümchen, Identitätskonfusion, das ist vielleicht auch eher der Ausdruck für die Spannung in diesen Beziehungen? Es ist ja nicht so, dass ich das selbst so leben könnte, aber ich stelle mir immer vor, dass bei "gesunden Menschen" eine Selbstverständlichkeit in ihren Beziehungen besteht, die sich auch darin äußert, dass es keine sehr großen Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbild gibt, bzw. dass eben einfach gar keine großen Verunsicherungen entstehen. Bzw. sind die Verunsicherungen, die entstehen, aushaltbar und auffangbar. Vielleicht gibt es auch positive, identitätsverleihende Introjekte?

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leberblümchen
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 13:52

Ja, vielleicht macht es mir Angst, etwas herzustellen, es herstellen zu müssen, um etwas zu sein am Ende. Vielleicht so eine Wunschphantasie, sich ins von wem auch immer gemachte Nest zu legen und es dort gemütlich zu haben. Vielleicht ist mir der Unterschied zwischen "Arbeit" und "Inszenierung" noch nicht so klar. Interessant - für mich - ist, festzustellen, dass ich mich stimmiger fühle, wenn ich alleine bin. Tatsächlich bin ich dann auch produktiver.

Und: Ich kann von mir sehr stimmig erzählen, für mich stimmig oder für den Anderen. Das ist nicht mein Problem; es gibt nicht nur Fragmente, die scheinbar zusammenhanglos rumschweben, sondern ich sehe da schon jemanden, der sich seiner Geschichte bewusst ist - das Problem ist eher: Ich weiß nicht, ob ich es bin, der erzählt. Ich sehe und höre jemanden, und es ist klar, WAS erzählt wird - aber ich sehe nicht mich dabei. Es ist, als würde ich über jemanden berichten, kann das auch reflektieren und aufnehmen, was der Andere darüber denkt usw.

Trotzdem geht es m.E. nicht nur ums Tun, sondern auch ums Sein. Ich vermute, dass der Kern das ist, was bleibt, wenn man - scheinbar - nichts tut. Sonst wäre es kein Kern. Und weiter denke ich, dass das etwas ist, was SO nur durch die Spiegelung der primären Bezugspersonen entstehen kann - oder eben nicht.

Lamedia, ja, die Selbstverständlichkeit fehlt, Selbstbild und Fremdbild klaffen sehr oft auseinander: wobei ich nicht meine, dass ich mich mag und ein Anderer nicht, sondern dass ich mich sehe wie xy und dann - im positiven oder im negativen - oft gesagt bekomme, dass mich der Andere vollkommen anders sieht. Ich kann z.B. innerlich ganz sicher zufrieden sein und dann gesagt bekommen: "Was ist denn mit dir los?!" - das ist mir so häufig passiert, dass es kein Zufall sein kann. Umgekehrt ebenso: Ich bin verzweifelt, und der Andere fragt mich: "Hey, alles klar bei dir?"


ziegenkind
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 14:22

vielleicht muss auch der kern immer wieder neu gemacht werden? dadurch z.B., dass man Fremdbilder freundlich und bestimmt korrigiert - auch und vielleicht gerade da, wo das fremde ganz schmeichelhaft ist. das ist sicherlich einfacher, wenn man als kind angenommen wurde. gleichwohl - auch dann ist es verlierbar - aus untätigsein, aus mangelndem mut, aus zu wenig denken oder zuwenig handeln. und umgekehrt, weil "es", der so genannte kern, oder die kohärenz herstellbar ist, kann man das auch ohne jene kindheitserfahrung lernen. manches kann sogar zu einem vorteil werden. weil ich mir meine kohärenz recht schmerzhaft, aber bewusst erarbeitet habe, ist sie mir vielleicht weniger einfach verlierbar. ich sehe und ich schätze sie, weil ich weiß, wie es sich ohne sie lebt.
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SoundOfSilence
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 15:23

