Reizüberflutung als gravierendes Problem!

Alle Themen, die in keines der obigen Foren zum Thema "Psychische Leiden und Beschwerden" passen.

Jenny Doe
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Beitrag Sa., 17.10.2015, 12:03

Hi Harmonia
Was mich nervt sind so Unterhaltungen a la Kafeeklatsch.
Bei Autisten wäre das "Small talk" nicht mögen. Interessant und spannend, wie man alles auch mit "ist normal" erklären kann.
Das langweilt mich einfach.
Wie reagierst Du dann?
Ich mag aber gute Gespräche zu bestimmten Themen und tiefen emotionalen Austausch.
Ja, das mag ich auch. Man kann z.B. gerne mit mir stundenlang über die Flüchtlingsprobelamtik diskutieren. Aber diese Small Talk Gespräche übers Wetter und wie gestern das Einkaufen so war, ... ne, nicht mein Ding. Da legt sich mein Gehirn schlafen
Ist es denn deine Therapeutin, die dies glaubt?
Die glaubt noch gar nichts. Kennt mich ja erst 5 Stunden und macht sich noch ein Bild von mir.
Entscheidend ist vielleicht auch, wie es in der Kindheit war. Welcher Mensch warst du da?
Die Probleme der Reizüberflutung hatte ich schon immer. Aber HS soll ja auch genetisch bedingt sein, ... von daher schwer retrospektiv zu sagen, was mit mir als Kind los war.
Dass du nicht Zuhören magst, könnte vielleicht auch für das Bedürfnis stehen, dass du dir selbst wünschst, dass man dir zuhört?
Ich selbst mag ja auch nicht reden. Wenn mich meine Thera was fragst bin ich meist nur genervt, weil die Antwort nicht wichtig ist. Ich rede am liebsten nur dann, wenn ich etwas zu sagen habe, was wichtig ist. Manchmal beteilige ich mich auch am Small Talk. Macht man ja so
Mir wärs am Liebsten, wenn alles ruhig wäre, wenn Menschen nur dann reden, wenn sie wirklich was zu sagen hätten. Man stelle sich mal diese Ruhe vor
Hochfunktionaler Autismus, ist das nicht noch eine Steigerung zum Asperger Autismus?
Weiß ich leider nicht. Habe mich noch nicht so tief mit dem Thema beschäftigt. Will erst mal nur bei mir bleiben und bei Beschreibungen, wie ich was erlebe. Ich möchte verhindern, dass mir das nochmal passiert, dass ich alles durch die Brille einer Diagnose erkläre. Denn alles was ich habe, ließe sich mit HS, Autismus oder auch PTBS erklären oder eben auch als "normal". Je nachdem durch welche "Diagnose-Brille" ich blicke, kann alles "logisch" erklärt werden. Aber ich möchte keine Erklärungen haben, ich will herausfinden, welche Probleme ich habe.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Harmonia
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Beitrag Sa., 17.10.2015, 12:13

Hallo Jenny,

okay, dir geht es gar nicht um die Diagnose.
Wenn mich ein Gespräch langweilt, bin ich zumeist nicht alleine angesprochen, sprich in einer Runde etc. Entweder ich klinke mich aus oder höre auch schon mal zu. Nicht jeder Small Talk ist mir zuwider. Wenn ich im Aufzug unterwegs bin etc. dann halte ich Small Talk für angemessen und in Ordnung. Ich finde übrigens auch, dass Leute unnötig viel reden. Ich bemerke es in Gesprächen, bei denen ich denke: jetzt komm doch bitte mal zum Punkt und schweife nicht endlos ab. Je nachdem funke ich dann tatsächlich auch dazwischen, bevor ich mich ärgere.
Herzliche Grüße
Harmonia


Jenny Doe
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Beitrag Sa., 17.10.2015, 12:31

Hi Harmonia
okay, dir geht es gar nicht um die Diagnose.
Für eine klare Diagnose ist es bei mir noch zu früh. Da ist zuviel Durcheinander und auch zuviel durcheinander geraten. Ich bin froh jetzt eine Therapeutin zu haben, die nicht und nichts interpretiert.

