Diagnosen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Lena
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 13:24

Für mich spielen Diagnosen mittlerweile keine Rolle mehr. Als ich vor vielen Jahren mit Therapie angefangen habe, wusste ich gar nicht, was man alles so "haben" kann und ich hab nie nachgefragt. Dann war ich mehrfach in derselben Klinik, habe eine (war mir damals nicht klar) krasse Fehldiagnose bekommen und wurde dementsprechend in der Klinik auch falsch behandelt. Als ich dann einen neuen ambulanten Therapeuten gefunden hatte, hat der zwar die Klinikberichte gelesen (und die falsche Diagnose), hat das nach ein paar Monaten aber revidiert. Bis dahin wusste ich auch nichts davon, dass die Diagnosen vorher falsch waren. War nur erstaunt, dass ich plötzlich die Tabletten absetzen sollte.

Dass er mit seiner Ansicht wohl richtig lag, hat der Therapieerfolg gezeigt. Nach mehreren Jahren Stillstand bzw. wohl mehr Rückschritt hat sich seitdem sehr viel in die richtige Richtung bewegt. Aus einer berenteten und mit Medikamenten ruhiggestellten Patientin wurde eine vollzeitarbeitende und im Alltag auch ohne Medikamente "funktionierende" Patientin. Krankenkassen, Gutachter oder wen auch immer hat übrigens auch nie interessiert, warum die Patientin, die laut Klinik nie ein Leben ohne Medikamente führen wird, plötzlich keine Medikamente mehr nimmt und in einer ganz andere Richtung behandelt wird.

Die damaligen falschen Diagnosen stehen wohl immer noch irgendwo. In den Akten der Klinik sowieso. Bei der Krankenkasse wohl auch irgendwo. Aber es interessiert sich keiner mehr dafür. Es spielt keine Rolle.
Für mich selbst war es eine zeitlang wichtig zu wissen, was ich habe und es hat mir geholfen mich zu verstehen und vor allem zu sehen, dass es das gibt, dass es eine Ursache hat, dass es Therapien dafür gibt. Ich hab Bücher dazu gelesen, ich hab mich informiert, was es für Therapiemethoden gibt, ich hab Berichte von anderen Betroffenen gelesen - das alles war wichtig für mich und mein eigenes Verstehen. Heute ist das nur noch selten so. Heute interessiert mich auch nicht mehr, wer mir welchen Stempel gibt. Spielt für mein Erleben keine Rolle mehr und für meine Therapie auch nicht.
Und bei den jetzigen Klinikvorgesprächen hat keiner nach ärztlichen Berichten gefragt, da hab ich meine Problematik geschildert und meine aktuellen Schwierigkeiten.

Am Ende macht eine Diagnose aus mir keinen anderen Menschen. Schwierig wird es nur dann, wenn u.a. mit Medikamenten völlig falsch behandelt wird und man dadurch vielleicht auch Schaden nimmt.

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stern
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 13:41

jepp, das hat mir auch mal jemand berichtet, dass angeblich nie ein Leben ohne Medikamente möglich sein soll... und mit Medikamenten bekommt man jeden platt. Auch meine Thera berichtet mal, dass sie jemanden zum Arzt schicken musste, dass die Medikamente abgesetzt und gewechselt werden... ähnlicher Fall einer Fehldiagnose.

Für Leute, die entsprechende Medikamente brauchen, ist genau dieses Medikament wichtig und effektiv... aber je nach Medi kann eine Medikation auch abschießen (ich habe ein AD, von dem mir eine Pille reicht, dass ich "abgeschottet" bin. Für die einmalige Einnahme passt das mal... aber wenn ich das dauernd nehmen würde, hm, wäre wohl nicht passend... und das ist für mich auch nicht so vorgesehen).

Nicht nur, wenn falsche Medikamente gegeben werden, kann eine Fehldiagnose schädigen (nicht umsonst haben alle Medikamente einen Indikationsbereich)... sondern auch unpassende Therapiemaßnahmen können schaden (bzw. im besseren Fall greift die Therapie nicht)... auch psychotherapeutisch sind (nicht umsonst) bestimmte Indikationen beachtlich. Boa, ganz banal (aber tragisch): Die Arbeit mit den sog. inneren Kind mag vielen Patienten helfen. Wenn ein Patient aber eine andere Disposition hat, die übersehen oder falsch eingeschätzt wird, so kann auch das Gegenteil bewirkt werden: Dass jemand zunehmend "fragmentiert" wird z.B.