Ich denke, es gibt immer so etwas wie Identität - als Empfinden für sich selbst. Ein "Ich bin Ich" - Gefühl. Und das hat viel damit zu tun, dass man "etwas" in sich findet/fühlt/hat, dass als Fixpunkt bestehen bleibt in all der Veränderlichkeit, die man an sich selber eben auch findet (und finden muss, um flexibel zu reagieren und zu agieren im Leben).
Und diese Identität zu bilden, zu fühlen, zu finden - in Frage zu stellen, und auch wieder zu finden, was man eben NICHT in Frage stellen braucht/kann - ich glaube das ist ein Prozess der Individuation, ein Prozess, den jedes Menschenkind (und viel mehr wohl jeder Menschenjugendliche) durchlebt. Es ist aber auch ein Prozess der Gemeinschaftsbildung, und somit etwas, dass auch jede Gruppe durchlebt.
Nicht zuletzt sind in der ganzen nachvollziehbaren Menschheitsgeschichte die wichtigsten (weil Ereignisauslösenden) Aspekte immer wieder die, die eben Sinn stiften - und Identität. Ich glaube ja, das beides hängt eben auch sehr eng zusammen, Sinn fühlen für sich und "sich" fühlen im Sinne eines Wissens um seine eigene Identität.
Und ich denke schon, dass es dabei eben nur einerseits um das geht, was man "in sich" findet - andererseits eben schon auch um das, was man im Außen findet - mithin um Abgrenzung und Eingrenzung und um etwas, was sich nur in der Dynamik mit anderen "erproben" und sichern lässt. Und da spielt die Frage nach den Bindungen, die man erlebt, eine wichtige Rolle, denn wenn man "sicher" gebunden ist, kann man besser erforschen, was man ist und was man nicht ist, als wenn man es nicht ist - das gilt wohl nicht nur für Kinder sondern auch für jene Erwachsene, die ihre Identität nicht "sicher" haben. Gleichzeitig: Je unsicherer man in sich ist, desto schwieriger wird das mit der sicheren Bindung sein...

Was mich fasziniert, Leberblümchen, ist deine "Fixierung" auf das Äußerliche, auf z.B. die Kleidung. Kleidung IST definitiv etwas, das auch etwas aussagt und aussagen soll über einen selbst - es gibt etwas preis, ob man will oder nicht, über einen: Und wenn nur darüber, on man wert darauf legt oder nicht. Und manch ein Mensch, den ich kenne, der sich seiner selbst völlig sicher ist und jenseits jeden Besitzdenkens und jeder Statussymbole lebt, der würde sich vielleicht seiner selbst sehr viel unsicherer werden, sich gar selber verlieren, wenn er plötzlich mehr Möglichkeiten hätte, weil er etwa im Lotto gewinnt oder so etwas. Ich habe jedenfalls schon Menschen sich kolossal verändern sehen, weil sich ihr Leben in die eine oder andere Richtung arg verändert hat. Und den Einfluss von Materiellen Dingen, letztlich also von Geld, auf die eigene Identität und das eigene Identitätserleben kann ich nicht negieren - auch wenn ich es gerne würde. Ich selber lege auf meine Kleidung wenig wert, ich kaufe nicht unbedingt die Hose von Aldi, aber sehr viel lieber bei C&A als bei Gerry Weber - und bei Hallhuber kaufe ich nicht - das fühlt sich einfach gar nicht nach mir an dort... Die meisten meiner Klamotten sind nichtssagend, null acht fuffzehn - und ab und an gibt's mal was Ausgefallenes. Und es gibt Tage, da liebe ich es, du es gibt Tage, da passt das dann einfach nicht zu meiner Stimmung. Einen wirklichen Stil, der MEINER wäre, den habe ich nicht. Ganz unabhängig von der Frage, ob ich ihn mir leisten könnte. Mir gefällt zu viel - und nichts davon wirklich. Also Identität über Klamotten - das schaffe ich nicht. Lediglich eins kann ich also feststellen: Ich bin keine Hallhuber-Frau. Immerhin.