Ich habe mal jemanden kennengelernt, der hat sowohl die Diagnose HS als auch Asperger in der Therapie bekommen. Ist mir bis heute ein Rätsel, wie die beiden Diagnosen zusammenpassen. Das HS ein Merkmal des Autismus ist, ist mir klar. Aber die Kombination aus HS, wie ich sie verstehe mit Detailwahrnehmung usw. und zugleich Asperger, passt irgendwie nicht zusammen.
Es handelt sich um die Intense World Theorie. Hast du davon schon mal etwas gehört?
Noch nie von gehört. Ich lese mir den Texte gleich mal durch. Interessiert mich.
Hier geht es auch darum, dass man als Autist mitunter viel tiefer in seine Mitmenschen hineinschauen kann, als es das Gegenüber bei sich selbst tut.
Was es alles gibt und für was es alles Namen gibt Lese ich gleich mal, nach einem leckeren Mittagessen.
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Jenny Doe
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Beitrag So., 18.10.2015, 07:07

Hallo Harmonia,

ich fand den von Dir verlinkten Text hochinteressant. Er kommt meiner Eigenwahrnehmung, von allen Texten, die ich bisher gelesen habe, am nächsten. Aber auch nicht komplett. Es gibt keine Diagnose, die wirklich auf mich zutrifft. Alle Diagnosen kratzen meine Probleme nur am Rande.
Autisten fehlt es nicht unbedingt an emotionaler Empathie
Aber auch bei diesem Text ging mir derselbe Gedanke durch den Kopf, der mir auch bei anderen neuen Diagnosen kommt: Man nimmt ein Symptom, das bisher als Hauptsymptom für eine bestimmte psychische Störung galt, raus und kreiert aus dem Rest eine neue Diagnose.
Genau aus diesem Grund weigere ich mich meine Probleme durch die Brille eines Diagnose-Namens zu sehen. Gleichzeitig weiß ich, dass ich ohne richtige Diagnose vermutlich nie die richtige Behandlung erfahren werde. Das ist mein Dilemma. Ich finde mich in allem nur zum Teil wieder.
Nichts desto trotz kenne ich das Problem der Reizüberflutung und der Hochsensibilität. Ob die HS bei mir nun eine "eigenständige Diagnose" ist oder Bestandteil einer anderen Diagnose bleibt für mich unklar.
Aber vielleicht liegt da die Erklärung drin, dass sämtliche HSP auch die Vorteile ihrer Hochsensibilität sehen, während sie für mich eine einzige Qual ist und bleibt, für mich enormer Stress und Schmerz bedeutet. Mir tun Reize richtig weh, ich verspüre starken Schmerz und vermag deshalb nichts Positives an meinem Problem zu sehen.
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Harmonia
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Beitrag So., 18.10.2015, 10:03

Hallo Jenny,
ich finde den Artikel auch sehr interessant und spannend, auch weil es Autismus nicht so defizitär beleuchtet, wie es sonst schon mal gerne der Fall ist, sondern eben auch die Stärken unterstreicht. Das finde ich sehr begrüßenswert.
Und ich kann nur sagen: wir sind alle einzigartig und die Wissenschaft ist noch nicht am Ende, wird nie ein Ende finden. Insofern gibt es auch hinsichtlich Autismus bestimmt noch vieles zu entdecken, zu differenzieren etc.
Ich finde mich auch in keiner Diagnose gänzlich wieder, kratze Vieles an. Zum Glück bin ich an einen Therapeuten geraten, der wenig mit Diagnosen arbeitet, sondern eher vom Erleben ausgeht und hier ansetzt. Ein echter Mensch, der mir da gegenüber sitzt, sehr angenehm. Ich habe bereits viele Therapeuten privat kennen gelernt. Mir graust es da immer, wenn ich bedenke, dass sie mit Menschen zusammenarbeiten. Bei niemandem von ihnen würde ich je eine Therapie beginnen. Es sind keine Therapeuten aus Berufung, sondern....whatever...wollen sich ausschließlich gut oder überlegen fühlen etc. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück, dass du die richtige Therapeutin gewählt hast.
Herzliche Grüße
Harmonia