Und auch deswegen kann Diagnostik nicht nach dem Prinzip "welche Diagnose gefällt ihnen besonders gut" laufen, sondern ein Therapeut/Arzt hat sich einen validen Eindruck zu verschaffen, wie jemand organisiert ist. Und das halte ich wirklich nicht für leicht. Eine küchentischpsychologische Mutmaßung hinzuklatschen, ist hingegen keine Kunst.
Zuletzt geändert von stern am Mo., 05.10.2015, 13:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Candykills
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 13:52

Für mich ist es nicht irrelevant, ob ich eine Diagnose habe oder nicht. Erstens, weil es für mich wichtig war zu verstehen, warum ich ständig Zeit verliere ect. und wie das alles zusammenhängt. Zweitens - wie Stern schon schrieb - ich dadurch besser auf Medikamente eingestellt werden konnte und Drittens, da es auch an einem Selbst liegt an sich zu arbeiten und da ist es durchaus Hilfreich sich mit Menschen auseinanderzusetzen, die eben die selbe oder eine ähnliche Diagnose haben.

Diagnosen sind halt nun mal in der Regel nicht schön. Ich für mich musste zumindest erst lernen meine Diagnose für mich zu akzeptieren und zu verstehen, was das für mich und meine Zukunft bedeutet. Aber dafür kann ich jetzt auch viel gezielter daran arbeiten. Keine Diagnose wissen wollen, hat für mich auch etwas mit Vermeidung von Eigenverantwortung zu tun.
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 13:53

@ stern: Ja, absolut. Bei waren es mehrere Neuroleptika, die ich nehmen musste (und es war tatsächlich eine Art Zwang in der Klinik, obwohl das keine Psychiatrie war). Ich hab es nicht hinterfragt, hab sehr unter den Nebenwirkungen gelitten, mich aber als böse Patientin gefühlt, wenn ich was davon nicht mehr nehmen wollte. Als ich dann nach der Klinik einen Termin bei einem Psychiater war (das erste Mal, für die Rezepte) und der meine Liste von Medikamenten gesehen hat inkl. der Dosierung, ist er ganz blass geworden. Er meinte, das eine Medikament sei höher dosiert als bei jemandem mit einer akuten Psychose. In der Klinik wurde mir immer erklärt, die Nebenwirkungen würde ich mir einbilden (18 kg Gewichtszunahme kann man sich also einbilden). Aber warum auch immer - ich hab halt der "Autorität" geglaubt. Heute würde mir das nicht mehr passieren. Ich schlucke keine Tablette, deren Nutzen ich nicht selbst erkennen kann.
Bei den Medikamenten fand ich halt krass, dass die wirklich schlimme Auswirkungen auf mich hatten - ich war Mitte 20 und bin wie ein ferngesteuerter und zitternder Zombie durch die Gegend gelaufen. Was ich da an Chemie geschluckt habe, die völlig an meinem Problem vorbeiging...
Bei den Therapien an sich wurde zwar auch am Problem vorbeitherapiert, aber das hat mich in meinem Fall einfach Zeit gekostet. Das ist blöd und ärgerlich. Aber das andere fand / finde ich für mich schlimmer.

Die Dissoziationen waren lt. Klinik psychotische Symptome. Das Stimmenhören hatte lt. Klinik mit Schizophrenie zu tun. Ich hab das Jahre später dort alles richtig gestellt und um einen Termin mit dem Chefarzt gebeten... Das war mir wichtig und damit ist das für mich erledigt. Und zum Glück ging es irgendwann in die richtige Richtung... und ich hoffe, dass ich mit meinem Gespräch Jahre später wenigstens meinen Teil dazu beigetragen habe, dass man dort noch mal darüber nachgedacht hat und ich den Horizont etwas erweitert habe (kann aber auch Wunschdenken meinerseits sein)

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Beitrag Mo., 05.10.2015, 13:59

Candykills, aber das Wissen, WARUM du ein Problem hast, ist für mich wirklich noch mal was anderes als eine Diagnose als Begriff bzw. als Konzept. Für das Wissen, warum du der bist, der du bist, dafür machst du ja die Therapie. Aber das lässt sich sicher nicht in wenigen diagnostischen Schlagworten erklären? Du bist ja nicht nur "Folge eines Ereignisses", sondern du bist ein Mensch mit einer bestimmten Geschichte. Die zu verstehen und aus ihr zu lernen, dazu macht man die Therapie.