Die Handschriften - ich glaube, das hab ich nicht ganz verstanden. Du schreibst, dass du ganz unterschiedliche Handschriften hast oder kannst - kannst das aber steuern, richtig? Also entscheiden, wie du "heute" oder "jetzt" schrieben willst? Und wenn du einfach, ohne nachdenken, drauf losschriebst - was passiert dann?
Ich kann übrigens auch verschiedene Schriften, also schreibe mal eher Blockschrift, mal Schreibschrift, kann aber auch Calligraphien. Ich entscheide bewusst, was "passt" - die Calligraphien habe ich ja extra dafür gelernt. Wenn ich einfach drauf los schriebe, dann ist es ein Mix aus Block- und Schreibschrift, und der fällt meist sogar unterschiedlich aus, je nach Stimmung. Wenn ich jedoch in einem relativ "dissoziierten" Zustand schriebe, dann ist das Schriftbild oft sehr anders, sehr krakelig, verwaschen, die Rechtschreibung schlecht, keine Lücken zwischen den Worten oder ich schriebe riesig groß. Manchmal auch winzig klein. DAS finde ich selber ein wenig bizarr - aber da geht's mir eher um den Kontrollverlust, der mir Angst macht.

Insofern: Angst vor dem, was ich wohl bin, Angst davor, dass ich am Ende NICHTS BIN - das kenne ich beides auch.
Hello darkness, my old friend...

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ziegenkind
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 16:31

ich glaube, identität ist v.a. das produkt eines unglaublich erfolgreichen diskurses, der etwas so lange postuliert, bis alle glauben, es ganz von alleine zu haben.

identität wird einem zugeschrieben - von anderen oder von einem selber. das zuschreiben kann automatisch und unreflektiert ablaufen, so dass man gar nicht mehr merkt, dass da etwas gemacht wird. wie und was man sich zuschreibt, hängt immer ab von dem, was man tut und getan hat, von den interaktionserfahrungen, die wir machen.

im ergebnis mag es so aussehen, dass wir etwas zu "finden" glauben, da wo wir etwas hergestellt haben.

gleichwohl: es geht nichts über die gut hergestellte identität, ein konstrukt, mit dem ich gut leben kann und mit dem ich gut meine geschichte und mein geworden-sein erzählen kann. eine wunderbare erfahrung. ein gefühl von sich mögen. fliegt einem nicht zu. grbt man nicht aus. macht man sich. lebt man.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Leslie
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 17:23

"Wer bin ich?" bedeutet für mich, ein Gespür zu entwickeln, was mir gut tut - jetzt im Moment. Dass sich das verändern kann (und auch darf!), versteht sich da von selbst.
Unbewusste Überzeugungen wie "ich muss so sein, wie die anderen wollen, dass ich bin, damit ich in Ordnung bin" behindern natürlich dieses Wechselspiel von Fühlen, Selbst-Bewusstsein und Tun.

Ich denke, es geht weniger um die Suche nach dem angeblichen Kern, sondern eher um die Erlaubnis, sich selbst spüren zu dürfen, sich zu spüren und entsprechend zu handeln.


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leberblümchen
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 17:40

Ich war unterwegs, bin gerade nach Hause gekommen und wollte was festhalten; ich gehe noch auf eure Beiträge ein, muss aber erst noch was anderes machen.

Ich glaube ganz fest - das ist meine Überzeugung, also keine Wissenschaft -, dass die wirkliche Identität nicht entsteht durch die Differenz zum Anderen. Ich weiß, dass "richtige" Philosophen das anders sehen, aber mir geht es hier wirklich um meine eigene Suche. Identität, so wie sie wirklich stimmig ist, ist für mich unabhängig von den Merkmalen eines anderen Menschen. Im Gegenteil: Ich behaupte, dass es gerade die Identifikation durch Differenzen ist, die Kriege und Unfrieden entstehen lässt, denn: Da, wo ich es nötig habe, den Anderen zu benutzen, um mich selbst definieren zu können, missbrauche ich ihn auch. Das will der Andere so vielleicht nicht. Und (irgendwo gelesen): Egal wie tolerant eine Gruppe ist, es gibt immer ein Außen. Das Außen wäre ja nicht nötig, wenn es nicht einen Zweck hätte.