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candle.
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Beitrag So., 18.10.2015, 10:18

Jenny Doe hat geschrieben: Aber vielleicht liegt da die Erklärung drin, dass sämtliche HSP auch die Vorteile ihrer Hochsensibilität sehen, während sie für mich eine einzige Qual ist und bleibt, für mich enormer Stress und Schmerz bedeutet. Mir tun Reize richtig weh, ich verspüre starken Schmerz und vermag deshalb nichts Positives an meinem Problem zu sehen.
Jenny, Stress kann man ja entgegenwirken! Jedenfalls in der Regel, bei traumatischen Stress ist es etwas schwer.

Kennst du diesen Test? http://open-mind-akademie.de/hochsensibilitat/

candle
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Harmonia
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Beitrag So., 18.10.2015, 16:47

Ich denke nicht, dass man jedem Stress entgegenwirken kann, außer eben durch Rückzug. Autisten brauchen viele Ruhezeiten, sehr sensible Menschen auch. Wenn Reize weh tun, ich kenne es auch, vor allem im auditiven Bereich, aber auch helles Tageslicht belastet meine Augen, dann kann man versuchen diese Reize zu meiden, eine Sonnenbrille aufzusetzen, Ohrstöpsel etc. dabei zu haben, aber auch die helfen nicht, wenn du in der U-Bahn sitzt und die Bahn bremst etc.
Herzliche Grüße
Harmonia


Waldschratin
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Beitrag So., 18.10.2015, 17:13

Harmonia hat geschrieben:Ich denke nicht, dass man jedem Stress entgegenwirken kann, außer eben durch Rückzug.
Oder durch "Ausgleich".
Für manche Leute ist das Sport/Bewegung,für andere Achtsamkeit/Meditation,für mich ist es derzeit zu nem gutem Teil das Singen ,für andere von jedem etwas.
Rückzug und Reizvermeidung geht nunmal tatsächlich nicht immer und überall.
Ich nenns "Energiemanagement" : Ein für mich und meine Bedürfnisse,aber auch Anforderungen möglichst ausgeglichenes Energiemanagement hinzukriegen.Und das find ich auch nicht leicht und geht auch bei mir sehr an dem vorbei,was heutzutage als "normal" angesehen wird.


Waldschratin
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Beitrag So., 18.10.2015, 17:27

Jenny Doe hat geschrieben:Mir tun Reize richtig weh, ich verspüre starken Schmerz und vermag deshalb nichts Positives an meinem Problem zu sehen.
Ja,das kenn ich auch! Und kann auch gut verstehen,daß du an der HS nix Gutes finden kannst,solange du da noch keinen Ausgleich gefunden hast.
Ich bin selber grade auch wieder in Richtung "Schmerz" unterwegs,da ich inzwischen merke,daß ich irgendwie ne "unstimmige" Bewertung von Schmerz in mir trag.Ist wohl meiner "Fähigkeit" zur Dissoziation geschuldet und meinem "Training" von Kindesbeinen an,was (sadistische) Gewalt aushalten angeht...Da ich von klein auf,eigentlich wohl schon von Mutterleib an,sowas wie "Schmerzfreiheit" gar nicht kenne (Liegt ja auch mit an der HS),ist Schmerz was so "Normales" für mich,daß ich wohl recht früh gelernt hab,den wohl eher "festzustellen" denn tatsächlich zu erleben.Also im Prinzip gleich mal von vorneherein alles an Schmerz wegzudissoziieren.
Nur inzwischen bin ich mir selber so nah und "integriert",daß ich jetzt nen anderen Umgang mit Schmerz an sich brauche,ne andere "Wahrnehmung" zu Schmerzen,weil meine alte Art zwar praktisch klingen mag,aber einfach nicht mehr stimmig ist jetzt.Ich brauch da ne "Angleiche" meines Energiemanagements an diese inzwischen veränderte Art des Schmerzerlebens.
Mein Hausarzt meinte letzthin ganz trocken,ich müsse "Jammern" lernen.
Und ich steh jetzt da und stelle tatsächlich fest,daß mir "Klagen" nix sagt,ich da bin wie ein Baby,das auf seinem Windelpoppes sitzt und reichlich ratlos feststellt,daß es noch nicht weiß,wie "krabbeln" geht.