Die Diagnose aber reduziert dich auf eine Kategorie. Und das hat wieder Auswirkungen auf deine Eigenwahrnehmung und darauf, wie du Anderen gegenüber auftrittst. Vieles davon geschieht vermutlich unbewusst oder kaum bewusst.

Diagnosen haben eine Macht, die ihnen - eigentlich - nicht zusteht, sondern die ihnen nur zugeschrieben wird. Die Frage ist, warum das so ist.

(Dass die Diagnose für den Behandler wichtig ist, damit er weiß, "wie weit er gehen kann", ist wieder was anderes.)
Zuletzt geändert von leberblümchen am Mo., 05.10.2015, 14:01, insgesamt 1-mal geändert.

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Candykills
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:00

leberblümchen hat geschrieben:
Es ist wohl eine (tabusierte) Norm unter Patienten, dass es gute und schlechte Diagnosen gibt - was übrigens auch eine Kategorie ist, die einem seriösen Psychotherapeuten am Ar.sch vorbeigehen dürfte... Gute Diagnosen sind die, in denen irgendwie ein Begriff aus der Wortfamilie "Trauma" enthalten ist. Wer dieses Urteil bekommt, kann sich mehr oder weniger entspannt zurücklehnen, was das Urteil von außen betrifft. Schlechte Diagnosen sind die, in deren Beschreibung sich eher ungangenehme Eigenschaften finden. In dieser Hinsicht scheinen (!) sich gute und schlechte Diagnosen dann auch auszuschließen. Der gute Patient hat keine negativen Eigenschaften! Der gute Patient leidet und nervt nicht!
Kann in meinen Augen nur jemanden kümmern, der nicht wirklich nen richtiges Trauma erlebt hat. Nen traumatisierter Mensch hat einfach andere Probleme als über die Wertigkeit der eigenen Diagnose nachzudenken.
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:02

Kann in meinen Augen nur jemanden kümmern, der nicht wirklich nen richtiges Trauma erlebt hat. Nen traumatisierter Mensch hat einfach andere Probleme als über die Wertigkeit der eigenen Diagnose nachzudenken
q.e.d.

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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:07

leberblümchen hat geschrieben:
Die Diagnose aber reduziert dich auf eine Kategorie. Und das hat wieder Auswirkungen auf deine Eigenwahrnehmung und darauf, wie du Anderen gegenüber auftrittst. Vieles davon geschieht vermutlich unbewusst oder kaum bewusst.

Diagnosen haben eine Macht, die ihnen - eigentlich - nicht zusteht, sondern die ihnen nur zugeschrieben wird. Die Frage ist, warum das so ist.
Das empfinde ich gar nicht so. Es sorgt dafür, dass eben auch andere Persönlichkeitsanteile berücksichtigt werden bei der Behandlung, trotzdem ignoriert es sicher nicht irgendwelche narzisstischen Wunden einzelner Anteile oder von mir aus bordberlinische oder schizoide Tendenzen oder whatever. Darauf liegt nur eben nicht das Hauptaugenmerk, wie wenn es jetzt eine Schizoide Persönlichkeitsstörung wäre, die einfach anders zu behandeln wäre.

Ich denke es liegt an einem selbst wie viel Macht man der Diagnose auf Dauer zugesteht. Anfangs ist man einfach davon eingenommen, aber wenn man sich damit arrangiert hat, dann ist die Diagnose im besten Fall nur noch ein Teil der Therapie oder der Rahmenteil.