Es mag wichtig sein, für sich selbst zu wissen, wo ich mich im Vergleich zum Anderen befinde. Aber das ist eine Negativ-Identifikation. Ich werde erst dann "klein", wenn ich mich mit anderen Menschen messe. Vorher gibt es dieses Merkmal gar nicht. Ich weiß, dass so eine "es muss wohl so sein, dass..."-Identität auch wichtig ist, also: "Wenn alle sagen, dass ich kuschelig bin, dann muss es wohl so sein / Wenn ich größer bin als meine Freunde, muss ich wohl groß sein / wenn ich gute Noten habe, ohne mich anzustrengen, muss ich wohl pfiffig sein / Wenn meine Klassenkameraden schneller rennen und höher klettern, muss ich wohl weniger sportlich sein". Das mag irgendwann relevant sein, z.B. wenn ich mich als Feuerwehrmann bewerben will - aber es hat nichts mit meinem Inneren zu tun.

Solange man es nötig hat, sich über Andere zu definieren, ist es für mich kein stimmiges Selbst. Vielleicht ist das ein sehr hohes Ziel, das kaum jemand erreicht, aber alles Andere ist für mich nicht wirklich ein stimmiges Selbst, sondern nur die Illusion davon. Da liegt mein Problem: nicht zu wissen, wer ich bin, wenn sich nicht die Frage nach Feuerwehr oder Ballerina stellt, sondern wenn es nur um mich selbst geht. Was ich kann, was ich nicht kann usw., das weiß ich alles.

Rest folgt später.


montagne
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 17:43

Hi leberblümchen
Trotzdem geht es m.E. nicht nur ums Tun, sondern auch ums Sein. Ich vermute, dass der Kern das ist, was bleibt, wenn man - scheinbar - nichts tut. Sonst wäre es kein Kern. Und weiter denke ich, dass das etwas ist, was SO nur durch die Spiegelung der primären Bezugspersonen entstehen kann - oder eben nicht.
Denke ich so ähnlich auch. Nur dass ich denke, es muss NICHT DIE primäre Bezugsperson sein. Es kann auch jemand sein im Hier und Jetzt, der einen gut versteht und es gut meint, der einem nahe ist. Zumindest erlebe ich es so. Ich denke da immer an Martin Buber: Das ich wird erst am Du zum Ich.
Ich finde treffender kann man es nicht sagen.

Gleichzeitig denke ich schon, das Sein zeigt sich im Tun.
Ich erlebe es so, dass Menschen im Hier und Jetzt, die mir eben sehr nahe stehen und mich irgendwie sehen können, mir das richtige spiegeln. Mir geht es zumindest so, dass ich ein gutes Gefühl dafür habe, was Ich dann bin und was projiziert ist. Mir ist es aber dennoch erst durch Spiegellung klar geworden, was Ich bin und was Ich nicht bin. Es waren auch nicht immer unbedingt Menschen, die mir nahe standen, aber Menschen die mich sehen konnten oder vielmehr die das sehen konnte und interpretieren konnten, was ich nicht interpretieren konnte.
In diesem Tun, dem trail and error finde ich mich, zeichne ein differenzierteres Bild von mir selbst. Zumindest trifft es auf den Teil meiner Identität zu, an dem ich eben schon seit meiner Kindheit Unsicherheiten verspürt habe.
Ich empfinde es so, dass der Kern immer da war, nur habe ich sehr lange gebraucht, ihn ausreichend interpretieren und verstehen zu können.

Also alles in dem Sinne, meine Identität wurde nicht erschaffen in der Interaktion. Meine Identität war und ist schon vorher da. Aber sie wurde erst sichtbar und verstehbar in der Interaktion. Blieb im Dunkeln und unklar durch zu viel Projektion, falsche Spiegellung (vor allem in missbräuchlichen Situationen), zu wenig Interaktion überhaupt in der Kindheit.