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Harmonia
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Beitrag So., 18.10.2015, 20:00

Mir gefällt dein Untertitel Waldschratin
Herzliche Grüße
Harmonia


Waldschratin
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Beitrag So., 18.10.2015, 20:06

Danke,Harmonia!
Ist inzwischen sowas wie mein Lebensmotto geworden.Bringt viel (innere) Freiheit. Und jede Menge Herausforderung...


Jenny Doe
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Beitrag So., 18.10.2015, 21:38

@ Waldschratin
Oder durch "Ausgleich".
Ich habe Ausgleich schon ausprobiert. Mindestens drei Tage die Woche gehören nur mir und einem Ausgleich, der Meditaion beinhaltet genauso wie Waldspaziergänge usw.. Es tut mit im Moment des Ausgleichs tatsächlich saugut, ... aber, Ausgleich verstärkt mein Problem. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich gehe z.B. durch den Wald und spüre Entspannung pur. Ein wunderschönes Gefühl runterzukommen. Doch dann verlasse ich den Wald und kehre nach Hause zurück und werde regelrecht erschlagen von den Reizen. Nach einem Ausgleichtag wirken die Reize auf mich mindestens doppelt so intensiv und laut als im "Normal-HS-Zustand".
Dasselbe tritt auf, wenn ich "meine eigene Wet" verlasse. Ich habe in meinem Kopf so eine Art Ruheort, der mir hilft alle Reize um mich herum auszublenden. Ich bin dann völlig leer, höre nichts mehr, sehe nichts mehr, denke nicht mehr, nehme nichts mehr wahr, kann nicht mehr zuhören, nicht mehr antworten, ... ein tolles Gefühl. Für mich meine Welt in der ich mich wohlfühle, in der ich die Ruhe finde, die ich brauche. Wenn ich dann "zurückkomme", z.B. weil mich jemad was fragt oder ich die Straße überqueren muss, dann erschlagen mich die Reize mit voller Wucht. Es ist wie ein Tauziehspiel in meinem Kopf. Mein Gehirn zieht mich zurück in die Ruhe, "die Leere" und die Realität zieht am anderen Strang und zwingt mich zum Zuhören, zum auf Autos achten, zum Antworten, ... Schwer zu beschreiben.

@ Harmonia
wir sind alle einzigartig und die Wissenschaft ist noch nicht am Ende, wird nie ein Ende finden. Insofern gibt es auch hinsichtlich Autismus bestimmt noch vieles zu entdecken, zu differenzieren etc.
Tolles Posting. Danke für Deine ermunternde Antwort.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Harmonia
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Beitrag Mo., 19.10.2015, 08:27

Jenny Doe hat geschrieben:@ Waldschratin
Oder durch "Ausgleich".
Ich habe Ausgleich schon ausprobiert. Mindestens drei Tage die Woche gehören nur mir und einem Ausgleich, der Meditaion beinhaltet genauso wie Waldspaziergänge usw.. Es tut mit im Moment des Ausgleichs tatsächlich saugut, ... aber, Ausgleich verstärkt mein Problem. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich gehe z.B. durch den Wald und spüre Entspannung pur. Ein wunderschönes Gefühl runterzukommen. Doch dann verlasse ich den Wald und kehre nach Hause zurück und werde regelrecht erschlagen von den Reizen. Nach einem Ausgleichtag wirken die Reize auf mich mindestens doppelt so intensiv und laut als im "Normal-HS-Zustand".
Dasselbe tritt auf, wenn ich "meine eigene Wet" verlasse. Ich habe in meinem Kopf so eine Art Ruheort, der mir hilft alle Reize um mich herum auszublenden. Ich bin dann völlig leer, höre nichts mehr, sehe nichts mehr, denke nicht mehr, nehme nichts mehr wahr, kann nicht mehr zuhören, nicht mehr antworten, ... ein tolles Gefühl. Für mich meine Welt in der ich mich wohlfühle, in der ich die Ruhe finde, die ich brauche. Wenn ich dann "zurückkomme", z.B. weil mich jemad was fragt oder ich die Straße überqueren muss, dann erschlagen mich die Reize mit voller Wucht. Es ist wie ein Tauziehspiel in meinem Kopf. Mein Gehirn zieht mich zurück in die Ruhe, "die Leere" und die Realität zieht am anderen Strang und zwingt mich zum Zuhören, zum auf Autos achten, zum Antworten, ... Schwer zu beschreiben.