Auch denke ich, dass du deine eigene Diagnose (was immer sie auch ist, das kann ich ja nur vermuten) negativer bewertest, als es vielleicht andere tun - deine Wertung projizierst du auf andere und unterstellst diesen dann ebenso Diagnosen in positiv und negativ zu unterteilen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Therapeutin zum Beispiel Diagnosen so unterteilt, sondern ganz individuell nach Schwere eine Störung beim Individuum, egal um welche Störung es sich nun handelt.
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:11

leberblümchen hat geschrieben:
Kann in meinen Augen nur jemanden kümmern, der nicht wirklich nen richtiges Trauma erlebt hat. Nen traumatisierter Mensch hat einfach andere Probleme als über die Wertigkeit der eigenen Diagnose nachzudenken
q.e.d.
Nja, du bist für mich das beste Beispiel bzw. deine immer wieder ähnlich gearteten Aussagen hinsichtlich Diagnosen. Aber in gewissem Sinne stimmt es natürlich: ich sollte das nicht Verallgemeinern.
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:14

Nein, ich "habe" keine Diagnose (mehr).

Du aber argumentierst genau aus deiner Kategorie heraus: "Nur wer in Kategorie xy fällt, fühlt wie ich. Wer anders fühlt, gehört nicht in meine Kategorie". Das ist genau das, was ich kritisiere, weil es reduziert und damit eher etwas wegnimmt von dir selbst. Indem du in der Kategorie verharrst und sie als Ausgangspunkt nimmst, um das Erleben anderer Menschen damit zu vergleichen, nimmst du Anderen gleich auch noch etwas weg, ohne sie persönlich zu kennen. Damit ist genau das geschehen, was ich hinterfragen möchte: Die Diagnose entscheidet über dein Empfinden und über dasjenige, das du Anderen zugestehst oder zuschreibst. Es ist nur das Konzept, mit dem du argumentierst, nicht irgendetwas, was originär mit dir selbst zu tun hat.

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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:19

Wenn du richtig liest, habe ich gesagt, dass ich das nicht verallgemeinern kann.

Trotzdem denke ich, dass man schon sehr viel Energie über haben muss, wenn man sich immer wieder Gedanken über solche Dinge macht.
Ich kenn durch Klinikaufenthalte genug Menschen mit anderen Diagnosen, die keine offiziellen Traumafolgestörungen sind. Trotzdem können sich diese Menschen ihr eigenes Trauma anerkennen ohne dabei auf mich zu schauen und sich zu denken "der hat's gut mit seiner Traumafolgestörung", was ich für extrem verstörend halten würde. Ich hab es nämlich überhaupt nicht gut.
Eine Störung hat auch sehr viel mit der Persönlichkeit des Individuums, der Resilienz und dann sicher auch mit der schwere des Traumas zu tun. Das sollte auch dir bekannt sein. Umso mehr verwundert es mich, dass du immer wieder auf diesem Thema herumhacken musst.
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stern
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:25

Lena hat geschrieben:Ich hab es nicht hinterfragt, hab sehr unter den Nebenwirkungen gelitten, mich aber als böse Patientin gefühlt, wenn ich was davon nicht mehr nehmen wollte.
Wie soll man sowas auch hinterfragen... Ärzte/Therapeuten sind ja da, um zu helfen und "normal" sollten sie wissen, was sie tun. Also man hat ja "normal" nicht als ersten Gedanken: Ich werde falsch behandelt.

Das hat meine ehem. Thera auch geäußert, dass der Arzt den Kopf schüttelte.

Und da manche Medikamente tatsächlich gewisse Veränderungen bewirken, es dann schwer zu sagen, ob jetzt etwas Medikamentenwirkung ist oder Störung. Als ich das eine AD (und es ist "nur ein AD) mal ein paar Tage in Folge nahm, fühlte ich mich auch wie ein Roboter, etc. (krasses Feeling)... war ein paar Tage gut, abgeschottet zu sein... aber dauerhaft so durch die Welt gehen: nicht vorstellbar. Das beeinträchtigt ja massiv.

Und klar, nach Ansicht manche Ärzte haben Medis natürlich nie Nebenwirkungen.