Nun weiß ich bei mir nicht, ob da nicht noch was überprägt wurde, durch bestimmte Ereignisse in der Kindheit und Jugend. Das klänge von außen betrachtet logisch. Gleichzeitig hab ich das Gefühl, ich war schon immer so. Auf jeden Fall aber, habe ich heute ein sicheres Gefühl dafür, was sich richtig anfühlt, wenn ich es fühle. Und es ist eben nichts vollkommen anderes als vor 10, 20, 30 Jahren. Insofern denke ich, was eine gewisse Kontinuität hat und sich gleichzeitig so richtig anfühlt, muss ES dann ja sein... mein Sein.


Ansonsten frage ich mich ob es auch anderen so geht, dass es schon Anteile gibt, bei mir 2 oder 3 (je nachdem wie man es betrachtet), die so weit weg von mir sind, das ich vom Gefühl her nicht sagen kann, dass Ich das bin. Klar weiß ich, dass es zu mir gehört. Aber es fühlt sich nicht so an. Es fühlt ich zu fremd an und unterliegt zu wenig meiner Kontrolle.
Diese Anteile fehlen in meiner Alltagspersönlichkeit. Sie sind da und gleichzeitig kann ich sie eben nich einsetzen, nicht nutzen. In bestimmten Situationen fehlt da wirklich was.
Da hab ich aber auch nicht das Gefühl, dass es sich integrieren lässt nur durch Spiegelung. Na ja vieleicht doch. nur an dem Punkt kenne ich die Anteile ja inszwischen verhältnismäßig gut, ich habe sie gefunden (ohne sie gesucht zu haben), aber sie gehören nach wie vor nicht zu mir.
amor fati


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leberblümchen
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 18:41

Also, jetzt noch mal genauer:

Montagne: ich denke auch, dass es beides ist: sein und tun. Dass beides sich aber auch gegenseitig bedingt. Was ich als Vorstellung fatal finde (auch wenn ich das als Idee nicht falsch finde, nur eben in seiner letzten Konsequenz unstimmig), ist, anzunehmen, Identität entsteht nur durch das Tun. Das hat mir mein erster Therapeut eintrichtern wollen ("Sie SIND doch..., Sie MACHEN doch, nun GUCKEN Sie doch mal...") - was ich mache, das sehe ich auch, und natürlich ist das auch ein Teil von mir; wäre ja sonst auch komisch. Wenn alles gut läuft, dann bekommt das forschende Kind genügend Ermunterung, Spiegelung und Auffangen bei Bruchlandungen. Dann wird weitergeforscht und immer so weiter, bis man dann irgendwann erwachsen ist. Wenn da andauernde Brüche sind ("das tut man nicht" / "was soll das denn?!" / "das schaffst du nicht" / "pass bloß auf"), dann - so stelle ich mir das vor - stoppt die Entwicklung des Eigenen einfach. Und ich vermute, dass man das alleine nicht mehr hinbekommt.

Dass das auch später geht, das hoffe ich auch; vielleicht meinte ich mit "primär" auch eher so was wie "besonders wichtig und so ähnlich wie primär" - also Leute, die einem wichtig sind und die nicht nur einfach so sagen: "Du bist doch 'ne ganz Tolle" oder so, sondern die es vielleicht erst mal auch in der Begegnung aushalten, wenn da NICHTS kommt von mir, wenn ich nicht schauspielere oder dramatisiere, sondern mich leer zeige, wenn ich mich leer fühle. Wenn so was möglich ist, dass der Andere das dann nicht überdecken will, dann kann da bestimmt noch was passieren an Entwicklung, was wirklich etwas Eigenes wäre.

Wegen der Anteile: So wie du das beschreibst, kenne ich das nicht. Naja, manchmal, z.B. nach Alkoholgenuss, kommen dann so Seiten, wo ich mich frage: "DAS soll ich jetzt (gewesen) sein?!" Ansonsten kenne ich nur das Parallelprogramm mehrerer Anteile, die leider nicht zusammenpassen KÖNNEN, weil sie sich ausschließen.