@ Harmonia
wir sind alle einzigartig und die Wissenschaft ist noch nicht am Ende, wird nie ein Ende finden. Insofern gibt es auch hinsichtlich Autismus bestimmt noch vieles zu entdecken, zu differenzieren etc.
Weißt du, was mir hierzu eingefallen ist: dass man jemanden evtl. ganz langsam an die Reize dieser Welt gewöhnen müsste, statt des Rückzugs, wenn ich auch selbst davon sprach, dass wir den Rückzug brauchen. Wie eine Musikanlage, die man immer weiter aufdreht, erst ganz leise und schrittweise über einen langen Zeitraum immer lauter. Ich selbst habe z.B. den Eindruck, dass ich durch meinen Rückzug noch geräuschempfindlicher etc. geworden bin, als ich es noch vor vielen Jahren war, wo ich mehr unterwegs war. Es könnte sein, dass man sich daran gewöhnt, dass alles ganz ruhig ist etc., sodass man dann für Geräusche sensibler wird, wenn sie mal auftauchen. Wir sprechen vom Gehirn ja auch von Neuroplastizität und zwar ein Leben lang. Insofern erscheint es mir möglich beispielsweise im Laufe des Lebens sensibler zu werden ebenso wie umgekehrt etc.
Herzliche Grüße
Harmonia


Waldschratin
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Beitrag Mo., 19.10.2015, 10:28

Interessanter Ansatz,@Harmonia!
Ne Art Desensibilisierung.Klingt erstmal logisch,aber ich denke schon auch,daß das seine (wahrscheinlich relativ eng gesteckten...) Grenzen hat.

Ich kenn das schon auch,daß ich dann Geräusche/Lärm etc. noch intensiver erlebe nach ner Zeit der Ruhe/Stille,wenn auch nicht in dem schlimmen Maß,wie du @ Jenny das beschreibst.Das klingt wirklich total belastend und quälend!

Was ich bei mir merke,grade zur Zeit,wo ich mich mit "Schmerzbewertung" mal wieder näher befasse,daß es da für mich Ansatzpunkte gibt.Daß ich auf Manches wie früher gewohnt gleich mal mit ner Art Panik reagiere,so ner unterschwellig-automatischen und ich "Gewohnheitsgedanken" krieg in die Richtung "Das überfordert mich gleich!" - dabei die Realität aber ganz anders aussieht und ich mir längst weit mehr Spielraum und "Grautöne" erlauben könnte.
Wenn ich mir das bewußt mache,dann sinkt mein Stress automatisch schon mal um ne ganze Menge und ich kann besser hingucken,wie ist die Belastung denn grade tatsächlich,im Hier und Jetzt,für mich zu bewerten?

Wenn ich jetzt mal von dem ausgeh,was man über Schmerzverarbeitung,grade chronische Schmerzen,inzwischen so alles weiß,dann hat es ja v.a. mit den Verknüpfungen im Gehirn und den Abläufen dort zu tun - und im Grunde eigentlich gar nix mehr mit dem Körperteil,der vermeintlich weh tut.Also "Gewohnheitsempfinden".
Vielleicht ist das mit der Reizverarbeitung bei uns HSlern ja ähnlich...?

Insofern schließt sich da für mich der Kreis Richtung "Desensibilisierung".Weniger im klassischen Sinn,sondern mehr in Hinsicht auf evtl. veränderte Verarbeitungsabläufe im Gehirn,die man (um)lernen könnte...
Alles noch sehr unausgegorene Gedanken grade...