Gut, dass du an einen Therapeuten geraten bist, der Zweifel hatte und das erkannte. Normal diagnostiziert jeder unabhängig, aber ich denke, wenn jemand unsicher ist, kann man auch jemanden beeinflussen... also der Effekt, dass dem eigenen Eindruck weniger getraut wird als einem Fremdurteil.
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Jenny Doe
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:26

@ leberblümchen
leberblümchen hat geschrieben:Wozu braucht der Psychotherapie-Patient eine Diagnose?
Diese Frage stellt sich einem nicht mehr, wenn man mal die falsche Diagnose bekommen hat und schlussfolgernd auch falsch therapiert wurde. Denn wie man therapiert wird, also mit welchen Methoden man behandelt wird, hängt ab von der Diagnose. Jede Diagnose hat ihren eigenen Behandlungsplan. Meine Erfahrung ist ja bekannt und macht - denke ich - deutlich, warum die (richtige) Diagnose wichtig ist. Falsche Diagnosen können eine falsche Behandlung zur Folge haben und dem Klienten schaden. Es ist ja auch wichtig zu wissen,was der Patient genau hat, bevor man ihm das Bein amputiert, der Patient aber in Wahrheit nur Verstopfungen hatte.

Ich hatte in einem Thread zum Thema "Hochsensibilität" mal ein solches Beispiel beschrieben: Es ist ein Unterschied, ob ein Klient Reize meidet,
weil er Angst hat, sprich eine Angststörung hat
weil er merkt, dass seine Grenze erreicht ist und er sich nicht noch mehr Reizen aussetzen kann (Hochsenbilität HS)
weil Reize ihn triggern und an ein Erlebnis erinnern (PTBS)
weil der Klient aufgrund einer autistischen Störung Reize nicht aufnimmt
....
Je nachdem, welche Diagnose der Klient bekommt, muss er völlig unterschiedlich behandelt werden. Es macht z.B. keinen Sinn (davon kann ich ein Liedchen singen) einen Klienten, der hochsensibel ist, dessen Grenzen erreicht sind, ... im Rahmen einer Angstkonfrontation mit (noch mehr) Reizen zu konfrontieren, weil der Therapeut die HS irrtümlich mit einer Angststörung verwechselt. Wenn der Klient eine HS hat, dann muss er lernen seine Grenzen wahrzunehmen, auf diese zu hören und sich Ruhe zu gönnen. Es resultieren völlig unterschiedliche Behandlungsansätze, obwohl alle Klienten gleichermaßen Reize meiden, aber eben aufgrund unterschiedlicher Diagnosen.

Aus dem gerade gesagten resultiert auch meine Antwort, warum mir die (richtige) Diagnose wichtig ist. Ich möchte nicht mein Bein amputiert bekommen, wenn ich Verstopfungen habe. Ich möchte richtig behandelt und therapiert werden, so dass mir die Behandlung hilft und nicht zur Verschlechterung führt.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:28

Candykills: Nun, hier bist du derjenige, der nicht gelesen hat: Es geht mir überhaupt nicht darum, wie es dir geht. Es geht mir darum, dass jemand, der eine "gute" Diagnose erhalten hat, in eine Kategorie einsortiert wurde, die bestimmte Folgen mit sich bringt. Dazu gehört z.B. ein gewisses Mitgefühl der Mitmenschen, auf das Menschen mit anderen Diagnosen sehr häufig verzichten müssen. Ich glaube, du hast nicht verstanden, dass wir hier nicht über Störungen (Symptome, Leiden usw.) diskutieren, sondern über die Bezeichnung (und damit auch Bewertung!!!) derselben. Was nicht dasselbe ist.


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leberblümchen
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Beitrag Mo., 05.10.2015, 14:33

Jenny, ich meine gar nicht, dass Diagnosen an sich unsinnig sind. Klar, in der Konsequenz ist das natürlich ein Thema, wenn der Patient denkt oder feststellt, dass er falsch diagnostiziert wird. Aber gerade dann ist es umso wichtiger, dieses Ding namens "Diagnose" nicht allzu ernst zu nehmen, insofern die Bezeichnung selbst ja nichts an dir ändern sollte: Nur weil dich jemand als labil bezeichnet, wirst du ja nicht automtisch labiler, sondern erst dann, wenn der, der dich so nennt, auch die Autorität und Macht hat, dies zu tun.

Also wäre "mein" Vorschlag nicht, die Diagnosen abzuschaffen, sondern nur die Macht, die diese auf den Patienten haben.

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