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leberblümchen
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 19:06

SoundofSilence: "Fixierung aufs Äußerliche" - da musste ich erst mal innerlich zusammenzucken, weil ich eigentlich das genaue Gegenteil bin - und damit dann natürlich letztlich eben DOCH fixiert, anti-fixiert, sozusagen. Vielleicht ist das ein ganz gutes Beispiel: Ich habe Konfektionsgröße 48; ich kann also nicht in jeden Laden gehen. Ich weiß erstaunlicherweise sehr genau, was ich gerne kaufen möchte; ich habe sozusagen einen virtuellen Kleiderschrank. Dabei gibt es zwei Probleme, die dann dazu führen, dass ich am Ende völlig andere Klamotten trage als die, die ich eigentlich gut finde. Das erste Problem ist, dass ich weiß, dass "man" ein bestimmtes Bild von bestimmten Klamotten hat: Ich mag z.B. unter anderem Herrenpullis. Ich weiß aber, dass viele Leute das grundsätzlich ablehnen und unweiblich finden - und dann hätte ich wieder das Problem, das Gefühl zu haben, mich rechtfertigen zu müssen oder mich schämen zu müssen. Ich finde z.B., dass Herrenpullis schön aussehen an zierlichen Frauen. Wenn ich so was trage, dann sehe ich plumper aus, als ich bin. Es nützt mir also nichts, etwas anzuziehen, wenn ich alleine mich darin wohlfühle (ich bringe auch immer das Beispiel mit dem Ballerina-Kostüm; ich will nicht aussehen wie Cindy aus Marzahn).

Das zweite Problem ist, dass es viele Dinge, die ich schön finde, nicht zu kaufen gibt: ich mag z.B. Blümchenkleider oder -blusen. Auch das ist was für Leute mit maximal Gr. 42, wenn überhaupt. Was nützt es mir, wenn ich mich fühle wie ein "zartes Blümchenmädchen", wenn ich aussehe wie ein Bauarbeiter? Wer bin ich da also?

Hätte ich wiederum Geld, könnte ich mir etwas schneidern lassen oder mir eine Spezial-Boutique suchen. Hab ich aber nicht. Wäre ich geschickter, könnte ich mir selbst etwas nähen. Bin ich aber nicht. Wer bin ich also? Ich könnte z.B. auch abnehmen, um in die Schablone der Blümchenkleiderträgerinnen zu passen - aber bin ich das dann?

Was dann bleibt, ist - ähnlich wie bei der sexuellen Identität -, das zu nehmen, was irgendwie naheliegend ist. Das, was ich mir leisten kann und das, was es in meiner Größe gibt. Das ist nicht viel (wenn ich explizit hässliche Klamotten oder kik ausschließe). Bin ich das dann?

Zur Handschrift: Ich merke dann, wie ich schreibe. Ich suche mir das aus. Aber ich weiß nicht, nach welchen Kriterien. Wenn ich "automatisch" schreibe, dann ist es so krakelig und unleserlich, dass niemand (ich auch nicht) was davon hat. Ich musste für meine Bachelor-Arbeit so viele Notizen machen, und ich hab mich so geärgert, dass ich dann nach ein paar Wochen vieles definitiv nicht mehr lesen konnte. Wenn ich aber leserlich schreiben will, dann wird es automatisch künstlich. Das ist dann auch wieder so wie: "Ich muss mich inszenieren". Ich habe mehrere Handschriften "im Repertoire", aber ich habe keine Freude daran, weil das nicht ich bin, sondern ich sehe das und finde es blöd, selbst wenn es "handwerklich" gut gemacht ist.


ziegenkind
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 19:10

ich glaube, der glaube an die identität als an etwas, das gefunden werden kann und muss, das "da" ist, ist ausdruck einer sehnsucht, die sich auch im religiösen zeigt. der gedanke, dass ich bin, was ich tue (natürlich immer in der interaktion mit anderen und damit nie von mir allein steuerbar und zudem immer auch von unbewussten regungen motiviert, die auch eine 50 jährige analyse nicht alle bewusst machen kann), das hineingehalten sein ins nichts ist in der trat schwer aushaltbar. schwer aber nicht unmöglich.