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 19.10.2015, 15:12

@ Waldschratin
"Gewohnheitsgedanken" (...) "Das überfordert mich gleich!"
Es gibt ein Ort hoch oben auf einem Berg, den liebe ich. Es ist so still dort. Da der Ort nur schwer zu erreichen ist, kommt dort kaum ein Mensch vorbei. Herrlich dort oben, mit einer Ausnahme. Die Stille wird von Autobahngeräuschen aus der Ferne gestört. Manchmal, wenns mich nervt, stelle ich mir vor, die Geräusche seien Meeresrauschen. Das hilft mir. Mittels Gedanken kann man, denke ich, schon einiges ändern.
Aber ich merke auch, dass dieser Ansatz Grenzen hat. Also, zumindest bei mir. Wenn ich durch die Stadt laufe, dann helfen positive Gedankengänge nicht. Dann merke ich, dass mein Problem kein Problem der Reizbewertung ist und auch nicht des Selbsteinredens "Gleich überfordert es mich", sondern ein Verarbeitungsproblem. Das Problem tritt ja auch bei positiven Reizen auf, die eine bestimmte Intensität oder Zeitspanne überschreiten. Oft sehr zu meiner Verärgerung. Dann versuche ich mir eher einzureden, dass ich das noch aushalten kann. Aber mein Gehirn sagt was anderes, es zieht mich einfach in "meine Welt".
Alles noch sehr unausgegorene Gedanken grade...
Aber spannende Gedankengänge. Ich werde sie trotz meines Widerspruchs mal beherzigen und mal schauen, ob vielleicht doch solche unbewussten Gedankengänge bei mir ablaufen.

@ Harmonia
Es könnte sein, dass man sich daran gewöhnt, dass alles ganz ruhig ist etc., sodass man dann für Geräusche sensibler wird, wenn sie mal auftauchen.
Ich finde den Gedanken sehr interessant. Ich habe mir selber auch schon oft die Frage gestellt, ob mein Problem daher rührt, dass ich als Kind ohne Reize aufgewachsen bin. Meine Mutter hat mich ja eingesperrt und in meinem Elternhaus wurde kein Wort miteinander geredet. Kein Guten Morgen, nichts. Wir gingen aneinander vorbei, als wären wir Luft, als würden wir nicht existieren. Wir sprachen kein Wort miteinander und ich hatte, außer der Schule, keine sozialen Kontakte. Wir bekamen nie Besuch oder ähnliches. Erst als ich 16 Jahre alt war setzte ich mich zu Hause durch und suchte mir Freunde.
Ob der von dir vorgeschlagene Ansatz mir heute noch helfen könnte, vermag ich nicht zu sagen. Wenn meine Therapeutin nach ihren 3 Monaten Urlaub wiederkommt und wir endlich mit der Therapie beginnen, werde ich sie fragen, ob sie Methoden kennt, die mir helfen mit der Reizüberflutung umzugehen. Sie hat schon letzte Sitzung verlauten lassen, dass sie mit mir gerne eine Übung machen möchte, die mir bei meiner Desorientierung helfen soll, die eintritt, wenn sich meine Umwelt verändert, z.B. ein Supermarkt schließt und sich dadurch das Straßenbild verändert. Ich habe also die Hoffnung, mit ihr meine Probleme angehen zu können.
Es könnte sein, dass man sich daran gewöhnt, dass alles ganz ruhig ist etc., sodass man dann für Geräusche sensibler wird, wenn sie mal auftauchen.
Ich haalte das für wahrscheinlich. Ich habe eine Freundin bei der genau das zu beobachten ist. Sie hat sich aufgrund bestimmter Gründe völlig zurückgezogen, geht seit über 5 Jahren nicht mehr raus, verlässt ihre Wohnung nicht mehr. Als sie es mal wagte klagte sie über Reizüberflutung. Sie kommt auf der Straße nicht mehr zurecht. Bei ihr könnte, so denke ich, dein vorgeschlagener Ansatz helfen, nämlich sie langsam wieder an Reize zu gewöhnen.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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