ich glaube auch: nichts hilft so sehr zu findung der eigenen identität wie die möglichst täglich an sich selbst adressierte frage: möchte ich diejenige sein, die das tut, was ich tue? ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand diese frage immer mit ja beantworten kann. es gilt also auch mit dem ein oder anderen nein zu leben und daraus zu lernen (anders zu handeln oder eine andere geschichte von sich erzählen). ich bin mir weiterhin sicher, dass man manchmal weder mit einem ja oder einem nein antworten kann. dann gilt es weiter die frage im kopf und auf den lippen zu halten, bis klarheit kommt.
Zuletzt geändert von ziegenkind am Sa., 02.01.2016, 19:12, insgesamt 1-mal geändert.
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mio
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 19:11

Hallo Leberblümchen,
leberblümchen hat geschrieben:sondern die es vielleicht erst mal auch in der Begegnung aushalten, wenn da NICHTS kommt von mir, wenn ich nicht schauspielere oder dramatisiere, sondern mich leer zeige, wenn ich mich leer fühle. Wenn so was möglich ist, dass der Andere das dann nicht überdecken will, dann kann da bestimmt noch was passieren an Entwicklung, was wirklich etwas Eigenes wäre.
hast Du das Deinem Therapeuten schon mal so gesagt? Also dass Du Dir sowas wünschen würdest? Ich glaube nämlich dass der das schon mit Dir zusammen aushalten würde, er muss halt nur wissen, dass das das ist, was Du brauchst.

Lieben Gruss,

mio


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leberblümchen
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 19:14

Mio, in der Therapie finde ich das eigentlich selbstverständlich (also, wenn es gut läuft). Ich bin ja jetzt bei einem anderen Therapeuten, und der hält das aus. Ich hatte bei der Antwort an Montagne eher auch an "normale" Menschen gedacht, so eine Art Mentoren oder andere Verwandte oder gute Freunde oder Kollegen, mit denen man sich auch enger austauscht.


mio
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 19:48

leberblümchen hat geschrieben:Ich hatte bei der Antwort an Montagne eher auch an "normale" Menschen gedacht, so eine Art Mentoren oder andere Verwandte oder gute Freunde oder Kollegen, mit denen man sich auch enger austauscht.
Hast Du das denn schon mal versucht? Ich schweige zB. öfters mal im Kontakt, gerade mit Leuten die ich häufig sehe. Mich strengt dieses ständige Reden und Zuhören einfach extrem an, weshalb ich immer ganz froh bin, wenn Leute auch mal schweigen können.

Oder meinst Du eher, dass Du gerne darüber sprechen würdest? Das sollte doch eigentlich auch funktionieren, je nach Gegenüber eventuell mit mehr oder weniger Verständnis, aber Ablehnung muss das ja nicht gleich hervorrufen. Da kenne ich Menschen die ganz andere Sachen aus dem "Nähkästchen" plaudern und denen auch nicht gleich Ablehnung entgegengebracht wird.

Oder geht es generell um die "Erwartungen"? Da hilft meiner Meinung nach gut, wenn man sich selbst auch mal den Erwartungen bewusst entzieht. Also wo es halt geht. Das kann unglaublich entlastend sein und fängt beim mal nicht ans Telefon gehen an und hört bei der Absage von Terminen die mir gerade zu viel sind auf. In der Regel findet auch das Verständnis beim Gegenüber, kommt halt ein bisschen aufs Gegenüber an. Aber ich fahre da mit Ehrlichkeit eigentlich ganz gut. Oder aber ich bediene mich einer kleinen Notlüge, das musste ich allerdings auch erst trainieren.


ziegenkind
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Beitrag Sa., 02.01.2016, 19:52

die frage ist, ob man jemand sein möchte oder (vorerst und im wissen um die gründe) anerkennen kann, dass man jemand ist, der redet aus angst eines anderen erwartung nicht zu erfüllen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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